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Nomaden circulirt; ist es sogar höchst zweifelhaft, ob die heutigen Juden von Bengasi oder Derna Abkommen jener Juden sind, welche einst so mächtig waren, daß sie alle anders Gläubigen zur Ehre Gottes niedermetzelten; sehen wir auf der Halbinsel des Letheflusses, in diesem Reiche der Todten, wo jeder Schritt vorwärts daran zu erinnern scheint, daß man nicht mehr unter den Lebenden weilt, sogar in der dürftigen Fauna den Gedanken ausgesprochen, daß es den Thieren unheimlich ist, zwischen den letzten Ruhestätten der Menschen hier auf der Erde zu weilen – so erblicken wir andererseits die Pflanzenwelt im heutigen Barka (Djebel-achdar, d. i. das grüne Gebirge) so reich, so jungfräulich, daß, wenn auch Verwüstungen und Abholzungen durch Menschenhand stattgefunden haben, dies keineswegs zu merken ist. Die entzückende Schilderung des Landes von den Alten, das Preisen der Naturschönheiten der Cyrenaica sind nicht im Mindesten übertrieben, und auch hier können wir wieder ausrufen, der Vater der Lügen hat vollkommene Wahrheit berichtet. Kallimachos, der in Cyrene geborene Dichter, andererseits Pindar, sie wissen nicht genug von den Reizen der Gegend zu singen. Alle aber übertrifft Synesios, der Bischof von Ptolemais, der mit glühender Begeisterung die Vorzüge seines Vaterlandes hervorhebt.

Barka bietet heute noch dieselben Producte wie einige Jahrhunderte vor und nach Christi Geburt. Aber die dichten Olivenwälder zeigen jetzt nur verwilderte Bäume, die Feigen sind nicht mehr fruchttragend, die Johannisbrotbäume werfen ihre Schoten unbenutzt zur Erde, und das wohlduftende Holz des Thyia-Baumes wird nicht mehr verarbeitet zu den zierlichen Weintischchen, an denen der Philosoph Aristippos seinen Schülern die Lehren ertheilte: sich weder um die Vergangenheit noch Zukunft zu bekümmern, sich nur mit den Reizen zu beschäftigen, die der Augenblick bietet: das Leben mit Rosen zu umwinden und von diesen nur den Duft einsaugen, ohne je die Dornen zu berühren. Nur eine Pflanze, und gerade die, welche zur Zeit des Unterganges von Pentapolitanien ausgerottet wurde, das Silphium, jetzt von den Bewohnern Drias genannt, blüht wieder überall auf den Stellen, wo es in der Glanzperiode der Römerherrschaft heimisch war, und wenn heute Drias denselben Preis hätte bei uns, wie früher, würde allein deswegen Barka ein reiches Land sein.

Das heutige Barka, ehemals Cyrenaica oder Pentapolitanien genannt, ist[WS 1] türkische Provinz, die zum Baschalik von Tripolitanien zählt. Wie in der Türkei ebenfalls fortwährend organisirt und reorganisirt wird, so wurde Barka im vorletzten Jahre zum Mutasarefia erhoben. Eigentlich aber ist es nur Kaimakamlik und die hier folgenden Kaimakamlikate sind ihrem Wesen nach Mudirate. Sie heißen: Bengasi, Gaigab, Derna, Merdj, Anergehr-District, Mytarba oder Adjedabia und Djalo und Audjila.

Die Gesammtbevölkerung von Barka, welches die Eingeborenen in Barka-el-hamra (das rothe Barka) und Barka-el-beida (das weiße Barka) theilen, beläuft sich auf circa 300,000 Einwohner. Die Grenze vom rothen Barka im Süden bildet die tiefste Bucht der großen Syrte.


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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_371.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)