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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Er schlug sich wüthend vor die Stirn,
     zerraufte sich die Haare:
„Zerschmettern will ich mir das Hirn,
     zerschmettern am Altare.

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Ha, oder stürzen mich in’s Grab,

hier in den kalten Fluß hinab,
     vielleicht seh’ ich Gertruden
     tief unten in den Fluthen.“

„Wer will, des Schicksals Narr zu seyn,

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     sagt an, wer will mich zwingen?“

So wüthet er, und will hinein
     in’s tiefste Wasser springen.
Die Andern halten ihn mit Kraft,
wie sie Verzweiflung ihnen schafft,

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     und zieh’n im raschen Schritte

     ihn zu des Alten Hütte.

Und Berthold bleibt starrtrotzig stehn,
     und krampft die Hand, und jammert:
„Bin ich wahnsinnig? Laßt mich gehn!

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     Was habt ihr mich umklammert?“

Ihm bringt in der Verzweifelung
ein Thränenstrom Erleichterung,
     er weint: „Wo ist mein Lieben,
     wo ist’s so plötzlich blieben?“

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Und wie sie drauf dem Hüttchen nahn,

     bleibt Berthold wieder stehen:
„Sagt, wer von euch will uns voran
     als Unglücksbote gehen?“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 065. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_065.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)