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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

ob der Gefolterte freizulassen oder mit der Strafe der Landesverweisung zu belegen sei.[1] Selbst bei einem Ausnahmeverbrechen,[2] als welches die Zauberei im Jahre 1607 längst galt, erscheinen derartige Bestimmungen als überaus harte.

Erzbischof Ferdinand stand mit seiner Hexenfurcht im Klerus der Erzdiözese nicht allein da. Die unbedeutenden Schriften seiner auf die Verfolgung der Zauberer bedachten Zeitgenossen, des Pfarrers Agricola und des Dechanten von St. Severin in Köln, sind im vorstehenden bereits erwähnt worden. Etwas auffälliger Weise stand auch der bekannte Geschichtsfreund Generalvicar Johann Gelenius[3] auf Seiten des genannten Dechanten. Bei näheren Untersuchungen liesse sich wohl die Zahl solcher Anhänger unter den geistlichen[4] Beratern Ferdinands etwas mehren, aber unzweifelhaft hat damals die grosse Mehrheit des niederrheinischen Klerus den Hexenverfolgungen sich ferngehalten. Hierzu mag als nebensächlich angeführt werden, dass manche Kleriker selbst im Verdacht der Zauberei standen und einzelne sogar als Zauberer verbrannt wurden, während andere der verfolgten Hexen öffentlich sich annahmen. Schwerer wiegt der Umstand, dass in der Litteratur und in den niederrheinischen Hexenprozess-Akten kaum jemals von einer andern als von einer rein seelsorgerischen Thätigkeit der Geistlichen bei der traurigen Verirrung der Rechtspflege die Rede ist. Hätte durchgehends der Klerus in Sachen des Hexenwahns die Furcht des Oberhirten[5] geteilt, so hätte die Zahl der Hexenrichter und


  1. Die beigegebene Begründung: quia satius est nuentem absolvi quam innocentem damnari klingt fast wie Hohn.
  2. Nach F. v. Spee (l. c. p. 9) gab es folgende crimina excepta: laesae maiestatis, haereseos, sagarum, proditionis, coniurationis, falsae monetae, latrocinii. Wie K. Binz (a. a. O. S. 97) ausführt, hatte schon bald nach 1584 J. G. Gödelmann die herrschende Ansicht, dass Zauberei ein crimen exceptum sei, entschieden bekämpft.
  3. Ein eigenhändiger Brief von ihm an den Erzbischof Ferdinand vom 9. November 1629 befindet sich im Düsseldorfer Staatsarchiv. (Kurköln–Stadt Köln, Hohes Gericht ad No. 6 Fasc. II.) Da berichtet Gelen, dass ein gelehrter und frommer Mann (gemeint ist der Dechant von St. Severin) zu ihm gekommen sei: qui lamentationem quandam exhibebat animae suspirantis ad deum pro exstirpatione magiae. Ego examinavi rem et aliud in illo contineri quam mera suspiria non reperi.
  4. Unter den kurkölnischen weltlichen Hofräten gab es ebenfalls mehrere Anhänger des Hexenwahns.
  5. Nach K. Ley, Kölnische Kirchengeschichte 1882, S. 531 war Ferdinands Oheim und Vorgänger auf dem erzbischöflichen Throne, [222] Ernst von Bayern, in seiner Jugend der Magie ergeben gewesen. Vielleicht haben somit auch Familien-Erinnerungen die Anschauungen des Kurfürsten Ferdinand ungünstig beeinflusst.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)