Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs/§.17

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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.17 - Uhrsprung und Ungereimtheit des Astral-Geistes oder Chaldäischen Welt-Geistes, welchen neulich B.C. Zuchtfeld wieder auf die Schaubühne, samt dem Arimanio, gestellet hat.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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§.XVII

[71] Wie die Egyptische Weltweisen sich der Scheide-Kunst beflissen, wenigstens in den letztern Zeiten: also waren die Chaldäischen, Babylonischen und Persischen Gelehrten der Sternseher-Kunst ergeben. Der berühmte Plato hatte so wohl aus jenen als aus diesen etwas in seine Lehr-Sätze gezogen, angesehen er ein Schüler von solchen Leuten gewesen, die bey beyden studirt hatten. Dem Sternsehern gefiel es, wenn sie die [72] Leichtgläubigen bereden konnten, daß das Glück und Unglück, die Gedancken und Anschläge der Menschen, und alle irrdische Würckung von dem Laufe der Sternen herrührten. Sie unterhielten durch diese Meynung ihre Ehre und Einkünfte. Denn jedermann war begierig, den Ausgang verwirrter und schwerer Dinge voraus zu wissen. Es schiene ungereimt zu sagen, daß die Welt-Cörper den Zustand der Menschen voraus wüsten. Man fiel demnach auf die Einbildung, als ob Geister darin wohnten, so den Lauf derselben beforderten, und sie in die himmlischen Häuser und Ordnungen versetzten. Der gute Aristoteles hatte diese Geister oder oder intelligentien in seiner Natur-Lehre beybehalten, entweder, weil es damahls so gebräuchlich war, oder weil er sich dieser Lauf-Geister in Erklährung des Himmels-Laufs bey den Einfältigen bedienen konnte. Nachdem man aber die Regeln der Bewegungen untersuchet, und daraus den Lauf der himmlischen Cörper zu erklähren angefangen hat, sind die intelligentien aus der Mode gekommen, und den Phantasten im Schlaraffenlande verpachtet. Jedoch wollte annoch vor kurtzem ein grauer Aristotelischer Gottes-Gelehrter die Würcklichkeit der Engel aus diesen intelligentien erweisen. Ich besinne mich auch auf einen hoch-erfahrnen Artzt, der die Ursachen der Witterung auf Erden von dem Lauffe der Sternen ableitet, und zu diesem Ende die himmlischen Quartiere mit Geistern anfüllet. Sein Grund-Satz läuft dahin aus, daß alles dasjenige, was auf bestimmte Weise würcket, [73] ein Geist sey, oder einen Geist in sich habe. Aber die Uhrwercke, und die mit Uhrwercken versehene Bradtenwenders sind Ertz-Feinde dieses Grund-Satzes. Wenigstens ist es eine feine Sache, daß der Geist des Bradtenwenders die Brate nicht zuvor verzehret, ehe sie auf dem Tisch gebracht wird. Wenn eine Würckung, welche einen Endzweck erreichet, oder zu dessen Erreichung etwas beyträgt, allemahl von einem Geiste unmittelbahr abstammet; so kan man keine eintzige Würckung setzen, welche nicht von einem Geiste ausgeübet würde. Allein wie mancherley Würckungen entstehen nicht von der Zusammensetzung, Vermischung oder Versetzung der Theile? Warum läuft eine wohl-abgerundete Kugel auf einem abhängigen Boden so geschwind und so leicht? wenn ein Würffel von gleichem Durchmesser kaum aus der Stäte weichet? Ists nicht lediglich die Figur, welche hieselbst den Unterscheid der Bewegung machet? Worzu braucht man nun die Beyhülffe des Geistes in dieser Bewegung? Vielleicht zum gauckeln oder zum radschlagen? Der gröste Haufe der Menschen ist leyder also geartet, daß sie ihre Güter grösser angeben, als solche in der That sind. Man beleget diese Schwachheit mit verschiedenen Nahmen, unter