Topographia Braunschweig Lüneburg: Hameln

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Topographia Germaniae
Hameln (heute: Springe)
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Hämelschenburg
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 98–100.
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Hameln.

Die Statt Hameln / zum Fürstenthumb Calenberg gehörig / hat für viel vnd langen Jahren ihren Vrsprung genommen / dann als Wetekindi, deß Königs der Sachsen / naher Blutsverwandter / Bernhard / Graff zu Angarien / sampt seiner Gemahlin / Gräfin Christina / so durch S. Bonifacium zum Christlichen Glauben bekehret seyn sollen / das bey der Hamelaw gestandene Götzenhauß Jovis zerstöret / vnd an dessen statt die Münster oder Stiffts S. Bonifacii Kirche / worin noch anjetzo vnter einem Probst vnd Decano, ein Collegium Canonicorum, Augspurgischer Confession zugethan sich befindet / im Jahr Christi 712. gebawet / dieselbe auch / zusampt dem domals dabey ligenden Meyerhoff / dem Stifft Fulda verehret / ist solche Donation von dem Keyser Carolo Magno nachgehends bestättiget / vnd der Meyerhoff bey der Hamelaw / wegen erbaweter Collegiat-Kirchen / mit der Zeit Volckreich worden / so / daß auß denen da herumb ligenden zehen Dörffern die Statt Hameln erbawet / vnd von ihren (domahligen) Herrn mit Freyheiten begnadet worden. In selbiger Kirche / hinter dem Altar / findet man in einem Stein gehauen diese Wort: Bernhardus Comes, Christina Comitissa Regni Angariae de Osten fundarunt hanc Ecclesiam: womit auch diese zwey alte Verß überein stimmen:

Septingentenis annis Domini duodenis
Conditur in densis Ecclesia tunc Hamelensis.

Als nun die Statt Hameln von Jahren zu Jahren zugenommen / hat der Zeitliche Abbt von Fulda / Anno 1259. dieselbe wider dero Einwohner Willen / Bischoff Wedekindo zu Minden zu verkauffen sich vnterfangen / wie aber der Bischoff die Statt mit Gewalt ihm vnterwürffig machen wollen / hat dieselbe sich vnter Hertzog Albertum M. zu Braunschweig vnd Lüneburg / als ihren Landesfürsten vnd Erbherrn begeben / welcher sich deren Fürstlich angenommen / vnd alle derselbigen Jura confirmiret / gestalt dann die in der Regierung folgende Herren Hertzogen dieser ihrer Erbstatt ihre Jura vnd privilegia ad tenorem confirmationis Ducis Alberti bestättiget.

Es ligt diese Statt bey nahe am ende deß Fürstenthumbs Braunschweig / vnd ist gleichsam ein Schlüssel zu selbigem Fürstenthumb / die Weser fliesset nahe an der einen seite Westenwerts / über der Weser gibt es viel wolgelegene Gärten / Weide / Acker vnd Holtzungen.

Der Fluß die Hammel (davon die Statt den Nahmen hat) fliesset auff der andern seiten / Südenwerts / fürm Mühlenthor über / in den Weserstrom / theilet sich aber bey jetztgemelter Statt Thor / vnd gehet der eine Arm zwischen dem Wall vnd Mauren durch / treibet daselbst eine schöne Mühle. Vff dieser seiten nach dem Osten ist die Statt gleichfalls mit vielen Gärten / Awen / saadigen Aeckern / Hügeln vnd Bergen vmbgeben / dahero die Einwohner dem Garten vnd Feldbaw fleissig obligen / vnd davon guten theils ihre Nahrung suchen.

Es seynd auch in der Statt allerhand Handwercker / Aempter vnd Innungen / vnd werden allda vff der Weser die Korn- vnd andere nutzbare Handlungen / vermittels der Schifffahrt getrieben.

Die Festung dieser Statt wird vnter die fürnehmsten deß Fürstenthumbs mit gezehlet / gestalt sie mit breiten tieffen Wassergraben / guten Wällen / Bollwercken / starcken vnd mit vielen Thürnen wolerbawten Mauren / vnd herrlichen Aussenwercken

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[99] versehen vnd gezieret. Die Statt ligt fast etwas rund / vnd hält im Vmbkreiß bey nahe drey viertel Stunde gehens / hat vier Statt-Thor / als das Brücke oder Weser / das Mühlen / das Oster- vnd das Newe Thor.

Im nechst vorgehenden Seculo Anno 1542. hat sie sich zur vnveränderten Anno 1530. Keyser Carolo V. übergebenen Augspurgischen Confession bekennet; Es sind darein zwo Hauptkirchen / als S. Bonifacii, von deren Fundation droben berichtet / vnd S. Nicolai, wie auch noch eine Kirche zum Heiligen Geist genant / woselbst ein Armenhauß. Die Schuel wird nicht weniger mit vier tüchtigen Praeceptoribus besetzet / welche die anwachsende Jugend in fundamentis pietatis linguarum et artium, so weit anführen / daß sie mit Nutzen vff Vniversitäten kan geschicket werden / vnd ist der berühmte vnd wohlverdiente Informator juventutis Glandorpius vor Jahren / als ein sonderbares ornamentum, an derselben mit grossem Nutz bedienet gewesen.

