Verordnung, betreffend die Einrichtung, das Verfahren und den Geschäftsgang des Patentamts

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Gesetzestext
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Titel: Verordnung, betreffend die Einrichtung, das Verfahren und den Geschäftsgang des Patentamts.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1877, Nr. 29, Seite 533 - 537
Fassung vom: 18. Juni 1877
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 26. Juni 1877
Inkrafttreten:
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[533]

(Nr. 1203.) Verordnung, betreffend die Einrichtung, das Verfahren und den Geschäftsgang des Patentamts. Vom 18. Juni 1877.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen zur Ausführung des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 501) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:

§. 1.[Bearbeiten]

Das Patentamt besteht aus sieben Abtheilungen.
Zuständig sind:
die Abtheilungen I und II für die Beschlußfassung über Patentgesuche ausschließlich aus dem Gebiete der mechanischen Technik;
die Abtheilungen III und IV für die Beschlußfassung über Patentgesuche ausschließlich aus dem Gebiete der chemischen Technik;
die Abtheilungen V und VI für die Beschlußfassung über solche Patentgesuche, welche das Gebiet der chemischen und der mechanischen Technik zugleich berühren, sowie über alle sonstigen Patentgesuche;
die Abtheilung VII für die Beschlußfassung und Entscheidung in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit und wegen Zurücknahme ertheilter Patente.

§. 2.[Bearbeiten]

Für Beschwerden gegen den Beschluß einer Abtheilung in dem Verfahren wegen Ertheilung eines Patentes ist diejenige Abtheilung zuständig, welche neben der ersteren nach §. 1 über Patentgesuche aus demselben Gebiete der Technik zu beschließen hat. Der Vorsitzende des Patentamts kann jedoch im einzelnen Falle bestimmen, daß außer der hiernach zuständigen Abtheilung eine oder mehrere andere Abtheilungen bei der Beschlußfassung über die Beschwerde mitwirken sollen. [534]
Für Beschwerden in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücklahme eines Patentes sind diejenigen beiden Abtheilungen gemeinsam zuständig, welche nach §. 1 über Patentgesuche zu beschließen haben, die demselben Gebiete der Technik, wie das angefochtene Patent, angehören.

§. 3.[Bearbeiten]

Die näheren Bestimmungen über die Vertheilung der Geschäfte an die einzelnen Abtheilungen hat der Vorsitzende des Patentamts zu treffen. Für Anträge oder Gesuche, welche die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit oder die Zurücknahme eines Patentes nicht betreffen, kann er in jedem einzelnen Falle die Zuständigkeit bestimmen.

§. 4.[Bearbeiten]

An den Verhandlungen einer Abtheilung können nur solche Mitglieder theilnehmen, welche der Abtheilung angehören.
Den Abtheilungen I und II müssen mindestens je 5, den Abtheilungen III und IV mindestens je 3, den Abtheilungen V und VI mindestens je 4 und der Abtheilung VII mindestens 6 nicht ständige Mitglieder angehören. Von den Mitgliedern der Abtheilung V und der Abtheilung VI muß mindestens je eins aus jeder der ersten vier Abtheilungen, von den Mitgliedern der Abtheilung VII muß mindestens je eins aus jeder der ersten sechs Abtheilungen entnommen sein.
Jeder Abtheilung muß mindestens ein ständiges Mitglied, der Abtheilung VII außerdem der Vorsitzende des Patentamts angehören.

§. 5.[Bearbeiten]

Die Abtheilungen werden durch eine Verfügung des Vorsitzenden des Patentamts, welche die Mitglieder einer jeden Abtheilung bezeichnet, auf die Dauer eines Jahres oder für einen längeren Zeitraum gebildet.
Bei Ablauf der Zeit, für welche die Abtheilungen gebildet waren, erläßt der Vorsitzende des Patentamts eine neue Verfügung, welche die Abtheilungen abermals im voraus auf mindestens ein Jahr bildet. Hierbei kann die Zusammensetzung der Abtheilungen unverändert bleiben. Im Falle des Todes, der Erkrankung oder der längeren Abwesenheit eines Mitgliedes können in die davon betroffene Abtheilung, soweit und so lange das Bedürfniß dieses erfordert, durch Verfügung des Vorsitzenden Mitglieder anderer Abtheilungen zur Aushülfe berufen werden.

