Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung

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Autor: Basilius von Ramdohr
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Titel: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung
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Erscheinungsdatum: 1798
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
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[1]
Venus Urania.

Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung.

Dritten Theils erste Abtheilung.


Von
Fried. Wilh. Basil. von Ramdohr.

Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen. 1798.
[3]
Dritter Theil.

Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe.
[5]
Vorrede.

Das Wesen der Geschlechtsliebe ist unveränderlich: aber die Begriffe die wir darüber hegen, und die Wirkungen die wir ihr zuschreiben, sind Zufälligkeiten unterworfen.

Unter allen Völkern, unter allen Ständen, zu allen Zeiten, müssen wenigstens einzelne Menschen die Wonne empfunden haben, uneigennützig nach dem Wohl des Nebenmenschen zu streben: sie müssen die besondere Modification empfunden haben, welche die Verschiedenheit der Geschlechter den liebenden Trieben giebt; sie müssen den Unterschied gefühlt [6] haben, der zwischen denjenigen Verbindungen Statt findet, worin jene Triebe die herrschenden, und denen, woraus sie verbannt sind; kurz! liebende Aufwallung, wahre Zärtlichkeit, liebende Leidenschaft gegen Personen von verschiedenem Geschlechte können nie ganz verkannt seyn.

Aber selten haben selbst die vorzüglichen Menschen unter roheren Völkern einen bestimmten Begriff von ihren Empfindungen gefaßt, und sie von andern ähnlichen unterschieden. Nie hat der größere Haufe, selbst bey den aufgeklärtesten Nazionen, die Natur der Liebe in den engeren Verbindungen beyder Geschlechter allgemein anerkannt. Man hat vielmehr um ähnlicher Wirkungen willen verschiedene Stimmungen des Gemüths und verschiedene Verhältnisse die darauf beruhen, für eine und dieselbe Sache gehalten. Bald hat man jede engere Verbindung zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte für Liebe angenommen, wenn nur der verbündete Theil nicht von dem Mitgenuß gewisser Freuden ausgeschlossen wurde. Bald hat man nur das [7] leidenschaftliche Streben nach dem Besitz einer Person von verschiedenem Geschlechte, das uns zu Aufopferungen der gröberen Selbstheit auffordert, Liebe genannt. Bald hat man diesen Nahmen auf jede treue und dauernde Anhänglichkeit der Gatten an einander ausgedehnt; wenn gleich nur lange Gewohnheit, Erwägung des wechselseitigen Vortheils, den sie aus ihrer Verbindung zogen, und gemeinschaftliche Kinder den Bund befestigten. Endlich hat man oft diejenige Begeisterung für Liebe gehalten, zu der uns das Bild eines Wesens entflammt, wenn durch die Beschauung seiner wahren oder eingebildeten Vollkommenheit die Kräfte unsers Geistes erhöhet werden.

Das Gemeinsame in diesen verschiedenen Begriffen ist unverkennbar. Es ist die Aufopferung der gröberen, ausschließenden und zerstörenden Selbstheit, für eine feinere gesellige, bey demjenigen, der die Stimmung empfindet; es sind die wohlthätigen Folgen für den Gegenstand, mit dem wir vermöge jener Stimmung in ein engeres Verhältniß [8] zu kommen suchen, welche diesen Verbindungen zwischen beiden Geschlechtern den Nahmen der Liebe zu Wege gebracht haben!

Ich habe in den beiden ersten Theilen dieses Werks, worin ich über die Natur und die Veredlung der Geschlechtsliebe Untersuchungen angestellt habe, unmöglich einen Begriff zum Grunde legen können, der seiner Unbestimmtheit wegen, diese Bestrebung von andern geselligen und beschauenden Affekten, bloß durch die Wahl der Mittel, welche zu ihrer Befriedigung dienen, unterscheidet. Ob die feinere Selbstheit und der Beschauungshang ihren Genuß in engeren Verbindungen mit Personen von verschiedenem Geschlechte aufsuchen und finden, oder nicht; darauf kann es bey Charakterisierung der Empfindung selbst nicht ankommen, weil eben jene Affekte auch auf andere Art begünstigt werden mögen, und der Geschlechtsverbindung so gar aus Gründen des gröbsten Eigennutzes nachgestrebt werden kann. Es ist daher kein zu eingeschränkter Begriff, wenn ich die Liebe für das [9] wonnevolle Bestreben das Wohl eines andern Menschen um seinetwillen thätig zu befördern, erklärt habe. Es ist der einzige der diesen Affekt von allen andern verwandten absondert.

Die Geschichte dieser wahren Geschlechtsliebe würde theils die allmählige Ausbildung der sympathetischen Triebe bis zum Gefühle des uneigennützigen Wohlwollens, theils die Zusammenstellung der Thatsachen enthalten, aus denen das Daseyn ihres Begriffs und ihrer Empfindung in verschiedenen Zeitaltern klar erhellet. Allein bey der Unmöglichkeit in den meisten Fällen die wahren inneren Gesinnungen der Menschen, und besonders in der Vorzeit, aufzuspähen, würden die unverkennbaren Züge wahrer Geschlechtsliebe nur in geringer Anzahl seyn, und ihre Geschichte müßte sich immer mehr mit den Schicksalen ihrer Aftergestalten, als mit ihren eigenen beschäftigen.

