Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn wegen Herstellung einer Eisenbahn zwischen Görlitz und Reichenberg

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Titel: Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn wegen Herstellung einer Eisenbahn zwischen Görlitz und Reichenberg.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1872, Nr. 27, Seite 353 - 360
Fassung vom: 21. Mai 1872
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Bekanntmachung: 12. August 1872
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[353]

(Nr. 873.) Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn wegen Herstellung einer Eisenbahn zwischen Görlitz und Reichenberg. Vom 21. Mai 1872.

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, im Namen des Deutschen Reichs, und Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. w. und apostolischer König von Ungarn, von dem Wunsche geleitet, die Eisenbahnverbindungen zwischen den beiderseitigen Reichsgebieten zu erweitern, haben zum Behufe einer hierüber zu treffenden Vereinbarung zu Bevollmächtigten ernannt:

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen:
Allerhöchstihren Ministerialdirektor der Eisenbahnverwaltung Theodor Weishaupt,
Allerhöchstihren Geheimen Legationsrath Wilhelm Jordan,
Allerhöchstihren Geheimen Ober-Finanzrath Ernst Hitzigrath,
Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. w. und apostolischer König von Ungarn:
Allerhöchstihren Sektionsrath im K. K. Handelsministerium Carl Ritter von Pußwald,
Allerhöchstihren Sektionsrath im K. K. Finanzministerium Ferdinand Buchaczek,

von welchen nach geschehener Mittheilung und gegenseitiger Anerkennung ihrer Vollmachten unter dem Vorbehalte der Ratifikation der nachstehende Vertrag verabredet und abgeschlossen worden ist.

Artikel I.

Die Königlich preußische und die Kaiserlich Königlich österreichische Regierung sind übereingekommen, eine Eisenbahn von Görlitz über Seidenberg nach Reichenberg zuzulassen und die Vollendung des Baues nebst der Eröffnung des Betriebes derselben bis spätestens 1. Juli 1874 herbeizuführen.
Zu diesem Behufe hat die Königlich preußische Regierung der Berlin-Görlitzer Eisenbahngesellschaft unterm 9. Oktober vorigen Jahres die Konzession zum Bau und Betrieb der auf preußischem Landesgebiete, die Kaiserlich Königlich österreichische Regierung der Aktiengesellschaft der süd-norddeutschen Verbindungsbahn unterm 31. März dieses Jahres die Konzession zum Bau und Betrieb der auf österreichischem Landesgebiete belegenen Strecke der in Rede stehenden Eisenbahn ertheilt. [354]

Artikel II.

Die spezielle Feststellung der Bahnlinie, wie des gesammten Bauplans und der einzelnen Bauentwürfe bleibt jeder der beiden Regierungen für ihr Gebiet vorbehalten.
Der Punkt, wo die beiderseitige Reichsgrenze von der Bahn überschritten wird, soll auf Grund der von den betreffenden Eisenbahnverwaltungen auszuarbeitenden Projekte, nöthigenfalls durch deshalb abzuordnende technische Kommissarien, näher bestimmt werden.

Artikel III.

Die Bahn soll zwar zunächst nur mit Einem durchgehenden Geleise versehen, jedoch soll die Erwerbung des Terrains von vornherein für eine doppelgeleisige Bahn sichergestellt werden. Bei dem Eintritte des Bedürfnisses werden die Hohen Regierungen die Herstellung des zweiten Geleises anordnen.
Der Erwerb der zur Anlage der Bahn erforderlichen Grundstücke soll, insofern eine gütliche Vereinbarung unter den Beteiligten nicht zu erreichen ist, in jedem der beiden Staatsgebiete nach den Bestimmungen des dort geltenden beziehungsweise zu erlassenden Expropriationsgesetzes erfolgen.
Die Spurweite der Geleise soll in Uebereinstimmung mit den anschließenden Bahnen 1,435 Meter im Lichten der Schienen betragen.
Auch im Uebrigen sollen die Konstruktionsverhältnisse der nach diesem Vertrage anzulegenden Eisenbahn und deren Betriebsmittel dergestalt nach gleichmäßigen Grundsätzen festgestellt werden, daß auf der ganzen Linie ein einheitlicher Betrieb stattfinden kann, insbesondere auch die Betriebsmittel von und nach den anschließenden Bahnen ungehindert übergehen, beziehungsweise gemeinschaftlich benutzt werden können.
Die von einer der beiden Hohen Regierungen geprüften Betriebsmittel werden ohne nochmalige Prüfung auch auf der in dem Gebiete der anderen liegenden Bahnstrecke zugelassen werden.

