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wenn man behauptet, daß sie die verkörperte Logik sei, so tut man der Logik ein schweres Unrecht. Vielmehr ist die Sprache der verkörperte Widerspruch, und sie kann nach ihrer Entstehung nichts anderes sein. Ihre Verhältnisse sind festgelegt worden zu einer Zeit, wo von Wissenschaft überhaupt noch nicht die Rede war, und alle die unvollkommenen und vorläufigen Ansichten, welche in jenen uralten Zeiten in Geltung standen, als die Sprachformen sich entwickelten, sind in der Sprache versteinert geblieben, wenn sie auch längst aus dem Anschauungskreise unserer Zeit verschwunden sind. Schon die zahllosen Ausnahmen, welche eine jede grammatische Regel aufweist, beweisen die Regellosigkeit der Sprache, während die Logik sich selbst umbringen würde, wenn sie auch nur eine einzige Ausnahme gestatten wollte.

Die Begrenztheit der Zeit gestattet mir heute leider nicht, auf diese Verhältnisse näher einzugehen, und ich muß deshalb mich mit einem Beweis meiner These aus der Erfahrung begnügen. Besteht irgendein Verhältnis zwischen den Sprachkenntnissen und der kulturellen Leistungsfähigkeit? Ich will nicht so weit gehen, den Satz zu verteidigen, daß beide im umgekehrten Verhältnis stehen, daß nämlich jemand, der viele Sprachen erlernt, um so ungebildeter und unfähiger zu wirklicher Arbeit wird. Aber jedenfalls kennt jeder von uns Leute, die verblüffende Sprachkenntnisse haben und daneben weder besonders logisch denken, noch sonst sich irgendwie durch besondere Leistungsfähigkeit auszeichnen. Schauen wir uns doch den typischen Professor der Witzblätter an! Wenn er etwas Bestimmtes vorstellt,

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Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)