Außerdem sehe ich auch ein, wie wichtig es seyn muß, die Meinungen anderer über den [10] Gegenstand meiner bisherigen Untersuchung näher kennen zu lernen, und den Gang zu verfolgen, den die Bemühungen der Menschen von jeher genommen haben, dasjenige was sie Liebe nannten, zu veredeln und zu verschönern. Die Entwickelung ihrer Denkungsart, nach Verschiedenheit der Völker, der Stände, und der Kultur über den Zug, der beyde Geschlechter zu engeren Verbindungen einladet; die Darstellung des Einflusses den diese Denkungsart auf das häusliche, gesellige und öffentliche Leben, so wie auf das Gebiet der schönen Künste gehabt hat; endlich die Prüfung, in wie fern diejenigen Geschlechtsverhältnisse, welche nach ihren Begriffen auf edlerer und schönerer Liebe beruhten, ihrem Wesen und ihrer Form nach dahin zu rechnen sind; – Alles dieß müßte meiner Einsicht nach ein für Menschenkenntniß und Bildung des Geschmacks höchst interessantes Werk abgeben.

Ich fühle mich unfähig eine solche Geschichte der Liebe und Geschlechtsverbindungen in ihrer ganzen Vollständigkeit zu liefern. Aber ich [11] werde den Versuch wagen, die allmählige Bildung derjenigen Begriffe über diesen Gegenstand, die noch heut zu Tage die gangbarsten sind, zu verfolgen, und den Charakter so wie die Schicksale derjenigen Sitten aus einander zu setzen, welche einen unverkennbaren Einfluß auf unsere jetzigen geselligen Einrichtungen gehabt haben, oder deren Kenntniß wenigstens zum bessern Genuß der schönen Künste wichtig wird.

Ich darf bey diesem Versuche auf die Nachsicht des Publikums rechnen. Vielleicht ist er der Erste in seiner Art; und dann habe ich mit einer Menge von Hindernissen streiten müssen, die nicht in der Materie selbst, sondern in meinen individuellen Verhältnissen zu suchen sind. Amtsgeschäfte, Besorgung von Familienangelegenheiten, gesellige Zerstreuungen, denen ich nach meiner Lage nicht ausweichen kann, haben mich oft Monate lang gehindert an eine Arbeit zu denken, die eine [12] ununterbrochene Besorgung verlangt hätte, um die gehörige Präcision, und einen vollendeten Zusammenhang zu bekommen.

Ein anderes Hinderniß setzte mir der Mangel nöthiger Hülfsmittel an dem Orte meines Aufenthalts entgegen. Ohne die Gewogenheit der Herrn Hofräthe Heyne und Eschenburg, des Herrn Bibliothekars Langer, des Herrn Professors Tychsen[WS 1] und des Herrn Raths Lenz, die mich mit Büchern unterstützt haben, für deren Mittheilung ich ihnen hier öffentlich meinen Dank abstatte, hätte ich dieß Werk nie unternehmen können.

Sollte inzwischen dieser Versuch den Beyfall der Kenner erhalten, so werde ich eine ähnliche Bearbeitung des Edeln und Schönen in der Selbstheit und in dem Beschauungshange folgen lassen, und mir dadurch zuletzt den Weg zu einem Abriß der Geschichte des menschlichen Herzens bahnen.








[423]
Kurze Uebersicht
des Inhalts des dritten Theils.

Erste Abtheilung.

Dieser Theil entwickelt die allmählige Bildung derjenigen Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe die noch heut zu Tage unter uns die gangbarsten sind, und setzt in Ansehung dieser Verhältnisse den Charakter und die Schicksale derjenigen Sitten auseinander, welche auf unsere jetzigen geselligen Einrichtungen Einfluß gehabt haben, oder deren Kenntniß wenigstens zum bessern Genuß der schönen Künste wichtig wird.

Die Geschichte der Liebe nach diesem vorgesetzten Plane, fängt mit Entwickelung der Denkungsart der Griechen an. Homer wird hier besonders wichtig. Aber um die Höhe genau zu messen, auf der seine Begriffe in diesem Punkte stehen, muß man die untern Stufen kennen, auf der sich die Denkungsart verschiedener Völker, in Rücksicht auf die Verhältnisse der beyden Geschlechter zu einander, befindet. Die größte Rohheit behandelt das Weib als Sklavin, mit Härte und Erniedrigung: beym Fortschritte der Kultur wird das Weib Mitglied der Familie; aber einige Völker kerkern es ein, und behandeln es bloß mit Schonung und Verzärtelung.

In einer solchen Lage kann Geschlechtsliebe der Regel nach nichts weiter heißen, als leidenschaftliches Streben nach dem Besitze der Person: man sucht das Weib nicht ihm selbst, sondern den äußern Verhältnissen abzugewinnen, und bey der Bewerbung um Gegengunst kann keine Achtung für [424] Menschenwerth zum Grunde liegen. Beym Homer zeigt sich hingegen das Weib bereits als Matrone, als Hausfrau und Mitglied der örtlichen Gesellschaft, und es genießt diejenige Achtung, welche die treue Ausfüllung eines von dem Manne ihm vorgeschriebenen Zwecks einflößt. Hier heißt Geschlechtsliebe, der Regel nach, bereits ein leidenschaftliches Streben nach Einwilligung der Schönen in den Besitz ihrer Person, und in die Bewahrung ihrer Treue.