welchen das Wort: Windmacherey, endlich den Platz behalten hat. Diese Windmacherey hat das fatum Astronomicum ausgehecket. Denn die Sternkündiger waren nicht zufrieden mit derjenigen Wissenschaft, welche sie aus der sorgfältigen Beschauung und [74] Betrachtung der Sternen geschöpfet hatten; sondern sie setzten auch Erdichtungen hinzu, und gaben denselben durch die Verkündigungen der Finsternissen und der künftigen Bewegungen der Sterne ein Ansehen. Ich gebe auch gern zu, daß die Sonne, der Mond und die Planeten, in die Cörper des Erdbodens gewisse Würckungen haben. Die Erfahrung dessen lässt sich nicht in Zweifel ziehen. Ob aber die Fix-Sternen ausser den allgemeinen Zusammenhang mit der Erden, annoch einige, und zwar merckliche Würckungen auf den Erdboden hervorbringen, bleibet vors erste annoch ausgesetzt. Allein was haben diese Würckungen der Sternen für einen Einfluß in die Begebenheiten der Menschen, welche lediglich von den freyen Entschliessungen herrühren? Die Seelen sind zwar in der Gesellschaft ihrer Leiber, und empfinden nach dem Stande ihres organischen Cörpers die Einschränckungen der Erkänntnis von dem, was in oder ausser dem Leibe ist. Jedennoch diese Empfindung der eintzelnen Dinge macht die Regeln noch nicht aus, nach welcher sich der Verstand in der Untersuchung der Sachen, und der Wille in der Vollbringung des erkannten Guten, zu richten pfleget. Die Regeln der Bewegung, wornach sich die Himmels-Cörper in ihren Würckungen richten, schicken sich so wenig zu den freyen Entschliessungen der Seelen und den freyen Handlungen, als sich die Mahler-Kunst aus den Regeln des General-Basses erklähren läst. Dieses erkannten unter den alten Weltweisen nicht wenige Persohnen. Allein der meiste Hauffe blieb dennoch an dem Irrthum [75] der Perser und Chaldäer kleben. GREGORIVS NAZIANZENVS (a)[1] beschwerte sich zu seiner Zeit über die beschwerlichen und gefährlichen Irrthümer der Chaldäer, welche sonderlich darinn bestanden, daß sie geglaubet, die menschlichen Handlungen wären an die Bewegung der Gestirne gebunden. Da man nun so viel unvollkommenes und so manches Unglück in den Handlungen der Sterblichen antrift, und die Chaldäer, samt den Persern, nicht begreifen konnten, wie sich das Böse zu dem höchsten GOtt, als dem Uhrheber alles Guten, reimen mögte; als haben sie dieserwegen einen Uhrheber des Bösen gesetzet, welcher GOtte schnur stracks entgegen stünde. JAMBLICHVS nennet diesen Argen (b)[2] ἀντίθεον. Einige setzeten hinzu, daß dieser Arge, welchen sie Ariman nennten, die Sterne regierte, und die Schicksale (c)[3] der Menschen ordnete. Dieser Irrthum (d)[4] riß zu der Zeit der Apostel in die [76] Kirche, und hat sonderlich der Apostel Jacobus den Anfang seines Briefes dagegen (e)[5] gerichtet. Am heftigsten brach diese unsinnige Meynung in dem dritten Jahrhundert nach CHristi Gebuhrt los, als MANES die Grund-Sätze der Persischen Welt-Weisheit mit der Lehre JEsu Christi zu paaren gedachte. Der traum-reiche CONRAD DIPPEL entblödet sich nicht zu schreiben, daß die Jüden allererst in der Babylonischen Gefängniß durch die Chaldäer, Babylonier, und Perser zur Erkänntnis der Wahrheit gebracht worden, weil Moses alzu tum gewesen, den Juden eine gründliche Anleitung von der göttlichen Lehre zu geben. Aus dem, was wir beygebracht haben, erkennet man gar leicht, daß der gute Mann nicht richtig unter dem Hute seyn müsse. Daß von dem bösem Geiste, als einem fälschlich-vorgegebenen Beherrscher des Gestirns, die weltlichen Händel herrührten, scheueten sich dennoch einige zu bekennen. Jedoch behaupteten