Till Eulenspiegel in Hamburg

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Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Till Eulenspiegel in Hamburg
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 98–100
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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[98]
39. Till Eulenspiegel in Hamburg.
(Vor 1350.)

Nachdem das „fromme Kind“ des Dorfes Knettlingen, der weltbekannte Schalksnarr Till Eulenspiegel, den Ehrbaren Rath zu Lübeck so listig angeführt hatte, daß er ihn vom Galgen laufen lassen mußte, kam er nach Hamburg, der guten Stadt, wo er bis dato noch Niemand genarret. Trat auf [99] den Pferde-Markt, wo die Holzbauern standen und schaute sich um. Da kam ein Meister Barbier zu ihm und fragte, was er für ein Handwerksgesell wäre? Eulenspiegel antwortete: grad’ heraus gesagt, ein Barbier. Da dingte ihn der Meister und sprach: An diesem Markte wohne ich, dort in dem Hause, wo die großen Fenster sind, da geh’ nur hinein, ich will bald nachkommen. Eulenspiegel sagt Ja, und geht zu dem Hause gradaus mitten durch das Fenster hinein in die Stube und sagt: Grüß Gott und das Handwerk. Des Bartscherers Frau saß in der Stube und spann, die verschrak sich übel und sprach: Was führt dich der Teufel da herein? Kannst du nicht zur Thüre hereinkommen? Eulenspiegel sprach: Liebe Frau, zürnet nicht, Euer Hauswirth, der mich als Gesellen gedinget, hat mich das geheißen. Sie aber schalt: Das ist mir ein saubrer Geselle, der seinem Meister Schaden zufügt. Er antwortete: Soll der Gesell nicht thun, was ihn der Meister heißt? Indem kam der Meister und sprach: wie Gesell, konntest du nicht zur Thüre eingehen und mir die Fenster ganz lassen? Lieber Meister, sprach Eulenspiegel, Ihr hießet mich da hineingehen, wo die großen Fenster seien, darnach that ich gehorsam Eurem Gebot. – Der Meister schwieg still, denn er bedurfte eines Gesellen, dachte auch wohl, durch ihn die Kunden besser zu bedienen und am Lohn ihm den Schaden abzuziehen; befahl ihm darauf die Scheermesser zu schleifen, und sprach: schleif sie glatt aus dem Rücken gleich der Schneide. Da schliff Eulenspiegel den Messern den Rücken so scharf wie die Schneide, so daß sie an beiden Seiten haarscharf wurden. Als nun der Meister sah, wie Eulenspiegel ihm alle Messer verdorben, sprach er zornig: das wird nicht gut. Eulenspiegel aber meinte: wie sollt’s nicht gut werden, ihnen thut’s nicht weh, und ich mach’ es, wie Ihr mich geheißen habt. Da ward der Meister noch zorniger und sprach: [100] du bist ein arger Schalk, geh’ straks wieder hin, wo du hergekommen bist. Eulenspiegel sprach: Ja, wir können doch nicht ewig beisammen bleiben, sprang also hurtig zum Fenster wieder hinaus, wo er hereingekommen war, daß die Scheiben klirrten. Da ward der Bartscherer fast wüthend, und lief ihm nach mit dem Büttel, der ihn greifen sollte, daß er die zerbrochenen Fenster und die verdorbenen Messer bezahlen möchte. Eulenspiegel aber dachte: für diesmal ist’s genug mit Hamburg; lief behend und hurtiger als Meister und Büttel, kam an den Hafen, sprang in ein Schiff, das grade abfuhr, und entkam also glücklich.

Hernach ist Till Eulenspiegel niemals wieder in Hamburg gewesen. Ob er den Barbierer und dessen Schadensklage so gefürchtet, oder ob er gemeint, in Hamburg seien die Leute doch zu klug für seine Ränke und Schwänke, und verstünden keinen Spaß, auch die Büttel zu unhöflich, der Gerichtsherr zu dreist und die Ehrbaren Wohlweisen minder bedachtsam, denn die Lübecker Herren, – genug er ist wohl später oftmals „am letzten Heller“ gewesen, aber endlich nach Mölln gegangen, wo er bekanntlich (1350) unter unsäglichen Schalksstreichen gestorben ist und begraben liegt. Und die Möllner, die er doch lebend garstig gedrangsalt hat, ehrten ihn im Tode, als einen großen Mann, und waren so stolz auf ihn, daß sie dem Cardinal Raymundus, welcher um 1503 als päbstlicher Legat durchs Land zog und nach Mölln kam, fleißig anlagen, daß „de olle Herr“ canonisirt würde und als Heiliger in den Kalender käme. Dem Cardinal haben aber wohl Eulenspiegel’s Ansprüche auf den Heiligenschein etwas bedenklich geschienen, genug, er hat „nicht gemöcht.“

Anmerkungen

[378] Aus dem bekannten Volksbuch; in der Simrock’schen Ausgabe die 72ste, in der Marbach’schen die 89ste Historie. Die gewünschte Canonisirung erzählt Deecke, Lübeck’sche Geschichten und Sagen S. 123.