Diese Begriffe sind wahrscheinlich in allen griechischen Staaten bis zum Untergange ihrer freyen Verfassung, wiewohl mit einigen Modifikationen, die nehmlichen geblieben. Die Nachrichten welche wir von den Spartanern haben, verdienen eine nähere Kritik. Allem Ansehn nach haben ihre Weiber keiner ausgezeichneten Achtung und Selbständigkeit vor den übrigen Griechinnen genossen. Inzwischen ist in der Zeit vom Homer bis zum Untergange der Freyheit Griechenlands die Geschlechtssympathie sowohl des Körpers als der Seele sehr verfeinert, und der Genuß, den man aus den Geschlechtsverbindungen gezogen hat, vervielfältigt und erhöhet worden. – Die weitere Ausführung dieser Ideen enthält das dreyzehnte Buch.

Die Denkungsart der Athenienser verdient eine besondere Prüfung. Man muß aber diejenige, welche das Gesetz dem großen Haufen vorschreibt, von der guten Sitte des wohlerzogenen Menschen, und diese wieder von der Anschauungsart des einzelnen Philosophen absondern. Ferner kann die Matrone mit der Hetäre, oder dem Freudenmädchen, nicht in eine Classe gesetzt werden.

Der Gesetzgeber oder der Staatsmann, räumte dem Weibe keine bürgerliche, sondern nur gesellschaftliche Rechte ein, sah in ihm nur das Werkzeug der Population, der Pflege und des [425] Wohlstandes des Bürgers, und hielt diejenige Gattin für die Beste, mit der sich die Sorge für die öffentliche Ruhe und Sicherheit am wenigsten zu beschäftigen brauchte. Er verstand unter Gattenliebe nichts anders als ein gesetzliches Band, das zum Kinderzeugen und zum gemeinsamen Wirthschaften eingegangen sey, und seine Festigkeit von der Ueberzeugung der beyden Verbündeten erhielt, daß sie sich einander zu Erfüllung jener Zwecke unentbehrlich wären.

Die gute Sitte räumte aber der Matrone zugleich einen Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden ein, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise ihrer Familie, und in ihren Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann. Ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Dieß beweisen besonders die Tragiker, und vor allen der wegen seines Weiberhasses so sehr berufene Euripides.

Inzwischen, wahren Anspruch auf Bürgertugend, und auf dasjenige was der wohlerzogene Athenienser eigentlich edel und schön nannte: ausgezeichnetes Verdienst in einem dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben, legte dieser der Matrone nicht bey, und darum schätzte er sie auch weniger als den Bürger. – Nach diesem Verhältnisse des Weibes zum Manne, war die Liebe des Letztern zur Matrone noch immer keine wahre Geschlechtszärtlichkeit, keine Freundschaft, sondern entweder ein leidenschaftliches Streben nach ihrer Gunst, um dadurch zu dem Besitze ihrer Person zu kommen: oder eine liebende Anhänglichkeit wie sie der Patron gegen seinen Klienten empfinden mag. Von Seiten [426] der Matrone hieß Liebe ungefehr das nehmliche, nur daß sie im Verhältnisse des Klienten zum Patrone stand, und daß ihre Anhänglichkeit treuer, dienstgeflissener und aufopfernder erschien.

Der Athenienser interessierte sich mehr für die liebende Gattin, als für den liebenden Gatten, und selbst an jener hielt er die Kinder, Eltern und Geschwisterliebe für edler als die Gattenliebe. Der Grund war zwiefach: Einmahl standen die ersten Arten der Liebe im genauern Verhältnisse mit der uneigennützigen Vaterlandsliebe; zweytens konnte weniger davon auf die Mitwirkung gröberer Triebe gesetzt werden.

Dieß gilt im Allgemeinen. Wir finden aber auch Spuren, daß dem Athenienser wahre Freundschaft oder Zärtlichkeit zu der Gattin keine unbekannte Empfindung gewesen ist, und völlig falsch ist die Behauptung, daß er den moralischen Werth des Weibes verkannt, und gegen die Ehe eine von der guten Sitte gebilligte Abneigung empfunden habe.

Unter den Selbstdenkern hat sich Xenophon wenig von den Ideen seiner Landesleute entfernt. Plato mehr; aber eine Verachtung der Weiber, ihren Anlagen nach, ist ihm nicht Schuld zu geben. Er war nur Verächter des zärteren Geschlechts in seiner damahligen Lage, bey seiner vernachlässigten Ausbildung; und diese kam ihm besonders darum so tadelnswürdig vor, weil er das Weib fähig hielt, zum Range des Bürgers durch eine veränderte Erziehung hinaufgehoben zu werden.

Die Vorstellungen die man sich von den Hetären der Athenienser zur Zeit des Flors ihrer Republik macht, sind übertrieben. Sie können es in der Kunst zu gefallen, nach allen zuverläßigen Nachrichten, [427] die wir darüber haben, nicht einmahl[WS 2] so weit gebracht haben, als die Freudenmädchen der ersten Classen in unsern großen Hauptstädten. Die gute Sitte hat die engere Verbindung mit ihnen nie gebilligt. Liebe zur Hetäre hieß, der Regel nach, Begierde nach körperlichem Genuß, Trieb nach kosender Unterhaltung, und da wo diese auch noch so sehr verfeinert gewesen seyn mag, hat das Verhältniß nicht sowohl allgemeinen Beyfall, als Nachsicht vor der Gesellschaft wohlerzogener Menschen in Athen gefunden.

Dieß ist der Inhalt des vierzehnten Buchs.


