Sonnenkraft-Maschinen

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Autor: Carus Sterne
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Titel: Sonnenkraft-Maschinen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 468–470
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[468]
Sonnenkraft-Maschinen.
Ein Zukunftsbild von Carus Sterne.

Die große deutsche Entdeckung der Einheit aller Naturkräfte, des Gesetzes, daß keine Kraft[WS 1] jemals verloren geht, sondern sich nur, wenn sie zu verschwinden scheint, in eine andere verwandelt, hat in den Augen der Physiker die alten Sonnenanbeter wieder zu Ehren gebracht; denn nunmehr wissen wir, daß nicht nur alles organische Leben unserer Erde, sondern auch jede mechanische Bewegung der unbelebten Stoffe auf derselben von den Sonnenstrahlen geweckt werden muß. Wenn der Gluthball unseres Centralkörpers im Osten emporsteigt, erwacht das Naturleben, welches ohne seine Strahlen nicht gedacht werden kann, und jubelt ihm entgegen. An jedem Orte, den seine durchdringenden Lichtblicke treffen, steigt ein Strom erwärmter Luft in die Höhe, um sich als frische Brise, die unsere Schiffe und Windmühlen treibt, oder als wilder Orcan, der Städte und Landstrecken verwüstet, in die weniger erwärmten Regionen zu ergießen.

An den Oberflächen der Meere verdunsten täglich ungeheure Massen Wasser im Sonnenscheine, um mit der erwärmten Luft emporzusteigen und den ewigen Kreislauf von Neuem zu beginnen, in welchem es, wie der Dichter sagt, der menschlichen Seele gleicht. Nah oder fern vom Ufer fällt es als Nebel, Regen, Schnee oder Hagel zum Boden nieder, nur in letzterm Falle uns den ungeheuren mechanischen Effect des gehobenen Wassers in seiner vernichtenden und zertrümmernden Wirkung sichtbar machend. Außerdem sehen wir nur noch von derjenigen Feuchtigkeit, die sich an den Gebirgen, den eigentlichen Condensatoren der großen Dampfmaschine Erde, niederschlägt, mehr oder weniger unmittelbar die gewaltige Arbeit des von der Sonne gehobenen Wassers, theils in Gestalt thälerausschleifender Gletscher, denen kein Hinderniß widerstehen mag, theils in Gestalt reißender Bergströme, die gerade so wie jene centnerschwere Blöcke in’s Thal wälzen und ungeheure Massen des Berglandes jahraus, jahrein in die Niederung schlemmen.

Aber nicht weniger gewaltig tritt uns die mechanische Arbeit der Sonne entgegen in den Organen der lebenden Wesen, die sehnsüchtig nach ihr emporschauen und zum Theil so fest an ihrem Lichte hängen, daß sie sich, ihrem Scheinwege am Himmelsgewölbe folgend, immerfort herumwenden, um nur keinen ihrer Blicke zu verlieren.

Die Sonnenkraft, welche täglich gebraucht wird, um die Blumen und Blätter allerwärts zu öffnen und zu schließen, ist in ihrer Summirung gewiß sehr respectabel, aber verschwindend gegen die Kraftmasse, welche erfordert wird, um das Wasser von der Wurzel bis in die Kronen der Bäume, wo es centnerweise im warmen Sonnenstrahle verdunstet, hinaufzupumpen. Man hat berechnet, daß sieben Pferde den Tag über arbeiten müßten, um die in dieser Zeit demselben unentbehrliche nöthige Feuchtigkeit in den Wipfel eines mäßigen Eichbaumes zu schaffen. Man überschlage danach, welche Wasserträgerarbeit die Sonne täglich in einem großen Walde verrichtet! Aber die Hebung der Millionen Centner Wasser ist immer nur ein Theil ihrer Arbeit; das Wachsen der Blätter und des Stammes absorbirt ohne Zweifel einen viel größern Kraftaufwand. Abgesehen von den Blättern und Früchten, welche jeder Herbst verzehrt, können wir die mechanische Kraft, welche in der Holzbildung aufgespeichert wurde, ungefähr, freilich nicht ohne bedeutende Verluste, wiedererhalten, wenn wir das Stammholz zur Heizung einer Dampfmaschine verwenden. Ein kleiner Bruchtheil der Sonnenarbeit früherer Aeonen liegt in den ungeheuren Kohlenfeldern des Erdinnern verborgen. Dem Kohlenstoffe, den die Sonne in unabsehbaren Zeiträumen aus der Kohlensäure des Luftkreises abschied, verdanken wir heute die Entlastung unserer Hände durch die Dampfkraft, unsere Reiseschnelligkeit zu Land und Wasser. Es ist die Sonne und immer die Sonne, welche für uns arbeitet.

