Stunden der Andacht/Gebet beim Eintritt in das Gotteshaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
« Vorwort des Verlegers Stunden der Andacht Am Morgen »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
[1]
Gebet beim Eintritt in das Gotteshaus.

„Eine feste Burg ist unser Herr,
Dorthin flüchtet sich der Fromme,
     und geschützt ist er.”
 (Sp. 18, 10.)

Sei mir gegrüßt, du heiliges, stilles Haus, du freundlicher Tempel des Herrn! Seid mir gesegnet, ihr geweihten Hallen! Hier wohnt und thront der Herr unter uns, hier strahlet mir entgegen die Glorie des Allmächtigen, umschwebet mich seine Weihe, seine Heiligkeit!

Niedergebeugt und gedrückt von den Kümmernissen des Lebens betrete ich diese Schwelle, und siehe, ein höherer Geist ziehet in mein Herz ein, es schwindet die Sorge, und die Beklommenheit meiner Seele weicht dem inbrünstigen, thränenreichen Gebete, das meinen Lippen entströmt. „Ja hier ist eine Stätte Gottes, und hier eine Pforte, die zum Himmel führt.” Ueberall bist du, mein Gott, mir nahe, doch hier am nächsten! Hier fühle ich mich geborgen und gesichert unter deinem Schutze, mein himmlischer Vater! Hier fühle ich mich geschirmt vor des Lebens Anfeindungen und Versuchungen, hier bringt meine Seele dir ihre Opfer, weihet ihr Leben dir, ihrem Hort und Schöpfer, offenbart dir alle ihre tiefsten Wünsche, ihre verborgensten, geheimsten Regungen.

Draußen im Gewirr und Gewühle der Welt, da steht das Leben mit all seinen Lockungen und Verführungen, mit all seinen Hemmnissen und Beschwernissen, gleich einer Scheidewand zwischen meinem Herzen und dir, meinem Gotte, aber mit dem Eintritte in diese stillen, einsamen, heiligen Räume fällt die Scheidewand, stürzt die Schranke zusammen, und meine Seele erhebt sich zu dir voll Innigkeit und Inbrunst, voll von den heiligen Schauern der [9] Andacht. Ich fühle mich reiner und besser, denn die Tugend und die Religion erscheinen mir hier in ihrer hehren, himmlischen Gestalt, in ihrer ewigen, unvergänglichen Majestät. Es erweitert sich mein Herz, es wird hell in meinem Innern, es heiligen sich alle meine Gedanken und Gefühle, es fliehen die sündigen Neigungen, und machen Platz den Trieben zum Guten, Edlen und Hohen. O, daß diese Gefühle, dieser lichtvolle Aufblick zu dir, mein Schöpfer, nimmer in mir sich trüben, und die Weihe und Heiligung, die hier in mein Herz sich ergießt, auch auf mein Leben in der Außenwelt sich erstrecken möge, daß diese Stunde mir werde eine Stunde der Segnung und Begnadigung, eine Stunde der Erhörung und Gewährung, vor dir, Gnadenvoller, Allerbarmer! Amen.