Wahre Zärtlichkeit, Freundschaft und besonders edle und schöne Liebe, hat der Athenienser vorzüglich in der Verbindung mit den Lieblingen aufgesucht.

Diejenige Ausgelassenheit der Begierden, welche Personen, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, bey einander erwecken, kann nicht für eine Verirrung der thierischen Natur in südlichen Ländern gehalten werden. Sie hat in Griechenland lange vor Gründung der Gymnasien existiert. Man hat aber früh das Unanständige und Schädliche, das darin liegt, eingesehen. In einigen Staaten ist sie durch Gesetze verboten worden, in andern hat sie die Mißbilligung der guten Sitte auf sich gezogen. In Athen wo nur diejenigen Schwächen und Laster ein Gegenstand der Gesetze waren, die mit den Pflichten gegen den Staat im unmittelbarem Widerspruche standen, wurden auch nur diejenigen Ausschweifungen bestraft, welche die Rechte des Eigenthums und der Freyheit des Bürgers kränkten. In so fern die Ausgelassenheit der Begierden gegen Lieblinge diese Gefahr besorgen ließ, waren ihr Grenzen von dem Gesetze gesetzt. Um dasjenige, was heimlich und freywillig geschah, bekümmerte es sich nicht.

[428] Die gute Sitte in Athen behandelte diese Ausgelassenheit nicht mit Gunst, aber mit Nachsicht. Sie legte Werth auf Ehrbarkeit in diesem Punkte, aber sie sah den Mangel daran nicht mit dem nehmlichen Abscheu wie wir an.

Die Liebe zu den Lieblingen zog ihr Interesse keinesweges aus der leidenschaftlichen Begierde nach Befriedigung dieser Ausgelassenheit, sondern aus dem Ansehen der Heldenfreundschaften, deren Andenken die Mythologie, die frühere Geschichte des Vaterlandes, und die Künste theuer machten; verbunden mit den glücklichen Folgen, welche solche Verbindungen, und der rüstige thätige Enthusiasmus der die Liebenden beseelte, für das Wohl des Staats in Krieg und Frieden haben konnten. Diese wurden dadurch angewöhnet, sich für des Mitbürgers Werth zu begeistern, und sich für fremdes Wohl aufzuopfern: die Grundlage des Patriotismus!

Zufrieden aus solchen Gründen den leidenschaftlichen Charakter der diese Liebe allemahl von Freundschaft unterschied, erklären, und die gröberen Triebe, die mit unterliefen, durch diesen Schleyer bedecken zu können; sah man Schwächen nach, die nicht in zügellose Brutalität ausarteten, und die, durch große Vortheile ausgetilgt, zur Verstärkung des Bundes zwischen ausgezeichneten Bürgern dienten.

Xenophon und Plato suchten diese Art von Atheniensischer Cicisbeatur zu veredeln und zu verschönern. Von beyden wird Sokrates als Beyspiel und Lehrer in diesem Stücke aufgestellt. Nach dem Xenophon, will Sokrates für seine Person an seinem Lieblinge mit einer Zuneigung hängen, die völlig rein vom Zusatze körperlicher Triebe seyn soll.

[429] Sogar die Gestalt ist ihm gleichgültig: glückliche Anlagen des Geistes und ein edles Emporstreben nach Ruhm und Bürgervortrefflichkeit in dem Jünglinge sind die Gründe seiner Freundschaft für ihn. Hingegen von seinen Schülern glaubt er diese Stärke nicht erwarten zu können, und er ist zufrieden, wenn sie nur dem Andringen der Begierden kräftig widerstehen, und bey dem Eindrucke den die schöne Gestalt auf sie macht, sich durch Pflicht und Anstand leiten lassen. Er rechnet sogar darauf, daß die verhaltenen Triebe des Körpers die Begeisterung erhöhen werden, und nutzt diese, um darauf Verbindungen zu gründen, die das Wohl des Staats befördern, und sich endlich in bloße Freundschaft auflösen. Sokrates fühlt, beym Xenophon, das Wesen der Liebe sehr gut, und setzt es in die Anerkennung des Werths eines andern selbständigen Menschen, und in die Beförderung seines Wohls.[WS 3] Diese Liebe erhält dadurch ihre höchste Veredlung, daß die Liebenden sich einander das höchste Gut, Bürgertugend, mitzutheilen suchen, und in dem Genuß ihres gemeinschaftlichen Ruhms zusammen treffen.

Weniger richtig faßt der Sokrates beym Plato den Begriff der Liebe. Er verwechselt sie, wo er sie tadelt, mit leidenschaftlicher Begierde nach Körperverbindung; wo er sie lobt, mit begeistertem Beschauungstriebe, und veredelter Selbstheit. Er ist auch nicht allemahl übereinstimmend mit sich selbst in den Ideen, welche ihm der versatile Geist seines phantasiereichen Schülers an verschiedenen Stellen in den Mund legt. Doch läßt sich Vieles in dieser Verschiedenheit daraus erklären, daß er seine Grundsätze auf verschiedene Lagen und Personen anwendet. Da wo er den großen Haufen, in den Staaten die wirklich [430] existieren, durch Gesetze verbessern will, verbietet er alle leidenschaftliche Liebe zu den Lieblingen. In seiner idealischen Republik ordnet er Alles, selbst die Sittlichkeit des einzelnen Bürgers, dem allgemeinen Besten unter, und sucht in der Ausgelassenheit der Begierden ein Verwahrungsmittel gegen engere Verbindungen unter einzelnen Personen. Hingegen in dem Phädrus und in seinem Gastmahle betrachtet er den einzelnen auserlesenen Menschen, wie er in der Schule des Philosophen ausgebildet und bewacht werden kann.