Aber auch in uns selber, in den Pferden, die unsere Wagen, und dem Ochsen, der unsern Pflug zieht, glüht und arbeitet nur das Sonnenfeuer. Alle Kraft, die wir entfalten, empfangen wir aus der Nahrung, welche die Sonne emporsprießen ließ, unmittelbar, wenn wir Vegetabilien, mittelbar, wenn wir Fleisch, Milch oder Eier genießen. Es ist wahr, Mensch und Thier können anscheinend des Anblicks der Sonne an den Polen halbe Jahre lang entrathen, ohne unterzugehen, aber sie können es doch nur, weil die Sonne im anderen Halbjahre Nahrung für die lange Nacht aufspeichert oder in anderen glücklicheren Regionen wachsen und von den Strömungen des Meeres herbeiführen läßt. Wie ganz anders lesen wir, wenn wir uns diesen Zusammenhang der Naturkräfte klar gemacht haben, die Inschrift jener Personification der Natur in dem Bilde der vielbrüstigen Diana zu Ephesus: „Tiefes Dunkel ist mein Dunkel; zur Sonne blick’ auf, die allein Leben giebt strahlend!“ Gewiß, wir können es den Urvölkern nicht verdenken, daß sie überall die Sonne als das Symbol der Gottheit verehrten, am wenigsten den Bewohnern warmer Striche, die als echte Sonnenbrüder diesem Gestirne alle Arbeit und Sorge für ihren Unterhalt überlassen, welche die Arbeit ihres Lebens gethan haben, wenn sie ein paar Fruchtbäume für die Enkel pflanzen.

Und doch, wie wenig fangen wir von der unendlichen Kraftausströmung der Sonnenstrahlen auf! Das Pünktchen im All, welches wir Erde nennen, erhascht davon im Fluge vielleicht den Bruchtheil eines Billionstel. Alles Andere strömt in den weiten Weltraum. Ja, von dem Wenigen sogar strahlt vielleicht die größere Hälfte Nachts, wenn die Sonne verschwunden ist, in den Weltraum zurück, zum Mindesten in den unbewölkten Nächten, die im Durchschnitt weit in der Majorität sind. Und von dem Reste der Sonnenarbeit, wie wenig wissen wir für uns zu verwerthen! Es ist kein Zweifel, wir könnten Alle auf Divanen liegen, ohne den Finger zu rühren, wenn wir die Sonnenkräfte auszunützen verständen. Ich will nicht sagen, daß ein arbeitsloser Zustand irgendwie wünschenswerth wäre, aber wahr ist es, daß wir die Sonnenkraft nur sehr entfernt ausnützen. Hier und da liegt am Bergstrome, welcher wie ein wildes Thier in’s Thal stürzt, eine Wassermühle oder ein Eisenhammer, und dann und wann trägt die Woge einige Holzflößen in’s Thal. Man hat berechnet, daß die Kraft des Niagarafalles allein mehr Arbeit im Jahre repräsentirt, als alle Maschinen der Welt zusammen. In den Niederungen, wo selbst der Fluß träge schleicht, fiel ehemals alle Arbeit dem Menschenarme und den Hausthieren zur Last. Es waren die Zeiten, wo man darauf sann, wie ein Perpetuum mobile zu construiren sei, welches unaufhörlich gehe und aus sich selber Kraft producire. Heute, wo wir genau wissen, daß von außen alle mechanische Kraft auf unsern Erdball kommen muß, daß selbst in dem Ticktack unserer Taschenuhr und in dem Klopfen unseres Herzens die Sonne nachwirkt, würden wir nicht mehr auf solche Träumereien verfallen.

Die Zahl der Maschinen, welche mehr oder weniger unmittelbar die Sonnenkraft unseren Bedürfnissen anbequemen, hat allmählich sehr zugenommen. Den Wassermühlen folgten die Windmühlen, welche, in dem wasserarmen Kleinasien erfunden, zuerst mit den Kreuzzügen in Europa bekannt wurden; die ältesten scheinen im Anfange des zwölften Jahrhunderts bei uns erbaut [469] worden zu sein – eine große Wohlthat für die Niederungen, die erst durch diese Erfindung wohnlich wurden, eine Erfindung, die nicht blos in Holland, sondern über ganz Norddeutschland Segen brachte. Ich erinnere an den alten Windmühlenberg bei Berlin mit seiner großen geflügelten Schaar. Es war zunächst nur die Arbeit des Zerkleinerns der Körnerfrüchte, zu der sich die Urvölker Reibesteine und Reibschalen bedienten, welche diese Maschinen dem Menschen abnahmen. Bald darauf übernahmen sie auch die Zerkleinerung und Bearbeitung anderer Substanzen, das Zersägen des Holzes, das Walken der Tuche, das Hämmern der Metalle und namentlich das Ausschöpfen des Wassers. Meermühlen, von Küstenströmungen getrieben, gesellten sich allmählich zu den Fluß- und Windmühlen.

