Stunden der Andacht/Gebet auf einem Kurplatze

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« Gebet einer kränkelnden Person Stunden der Andacht Gebet im höheren Alter »
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Auf einem Kurplatze.
I.

„Schöpfet Wasser mit Freuden an den
Quellen der Heilung,
Doch beim Ewigen ist die Hilfe.”
 (Jes. 12, 3.)

Groß sind deine Werke, Herr, die ganze Erde ist voll von deiner Güte. Du hast für jeden Schmerz einen lindernden Balsam, für jede Wunde ein heilendes Kraut geschaffen. Bald finden wir den Segen im sprudelnden Quell, der aus hartem Fels uns entgegenrinnt; bald wächst er für uns auf blumigen Fluren empor, bald blühet er uns auf der Berge Höhen, bald wieder wird er aus tiefem Schacht gegraben. – Doch beschränkt ist der menschliche Verstand, seine Einsicht so schwach, und gar oft sucht er vergebens, was ihm wohl und noth thut; es blühet zu seinen Füßen und er kennt es nicht, es grünet über seinem Haupte und er weiß nichts davon.

O, mein Gott, möchte ich hier den Balsam finden für meine Wunde. Möchte deine Güte sich an mir bewähren, daß der Gesundheit kostbarer Schatz mir hier zu Theil werde, und ich befreiet von meinen Leiden heimkehre zu den Meinen, um mit fröhlichem Herzen, mit heiterer Seele und allen meinen Kräften wirken und schaffen zu können, zur Freude und zum Heil meiner Angehörigen, zum Segen meiner Mitmenschen, und zu deiner Ehre und deinem Wohlgefallen, mein Gott und Herr. Amen.

II.

Allgütiger Gott! So Vieles habe ich zu erbitten von deiner himmlischen Gnade; doch Eins ist es, was vorzüglich sich auf meine Lippen drängt, eine Bitte, die ich vor Allem zum Throne deiner Allmacht emporschicke – die heiße Bitte um Wiedererlangung und Rückkehr meiner Gesundheit! Ich habe meine Heimath, meinen häuslichen Heerd, den Kreis meiner Lieben, meinen Gatten, meine Kinder – meine gewohnte Thätigkeit verlassen, um hier im Schooße deiner wunderwirkenden Natur Heil und Genesung zu [119] finden für mein Weh. O, laß meine Hoffnung nicht zu Schanden werden, laß mich nicht vergeblich an die Pforten deiner Gnade pochen. Sende mir den Engel der Genesung, wie da geschrieben steht: „Die Gott anrufen, die erhört er, und schicket sein Wort, daß sie genesen,“ daß ich wieder einmal das selige Gefühl der Gesundheit koste, das so lang entbehrte Glück des Wohlbefindens; daß ich mit voller, ungetrübter Seele mich wieder erfreuen könnte an dem Anblick deiner herrlichen Schöpfung, und mit neuem Leben, mit neuer Liebe, mit frischer Kraft und frischem Muth mich wieder den Pflichten meines Berufes widmen könnte.

Erhalte mich, mein Gott, und leite mich, daß ich stets so lebe, wie es zur Hebung und Förderung meiner Gesundheit dienlich ist. Stehe mir bei, und stärke mich, daß ich standhaft genug sei, Allem zu entsagen, was dem Werke meiner Genesung nachtheilig sein könnte, daß nicht irgend ein lockender Genuß, eine schädliche Begierde oder eine Aufregung des Gemüthes wieder das zerstöre, was ich mit so vielen Mühen und Wehen errungen. Heile uns, Gott, und wir sind geheilt, hilf uns, und es ist uns geholfen, denn du bist unser Ruhm, unsre Hoffnung und unsre Stütze immerdar. Amen.