In diesen beyden letztern Gesprächen sieht Plato den Trieb nach der Urschönheit als den Grund an, warum uns das Schöne hiernieden anzieht, setzt den Zweck der Liebe zu den Lieblingen in derjenigen Vollendung im Edeln und Guten, die uns des Anschauens der Urschönheit würdig macht, und preiset die Erhebung über die Sinnlichkeit als ein Mittel uns dem endlichen Ziele unserer Wünsche näher zu bringen. Eine leidenschaftliche Begeisterung, die auf solchen Gründen beruht, ist ihm edel und verehrungswürdig.

Inzwischen findet sich doch selbst nach diesen beyden Gesprächen einige Verschiedenheit in den Meinungen, die Plato dem Sokrates beylegt. Im Phädrus wird der Schüler des Philosophen geschildert, der noch nicht auf derjenigen Stufe der Vollkommenheit steht, die Sokrates im Gastmahle von sich selbst fordert. Jener ist noch nicht frey von den Anfällen der Sinnlichkeit, aber er weiß sie zu unterjochen; dieser braucht nicht weiter dagegen anzukämpfen, er sieht in der schönen Gestalt weiter nichts als ein schwaches Abbild der Urschönheit, das [431] noch dazu mit demjenigen, welches ihm die Schönheit des Geistes darbietet, gar nicht verglichen werden kann. –

Dieß ist der Inhalt des funfzehnten Buchs.


Von der Zeit an, da die Republiken Griechenlands ihre Selbständigkeit verloren hatten, läßt sich kein zuverlässiges Urtheil über die Denkungsart der guten Gesellschaft in irgend einem Staate dieses Landes über Geschlechtsverbindung und Liebe fällen.

Man kann die Meinungen der philosophischen Sekten, den Gebrauch den die Dichter von der Liebe gemacht haben, angeben, aber die lokale gute Sitte läßt sich schwer bestimmen.

Indessen offenbart sich allgemein eine veränderte Denkungsart nach veränderter Regierungsform in folgenden auffallenden Zügen.

Mit den republikanischen Leidenschaften verlor sich auch die Achtung für die Liebe zu den Lieblingen. Dagegen gewann die Liebe zu den Weibern an Interesse. Dazu trug nicht allein die abgewandte Aufmerksamkeit und Neigung von dem öffentlichen Leben zu dem häuslichen und örtlich geselligen: nicht bloß die Ausgleichung beyder Geschlechter durch die verminderte Wichtigkeit des Mannes, als Staatsbürgers bey; sondern auch der Einfluß der Höfe, besonders in Alexandrien, und des daselbst herrschenden Ansehns der Königinnen. Die Philosophen verdammten von nun an alle Leidenschaft in der Liebe, die sie nur unregelmäßigen körperlichen Trieben zuschreiben konnten, und drangen auf eine kältere Anhänglichkeit: die Dichter erweckten noch ferner Interesse durch die Darstellung dieser Leidenschaft, aber an die Stelle des rüstigen Enthusiasmus, der die Liebe zu den Lieblingen in den [432] Freystaaten Griechenlands charakterisiert hatte, trat eine leidende, hinschmelzende, üppige Empfindsamkeit für Weiber und Weichlinge.

Diesen Gründen ist es zuzuschreiben, daß die späteren Platoniker die Lehren ihres Vorgängers bald mißverstanden, und der thätigen mit republikanischer Tugend in genauer Verbindung stehenden Leidenschaft für das Schöne, einen unthätig beschauenden Vereinigungstrieb mit Gott untergeschoben haben. Der Mensch der sich von dem allgemeinen Wohl und von dem Aeußeren immer mehr zu seinem Innern, und zu demjenigen was ihm zunächst liegt, wendet, versteht unter Liebe kaum etwas anders als verschleyerten Egoismus. Derjenige Egoismus der bey dem Stoiker in näherer[WS 4] Verbindung mit dem geistigen Stolze[WS 5] stand, lehrte nicht den Freund, die Person, sondern die Freundschaft, das Verhältniß, als etwas Schönes in sich, und als einen Theil der Weisheit zu lieben; während daß bey dem Epikureer, derjenige Egoismus, der mit der Sinnlichkeit in näherem Verhältnisse steht, den Freund als ein Mittel betrachtete, sympathetische Wonne herbey zu führen. Aristoteles erkannte jedoch das wahre Wesen der Liebe, und ließ wirklich liebende Anhänglichkeit in der ehlichen Verbindung zu. Plutarch brachte sogar platonische Leidenschaft in die Liebe zu den Weibern, ohne diese mit der Befriedigung körperlicher Triebe unvereinbar zu halten.

Unter den komischen Dichtern dieser Zeit sind sowohl Terenz als Plautus zu den Darstellern griechischer Sitten zu zählen. Bey ihnen erscheint die Hetäre in keinem günstigen Lichte: die Matrone steht dagegen in Achtung. Beyde Schriftsteller fühlen sehr gut das Wesen der [433] Liebe, und schildern sie in der Verbindung mit Weibern.

