Stunden der Andacht/An den letzten Tagen des Laubhüttenfestes

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« An den ersten Tagen des Laubhüttenfestes Stunden der Andacht Am Thora-Freudenfest »
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An den letzten Tagen des Laubhüttenfestes. (Schemini Azereth.)

„Freue dich an deinem Feste.”
 (5. B. Mose 16, 14.)

Mit dem heutigen Tage beschließen wir das Laubhüttenfest und mein Herz erhebt sich zu dir, Allgütiger, um dir zu danken für jede frohe festliche Empfindung, die du mich hast fühlen, für jeden frohen festlichen Genuß, dessen du mich hast theilhaftig werden lassen.

Wir sind in Hütten gesessen, wie du geboten, und haben ungestört und in Frohmuth unsre Festmahle darin eingenommen und mit frommen festlichen Gefühlen beim Freudenbecher, deinen Namen geheiligt und gepriesen. Wir verlassen nun diese Hütten und ziehen ein in unsre festen Wohnungen mit allen ihren Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten. Mögest du auch das Obdach deines Friedens, über uns breiten, mögest du es uns nie vergessen lassen, daß du allein unsres Hauses Stütze und Säule, unseres Lebens Schutz und Schirm bist, daß du es bist, der da segnet Feld und Flur, Tenne und Kelter, daß du unser Erdenleben schmückest mit den Gaben deiner Huld und die Pforten deiner Himmelswohnungen uns aufthust, wenn unsre Leibes- und Lebenshütte hienieden über uns zusammensinkt.

Eine Laubhütte wohl ist unser Leben, grüne Hoffnungsblätter bilden das Dach, die Wände überkleidet von Schmuck und Zierde, der Tisch gedeckt mit einladenden lockenden Genüssen. Wohl begehen wir darin heitere Feste, und blicken fröhlich hinaus in [67] die freundliche Natur, aber gar oft trübt sich der Himmel, und mitten in unsern fröhlichen Mahlen, mitten in unsern festlichen Freuden durchdringen uns plötzlich die kalten Schauer des Mißgeschickes, fallen schwere Tropfen bittern Leidens und Weh’s auf uns nieder; durch das heitere frische Laubgewinde unsrer Hoffnungen fährt der rauhe Nord, entblätternd und zerstörend, und an den Wänden und Säulen unseres Glückes rüttelt und schüttelt der Sturm, eine Freudenblume nach der andren fällt entblättert zu unsern Füßen nieder, ein Lebensschmuck nach dem andern geht verloren, tiefes Weh durchzieht unsre Seele und wir glauben uns preisgegeben dem Unbille des Schicksals. Da ist es unser einziger Trost, daß unser ganzes Leben nur ein Hüttenfest ist, das nur wenige Tage dauert. Bald bricht die Erdenhütte über uns zusammen, es fällt unsre irdische Hülle nieder, und unsre Seele kehrt zurück in die unvergänglichen Wohnungen des Himmels; zurück bleiben alle irdischen Freuden, die meist so unbefriedigend sind, die stets noch so Vieles zu hoffen und zu wünschen übrig lassen, zurückbleiben alle Erdennöthen, alle Erdensorgen und Erdenleiden, mit aber nehmen wir all unsre Thaten und Werke, alle Liebeshandlungen, die wir hier geübt, alle Opfer, die wir dem Guten und Edeln gebracht, all die Thränen, die dankbare Herzen uns nachweinen. Sie bilden den Schmuck und den Glanz unsrer himmlischen Wohnungen, der nie verbleicht und nie vergehet. Dort reifen unsre Hoffnungen zur glänzenden Frucht, dort erblühen unsern Verdiensten ihre Kronen, dort verklären sich all unsre Leiden in endlose Freuden.

Dies Alles laß uns gedenken, mein Gott, daß es uns zur Lehre und zum Heil gereiche auf unsrer Erdenbahn, daß wir uns nie niederdrücken lassen von des Unglücks schwerer Hand, daß wir uns nicht überheben in des Glückes Glanz und Strahl, daß wir nicht um den Schmuck der flüchtigen Hütten hingeben die Herrlichkeiten des ewigen Seins, und unser Wandel stets ein reiner, heiliger, dir gefälliger sei und bleibe. Amen.