Artikel IV.

Die beiden Hohen Regierungen verpflichten sich, zuzulassen und anzuordnen, daß die Görlitz-Reichenberger Eisenbahn an ihren Endpunkten in angemessene, den Uebergang der Betriebsmittel gestattende Schienenverbindung mit den zur Zeit daselbst anschließenden Eisenbahnen gesetzt wird.

Artikel V.

Die volle Landeshoheit (also auch die Ausübung der Justiz- und Polizeigewalt) bleibt in Ansehung der die beiderseitigen Gebiete durchschneidenden Bahnstrecken auf dem preußischen Gebiete Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, König von Preußen und auf dem österreichischen Gebiete Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. w. und apostolischen König von Ungarn, ausschließlich vorbehalten. [355]

Artikel VI.

Die Hohen Regierungen behalten sich vor, zur Handhabung des ihnen über die Bahnstrecke in ihrem Gebiete zustehenden Hoheits- und Aufsichtsrechts Kommissarien zu bestellen, welche die Beziehungen ihrer Regierungen zu den Eisenbahnverwaltungen in allen denjenigen Fällen zu vertreten haben, welche nicht zum direkten gerichtlichen oder polizeilichen Einschreiten der kompetenten Landesbehörden geeignet sind.

Artikel VII.

Unbeschadet des Hoheits- und Aufsichtsrechts der Hohen vertragschließenden Theile über die in ihren Gebieten belegenen Bahnstrecken und über den darauf stattfindenden Betrieb verbleibt die Ausübung des Oberaufsichtsrechts über die den Betrieb führenden Eisenbahngesellschaften oder Eisenbahnverwaltungen im Allgemeinen derjenigen Regierung, in deren Gebiete dieselben ihren Sitz haben.

Artikel VIII.

Sollte die österreichische Aktiengesellschaft innerhalb des preußischen Gebietes oder die preußische Aktiengesellschaft innerhalb des österreichischen Gebietes den Betrieb der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn ganz oder theilweise übernehmen (Artikel XIII.), so hat sich dieselbe rücksichtlich aller aus dem Bahnbetriebe herzuleitenden Entschädigungsansprüche der Gerichtsbarkeit und den Gesetzen des Staates zu unterwerfen, in welchem die Schadenszufügung stattgefunden hat.

Artikel IX.

Reichsangehörige des einen der Hohen vertragschließenden Theile, welche von den Eisenbahnverwaltungen beim Betriebe der Bahnstrecke im Gebiete des anderen Reichs angestellt werden, scheiden dadurch nicht aus dem Unterthanenverbande ihres Heimathslandes aus.
Die Stellen der Lokalbeamten, mit Ausnahme der Bahnhofsvorstände, der Telegraphen- und derjenigen Beamten, welche mit der Erhebung von Geldern betraut sind, sollen jedoch thunlichst mit einheimischen Staatsangehörigen besetzt werden.
Sämmtliche Beamten sind ohne Unterschied des Orts ihrer Anstellung bei der Bahn rücksichtlich der Disziplinarbehandlung nur der Anstellungsbehörde, im Uebrigen aber den Gesetzen und Behörden des Staates, in welchem sie ihren Wohnsitz haben, unterworfen.

Artikel X.

Die Feststellung und Genehmigung der Fahrpläne und Tarife bleibt derjenigen Regierung vorbehalten, in deren Gebiet die betreffende Eisenbahnverwaltung ihren Sitz hat; jedoch soll die Feststellung der Tarifsätze für Bahnstrecken, welche in den beiderseitigen Gebieten belegen sind und von einer und derselben Verwaltung im Betriebe geleitet werden, nach gleichen Grundsätzen erfolgen.
Beide Hohe vertragschließende Theile verpflichten sich ferner, dahin zu wirken, und darauf zu halten: [356]
1) daß die auf ihrem Gebiete belegene Strecke der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn mit einer für den Verkehr genügenden Anzahl von Betriebsmitteln, welche den im Artikel III. vereinbarten Voraussetzungen entsprechen, ausgerüstet werde;
2) daß von den betriebführenden Verwaltungen zwischen Görlitz und Reichenberg in jeder Richtung und möglichst im Anschluß an die Züge der angrenzenden Bahnstrecken für die Personenbeförderung mindestens drei Züge täglich in beiden Richtungen und für den Güterverkehr soviel Züge, als zur Bewältigung desselben erforderlich sind, eingerichtet werden;
3) daß die Beförderung der Personen und Güter auf der Görlitz-Reichenberger Bahn zu möglichst mäßigen Tarifsätzen, die Beförderung von Kohlen, Koaks, Steinen, Erzen, Roheisen, Dungsalz und sonstigen Düngungsmitteln in ganzen Wagenladungen und auf größere Entfernungen thunlichst zu dem Satze von einem Pfennig oder fünf-zwölftel Kreuzer pro Zentner und Meile nebst einem Expeditionszuschlag von höchstens zwei Thalern preußisch oder drei Gulden österreichisch für je hundert Zentner stattfindet;
4) daß der Einführung direkter Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, sobald dieselben im Interesse des Verkehrs von der einen oder anderen der beiden Hohen Regierungen als wünschenswerth bezeichnet werden, seitens der betriebführenden Verwaltungen der Görlitz-Reichenberger Bahn, soweit dieselbe betheiligt ist, nicht widersprochen wird.

