Verordnung, betreffend das strafgerichtliche Verfahren gegen die Militärpersonen der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Gesetzestext
korrigiert
Titel: Verordnung, betreffend das strafgerichtliche Verfahren gegen die Militärpersonen der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1891, Nr. 22, Seite 341 - 345
Fassung vom: 3. Juni 1891
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 17. Juni 1891
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
aus: {{{HERKUNFT}}}
Quelle: Scan auf Commons
Editionsrichtlinien zum Projekt
Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|200px]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[Index:|Indexseite]]


[341]

(Nr. 1965.) Verordnung, betreffend das strafgerichtliche Verfahren gegen die Militärpersonen der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Vom 3. Juni 1891.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 4 des Gesetzes, betreffend die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, vom 22. März 1891 (Reichs-Gesetzbl. S. 53) im Namen des Reichs, was folgt:

§. 1.[Bearbeiten]

Das strafgerichtliche Verfahren gegen die Miliiärpersonen der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika richtet sich nach den Vorschriften der Preußischen Militär-Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, soweit nicht in Nachstehendem abweichende Bestimmungen getroffen sind.

§. 2.[Bearbeiten]

Die Militärgerichtsbarkeit bei der Schutztruppe wird verwaltet:
1. durch das Gericht der Schutztruppe,
2. durch Abtheilungsgerichte.

§. 3.[Bearbeiten]

Das Gericht der Schutztruppe besteht aus dem Kommandeur der Schutztruppe als Gerichtsherrn und einem Auditeur. Dasselbe hat die höhere und niedere Gerichtsbarkeit über sämmtliche Militärpersonen der Schutztruppe.

§. 4.[Bearbeiten]

Ein Abtheilungsgericht wird gebildet bei jeder aus mehreren Kompagnien bestehenden Abtheilung. Dasselbe besteht aus dem Befehlshaber dieser Abtheilung [342] als Gerichtsherrn und einem untersuchungsführenden Offizier. Das Abtheilungsgericht hat die niedere Gerichtsbarkeit über die zur Abtheilung gehörenden, sowie die derselben vorübergehend überwiesenen Militärpersonen.

§. 5.[Bearbeiten]

Zur Bildung des Untersuchungsgerichts genügt in allen Fällen die Zuziehung eines Beisitzers. Derselbe hat in den Straffällen der Offiziere und oberen Militärbeamten thunlichst dem Dienstgrade des Angeschuldigten zu entsprechen.

§. 6.[Bearbeiten]

Der Auditeur kann in Behinderungsfällen durch einen untersuchungsführenden Offizier oder durch einen anderen Offizier vertreten werden. Der letztere ist nach Maßgabe des §. 80 der Militär-Strafgerichtsordnung zu vereidigen.

§. 7.[Bearbeiten]

Spruchgerichte hinsichtlich sämmtlicher Militärpersonen der Schutztruppe sind: Kriegs- und Standgerichte. Die Bestimmung des §. 61 Absatz 2 der Militär-Strafgerichtsordnung findet auf die Militärbeamten der Schutztruppe keine Anwendung.

§. 8.[Bearbeiten]

Zu einem Kriegsgericht sind als Richter zu berufen:
1. über einen Offizier: ein Oberführer oder älterer Kompagnieführer als Präses, zwei Kompagnieführer, zwei Lieutenants;
2. über einen Unteroffizier: ein Oberführer oder älterer Kompagnieführer als Präses, zwei Offiziere (Kompagnieführer oder Lieutenants), zwei Unteroffiziere;
3. über einen Militärbeamten: ein Oberführer oder älterer Kompagnieführer als Präses, zwei Offiziere (Kompagnieführer oder Lieutenants), zwei obere Militärbeamte, thunlichst vom Dienstzweige des Angeschuldigten.
Die Offiziere können im Bedarfsfalle durch Sanitätsoffiziere, die Militärbeamten durch Offiziere oder Sanitätsoffiziere ersetzt werden.

§. 9.[Bearbeiten]

Zu einem Standgericht sind als Richter zu berufen:
1. über einen Unteroffizier: ein Kompagnieführer als Präses, ein Lieutenant, ein Unteroffizier;
2. über einen unteren Militärbeamten: ein Kompagnieführer als Präses, ein Lieutenant, ein unterer Militärbeamter.
Die Offiziere können im Bedarfsfalle durch Sanitätsoffiziere, die unteren Militärbeamten durch Unteroffiziere ersetzt werden. [343]

§. 10.[Bearbeiten]

Fallen dem Angeschuldigten nach dem Ergebniß der Ermittelungen mehrere strafbare Handlungen zur Last und erscheint für die Strafzumessung die Feststellung des einen oder anderen Straffalles unwesentlich, so ist die Untersuchung nur wegen der schwereren Straffälle einzuleiten. Die nachträgliche Verfolgung der leichteren Straffälle ist nur innerhalb zweier Monate nach Rechtskraft des Erkenntnisses zulässig.

§. 11.[Bearbeiten]

Wird unter Betheiligung von Personen verhandelt, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden Sprache findet nicht statt, jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache erforderlich erscheint, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden. Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die betheiligten Personen sämmtlich der fremden Sprache mächtig sind.

§. 12.[Bearbeiten]

Dem Angeschuldigten steht in jedem Falle das Recht zu, sich zu vertheidigen oder durch eine andere Militarperson vertheidigen zu lassen. Ist die Handlung mit dem Tode oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht, so muß ein Vertheidiger zugezogen werden. Die Vertheidigung darf nur zum gerichtlichen Protokoll oder mündlich vor dem Spruchgericht erfolgen.

