Stunden der Andacht/Gebet während einer Seefahrt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
« Gebet nach überstandener Gefahr Stunden der Andacht Gebet während eines Seesturmes »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
[123]
Während einer Seefahrt.

„Die in Schiffen gehen aufs Meer,
In den mächtigen Gewässern ihre Gewerbe treiben;
Die schauen die Werke Gottes und seine
Wunder in den Tiefen.”
 (Ps. 107, 23, 24.)

Ewiger, allmächtiger Schöpfer der Welt! Mit Bewunderung und Anbetung verliert sich mein Blick in diese Unermeßlichkeit, die sich vor mir ausdehnt! Unter diesen wogenden Gewässern, in dieser schauerlichen Tiefe bewegt sich eine Welt von Wesen, ruhet eine unergründliche Anzahl von Wundern; und alle diese Wesen, und alle diese Wunder, die da unten ihre Heimath haben, nennen dich, o Gott, ihren Vater und Meister; sie preisen deinen Namen und rufen deinen Ruhm und deine Größe zum Himmel hinauf, der darüber sich hinzieht in seiner Majestät mit seinen Myriaden von Sternen und Welten, deren Glanz- und Lichtgebilde in des Meeres glatter Fläche sich tausendfach abstrahlen und widerspiegeln.

Mein Gott, wie fühle ich mich so klein, so unbedeutend in dieser unermeßlichen Schöpfung! Voll Demuth und Zagen frage ich mich: Was bin ich in diesem grenzenlosen All, unter dieser [124] Unzahl von Welten und Geschöpfen? Was ist der Mensch, o Gott, daß du seiner gedenkest, auf ihn deinen Blick herniedersenkest?

Und dennoch hast du ihn über Alles erhoben, hast ihn

„Mit Ruhm und Ehr’ und Herrlichkeit geschmückt;
All deine Werke er beherrscht, besiegt,
Die ganze Schöpfung ihm zu Füßen liegt.
Gewild und Schaaf und Rind – ihm unterwürfig sind,
Der Vögel rasches Heer – die Fische in dem Meer;
Selbst über Meeres Wogen – erbaut er sich der Brücke Bogen.”

Ja zum Herrn der ganzen Schöpfung hast du ihn eingesetzt; selbst dem mächtigen, Ungeheuer bergenden Meere gebietet er, und macht sich aus seinen Fluthen einen Pfad, der ihn trägt und sein Hab und Gut.

Doch all diese Meisterschaft des Menschen, sie beruhet in deiner Gnade, mein Gott, und in deiner Allliebe. Deine Hand, die trägt ihn und hält ihn, ob er dahinzieht über Berg und Thal, ob über des Meeres Wogen und Wellen; dein Licht erleuchtet ihn, deine Macht stärkt ihn, in deinem Glauben findet er die Weisheit und die Kraft zu siegen über Gefahr und Noth, über Sturm und Wogen. Doch ein Wink von dir, und es erbebt und wankt die Erde, und mit ihr der Erdensohn, es erheben sich gegen ihn die Höhen und die Tiefen, und er und sein ganzes Reich ist dahin! –

O möge deine Gnade nimmer von mir weichen, und mir beistehen auf dieser gefahrvollen Fahrt. Und wie du die Arche Noahs auf dein Rücken mächtiger Gewässer dahin geleitet, so mögest du auch dieses Schiff, das mich und meine Gefährten trägt, mit deinem allmächtigen Schutze umgeben, es sanft dahingleiten lassen über stille, ruhige Gewässer, daß es gehoben und getragen von den Flügeln eines milden und günstigen Windes uns sicher und ungefährdet zum gewünschten Ziele führe. Amen.