Artikel XI.

Es soll sowohl hinsichtlich der Beförderungspreise als der Zeit der Abfertigung kein Unterschied zwischen den Bewohnern beider Reiche gemacht werden, namentlich sollen die aus dem Gebiete des einen Reichs in das Gebiet des anderen Reichs übergehenden Transporte weder in Beziehung auf die Abfertigung, noch rücksichtlich der Beförderungspreise ungünstiger behandelt werden, als die aus dem betreffenden Reiche abgehenden oder darin verbleibenden Transporte.

Artikel XII.

Die Bahnpolizei wird unter Aufsicht der dazu in jedem der beiden Reichsgebiete kompetenten Behörden in Gemäßheit der für jedes Gebiet geltenden Vorschriften und Grundsätze zunächst durch die Beamten der Eisenbahnverwaltung gehandhabt werden.

Artikel XIII.

Der Betriebswechsel soll auf derjenigen Eisenbahnstation stattfinden, welche auf preußischem Gebiete zunächst der Grenze bei Seidenberg zu errichten ist. Die Königlich preußische Regierung wird deshalb der Berlin-Görlitzer Eisenbahngesellschaft die Verpflichtung auferlegen, den Betrieb auf der Strecke von der beiderseitigen Grenze bis zu der Wechselstation bei Seidenberg an die Aktiengesellschaft der süd-norddeutschen Verbindungsbahn zu überlassen, welcher die Ausführung des Baues und Betriebes innerhalb des österreichischen Staatsgebietes übertragen worden ist. [357]
Die Einrichtungen des Baues und Betriebes, die Konstruktion des Oberbaues der Bahn und die Signaleinrichtungen von der beiderseitigen Grenze bis zu dem Bahnhofe bei Seidenberg sollen alsdann mit denjenigen Einrichtungen, welche in diesen Beziehungen für die auf österreichischem Gebiete belegene Bahnstrecke genehmigt werden, übereinstimmen.
Die Anlage und Ausrüstung des Bahnhofs bei Seidenberg selbst erfolgt nach den in Preußen geltenden Grundsätzen.
Sofern für den Betrieb der in den beiderseitigen Reichsgebieten belegenen Strecken der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn eine gemeinsame Verwaltung oder die Durchführung der Züge zwischen Görlitz und Reichenberg ohne Betriebswechsel in Aussicht genommen wird, bleibt die Genehmigung des dieserhalb abzuschließenden Betriebsvertrages den beiden Hohen Regierungen vorbehalten.

Artikel XIV.

