Stunden der Andacht/Gebet einer Dienenden

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« Gebet einer Unbemittelten Stunden der Andacht Gebet um Geduld und Kräftigung im Leiden »
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Gebet einer Dienenden.

„Nährst du von deiner Hände Arbeit dich,
Heil dir, es wird dir wohl ergehen.”
 (Ps. 128, 2.)

Allmächtiger! Nicht zum Müßiggange hast du den Menschen auf Erden gesetzt, sondern daß er arbeitsam und betriebsam sein Brod im Schweiße seines Angesichtes sich erringe. Aber mehr noch als viele Andere bin ich berufen zum Fleiß und zur angestrengten Thätigkeit, denn dir, o Gott, hat es nicht gefallen, mir den Born des Reichthums zu erschließen, woraus man schöpft, so oft man braucht, und so mit leichter Mühe seine Bedürfnisse befriedigt. Arm bin ich und stützlos, Alles, was ich bedarf, muß ich mir erst mit eigener Hand erwerben. Doch du bist ja der Allgütige, du verlässest keines deiner Geschöpfe, du gibst dem Thiere auf dem Felde seine Nahrung, den jungen Raben, wonach sie schreien, und du wirst auch mich nicht verlassen, wirst auch meine Stimme hören, wenn ich dich anrufe. Darum will ich nie verzagen, will immer hoffend auf dich schauen, und mit frohem Muthe meinen Aufgaben und Pflichten nachkommen. Laß, Allgütiger, mich nur stets erfüllt sein von frischer Arbeitslust und Liebe; laß mit jedem Morgen in mir neu erwachen den frommen Wunsch und den festen Willen, mein Leben einer steten, dir wohlgefälligen Thätigkeit zu widmen. Verleihe mir, Allvater, hierzu die erhöhete Kraft und Rüstigkeit des Körpers und des Geistes, damit ich in der Erfüllung meiner Aufgabe nicht ermatte und ermüde. Verleihe mir einen frommen, bescheidenen Sinn und ein demüthiges [110] Herz, daß ich meinen Eltern fortwährend ein gutes, ehrfurchtsvolles Kind sei, und stets ehrerbietig, ergeben und treu mich gegen diejenigen bezeige, unter denen ich stehe und aus deren Hand ich meinen Lebensunterhalt empfange. Laß mich dadurch in ihren Augen Liebe und Wohlgefallen finden, und bei allen Menschen diejenige Zuneigung und Achtung, die Jeder, auch der Aermste und Geringste, sich durch einen gottgefälligen, bescheidenen und tadellosen Wandel erringen kann, und die gerade der Reiche oft durch ein hochmüthiges und kränkendes Wesen verliert. Aber vor Allem, Allvater, versage mir deine Liebe nicht; laß aus Allem, was ich beginne, deinen Segen ruhen. Stehe mir bei, daß ich niemals einer Versuchung zum Schlechten unterliegen möge, wie lockend auch die Gelegenheit sich mir dazu darbiete, und leite mich mit deinem Rathe auf den Weg des Rechts und der Unschuld, der allein zur Ehre führt und zum Heile. Amen.