Volkssagen in der Lausitz (Dornick und S.)

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Textdaten
Autor: Carl Wilhelm Dornick, S.
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Titel: Volkssagen in der Lausitz
Untertitel: Oberlausitzische Volkssagen. Fortsetzung
aus: Neues Lausitzisches Magazin, Sechszehnter, Neuer Folge dritter Band, S. 378–386
Herausgeber: Joachim Leopold Haupt
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Heyn’sche Buch- und Kunsthandlung
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Erscheinungsort: Görlitz
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[378]
VIII.
Volkssagen in der Lausitz.[1]
(Oberlausitzische Volkssagen.)
Fortsetzung.
12.
Querxe.

Der Breiteberg bei Haynewalde war einst in seinem Innern von einem Zwergvolke – Querxe in der Volkssprache genannt – bewohnt, welches gutartig gewesen ist [379] und Niemanden was zu Leide gethan hat. Der Ort, wo die Zwerge ein- und ausgingen, heißt das Querxsloch; ein Quell am Berge der Querxborn. Von ihrem Thun und Treiben erzählt man Folgendes: Ein Bertsdorfer Bauer, welcher am Fuße des Breitenberges arbeitete, sah einmal die Zwerge in Menge herauskommen, und hörte einen nach dem andern rufen: wirf mir mein Käppel (Käppchen, Mützchen, so viel als Nebelkappe) heraus. Er rief endlich ebenfalls: wirf mir meins auch heraus; das geschah, und ein Zwerglein sagte ihm, daß sie jetzt nach Bertsdorf gehen und einem Hochzeitschmause beiwohnen wollten. Das Käppchen mache sie unsichtbar; er könne also ebenfalls getrost mitgehen, und werde, so lange als er das Käppchen aufhabe, allen Hochzeitgästen unsichtbar bleiben. Essen und trinken möge er, so viel er wolle und könne; einstecken dürfe er aber durchaus nichts. Der Bauer ging mit, wohnte unsichtbar dem Hochzeitschmause bei und ließ sich Essen und Trinken wohl schmecken; als aber Schweinebraten kam, konnte er der Lust, ein Stück einzustecken, nicht widerstehen. Kaum war dies geschehen, so riß ihm ein Zwerglein das Mützchen vom Kopfe und er saß nun auf einmal, allen Hochzeitgästen sichtbar, in Alltagskleidung am Tische. Das Erstaunen war groß, bis er die Veranlassung zu seinem Kommen und die Anwesenheit der Zwerge erzählte, auch sagte, daß deren einige zwischen jedem Hochzeitgaste säßen. Nun konnte man sichs auch erklären, warum jede Schüssel immer so bald ausgeleert und so viel auf dieser Hochzeit gegessen worden sey.

Einst ging eine Frau an den Breiteberg um Beeren dort zu suchen, und nahm ein kleines Kind mit sich. Sie erblickte zu ihrem Erstaunen einen sonst nie gesehenen Eingang in den Berg, und faßte endlich Muth hineinzugehn. Drinnen sah sie einen großen Haufen Geld, und ein Zwerglein, welches dabei war, erlaubte ihr, so viel zu nehmen [380] als sie nur wolle. Um recht bequem ihre Schürze füllen zu können, legte sie ihr Kind auf die Seite; noch aber war sie nicht fertig, als sie ein gewaltiges Rollen und Donnern hörte. Voll Schreck stürzte sie aus der Höhle und ließ ihr Kind in derselben liegen. Kaum war sie heraus, so schob sich die Oeffnung zu, und diese konnte sie auch mit aller Mühe nicht wieder finden; auch waren alle wiederholten Versuche, in den Berg zu gelangen, vergebens. Endlich fragte sie den Pfarrer, was zu thun sey, und wie sie ihr Kind wieder erlangen könne; dieser gab ihr den Rath: im nächsten Jahre an demselben Tage und zu derselben Stunde wieder an den Berg zu gehen, vielleicht sey er wieder offen. Sie that dies, fand glücklich den Berg offen, eilte hinein und fand ihr Kind unbeschädigt wieder. Mit dem Gelde war es aber nichts; das erstemal hatte sie alles aus Schreck weggeworfen, und das zweitemal dachte sie nur an ihr Kind.