Ueber die näheren Bedingungen, unter welchen die Betriebsüberlassung bezüglich der von der beiderseitigen Grenze bis zu dem Bahnhofe bei Seidenberg belegenen Bahnstrecke stattfinden wird, bleibt eine Verständigung zwischen den Eigenthümern der betreffenden Bahnstrecke und der den Betrieb auf derselben übernehmenden Verwaltung vorbehalten. Jedenfalls soll aber die letztere seitens der Kaiserlich Königlich österreichischen Regierung bindend verpflichtet werden, die ordnungsmäßige Instandhaltung der ihr in Betrieb gegebenen Strecke nebst allem Zubehör, einschließlich der nach allgemeinen preußischen Verwaltungsgrundsätzen erforderlich werdenden Erneuerungen, auf eigene Kosten zu übernehmen und den Eigenthümern das auf die betreffende Strecke verwendete und nachzuweisende, etwaige Kosten der Geldbeschaffung oder Kursverluste nicht enthaltende Anlagekapital mit jährlich fünf Prozent zu verzinsen. Erweiterungen der ursprünglichen Bahnanlagen, welche die Königlich preußische Regierung im Interesse des Verkehrs für geboten erachten möchte, werden auf Kosten der Eigenthümer der betreffenden Bahnstrecke ausgeführt werden. Doch sollen die nachzuweisenden Kosten solcher Erweiterungen dem von der betriebführenden Verwaltung zu verzinsenden Anlagekapital hinzutreten.
Wegen Mitbenutzung des Bahnhofs und der Bahnhofsanlagen bei Seidenberg und wegen der den Eigenthümern dafür zu leistenden besonderen Entschädigung haben die beiderseitigen Bahnverwaltungen unter Vorbehalt der Genehmigung ihrer resp. Regierungen gleichfalls ein Abkommen mit einander zu treffen.
Beim Mangel eines Einverständnisses haben sich die Bahnverwaltungen den nach vorgängiger Verständigung gemeinschaftlich zu treffenden Anordnungen der beiden Hohen Regierungen zu fügen.

Artikel XV.

Auf der im Artikel XIII. bezeichneten Grenzstation wird zur Erreichung des im Artikel 8 des Handels- und Zollvertrages zwischen Oesterreich-Ungarn und Preußen, im Namen des Norddeutschen Bundes, dann der zu diesem Bunde nicht gehörenden Mitglieder des deutschen Zoll- und Handelsvereins vom 9. März 1868 bezeichneten Zweckes von beiden Seiten je ein Grenzzollamt gelegt und beziehungsweise mit dem anderen zusammengelegt werden. [358]
Diesen Grenzzollämtern sind beiderseits die den Verkehrsverhältnissen entsprechenden Abfertigungsbefugnisse einzuräumen, und erklären sich die vertragschließenden Theile bereit, diese Befugnisse zu erweitern, sobald die Ausdehnung des Verkehrs dies erfordern sollte.
Einem Wunsche der Königlich preußischen Regierung entsprechend, wird die Kaiserlich Königlich österreichische Regierung außerdem zur Erleichterung des direkten Waarenverkehrs zwischen den betheiligten österreichisch-ungarischen Handelsplätzen und der Stadt Görlitz auf dem Bahnhofe dieser Stadt, und zwar in örtlicher Verbindung mit der Königlich preußischen Zollabfertigungsstelle, ein österreichisches Hauptzollamt errichten und mit solchen Abfertigungs- und Verzollungsbefugnissen versehen, daß von demselben diejenigen Gegenstände nach Gattung und Menge abgefertigt werden können, welche nach den bestehenden oder später eintretenden Verkehrsverhältnissen vermittelst der Reichenberg-Görlitzer Eisenbahn über die Grenze ein- oder auszuführen im Bedürfniß liegt. Es herrscht jedoch darüber Einverständnis daß durch diese Einrichtung dem durchgehenden Verkehre keinerlei Aufenthalt oder sonstige Hemmnisse auferlegt werden sollen.
Vorstehende Zusicherung wird jedoch österreichischer Seits an die Bedingung geknüpft, daß die in Görlitz für die österreichische Zollabfertigung erforderlichen Diensträume von der betheiligten Eisenbahngesellschaft oder der Stadt Görlitz, sowie die für die anständige Unterkunft der österreichischen Zollbeamten daselbst benöthigten Wohnungen von der Stadt Görlitz der bereits ertheilten Zusicherung gemäß beschafft und erhalten werden, so daß der Kaiserlich Königlich österreichischen Regierung in beiden genannten Beziehungen keine Kosten zur Last fallen dürfen. Auch soll für die Benutzung der dem Kaiserlich Königlich österreichischen Zollamte von Seiten der Stadt Görlitz zu überweisenden Waaren-Niederlagsräume eine Lagergebühr nicht erhoben werden.
Zum Zwecke der Regelung dieser, sowie aller sonstigen Verhältnisse des künftigen österreichischen Zollamts in Görlitz und wegen der im beiderseitigen Zollinteresse daselbst zu treffenden Einrichtungen sollen nach Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages besondere Spezialverhandlungen unter Zuziehung von Kommissarien der beiderseitigen Zollverwaltungen eingeleitet werden.

Artikel XVI.