In Alexandrien, einer höchst luxuriösen Residenz und Handelsstadt, hat die verliebte Intrigue an Ausbildung gewinnen müssen. Die Elegie welche im Grunde nichts anders ist, als die poetische Darstellung der Lagen und Empfindungen, welche das Liebesverständniß im gewöhnlichen Leben herbeyführt, hat hier, nebst der Heroide, (dem Liebesbriefe ausgezeichneter Personen in außerordentlichen Lagen,) wahrscheinlich ihren Ursprung genommen. Die Hofdichter fangen schon an die Königinnen mit frostiger Galanterie zu vergöttern, und der freyere gesellige Ton in der Stadt leidet schon Aufmerksamkeiten der Freundschaft gegen die Gattin eines Andern.

Gegen das Ende dieser Periode hat man bereits den Stoff zu prosaischen Kompositionen zur unterhaltenden Lektüre, von der Liebe und Geschlechtsverbindung entlehnt. Lucian hat uns eine Redeübung hinterlassen, worin ein Ideal weiblicher Vollkommenheit beschrieben wird. Apulejus hat uns ein verliebtes Mährchen geliefert. Auch datiert der erste Roman aus dieser Periode.

Dieß ist der Inhalt des sechzehnten Buchs.


Bey den Römern zeigt sich der nehmliche Einfluß der Regierungsform auf die Begriffe von dem Werthe der Weiber und der engern Verbindung mit ihnen. Mit dem Falle der Republik, und des Ansehns des Mannes als Staatsbürgers und Patriarchen in seiner Familie, steigt die Frau an Wichtigkeit: sie[WS 6] wird unter den Monarchen den übrigen Unterthanen gleichgestellt, und ein unmittelbarer Gegenstand der öffentlichen Fürsorge. Die gute [434] Sitte band das Frauenzimmer zu den Zeiten vor der Zerstörung von Karthago an die nehmliche Eingezogenheit und Absonderung von dem Manne, wie in Griechenland zu den Zeiten des Flors der dortigen Freystaaten. Nachher erhielten die Römerinnen mehr gesellige Freyheit, doch ist die Unbefangenheit des Umgangs zwischen beyden Geschlechtern nie bis zu dem Grade gestiegen, welche ihm diejenigen Länder gegeben haben, die den Sitten des ehmahligen französischen Hofes huldigen. Die Liebe zu den Lieblingen hat in Rom nie das Ansehn einer republikanischen Leidenschaft erhalten können. Unter edlerer und schönerer Liebe zu dem Frauenzimmer hat die gute Sitte eine sinnliche Leidenschaft verstanden, die zu großen Aufopferungen des einsamen Lebens für das Glück des Zusammenlebens aufforderte, und dieses Glück durch Feinheit und Fülle des Gefühls und des Witzes zu würzen wußte. Die Edelsten im Volke haben dieser Liebe wenig Werth beygelegt.

Das Wichtigste was uns der Römer in Rücksicht auf den Gegenstand unserer Untersuchung liefert, ist der Geist der Liebesverständnisse und ihrer Behandlung nach der Darstellung der Elegiker. Dieser Geist scheint gutentheils echt römisch zu seyn, und hat höchst wahrscheinlich nach einem Jahrtausend den Geist der Galanterie des Mittelalters erweckt.

Der römische Elegiker schildert arme aber talentvolle Liebhaber, die um die Gunst leichtfertiger Weiber buhlen, die gemeiniglich an Freygelassene verheirathet, oder von reichern Wollüstlingen unterhalten sind. Die Geliebten, wenig bekümmert um ihren Ruff, hängen desto mehr von der Furcht vor der Wachsamkeit ihrer Hüter, von ihren Launen, und ihrer Habsucht [435] ab. Dieß giebt der Sprache der Liebhaber den Ton einer leidenschaftlichen Abhängigkeit von ihren Gebieterinnen als schwer zu gewinnenden Gegenständen sinnlicher Begierden, selbst da, wo sie die leichtsinnigste Verachtung für die Person in ihrem Herzen fühlen. Zu dem Genuß den die Verheimlichung des Verständnisses vor den Augen der Aufseher, und die Ueberwindung von Schwierigkeiten gewährt, gesellt sich ein pikanter Reitz für die Eitelkeit. Die nicht erkaufte Auszeichnung, giebt den geringsten Gunstbezeugungen einen höhern Werth, und dieser wird durch den Antheil erhöhet, den das Publikum an dem Gange der Intrigue nimmt, den ihm der Dichter unter fremden Nahmen vorsingt, oder den es an öffentlichen Oertern selbst belauscht.

So zeigen sich bereits hier einige auffallende Züge der Galanterie, eine Sprache in der Nichts wie Alles klingt: eine Befriedigung der Eitelkeit, die oft einem Nichts den Werth von Allem beylegt.

Zu mehrerer Bestärkung dieser Bemerkungen wird der Charakter einiger Dichter, und der Gebrauch den sie von der Liebe gemacht haben, entwickelt.

Dieß ist der Inhalt des siebzehnten Buchs.


Mit der Einführung des militärischen Regiments und dem Verfall des Geschmacks unter dem Septimius Severus fängt eine neue Periode an. Das Weib war bis jetzt, der guten Sitte nach, dem Manne im Ganzen wichtig, und einzeln ihm gleichgeachtet worden. Von jetzt an aber ward es, eben dieser guten Sitte nach, im Ganzen dem Manne gleichgeachtet, [436] und einzeln sogar vorgezogen. Mehrere Gründe haben dazu mitgewirkt, und diese Denkungsart fort erhalten, bis sich mit dem Untergange des Reichs sowohl im Abend- als Morgenlande die Spur des Volkscharakters der Römer und Griechen verliert.