Manchmal mögen die Zwerge den Leuten auch lästig gewesen seyn, denn sie kamen oft in die Häuser und holten sich besonders Brod. Nach langem Ueberlegen, wie dieses Brodstehlen zu hindern, gab Jemand den Rath, man solle Kümmel in das Brod backen. Den konnten sie nicht vertragen, und das Brodstehlen unterblieb. Diese Vorkehrungen mögen ihnen schon nicht gefallen haben, und als man in der Umgegend Glocken anschaffte, deren Klang ihren Ohren zu stark war, wanderten sie fort. Ein Bauer aus Bertsdorf hat sie auf einem Wagen fortgefahren, tief hinein in das böhmische Gebirge; und der Wagen ist so voll gewesen, daß zwischen allen Leitersprossen und selbst zwischen den Speichen der Räder Zwerge in zahlloser Menge gesessen haben. Sie schieden mit den Worten: wenn Sachsen kommt ans Böhmerland, dann wird gute Zeit, und dann kommen wir wieder.

Wenn diese Auswanderung statt gefunden, und ob Verdrängung der Heiden und Einführung des Christenthums, [381] oder die Reformation zu dieser Sage Veranlassung gegeben hat, läßt sich eben nicht ausmitteln.

Derselbe Grund, der sie bewog, den Breitenberg zu verlassen, Anschaffung der Glocken, bewog sie auch, den Berg bei Dittersbach zu verlassen. Frenzel in Nomencl. utriusque Lusat. in Hoffmanni Scriptor. II. p. 36. sagt: Testatur chorographia autoris vetusti districtus dotalitii (des Eigenschen Kreises) avorum proavorumque memoria lemures demum abhinc discessisse. Verba ita sonant: Die Einwohner melden, daß vor der Zeit, ehe die große Glocke ist gegossen worden, so geschehen a. 1514 im Dietrichsbacher Berge Zwerge gewohnt haben. Sie sind oft ins Dorf kommen, und haben sich in die Häuser und Stuben verfüget, also daß die Leute ihrer gar gewohnt gewesen. Nachdem aber die große Glocke gegossen und geläutet worden, hat sie der harte Schall des Erzes, welchen sie nicht erdulden können, vertrieben, daß man derselben bisher keines mehr gespüret hat.“


13.
Buschweibchen.

Buschweibchen (Buschweibel genannt) sind Zwerginnen. Solche hielten sich zwischen Haynewalde und Spitzkunnersdorf in den Büschen auf, besonders am Forste. Einst hütete eine Kuhhirtin am Buschrande das Vieh und spann, wie es früher gewöhnlich war. Da kommt ein Buschweibchen und spricht: kämme und lause mich ein bischen, ich will dir dafür eine Neige (eine Spille voll) spinnen. Die Hirtin thut das Verlangte und das Buschweibchen thut das Versprochene. Abends weift die Hirtin das Garn, und schon hat sie einen Strähn, dann den zweiten und dritten von dieser Neige geweift, endlich als sie den vierten anfängt ruft sie: der Donner! das [382] Garn hat auch gar kein Ende! Kaum aber hatte sie das gesagt, so war das Ende da und das Weifen hörte auf.

Einer andern Hirtin wurde ein ähnlicher, einem Buschweibchen erwiesener Dienst, mit einer Schürze voll trockenem Laubes belohnt. Dieses warf die Hirtin als unnütz weg; als sie aber nach Hause kam, belehrte sie ein an der Schürze noch hängendes Goldstück, was sie weggeworfen hatte.

Ein Bauer aus Spitzkunnersdorf, welcher einst gegen Abend am Fuße des Forsten pflügte, sahe in dem Busche die Buschweibchen gar eifrig mit Anstalten zum Kuchenbacken beschäftigt. Eine zeitlang sah er zu, endlich sprach er, sie sollten doch ihm auch einen Kuchen backen. Die Buschweibchen versprachen das, und als der Bauer früh Morgens wieder auf sein Feld kam, fand er am Ackerraine einen schönen Kuchen für sich hingelegt.