In Betreff der durch beiderseitige Kommissare seiner Zeit noch näher zu verabredenden Förmlichkeiten der zollamtlichen Revision und Abfertigung des Passagiergepäcks und der ein- und ausgehenden Güter, sowie der Paßrevision ertheilen beide Regierungen sich die Zusicherung, daß die Görlitz-Reichenberger Eisenbahn nicht minder günstig als irgend eine andere in das Ausland übergehende Eisenbahnroute behandelt werden soll, und daß im Interesse der Förderung des Verkehrs dabei jede, nach den in beiden Reichen bestehenden Gesetzen zulässige Erleichterung und Vereinfachung eintreten soll. [359]

Artikel XVII.

Die wegen der Handhabung der Paß- und Fremdenpolizei bei Reisen mittelst der Eisenbahn unter beiden Regierungen schon bestehenden oder noch zu verabredenden Bestimmungen sollen auch auf die in Rede stehende Eisenbahnverbindung Anwendung finden.
Ueber die den Kaiserlich Königlich österreichischen Polizeibeamten, welche auf dem Bahnhofe Seidenberg stationirt werden möchten, beizulegenden Amtsbefugnisse bleibt eine besondere Verständigung unter den beiden Hohen Regierungen vorbehalten. Die diesfallige Verhandlung soll mindestens drei Monate vor Inbetriebsetzung der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn beginnen und vor der Eröffnung des Betriebes thunlichst vollständig zum Abschlusse gebracht werden.

Artikel XVIII.

Die Regulirung des Post- und Telegraphenbetriebes auf der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn bleibt der besonderen Verständigung zwischen den beiderseitigen Post- und Telegraphenverwaltungen vorbehalten.
Bei der Regulirung des Postbetriebes wird davon ausgegangen werden, daß der Betriebswechsel an demselben Punkte stattfinden soll, welcher nach Artikel XIII. für den Eisenbahnbetriebswechsel und nach Artikel XV. für die Zollabfertigung in Aussicht genommen ist, und daß die Kosten für die Beförderung der Postsendungen von einer jeden der beiderseitigen Postverwaltungen innerhalb der Grenzen ihres Gebietes getragen werden.

Artikel XIX.

Die Königlich preußische Regierung wird den Betrieb der auf preußischem Gebiet belegenen Bahnstrecke, soweit derselbe von der österreichischen Aktien-Gesellschaft geleitet wird, mit keiner anderen oder höheren Abgabe belegen, als derjenigen, welche den Bahnbetrieb ausländischer Eisenbahn-Aktiengesellschaften im preußischen Staate im Allgemeinen trifft.
Desgleichen wird die Kaiserlich Königlich österreichische Regierung für den Fall, daß der Betrieb der auf österreichischem Gebiet belegenen Bahnstrecke künftig von einer preußischen Aktiengesellschaft geleitet weiden sollte, von derselben keine anderen oder höheren Abgaben erheben, als diejenigen, welche den Bahnbetrieb der betreffenden Eisenbahn-Aktiengesellschaften im österreichischen Staat im Allgemeinen treffen.

Artikel XX.

Für den Fall, daß die in Preußen belegene Strecke der Görlitz-Reichenberger Eisenbahn seiner Zeit von der Königlich preußischen Regierung angekauft werden möchte, und ebenso nach dem Ablauf der für die österreichische Strecke der Görlitz-Reichenberger Bahn bestimmten Konzessionsfrist soll zwischen den beiden Hohen Regierungen über die Fortführung des Betriebes auf der Görlitz-Reichenberger Bahn ein dem Verkehr und den beiderseitigen Interessen entsprechendes besonderes Uebereinkommen getroffen werden. [360]

Artikel XXI.

Gegenwärtiger Vertrag soll beiderseitig zur Allerhöchsten Genehmigung vorgelegt und die Auswechselung der darüber auszufertigenden Ratifikations-Urkunden spätestens binnen vier Wochen in Wien bewirkt werden.
Zur Beglaubigung dessen haben die Bevollmächtigten denselben unterzeichnet und besiegelt.
So geschehen Berlin, den 21. Mai Eintausend achthundert zwei und siebenzig.
(L. S.)       Theodor Weishaupt.
(L. S.)       Wilhelm Jordan.
(L. S.)       Ernst Hitzigrath.
(L. S.)       Carl Ritter von Pußwald.
(L. S.)       Ferdinand Buchaczek.


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Der vorstehende Vertrag ist ratifizirt worden und die Auswechselung der Ratifikations-Urkunden hat stattgefunden.