Nach dem Verluste des Nationalstolzes vermehrte sich bey dem Römer die Abneigung gegen das öffentliche Leben, und bey der Unsicherheit des Eigenthums, bey der Abnahme der Künste einer verfeinerten Sinnlichkeit konnte er selbst aus dem Privatleben keinen befriedigenden Genuß ziehen. Er wandte sich also zu einem Daseyn in einem übersinnlichen Reiche, und legte besonders Werth auf diejenigen Tugenden, die ihm seine Existenz erträglicher machten und ihm in einem künftigen Leben Belohnung versprachen. Die Neuplatonische Philosophie und die Lehren der christlichen Religion boten ihm dazu die Hände. Sie befahlen ihm Erhebung über die Sinnlichkeit, stete Rücksicht auf ein unsichtbares Reich, geduldige Stärke und Demuth bey allen noch so widrigen Schicksalen in dieser Welt.

Gerade dieß aber waren Vorzüge, worin das Weib dem Manne nicht nur gleich kam, sondern ihn auch übertraf. Die christliche Religion hob besonders das Ansehn des Weibes aus Gründen die in ihren Dogmen selbst, und in der Geschichte ihrer Ausbreitung liegen. Mehrere ausgezeichnete Fürstinnen, der Einfluß, den das zärtere und zu Intriguen besonders aufgelegte Geschlecht an den Höfen bekam, die immer mehr nach asiatischer Weise von der übrigen Gesellschaft abgesondert wurden; der pomphafte Ausdruck des morgenländischen Ceremoniels: die von den [437] Christen gelehrte Pflicht, sich vor dem Hülfsbedürftigen und Schwachen zu demüthigen; alles dieß trug zu dem wachsenden Ansehn der Weiber bey.

Die höhere Tugend der damahligen Edlen im Volke verwarf freylich alle leidenschaftliche Anhänglichkeit an einem Weibe, so wie jede weltliche Freude, und ließ die Ehe nur aus Noth zu. Aber sie gestattete doch Freundschaft unter beyden Geschlechtern, und man darf sagen, daß erst in dieser Zeit der Begriff dieses Verhältnisses auf die Verbindung zwischen den beyden Geschlechtern zutraf, die von nun an gleiche Vorzüge an einander anerkannten, und gleiche Lieblingsneigungen mit einander theilten.

Die gemeine Tugend, oder die gute Sitte des wohlerzogenen größern Haufens, behielt inzwischen noch Interesse an der leidenschaftlichen und mit Sinnlichkeit vermischten Liebe. Aber die Denkungsart jener Edlern wirkte doch so viel, daß sie in diese Liebe mehr Achtung für den persönlichen Werth des Weibes und mehr Züchtigkeit brachten. Die Liebe zu den Lieblingen verschwand, und die Ehe ward entweder das Ziel der Liebesverständnisse, oder doch ein Band, worin man gleiche Treue und Beständigkeit von Seiten beyder Gatten erwartete, und mit Interesse bemerkte.

Inzwischen bildete sich diese Denkungsart nicht auf einmahl und allgemein um. Die Zunft der Sophisten und Grammatiker blieb noch lange aus Vorliebe zu den Meisterstücken der alten Litteratur an den Vorstellungen hängen, die sie sich von den Sitten des alten Griechenlands zur Zeit seines Flors, oft nach sehr ungewissen Traditionen bildete. Aber selbst in den Darstellungen, [438] die sie uns von diesen liefern, zeigen sich manche Spuren der Denkungsart ihres Zeitalters.

Zwey merkwürdige Erscheinungen verdanken wir dieser Periode: den Liebesbrief und die Liebesgeschichte, beyde in Prosa. In der ersten Gattung haben sich Philostrat, Alciphron und Aristänet ausgezeichnet. Ungeachtet ihrer Vorliebe für das Alterthum brechen doch die Sitten ihrer Zeit an unzähligen Stellen durch. Einige der Hauptideen, besonders die, daß die Entbehrung des unnennbaren Genusses die Begeisterung erhöhe, und die Verbindung dauerhafter mache; ferner die Sprache frostiger Schmeicheley, werden hier beynahe in der nehmlichen Gestalt wie im Mittelalter angetroffen.

Die griechischen Romane lassen sich auf drey Gattungen bringen. Die erste enthält wunderbare Geschichten der Standhaftigkeit und Treue bereits vermählter Liebenden. Die Charaktere dieser Personen sind thätig und einwirkend auf ihr Schicksal. Der Styl nähert sich dem Ernst der Geschichte. Sie sind wahrscheinlich Trauerspielen oder Pantomimen nachgebildet. Hieher gehören die Werke des Jamblichius, Chariton und Xenophon Ephesius.

Die zweyte Gattung setzt das Ziel der Intrigue in die Lösung des jungfräulichen Gürtels unter Sanktion der Gesetze, und das Interesse beruht auf der Ueberwindung der Schwierigkeiten, die sich der Ehe widersetzen. Die Idee, daß der Stand des Strebens und der Bewerbung glücklicher sey, als der des Besitzes, liegt dabey zum Grunde. Die Schwierigkeiten liegen aber nicht in dem Innern der handelnden Personen, sondern bloß in äußern Verhältnissen. [439] Sie selbst werden bloß leidend, träumend und als Bälle des Schicksals vorgestellt. Die Komödie scheint den Romanenschreibern dieser Gattung zum Muster gedient zu haben. Es gehören dazu Achilles Tatius, Longus, und Eusthatius. Der Styl hat alle Fehler und besonders die Lüsternheit der Sophisten.