14.
Der Stromberg.

Vom Stromberge ohnweit Nostitz erzählt man: Ein Löbauer Bürger kam einst auf und in den Berg. Von den Bewohnern des Innern dieses Berges wurde ihm Arbeit – Fahren mit dem Schubkarren – angewiesen. Wie der Tag vorüber war, wurde er entlassen; als er aber heimkam, sah er zu seinem Erstaunen, daß ein Tag im Berge gerade ein Jahr lang gewährt hatte. (Woher ich diese Sage habe, und ob die Arbeit bezahlt worden, weiß ich nicht.)

Dieser Berg wäre, nebenbei gesagt, wohl genauer Untersuchung werth. Nach Einigen hat darauf ein Raubschloß gestanden; nach Andern sind die Schlacken, die man dort findet, vulkanischen Ursprungs. Böhland sagt, [383] (Nachtr. zu s. Schr. üb. Bautzen, p. 34). „Dieser vermeinte Vulkan ist weiter nichts als ein Opferheerd, mit einem ihn umschließenden, niedrigen, sehr ruinirten Walle. Man findet in ihm, was man bisher in jedem Opferheerde fand.“


15.
Schatz in der Landeskrone.

In der Landeskrone ist ein großer Schatz, welchen Jakob Böhme einst gesehen hat. „Als er noch das Vieh hütete, stieg er einst in der Mittagsstunde auf die eine Stunde von Görlitz liegende Landeskrone. Auf dieser fand er einen Eingang, und als er hineinging, erblickte er eine große Bütte mit Geld. Er erschrak aber so sehr darüber, daß er eiligst zurückging, ohne sich etwas von dem Gelde zu nehmen. Als er nachher mit andern Knaben mehrmals auf den Berg stieg, konnte er den Eingang nicht mehr finden.“ Rätze, Blumenlese aus Jakob Böhmens Schriften; nebst der Geschichte seines Lebens und seiner Schicksale. S. 211. Dieses erwähnen wohl alle Lebensbeschreiber Böhme’s; und die Sage, es sey eine Braupfanne voll Geld im Berge verwahrt, scheint auch jetzt noch nicht erloschen.


16.
Der Zangenberg.

Zangenberg bei Marklissa. „Man erzählet von diesem Schlosse noch bis jetzo sehr viel Fabelhaftes, z. B. daß sich eine Jungfer in weißem Habite und einem großen Gebund Schlüssel solle haben sehen lassen; ingleichen daß ein großer Schatz, welcher von einem schwarzen und einem weißen Hunde bewacht würde, daselbst verborgen [384] liege.“ – S. Oberlaus. Nachlese; Jahrg. 1769. S. 86. Anmerk. – Diese in der Nachlese nur erwähnten Sagen dürften nähere Forschung verdienen.


17.
Der Jungfernsprung auf Oybin.

Bekannt ist der Jungfernsprung auf dem Oybin. Man erzählt drei verschiedene Geschichten davon. – Im Jahre 1601, am Tage Johannis des Täufers, als eine große Menge Menschen aus Zittau und den benachbarten Dörfern, der Gewohnheit nach, den Oybin besuchte, befand sich unter ihnen ein rasches Mädchen, die mit ihren Gespielinnen auch an diesem Orte sich umsah. Man scherzte, und jenes Mädchen wagt es auf eine Wette, über diese Kluft wegzusetzen. Damals trugen noch die meisten Frauenzimmer, auch die vom Stande, Pantoffel. Im Springen nun glitschte ihr der Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie fiel herunter. Da sie aber nach damaliger Sitte einen tüchtigen Steif- oder Reifrock anhatte, der sie vor dem schnellen Falle schützte, so ward sie durch Hilfe desselben in der Kluft gleichsam hernieder geschoben, und vollendete diese ansehnliche Tour von ungefähr 40 Fuß Tiefe ganz ohne Nachtheil.

Die zweite Geschichte erwähnt eines Jägers, der ein züchtiges Mädchen brünstig verfolgte. Sie flüchtete sich hinter die Kirche, der Jäger ihr nach. Sie lief athemlos immer weiter, gelangte an die Schlucht, sprang muthig hinab, ihre Tugend zu retten, und kam auch glücklich von dannen.