Das Statt-Regiment ist gleichfalls qualificirten subjectis anvertrawet / deden Haupt ist der Worthaltende oder regierende Burgermeister / welcher Jährlich kurtz nach dem Newen Jahr erwöhlet wird / welchem der sitzende Raht in eilff / vnd der vmbstehende in 28. Personen starck zugeordnet / Eine Ehrsame Bürgerschafft erzeiget sich an Ehrerbietung / Einigkeit / vnd Gehorsam gegen ihre Obern rühmlich / begreifft in sich verschiedene alter Geschlechter vnd Patritios, vnd ist in Brawer vnd Bödener getheilet / jene brawen nach ihrer Ordnung Broihan vnd Bier / vnd weil beydes ein gut Geträncke / wird kein frembd Bier daselbst geschencket / hergegen das Bier in ferne vnd nahe Oerter zu Zeiten verführet / vnd insonderheit der Gesundheit dienlich gehalten.

Für etzlichen Seculis ist auß gemeinem Seckel ein steinern Rahthauß am Marckte / vnd noch Anno 1610. ein new Gebäw zum Hochzeithauß / von Quadersteinen / mitten vffm Marckte gebawet. Die Einwohner haben zwar keine prächtig / kostbare / aber doch ihrer Brawnahrung vnd Ackerbaw aptirte Häuser: Für die Armuht seyn drey Hospitalia verhanden. Die Weser wird durch eine kostbare Schlacht nahe an der Statt gehalten / vnd ist die Statt mit verschiedenen an der Weser ligenden Korn- Säge- Pulver- vnd Oly-Wassermühlen nach Notturfft versehen / so / daß die Einwohner dem Allerhöchsten für eine gesunde vnd zu beybringung nöhtigen Vnterhalts bequeme Wohnung zu dancken.

Gleich wie sie nun daran Gottes sondere Güte gespüret; Also hat sie deß HErrn Vätterliche Züchtigung zum öfftern empfunden / als Thewrung / Pestilentz / Fewr- vnd Wassersnoht / Krieg vnd Blutvergiessen / gestalt sie dann bey dem langwierigen Teutschen Kriege in verschiedliche der kriegenden Partheyen Gewalt gerahten / biß sie von weyland Herrn Georgen / Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / glorwürdigen Andenckens / nach dem S. Fürstl. Gn. die grosse Feldschlacht bey Oldendorff vnter Schawenburg / eine Meil davon / glücklich vnd sieghafft erhalten / vnd die Statt vorhero etzliche Monat belägert gehabt / durch Accord in anno 1633. erobert / vnd wiederumb zu dero Fürstenthumb vnd Erblanden gebracht worden.

Anno 1551. hat eine entstandene Fewersbrunst hundert vnd sechtzig Wohnhäuser / Scheuren vnd Vieheställe vngerechnet / vnd die eingerissene Pest tausent vierhundert Menschen verzehret. Anno 1552. hat das hochangegossene Wasser alle Brücken weggeflösset / vnd die Thewrung überhand genommen. Anno 1560. seynd 44. Wohnhäuser abermal eingeäschert. Anno 1633. vnd 1643. seynd die Brücken durch das hochergossene Wasser wieder weggerissen / vnd das Wasser vff den meisten Gassen der Statt gestanden / auch an der Festung grossen Schaden gethan.

Es ist in dieser Statt vnd da herumb ein fast vhraltes vnd beständiges Außgeben / daß in anno 1284. den 26. Junii, ein Mann in die Statt kommen / mit einem bunten Rock angethan / der habe vff der Strassen geblasen / darauff 130. Kinder [100] zugelauffen / den wunderlichen Spielmann zu sehen / Er sey vor solchen Kindern / so ihm gefolget / her- vnd auß der Statt gangen / biß an den Berg / da die Gerichte vff stehen / vnd der Koppelberg genant wird / daselbst sich der Berg vffgethan / vnd die Kinder da hinein sollen gangen seyn / gestalt man den Ort noch jetzo zeiget / ist eine Sencke / vnd oben am ende ein Stein gesetzet / mit einiger Vnterschrifft / so man aber Alters halber nicht mehr lesen kan. Es finden sich sonst diese alte Versicul davon:

Post duo CC. mille, post octoginta quaterve,
Annus hic est ille, quo languet Annus uterque,
Orbanter pueros centum etque triginta Johannis,
Et Pauli caros Hamelenses, non sine damnis:
Fatur ut omnes eos vivos calvaria sorpsit.
Christe, tuere reos, ne tàm mala res quibus obsit.

Vnd noch diese alte Nieder-Sächsische:

Im Jahr MCCLXXXIIII. nach Christi Gebort /
Tho Hamlen worden uthgefort /
Hundert vnd drittig Kinder daselbst geborn /
Durch einen Piper daselbst verlorn.

Bürgermeister / Raht / vnd gantze Bürgerschafft / hat jederzeit sich gegen ihre hohe Landesfürstliche Obrigkeit getrew vnd gehorsam erzeigt / welche standhaffte Trew / vnd stetige Devotion / die regierende gnädige Landes-Herren in Gnaden vffgenommen / Dannenhero dieser Statt allemahl gnädig vnd Fürstlich zugethan / vnd derselben die habende privilegia in Gnaden confirmiret.