Die Erfindung der Dampfmaschine verdunkelte den hohen Werth dieser mittelbaren Sonnenmaschinen, vielfach bis zu einem gänzlichen Aufgeben derselben. Die aufgespeicherten Brennmaterialien, in denen die Sonne der Vorzeit ihre Kraft condensirte, sind es, welche unsere heutige Industrie bewegen. Täglich vervollkommnet, nehmen uns diese Maschinen eine Arbeit nach der andern ab; schließlich giebt es keine Handarbeiter mehr, sondern nur noch Maschinenwärter. Wir wissen, daß der Kohlenbedarf der Erde, auch bei einer bedeutenden Steigerung unserer Industrie, die natürlich nicht ausbleiben wird, auf Jahrtausende gesichert ist. Sind die Lager der alten Welt erschöpft, so verheißt uns Asien, namentlich China, unermeßliche Vorräthe. Freiherr von Richthofen hat in neuerer Zeit auf seinen Reisen in China Kohlenlager von einer solchen Ausdehnung entdeckt, daß sie hinreichen würden, den Bedarf des ganzen Erdballs auf Jahrtausende zu decken. Aber auch der Schatz eines Millionärs erschöpft sich zuletzt, und es läßt sich erwarten, daß das Menschengeschlecht seinen Kohlenreichthum überleben werde. Es ist gewiß sehr müßig, sich schon jetzt mit der Frage zu befassen, was dann kommen werde, aber interessant ist diese Träumerei dennoch. Wie werden wir unsere Maschinen in Bewegung setzen, wenn wir gezwungen sind, die Menge des jährlich nachwachsenden Brennmaterials zur Heizung unserer Wohnungen für den Winter zu reserviren? Die Meisten werden dabei an einen Ersatz durch elektromagnetische Motoren u. dgl. denken, aber dieser Gedanke ist nicht stichhaltig. Denn auch in diesen Maschinen wirkt nur eine verwandelte aufgespeicherte Sonnenkraft (in dem Metalle schlafend, welches, durch Kohle reducirt, in den Batterien aufgelöst wird), und wenn wir keine verwandelte Sonnenkraft mehr zur Verfügung haben, so bleibt eben nichts Anderes übrig, als dieselbe direct zum Betriebe zu benutzen.

In der Regel hat man die Sonnenstrahlen nur zum Austrocknen gefärbter durchfeuchteter Stoffe, zur Salzgewinnung u. dgl. gebraucht und dabei natürlich Feuermaterial gespart; erst die Neuzeit hat sie zur Vollendung bildlicher Darstellungen angehalten, zum Zeichner gemacht. Man kann bekanntlich auch bei Magnesium-Licht photographiren, aber dann bedarf man vorher ein bedeutendes Quantum Kohle (d. h. verwandeltes Sonnenlicht), um das Magnesium darzustellen. Auch die Magnesium- oder elektrische Sonne der Theater ist also nur ein Abglanz der wirklichen Sonne und von ihren Strahlen entzündet. Schon in alten Zeiten hat man einige Male spielend die Sonnenstrahlen direct mechanische Wirkung ersetzen oder ausüben lassen. Das Feueranzünden erforderte bei den alten Völkern, und bei den uncivilisirten erfordert es wohl noch heute, einen bedeutenden Aufwand mechanischer Kräfte. Nur durch anhaltendes Quirlen trockenen Holzes oder durch beharrliches Schlagen des Steins mit Metall gelang es, die nöthige Wärme hervorzubringen, um den Zunder in Brand zu setzen. Der Erfinder des Brennspiegels oder -glases, welche bei den Römern regelmäßig zur Entzündung des Vestafeuers dienten, ließ die Sonne zum ersten Male eine bis dahin mechanische Arbeit verrichten. Noch einen Schritt weiter gingen die Physiker seit dem sechszehnten Jahrhundert etwa, in welchem zuerst kleine Springbrunnen construirt wurden, welche die Sonnenwärme trieb, sei es, indem sie die Luft in einem dunkelangestrichenen Metallbehälter ausdehnte, oder indem die Sonnenstrahlen durch Glaslinsen direct auf den Wasserbehälter concentrirt wurden. Der Pater Kircher will ein solches Maschinchen construirt haben, welches alle Stunden, einer Sonnenuhr gleich, einen kleinen Strahl emporschickte. Das wäre wohl die erste direct wirkende Sonnenmaschine gewesen.

