Vögel als Warner vor Blitzgefahr

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Autor: Walther Kabel
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Titel: Vögel als Warner vor Blitzgefahr
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 11, S. 224–226
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[224] Vögel als Warner vor Blitzgefahr. – Daß Vögel die in den höheren Luftregionen vorhandene elektrische Spannung bedeutend früher empfinden als der Mensch, ist eine allbekannte Tatsache, die jeder Naturfreund leicht nachprüfen kann. Neuerdings sind nun in allen Kulturländern auf Anregung des amerikanischen Meteorologen John Webster die Vögel auf ihr Verhalten während des Gewitters genau beobachtet worden.

Hierbei hat man ganz überraschende Feststellungen gemacht, die wieder einmal beweisen, wie unendlich viel der Mensch von den Tieren lernen kann. Es seien hier einige Berichte wiederholt, die Webster zugeschickt wurden.

Ein französischer Forstbeamter wurde einst im Walde von einem Gewitter überrascht. Vorsichtigerweise stellte er sich unter eine niedrige Kiefer, die von hohen Eichen und Buchen umstanden war. In den Ästen der Kiefer befand sich ein Wildtaubennest, auf dem gerade die Taube brütete. Der Förster beobachtete nun, wie plötzlich der Täuberich herbeigeflogen kam und einige Male ängstlich das Nest umflatterte, worauf dann das Taubenpaar mit einem Male ohne eine sichtbare Ursache davonflog, denn den Forstbeamten, dessen Figur durch einen dichten Vorhang von Schlinggewächsen verdeckt wurde, konnten die Tiere kaum bemerkt haben. In der Meinung, daß vielleicht ein Fuchs oder ein Marder die Vögel zur Flucht veranlaßt haben könnte, trat der Förster vorsichtig aus seinem Versteck hervor und suchte, die gespannte Büchse im Arm, mit den Augen die Umgebung ab. Kaum hatte er aber seinen Platz unter der Kiefer verlassen, als schon ein Blitzstrahl herniederfuhr und den Nadelbaum fast seiner ganzen Rinde beraubte. Derselbe Jäger zählte dann noch mehrere ähnliche Erlebnisse bei Gewittern auf, wo Vögel, die bisher auf einem Baum gesessen hatten, plötzlich abstrichen und kurz darauf derselbe Baum dann von einem Blitz getroffen wurde. Er fügte seinem Schreiben über dieses Thema die Bemerkung hinzu, daß er für seine Person fest davon überzeugt sei, die Vögel ahnten die ihnen durch die elektrische Entladung drohende Gefahr voraus.

Auch ein deutscher Landwirt hat dem amerikanischen Gelehrten [225] recht bedeutsames Material für dessen Untersuchungen auf diesem Gebiet geliefert. „Eines Nachmittags,“ so schreibt Herr Wendler auf Karolinenhof in Pommern, „flüchtete ich mich vor einem Gewitterregen unter einen Birnbaum, der auf dem Feldrain stand. Auf dem Obstbaum saßen drei Krähen, die sich ziemlich dicht an den Stamm geschmiegt hatten, um Schutz vor dem tobenden Sturm zu finden. Das Gewitter kam näher und näher, und, da mir mein Platz unter dem hohen Birnbaum doch zu gefährlich schien, wollte ich gerade einen nahen Haselnußstrauch als Zufluchtsstätte aufsuchen, als mit einem Male die Krähen mit mißtönendem Krächzen davonflogen. Unwillkürlich beschleunigte nun auch ich meinen Rückzug, war aber erst acht Schritte entfernt, als der Blitz in den Birnbaum einschlug. Ich selbst wurde von dem Luftdruck zu Boden geschleudert, kam aber sonst heil davon. – Ein anderes Mal bemerkte ich bei einem Gewitter, wie das Storchenpaar plötzlich sein Nest auf meinem Scheunendach verließ und zu der nahen Brennerei hinüberflog, deren Schornstein mit einem Blitzableiter versehen war. Kaum hatten sich die Störche auf dem Dache der Brennerei niedergelassen, als ein Blitz in die Scheune fuhr und dabei das Nest Meister Langbeins mitsamt den drei bereits angebrüteten Eiern herabwarf.“ Herr Wendler ist nach seinen Beobachtungen gleichfalls der Ansicht, daß der Instinkt die Vögel vor dem Blitze fliehen lasse. Er schreibt geradezu: „Werde ich von einem Gewitter überrascht, so bin ich am sichersten unter einem Baume, auf dem Vögel sitzen. Fliegen die Tiere fort, so ist es für den Menschen höchste Zeit, gleichfalls seinen Platz zu wechseln.“

In ähnlicher Weise spricht sich der indische Plantagenbesitzer Warrells aus. Dieser hat seine Untersuchungen hauptsächlich an Reiherkolonien gemacht. Er beobachtete des öfteren, daß während eines Gewitters die Reiher ihren Horst verließen und auf andere Bäume hinüberflogen. „Ich habe es nie erlebt,“ schreibt er, „daß in der überaus bevölkerten Reiherkolonie meines Sumpfgebietes ein Reiher durch einen Blitz getötet worden ist. Und dabei hat der Blitz bisweilen Bäume zerschmettert, auf denen sich acht und mehr Reiherhorste befanden. [226] Die Vögel sind stets noch rechtzeitig abgeflogen, wohlgemerkt nur die Vögel, deren Standquartier nachher durch die elektrische Entladung vernichtet wurde.“

Hiernach wird man wohl kaum noch bezweifeln können, daß die Vögel tatsächlich als die besten Warner vor Blitzgefahr zu betrachten sind. Über welch feinen Instinkt für elektrische Spannungen in der Luft sie verfügen müssen, geht auch aus einem Erlebnis hervor, das Oberstleutnant Freiherr v. Buttlar in Südwestafrika hatte. Auf einem von Okahandja aus unternommenen Ritte sah er gegen Abend an einer Stelle des Weges ungewöhnlich viele und große Vögel, Adler und Geier, kreisen. Auch einige nahe Bäume waren dicht besetzt. Buttlar ritt näher, in der Meinung, daß dort Leichen von Menschen oder Tieren lägen. Doch er fand nichts Dergleichen. Am Himmel waren zu derselben Zeit einige Wölkchen sichtbar, doch keineswegs besonders drohende. Plötzlich begann sich aus diesen Wölkchen unter Blitz und Donner ein richtiger tropischer Gewitterregen zu entwickeln, der in kleinen Bächen in all die Vertiefungen und Löcher des Bodens eindrang und deren Bewohner, Schlangen, Skorpione und Mäuse, heraustrieb. Nun begannen die Vögel auf dieses aus seinen Schlupfwinkeln herausgejagte Getier zu stoßen und es zu verzehren.

Erst später erfuhr Freiherr v. Buttlar von Farmern, daß die Ansammlung von großen Vögeln auf einem Platze stets das sicherste Anzeichen für ein baldiges Gewitter sei, selbst dann, wenn die Bewölkung des Himmels ein Gewitter auch nicht im geringsten vermuten lasse.

W. K.