§. 6.[Bearbeiten]

Die Geschäftsleitung in den Abtheilungen führt das von dem Vorsitzenden des Patentamts hierzu bestimmte Mitglied. In der Abtheilung VII führt sie der Vorsitzende des Patentamts selbst. Bei Beschwerden gegen Beschlüsse einer der ersten sechs Abtheilungen steht die Geschäftsleitung dem Vorsitzenden des Patentamts zu; welchem der ständigen Mitglieder bei Beschwerden gegen Beschlüsse der Abtheilung VII die Geschäftsleitung zustehen soll, bestimmt der Vorsitzende des Patentamts zum voraus für die in §. 5 bezeichnete Zeit. [535]
Ueber die Vertretung im Vorsitz, sowie über die Vertretung in der Geschäftsleitung der Abtheilungen hat der Vorsitzende des Patentamts Bestimmung zu treffen.

§. 7.[Bearbeiten]

In den Abtheilungen liegt es dem geschäftsleitenden Mitgliede ob, die für den Fortgang der Sachen erforderlichen Verfügungen, soweit dadurch der Entscheidung nicht vorgegriffen wird, zu treffen. Insbesondere hat das geschäftsleitende Mitglied für jede Sache den Berichterstatter zu bezeichnen, welchem allein oder unter Mitwirkung eines zweiten Mitgliedes die Prüfung der Sache zunächst zufallen soll. Der Berichterstatter hat den mündlichen Vortrag in den Sitzungen zu halten, sowie alle Beschlüsse und Entscheidungen in der für die Zufertigung an die Betheiligten geeigneten Form schriftlich zu entwerfen. Das geschäftsleitende Mitglied ist befugt, Aenderungen in der Fassung, soweit ihm solche nothwendig erscheinen, vorzunehmen.
Ueber die Zuziehung von Sachverständigen (Patentgesetz §. 14 Absatz 5) beschließen die Abtheilungen.

§. 8.[Bearbeiten]

Die Beschlußfassung der Abtheilungen kann nur auf Grund mündlichen Vortrags in der Sitzung erfolgen:
1. wenn es sich um einen Beschluß nach Maßgabe des §. 25 des Gesetzes handelt;
2. wenn es sich im Falle des §. 29 Absatz 3 des Gesetzes um die Androhung der Zurücknahme eines Patentes handelt;
3. wenn es sich um die Entscheidung über die Erklärung der Nichtigkeit oder die Zurücknahme eines Patentes handelt.

§. 9.[Bearbeiten]

Die Beschlüsse und Entscheidungen der Abtheilungen erfolgen nach Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des geschäftsleitenden Mitgliedes. Ist dem Beschluß oder der Entscheidung eine Anhörung der Betheiligten (Patentgesetz §. 24 Absatz 2, §. 25 Absatz 2, §. 29 Absatz 2) vorhergegangen, so kann ein Mitglied, welches bei derselben nicht zugegen gewesen ist, an der Abstimmung nicht theilnehmen.

§. 10.[Bearbeiten]

Dem Vorsitzenden des Patentamts liegt es ob, auf eine gleichmäßige Behandlung der Geschäfte und auf die Beobachtung gleicher Grundsätze hinzuwirken. Zu diesem Behufe ist er befugt, den Berathungen aller Abtheilungen beizuwohnen, auch sämmtliche Mitglieder zu Plenarversammlungen zu vereinigen und die Berathung des Plenums über die von ihm vorgelegten Fragen herbeizuführen. [536]

§. 11.[Bearbeiten]

Die Sitzungen der Abtheilungen finden der Regel nach an bestimmten Tagen und zu bestimmten Stunden statt. Die Verfügung darüber steht dem Vorsitzenden des Patentamts zu.