die Weisen, daß die Menschen durch das Stern-Schicksahl sündigten. Homines fato peccare, etiam plerumque a sapientibus adseritur. So läst sich der Verfasser der Lob-Rede, so auf den jüngern Constantinum gehalten worden, hören, c. 14. MAMERTINVS in seiner Lob-Rede, so er dem Heydnischen Kayser Juliano gehalten, hält dafür c. 23, daß diejenigen, so nicht nach dem Schicksahl der Sternen lebten, casu ac temere, blindlings [77] und ohne gründliche Meynung, lebten. Daß die Chaldäer dieses Schicksahl des Gestirns gar hoch erhoben, zeigen nachfolgende Scribenten an: DIODORVS SICVLVS L. II. c. 30. sqq. SEXTVS EMPIRICVS adversus Mathematicos p. 114. sq. CENSORINVS de die natali c. 8. IVLIVS CAESAR BVLENGERVS Eclogarum ad Arnobium L. I. c. 7. p. 382. sqq. THOMAS STANLEIVS de Philosophia Chaldaeorum Sect. II. c. 17. sqq. Von den Persischen Weltweisen erhellet ein gleiches aus dem GELLIO Noctium Atticarum L. XIV. c. 1. THOMAS HYDE de religione veterum Persarum c. XII. p. 180. sqq. c. XX. p. 271. sqq. BVLENGERVS am angezogenem Orte c. 6. p. 303. sq. STANLEIVS de philosophia Magorum c. 9. p. 1166. sq. So gar steckten die Gelehrten unter den Egyptischen Heyden in gleicher Meynung, wie zu ersehen ist aus dem SCHOLIASTE ad Tetrabiblon Ptolemæi bey dem IOANNE SELDENO de Jure natura & gentium L. III. c. 22. p. m. 466. Daß der Plato mit gleicher Meynung angesteckt gewesen, erhellet aus seinen Büchern, als Epinomide p. 704. und Timæo p. 531. Was soll ich von den Jüden sagen? Der Chaldäische Ubersetzer gibt der besagten Meynung selbst Beyfall, über den Prediger Salomons c. IX. v. 1. EPIPHANIVS legt diese Meynung auch den Pharisäern bey, de Secta Pharisæorum §. 2. Die Cabbalisten waren gleicher Meynung, wie JAQUES BASNAGE angezeiget, dans l’ Histoire des Iuifs L. III. c. 15. 16. von den Essäern habe ich solches [78] auch anderstwo (f)[6] erwiesen. Hieraus erkennet man nun, wie die Welt-Weisheit zu den Zeiten des Pauli beschaffen gewesen, und daß Paulus gegründete Uhrsachen gehabt, die Colosser dieserwegen zu warnen. Jedennoch hat noch neulich diesen verlegenen Satzungen der herumschweifende Tuchtfeld von neuen eine Farbe zu geben gedacht, da er so gar dem Astral Geiste alle natürliche und ordentliche Handlungen und Beschaffenheiten der Menschen zuschreibt, und die Gewalt des Satans als eine unumschränckte Bohtmäßigkeit abmahlet. Das Nürenbergische Ministerium hat diese grobe Irrthümer billig wiederleget. Aus den beygebrachten Gründen zeiget es sich von selbst, daß dieser Astral-Geist eine Träumerey sey. Anbey fällt es auch weg, wenn einige die wunderbahren Begebenheiten der Vampirs dem Astral-Geiste haben zuschreiben wollen.


  1. (a) Orat. XXXIX. p. 626. To. I. Ed. Colon. 1690. fol. Chaldaeorum astrologia & nativitatum observatio, res nostras eodem cum sideribus motu volvens.
  2. (b) Er nennet ihn auch μέγαν ηγεμόνα τῶν δαιμονων, den grossen Fürsten der Geister, de Mysteriis Aegypt. c. 30. p. 102. Sect. 3. Ed. Thomæ Gale.
  3. (c) Diejenige, so dergleichen Würckungen voraus sagten, hiessen Propheten. IVLIANVS Orat. V. p. 304.
  4. (d) Daß Manes und die Euchitæ hieraus in die Träumereyen verfallen seyn, jener von den beyden Principiis, diese von den drey Principiis, stehet klärlich bey dem MICHAELE PSELLO de Operationibus Damonum p. 8. sqq. ed. Hasenmülleri Kiloni 1688. 12.
  5. (e) THEOPHILVS AMELIVS i. e. Petrus Zornius in Erörterung der dunckelsten Schrift-Stellen in N. T. p. 215.
  6. (f) In uberioribus cogitatis de Magis Iudaeis, qui ad Iesum ex Oriente accesserunt in MVSEO BREMENSI Vol. I. F. IV. p. 671. sqq.