§. 13.[Bearbeiten]

Bietet die Führung der Untersuchung voraussichtlich keine Schwierigkeiten, und sind sowohl der Angeschuldigte, als auch die Beweismittel und, gegebenenfalls, der Vertheidiger zur Hand, so kann der Gerichtsherr mit der Einleitung der förmlichen Untersuchung die Anordnung des Spruchgerichts verbinden.

§. 14.[Bearbeiten]

In den Fällen des §. 13 findet mündliche Verhandlung vor dem Spruchgericht statt. Der Angeschuldigte wird zunächst durch den Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier vernommen und, sofern dies nicht schon geschehen ist, über seine Vertheidigungsbefugnisse belehrt. Darauf folgen: die Beweiserhebung, der Vortrag des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers und die Vertheidigung. Dem Angeschuldigten gebührt das letzte Wort. Die Aburtheilung schließt sich unmittelbar an. Sie erfolgt in Abwesenheit des Angeschuldigten und des Vertheidigers. Als Protokollführer wird eine durch Handschlag an Eidesstatt zu verpflichtende Militärperson zugezogen. Ueber die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, welches von dem Vorsitzenden, von dem die Verhandlung führenden [344] Auditeur oder Offizier und von dem Protokollführer zu unterschreiben ist. Dasselbe muß enthalten:
1. den Ort und den Tag der Verhandlung;
2. die Namen der Mitglieder des Gerichts, des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers, des Protokollführers und des etwa zugezogenen Dolmetschers, sowie den Vermerk über die Beeidigungen;
3. die Namen der Angeschuldigten und ihrer Vertheidiger;
4. die Namen der vernommenen Zeugen und Sachverständigen und den Vermerk über die stattgehabten Beeidigungen.
Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Spruchsitzung im Wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen unter Angabe der Abstimmung der einzelnen Richterklassen und die Urtheilsformel enthalten. Von dem Inhalt der Erklärungen des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers, des Angeschuldigten und des Vertheidigers, der Zeugen und der Sachverständigen wird nur das Wesentliche in das Protokoll aufgenommen. Insoweit diese Personen bereits im Ermittelungsverfahren vernommen waren, ist in dem Protokoll nur zu vermerken, ob und inwiefern ihre Erklärungen etwa von den früheren Aussagen in erheblichem Punkte abweichen. Kommt es auf die Feststellung eines Vorganges in der Spruchsitzung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Aeußerung an, so hat der Präses die vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen. In dem Protokoll ist zu bemerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben sind. Im Uebrigen bedarf es der Vorlesung des Protokolls nicht. Hat ausnahmsweise schon vor der Spruchsitzung die eidliche Vernehmung von Zeugen stattgefunden, so kann, wenn die Lage der Sache dies gestattet, von der nochmaligen Vernehmung abgesehen werden. In diesem Falle genügt die Vorlesung des früher aufgenommenen Protokolls.

§. 15.[Bearbeiten]

Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheiden die Spruchgerichte nach ihrer freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen geschöpften Ueberzeugung. Aus den Erkenntnißgründen muß stets genau hervorgehen, welche Thatsachen vom Spruchgericht für festgestellt erachtet sind.

§. 16.[Bearbeiten]

Kein Richter darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.

§. 17.[Bearbeiten]

Die Ausfertigungen der Erkenntnisse werden nur von dem Präses und dem Referenten unterzeichnet. Einer Untersiegelung bedarf es nicht. [345]

§. 18.[Bearbeiten]

Der Kommandeur der Schutztruppe hat das Bestätigungsrecht eines Marine-Stationschefs, der Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) dasjenige des kommandirenden Admirals. Die Erkenntnisse wider obere Militärbeamte bedürfen, wie die Erkenntnisse wider Offiziere, Meiner Bestätigung.

§. 19.[Bearbeiten]

Die Begutachtung eines Erkenntnisses erfolgt: wenn dasselbe durch den Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) zu bestätigen ist, durch einen Auditeur Meiner Marine, wenn dasselbe durch den Kommandeur der Schutztruppe zu bestätigen ist, durch einen Auditeur Meiner Marine oder durch einen zur Ausübung des Richteramts befähigten deutschen Konsul oder einen anderen hierzu befähigten Beamten.

§. 20.[Bearbeiten]

Erfolgt die Aufhebung eines Erkenntnisses, so darf zu dem neuen Spruchgericht der frühere Referent als solcher wieder zugezogen werden. Das neue Spruchgericht hat die rechtliche und militärdienstliche Beurtheilung, welche der Aufhebung des Erkenntnisses zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.

§. 21.[Bearbeiten]

Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten einschließlich erfolgt, soweit dies angängig, an Ort und Stelle; die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von längerer Dauer erfolgt in der Heimath und ist vom Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) nach Maßgabe der für die Angehörigen Meiner Marine bestehenden Vorschriften zu veranlassen.

§. 22.[Bearbeiten]

Die Geschäfte des General-Auditoriats und des General-Auditeurs werden von dem General-Auditoriat und dem General-Auditeur Meiner Marine wahrgenommen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben an Bord Meiner Yacht „Meteor“ Kiel, den 3. Juni 1891.
(L. S.)  Wilhelm.

 In Vertretung des Reichskanzlers:
  Hollmann