Torpedos und Anti-Torpedos

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Titel: Torpedos und Anti-Torpedos
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aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 39–40
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[39] Torpedos und Anti-Torpedos. Es giebt eine Classe von Lustspielen, die man Intriguenstücke zu nennen pflegt und deren allgemeiner Charakter in der Devise: „List über List“ ausgedrückt werden kann. An diese Uebertrumpfungen des Gegners durch immer neue, die Machinationen desselben noch überbietende Künste erinnert, freilich in mehr tragischer Richtung, die jetzige Ausbildung des Torpedo-Krieges. Schon in dem satirischen Artikel: „Die Aussichten zum ewigen Frieden“, welchen die Gartenlaube im vergangenen Jahre veröffentlichte[WS 1], wurden Andeutungen über die neuesten Vervollkommnungen der Angriffstorpedos gegeben. Dieselben sind nunmehr so weit gediehen, daß so ein mechanisches Kunstwerk, wie sein Taufpathe, der Zitterroche (Raja Torpedo), die elektrische Batterie, mit der er zu dem vernichtenden Schlage ausholt, in seinem Hohlleibe trägt, mittelst comprimirter Luft oder Kohlensäure, die ihm als Proviant mitgegeben wird, sich in einer gewissen Wassertiefe bewegt, um die Panzerschiffe von unten, an ihren verwundbaren Weichtheilen anzugreifen etc. Höchst einfache Listen sind dabei zum Theil angewendet worden, um diese Bestien erst bissig werden zu lassen, nachdem sie eine gewisse Zeit im Wasser geschwommen sind, damit nämlich das Schiff, welches sie aussendet, und oft mittelst eines elektrischen Zügels wie ein Reitpferd steuert, nicht durch eine verfrühte Explosion in Gefahr gerathen kann, was in den Jugendjahren dieser Erfindung viele Menschenleben gekostet hat. Bei dem sogenannten „Bonbon-Torpedo“ steckt man der Bestie, um mich dieser bildlichen Sprache weiter zu bedienen, einen Bonbon in’s Maul, der sie so lange am Beißen verhindert, bis sich dieser Bonbon im Wasser aufgelöst hat, was eine gewisse Zeit erfordert. Der Bonbon sperrt nämlich die elektrische Leitung für den Zündstrom in einfach mechanischer Weise, und der Strom kann keinenfalls eher wirken, als bis er aufgelöst ist.

In Portsmuth ist eine besondere Torpedoschule eingerichtet worden, in welcher junge Seeleute für den gefahrvollen Umgang mit diesen Bestien einexercirt werden, andererseits aber auch, um sie unschädlich zu machen. Hierfür hat namentlich der Marinecapitain Arthur allerlei [40] sinnreiche Mittel und Listen ausgedacht. Das Drahtnetz, von dem in dem obigen Artikel die Rede war, hat sich zur Abhaltung der Stürmer nicht bewährt, da es die Bewegungen der Panzerschiffe zu sehr behindert, und es ist, sofern diese Art von Angreifern insbesondere des Nachts gefährlich werden, für das Beste befunden worden, die Meeresfläche rings um derartige Kriegsschiffe hell zu beleuchten, um jedes Schiff, welches solche Angreifer aussenden könnte, schon in der Ferne zu gewahren. Zu diesem Zwecke sind die Panzerschiffe theils mit elektrischer Beleuchtung versehen worden, theils schießt man nach allen Seiten in kleinen Pausen große Massen einer Leuchtcomposition, die sich im Wasser, auf dessen Oberfläche sie schwimmt, von selbst entzündet und dasselbe mehrere Minuten lang weithin mit hellem Glanze überstrahlt, ein Mittel, welches man sonst dem edleren Zwecke bestimmt, Schiffbrüchige in der Nacht aufzusuchen. Eine sehr geniale List bringt Capitain Arthur in Anwendung, um in einem Hafen oder in einer Flußmündung verankerte Stoßtorpedos unschädlich zu machen. Wie man einen vollkommen systematischen Festungskrieg ausgebildet hat, so hat er Mittel gefunden, diese Bestien systematisch auszurotten. Abgesehen von elektrisch gesteuerten Puffern, welche Torpedos, deren Lage bekannt ist, anzurennen bestimmt sind, um sie zur Explosion zu bringen, hat er auch eine List erfunden, um unbekannte Torpedos zum Losschießen zu bringen. Dieses Mittel gründet sich auf die vor einigen Jahren von Champion und Pellet entdeckte Eigenschaft der Explosivstoffe, durch die Erschütterungswelle einer Explosion desselben Stoffes schon aus der Entfernung zum Mitexplodiren gebracht zu werden, wie eine Saite mitklingt, wenn ein dem ihrigen sympathischer Ton in einiger Entfernung angeschlagen wird. Ein durch einen elektrischen Zügel gelenkter Torpedo wird in die Region gesendet, wo man Torpedos vermuthet, und dort losgefeuert. Je nach der Menge der Schießwolle oder des Dynamits, die es in seinem Innern enthielt, bringt es dadurch sämmtliche in einem Umkreise von einhundertzwanzig Metern und darüber versenkte Torpedos zur Mitexplosion, sodass durch Wiederholung dieses Verfahrens bald eine bestimmte, zum Angriffe auserkorene Fläche von diesen heimtückisch lauernden Feinden gesäubert und klar gemacht werden kann. Vielleicht führt die durch solche Gegenlisten verminderte Sicherheit der Wirkung dieser sehr kostbaren Kriegsmaschinen zu einem Aufgeben des gesammten Torpedokampfes, in welchem der grelle Contrast des geistigen Vermögens und des thierischen Vernichtungstriebes im Menschen zum beschämendsten Ausdruck gelangt ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Artikel ist in Heft 24, Jahrgang 1876 abgedruckt.