In neuerer Zeit ist dieses Problem im Hinblick auf ernstere Zwecke wieder aufgenommen worden. Verschiedene Physiker haben sich der ungeheuren Massen Sonnenwärme erinnert, die in manchen Ländern mit ewig klarem Himmel ungenützt verloren gehen, denn der Boden, welcher dort am Tage so heiß wird, daß man ihn kaum mit nackten Füßen zu betreten wagt, strahlt während der Nacht alle diese Hitze wieder in den Weltraum hinaus und wird eisig kalt. Ein kaum denkbares Maß von Kraft geht hier völlig ungenützt für uns verloren. Und es wäre vielleicht gar so schwer nicht, diese Sonnenstrahlen zur Arbeit anzuhalten.

Der französische Physiker Mouchot hat bereits im Jahre 1869 eine kleine Dampfmaschine construirt, deren einziger Feuerherd die Sonne war. Der wesentliche Theil derselben bestand aus einem mit Wasser gefüllten Kupferkessel, welcher durch einen großen Brennspiegel eigenthümlicher Construction erwärmt wurde. Derselbe war außen geschwärzt und rings in einigem Abstande mit einem gläsernen Mantel umgeben. In diesem gläsernen Mantel liegt der geniale Gedanke der Construction. Während sich nämlich ein geschwärzter Kessel viel stärker in den Sonnenstrahlen erhitzt als ein heller oder metallglänzender, strahlt er eben deshalb diese Wärme sehr leicht wieder auf seine Umgebung aus. Nun hat aber Glas die Eigenschaft, nur die hellleuchtenden, nicht aber die dunklen Wärmestrahlen passiren zu lassen, jener Mantel hält also die glücklich eingefangene Wärme vollständig fest. In alten physikalischen Cabineten sieht man zuweilen noch einen Apparat, der aus einem kleinen Tiegel besteht, über welchen eine große Anzahl klarer Glasglocken, eine immer einige Linien weiter als die andere, gestülpt war. Diese Vorrichtung hinderte die Wärmeeinnahme aus den leuchtenden Strahlen so wenig (weil nämlich die inneren Glaswände Alles durchlassen, was die erste durchgelassen hat), die Ausgabe aber so vollkommen, daß dieser Apparat, einfach in die Sonne gestellt, ohne Mithülfe einer Linse oder eines Brennspiegels auf seinem kleinen Herde eine solche Ansammlung der Sonnenhitze hervorbrachte, daß dort die schwerschmelzbarsten Metalle schmolzen. Eine Vermehrung der Glashüllen nach dem Principe dieses sogenannten Feuer- oder Wärmesammlers könnte vielleicht auch bei einem größern Kessel den Brennspiegel entbehrlich machen, der sonst durch einen complicirten Mechanismus dem Sonnenlaufe angepaßt werden müßte. Mouchot berechnete seiner Zeit, daß es leicht sein würde, mit solchem Apparate mehrere Pferdekraft Arbeit zu leisten, doch habe ich seitdem nichts weiter davon gehört.

Dagegen stellte in dem Octoberhefte 1873 von Poggendorff’s[WS 2] Annalen der Physik ein anderer Naturforscher, Gustav Adolph Bergh in Drontheim, einen wesentlich andern Plan zur Einrichtung einer solchen Sonnenmaschine auf.[WS 3] Er verwirft die Anwendung des Wassers zur Dampferzeugung in derartigen Maschinen, weil der hohe Siedepunkt desselben immer einen bedeutenden Wärmeverlust zur Folge habe. Statt desselben müsse im Kessel der Sonnenmaschine eine bei geringer Temperatur-Erhöhung siedende Flüssigkeit, wie z. B. Methyläther, Methylchlorid, schweflige Säure etc. zur Dampfbildung verwendet werden. Die schweflige Säure würde, wenn der Bedarf da ist, in Schwefelkiesgegenden zu einem sehr geringen Preise in großen Mengen herstellbar sein und könnte in vernieteten Metallkesseln versandt werden. Um mit dieser Flüssigkeit, die bereits bei zehn Grad unter Null siedet, bei hellem Sonnenschein in zweckmäßig construirten Kesseln eine Dampfspannung von drei Atmosphären und darüber zu erlangen, bedarf es keiner Brennspiegel und ähnlicher Vorrichtungen, die selber einer Maschinerie bedürfen, um dem Gange der Sonne zu folgen. Natürlich würde die schweflige Säure nach ausgeübter Wirkung immer wieder aufgefangen, verdichtet und dem Sonnenkessel von neuem zugeführt werden. Herr Bergh glaubt, daß eine solche Maschine, die es erlaubt, die geringsten Temperaturschwankungen zu einem mechanischen Effecte auszunützen, auch in unsern Breiten mit Vortheil arbeiten würde, namentlich wenn man sie mit einer Heizvorrichtung ausstattete, um sie auch bei bewölktem Himmel in Thätigkeit erhalten zu können. Sie würde im Winter mit nicht geringerem Vortheile arbeiten, da alsdann die Verdichtung des Gases durch Eisvorrath erleichtert werden würde, womit reichlich die geringere Kraft der schräger auffallenden Sonnenstrahlen aufgewogen werden dürfte.