Endlich liefert die dritte Gattung wahre Liebesepopäen, und die Verfasser scheinen wirklich Heldengedichte zum Vorbilde gehabt zu haben; denn die Liebenden sind Helden, die durch Seelenadel, Keuschheit, Treue und Standhaftigkeit alle Hindernisse überwinden, die sich ihrer ehlichen Verbindung entgegen setzen. Heliodorus und Prodromus müssen hierher erzählt werden.

Dasjenige, was Athenäus von der Liebe zu den Hetären und den Lieblingen schreibt, hat nur darum berührt werden müssen, weil es die Vorstellungsart der Sophisten und Grammatiker an den Tag legt. Die griechische Anthologie enthält eine Musterkarte der Empfindungen, welche die verschiedensten Modifikationen der Geschlechtssympathie von der ersten Spur der Kultur unter den Griechen an, bis zum zehnten und zwölften Jahrhunderte herab eingegeben haben.

Dieß ist der Inhalt des achtzehnten Buchs.


[441]
Verbesserungen zur ersten Abtheilung des dritten Bandes.

Seite 015 Zeile 16 von unten: diesen für dieser.
- 015 - 01  - -  daß für ßad.
- 020 - 14  - -  mehrerer für unserer.
- 025 - 14  - -  muß das aber weg.
- 028 - 18  - -  kein für keine.
- 052 - 15  - -  müssen die Worte: eine Klasse – hergenommen wurden in einer ( ) stehen, und dagegen die ( ) vor und nach dem Worte Hetären, so wie vor Freudenmädchen weg.
- 061 - 12 von unten: Theben für Troja.
- 064 - 07  - -  muß hinter Vettern ein (,) stehen.
- 065 - 09 von oben: vor für von.
- 072 - 11 von unten: muß hinter Gattin ein (,) stehen.
- 074 - 03 von oben: nun für nur.
- 079 - 01 von unten: muß hinter waren ein (,) stehen.
- 080 - 08 von oben: muß es weg.
- 084 - 11 von unten: das Klugheit und Muth mit Sittsamkeit paart, für: das Klugheit – gepaart.
- 094 - 03 von unten: Pyrrhus für Perseus.
- 103 - 01  - -  leidenschaftlichen für leidenschaftlicher.
- 105 - 09  - -  muß das (,) hinter entwickeln ein (:) seyn.
- 107 - 07  - -  ernsten für ersten.
- 112 - 09  - -  muß hinter Vermögen ein (,) gesetzt werden.
- 115 - 07 von oben: Nikerates für Nikeratus.
- 126 - 02 Ergötzung für Ergetzung.

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Seite 126 Zeile 16 von oben: Aristenät für Aristenant.
- 126 - 19  - -  trieben für treiben.
- 130 - 10  - -  fehlt hinter der ein (,)
- 130 - 25  - -  berühmtesten für berühmten
- 131 - 03 und 4 von oben: müssen die (;) in (:) verändert werden.
- 155 - 05 von unten: Eindruck für Ausdruck.
- 185 - 11 von oben: bösen für bößen.
- 257 - 07 von unten: muß zwischen den Worten: worden. – Denn – folgender Satz eingeschaltet werden: Dies sind keine wahren Freunde.
- 259 - 01 von unten in der Note: Eudemiorum für Endemiorum.
- 267 - 07  - -  angesehener für angesessener.
- 284 - 05  - -  Charakterisierung für Chakterisierung.
- 289 - 16  - -  fehlt hinter hatte das (,)
- 292 - 02  - -  verstorbenen für verstor.
- 306 - 12  - -  wollen für wollten.
- 310 - 13  - -  fehlt das (,) hinter Sinnlichkeit.
- 327 - 06  - -  muß der weg.
- 328 - 06  - -  endlich Reue über eine, für: endlich über eine.
- 337 in der Note 74: Carmen 6. v. 18. für Carm. 6. v. 8.
- 342 - 02 von unten: hinaufreichen für hinreichen.
- 352 - 17  - -  verehrt für verehrte.
- 352 - 18  - -  begleitet für begleitete.
- 362 - 04  - -  mich für mir.
- 362 - 03  - -  deine für deiner.
- 378 - 01  - -  muß das (,) hinter zeigen weg.
- 380 - 06  - -  erfolgt für erfolgte.
- 427 - 01 von oben: nicht einmahl für nicht ein Mahl.
- 429 - 14 und 15 von oben: in die für in der.
- 432 - 14 von oben: näherer für näher.
- 433 - 03 von unten: sie für und.
- 433 - 03  - -  muß das (,) hinter Wichtigkeit ein (:) seyn.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Thomas Christian Tychsen (1758–1834), Professor der Philosophie in Göttingen.
  2. Vorlage: nicht ein Mahl (siehe Verbesserungen)
  3. Vorlage: setzt es in der Anerkennung […] und in der Beförderung seines Wohls. (siehe Verbesserungen)
  4. Vorlage: näher (siehe Verbesserungen)
  5. Vorlage: Solze
  6. Vorlage: Wichtigkeit, und (siehe Verbesserungen)