Die dritte Sage schreibt aber diese heroische That einer Nonne zu, die von einem Mönche verfolgt wurde, und ihre Tugend zu retten, die gefährliche Luftreise machte. – S. D. Peschecks Beschreibung des Oybin.


[385]
18.
Der Nachtjäger.

Der Nachtjäger ist auch in Oberlaus. Sagen bekannt. Einst kommt spät in der Nacht ein Mann von Spitzkunnersdorf nach Haynewalde. Er hört Hundegebell, sieht weit umher aufgestellte Netze, erblickt auch endlich dreibeinige Hunde, emsig jagend. Er kommt etwas in die Irre, fürchtet sich gehörig, erreicht aber doch glücklich und ohne Schaden das Dorf. So erzählte mir vor 20 Jahren ein 70jähriger Mann, dessen Vater oder Großvater dies passirt war.


19.
Unterirdische Gänge.

Unter Volkssagen kann man wohl auch die Sagen von unterirdischen Gängen rechnen. Einer dergl. soll vom Oybin bis nach Zittau, ein anderer soll vom Schlosse Kirschau, unter dem Spreebette hinweg, bis auf die Bautzner Straße hinter Postwitz geführt haben. Vom heiligen Berge bei Gersdorf (ohnweit Camenz) sollen verfallene, unterirdische Gänge nach der dortigen Pfarre führen.


20.
Der gespenstige Ochse bei Horka.

Bei Horka ist, so wie bei Görlitz, eine Hügelreihe, welche sich nach von W. nach S. hinzieht, unter dem Namen „die Weinberge“ bekannt.

Die Benennung derselben soll sich davon herschreiben, daß vor Zeiten auf diesen Bergen ein Schloß gestanden, wo man Wein geschenkt hat. Weit und breit sind Leute zu Wein hingegangen und gefahren, wo es denn geheißen [386] hat, „wir fahren auf die Horkschen Berge zu Weine.“ Die Horkschen Unterthanen haben auch alljährlich einen gewissen Geldzins, so wie einen gemästeten Ochsen dahin entrichten müssen.

Ein solcher Ochse geht dort noch jetzt um: Der Ochsenknecht auf dem Dominio Ober-Horka, herrmannschen Antheils, ein Mensch von 17 bis 18 Jahren, hat ihn erst neuerdings gesehen, als er gegen Abend die Ochsen hütete. Etliche Abende hintereinander erschien ihm nemlich ein Ochse, von Farbe ganz weiß. Als der Knecht vor Furcht nicht mehr allein austreiben wollte, so ging der Dominial-Pächter, der Jäger und mehrere Andere mit Flinten bewaffnet mit. Da nun der Ochse, wenn man spricht, sich wieder entfernt, so hatte man dem Ochsenknecht gesagt: „wenn der Ochse kommt, so laß nur die Peitsche fallen.“ Dies geschieht; als aber die Uebrigen keinen Ochsen sehen, so frägt der eine Begleiter, wo denn der Ochse wäre? – „dort kehrt er wieder um, und geht jetzt grade über die Brücke weg,“ antwortete der Knecht. Sie mußten also unverrichteter Sache nach Hause gehen.

S.     

  1. Die hier folgenden Nummern 12–19 sind uns durch die Güte des Herrn Pastor Dornick in Haynewalde mitgetheilt worden, welcher Nachstehendes dazu bemerkt:
    „Veranlaßt durch die Aufforderung unsers geehrten Herrn Secretairs, Oberl. Volkssagen zu sammeln und mitzutheilen, theile ich einige dergleichen mit. Forschungen über den Ursprung dieser Sagen würden zu keinem befriedigenden Resultate führen, und

    „Schmetterling und Sage scheuen
    die Berührung strenger Hand;
    wollen flüchtig nur erfreuen,
    holden Schimmer niederstreuen,
    gaukelnd ziehn von Land zu Land.““

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen finden sich aus als Einzeltexte unter folgendenen Titeln:

  1. Querxe
  2. Buschweibchen
  3. Der Stromberg
  4. Schatz in der Landeskrone
  5. Der Zangenberg
  6. Der Jungfernsprung auf Oybin
  7. Der Nachtjäger
  8. Unterirdische Gänge
  9. Der gespenstige Ochse bei Horka