§. 12.[Bearbeiten]

Zeugen und Sachverständige erhalten nach den am Ort ihres Wohnsitzes für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten maßgebenden Bestimmungen eine Entschädigung für Zeitversäumniß und Erstattung der ihnen verursachten Kosten, Sachverständige außerdem eine Vergütung ihrer Mühwaltung.

§. 13.[Bearbeiten]

Zu den Kosten des Verfahrens, über welche das Patentamt nach §. 30 des Gesetzes zu bestimmen hat, gehören außer den aus der Kasse des Patentamts bestrittenen Auslagen diejenigen den Betheiligten erwachsenen Kosten, welche nach freiem Ermessen des Patentamts zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte nothwendig waren.

§. 14.[Bearbeiten]

Die Einrichtung der Bureaus, die Verwaltung der Kasse, der Bibliothek und der Sammlungen werden durch den Vorsitzenden des Patentamts geordnet. Der Vorsitzende erläßt die für die Beamten erforderlichen Geschäftsanweisungen.

§. 15.[Bearbeiten]

Die Leitung und Beaufsichtigung des gesammten Geschäftsbetriebes steht dem Vorsitzenden oes Patentamts zu. Er ist der Dienstvorgesetzte der Subaltern- und Unterbeamten. Er verfügt in allen Verwaltungsangelegenheiten.

§. 16.[Bearbeiten]

Geschäftssachen, welche während der Dienststunden der Bureaus eingehen, sind alsbald, andere Geschäftssachen bei dem Wiederbeginn der Dienststunden von dem dazu bestimmten Beamten nach der Reihe des Eingangs oder, wenn diese nicht feststeht, nach der Reihe, in welcher sie von dem Beamten übernommen werden, mit einer laufenden Nummer und dem Datum zu versehen.

§. 17.[Bearbeiten]

Schriftstücke, in welchen die Ertheilung eines Patentes nachgesucht wird, oder welche auf ein bereits eingeleitetes Verfahren wegen Ertheilung eines Patentes Bezug haben, gehen unmittelbar an die für die Erledigung zuständige Abtheilung. Wird in Bezug auf die Zuständigkeit Anstand erhoben, so ist die Bestimmung des Vorsitzenden des Patentamts einzuholen. Alle übrigen Schriftstücke werden dem letzteren vorgelegt. [537]

§. 18.[Bearbeiten]

Das Patentamt kann nach seinem Ermessen von den bei ihm beruhenden Eingaben und Verhandlungen, soweit deren Einsichtnahme gesetzlich nicht beschränkt ist, auf Antrag an jedermann Abschriften und Auszüge gegen Einzahlung der Kosten ertheilen.

§. 19.[Bearbeiten]

Die Ausfertigungen der Beschlüsse der Abtheilungen erhalten die Unterschrift: „Kaiserliches Patentamt, Abtheilung.....“. Diejenigen Beschlüsse jedoch, welche die Abtheilungen als Beschwerdeinstanzen fassen (§. 2), sowie alle Entscheidungen des Patentamts erhalten in der Ausfertigung nur die Unterschrift: „Kaiserliches Patentamt“. Die Ausfertigungen werden von dem geschäftsleitenden Mitgliede vollzogen. Vorladungs- und Zustellungsschreiben, sowie die Ausfertigungen der Patenturkunden werden nicht vollzogen, sondern nur beglaubigt. Die Beglaubigung von Schriftstücken geschieht unter der Unterschrift des von dem Vorsitzenden des Patentamts dazu bestimmten Beamten und unter Beifügung des Siegels des Patentamts.

§. 20.[Bearbeiten]

Das Siegel des Patentamts enthält in der Mitte den Reichsadler und in der Umschrift die Worte: „Kaiserliches Patentamt“.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 18. Juni 1877.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.