[470] Viele meiner Leser werden ohne Zweifel das Capitel von den Sonnenmaschinen zu den aussichtslosesten Träumereien zählen. Vor dem Jahre Tausend dachte Niemand in Europa an Windmühlen, dann haben sie Jahrhunderte hindurch großen Nutzen gestiftet und sind nun in den meisten Ländern am Aussterben. Jetzt leben wir im Jahrhunderte der Dampfmaschinen, und auch ihre Zeit wird kommen. Jedenfalls erscheint der Gedanke einer directen Benutzung der Sonnenstrahlen als bewegende Kraft vollkommen als rationell, sobald wir uns nur erinnern, daß wir alle unsere Maschinen mit Sonnenkraft speisen. Ich habe mir oft in Gedanken das nachbarliche Verhältniß zwischen Wind-, Wasser- und Sonnenmüller im Wechsel der Jahreswitterung ausgemalt. Man denke sich den Neid der nicht mahlenden naßkalten Brüder gegen den heitern Sonnenbruder bei vierwöchentlichem ungetrübtem Sonnenscheine und dreißig Grad Hitze!

Aber während unsere Ingenieure über die zweckmäßigste Construction einer Sonnenmaschine noch in Ungewißheit sind, ist eine Mondmaschine kürzlich von einer französischen Gesellschaft zu St. Malo, Zeitungsnachrichten zufolge, dem Betriebe übergeben worden. Es scheint also nicht ganz richtig, wenn ich oben sagte, alle Bewegung auf unserer Erde werde durch die Sonne angeregt, denn auch der Mond hat daran Antheil, als Erzeuger der Ebbe und Fluth. Allein ursprünglich stammt auch diese Kraft, ebenso wie die eigene Bewegung der Erde, aus der Sonne, soweit wir mit Masse und Bewegung ein Theil derselben sind. Die Ingenieure hatten sich nun bereits längst darüber geärgert, daß der ungeheure Krafteffect der Ebbe und Fluth höchstens dazu benutzt werde, die Schiffe in den Hafen hinein und aus demselben herauszuführen, und man hatte auch wohl an einigen Küstenpunkten Meermühlen angelegt, die mittelst einer Schleußenvorrichtung erst die herankommende Fluth ihr Wasserrad treiben lassen und dann während der Ebbezeit mit aufgestautem Fluthwasser weitermahlen, aber das ist, wie der Ingenieur F. Tommasi in Paris gezeigt hat, keine rationelle Benutzung des außerordentlichen Krafteffectes, der selbst da, wo er in seiner größten Leistungsfähigkeit auftritt und die Fluthwelle wie bei St. Malo achtzig Fuß Höhe erreicht, bisher ungenützt verloren ging. Tommasi hatte ein großes Modell seiner Ebbe- und Fluthmaschine in einer Seitenhalle des Maschinensaals der Wiener Weltausstellung zur Anschauung gebracht. Es handelt sich hierbei um große Windkessel, in denen die Luft durch die Fluth zusammengepreßt, durch die Ebbe verdünnt, und damit eine Kraft gewonnen wird, die man durch Röhren beliebig weit fortleiten kann. Auch das sind Zukunftsmaschinen, über die man nicht absprechend urtheilen möge. Es ist das Schicksal aller großen Entdeckungen, mit Kopfschütteln aufgenommen zu werden.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist die Energieerhaltung. Der Begriff der Kraft war damals noch mehrdeutig.
  2. Vorlage: Poppendorff’s
  3. Gustav Adolph Bergh: Ueber die Anwendung der Sonnenwärme als mechanische treibende Kraft. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 225, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1873, S. 591 Quellen