Vom Offiziersburschen zum König

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Vom Offiziersburschen zum König
Untertitel:
aus: Mein Oesterreich! Illustrierte Monatsschrift für die Jugend, 1. Jahrgang, S. 340 u. 342
Herausgeber: Adolf Moßbäck
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911
Verlag:
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Erscheinungsort: Wien
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Ebenso erschienen als Eine seltene Laufbahn in: Die Burg. Illustrierte Zeitschrift für die studierende Jugend, 1. Jahrgang 1912/13, Heft 42, S. 662–663.
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[340]
Vom Offiziersburschen zum König.
Von Walter Kabel.

Im Jahre 1785 war die Festung Kuddalore in Ostindien von den Franzosen besetzt, während um sie herum die Engländer, namentlich das 15. Infanterieregiment, lagen. Kommandeur dieses Regiments war damals der hannoversche Oberstleutnant v. Wangenheim. Am 25. Juni machten die Franzosen einen Ausfall, wurden aber mit starken Verlusten zurückgeworfen. Nach dem Gefecht fand v. Wangenheim, der zufällig über einen entlegenen Teil des Kampfplatzes ritt, einen schwerverwundeten französischen Sergeanten, dem ein englischer Grenadier gerade den Gnadenschuß geben wollte. Der Oberstleutnant, gefesselt von dem selten schönen und edlen Antlitz des Franzosen, befahl, den Verwundeten in das Lazarett zu schaffen. Hier genas der Sergeant auch in kurzer Zeit trotz des schweren Lungenschusses. Er hieß Johann Julius Bernadotte, war der Sohn eines Rechtsgelehrten aus Südfrankreich und aus Not in die französische Armee eingetreten. Wangenheim nahm ihn jetzt als Burschen in seine Dienste und Johann tat in seiner Dankbarkeit seine Pflicht wie wohl selten ein Diener, putzte fröhlich die Uniformen und die Stiefel seines Herrn und hing an diesem mit rührender Treue. Doch das Heimweh vermochte er nie ganz zu überwinden und eines Tages bat er um die Gunst, gegen einen englischen Gefangenen ausgetauscht zu werden. So kehrte er in sein Vaterland zurück, wo er als Sergeant wieder in die Armee eingereiht wurde. Auch v. Wangenheim suchte die Heimat wieder auf und wurde 1803 Landrat in Hannover, das damals von den Franzosen besetzt war und vollständig ausgesogen wurde. 1804 traf ein neuer Statthalter, ein französischer Marschall, ein und legte dem Lande abermals Kriegssteuern auf. Das Landeskollegium, dessen Sprecher v. Wangenheim war, erschien vor dem fremden Machthaber und bat um mildere Behandlung. Der Marschall, der Wangenheim erst lange seltsam prüfend angesehen hatte, entließ zunächst die übrigen Mitglieder des Kollegiums bis auf Wangenheim und wandte sich dann an diesen, indem er ihm freudig die Hand zum Gruße hinstreckte. „Kennen Sie wirklich den Sergeanten nicht mehr, dem Sie bei Kuddalore das Leben retteten und der dann Ihr Bursche war?“ Dem Landrat v. Wangenheim schien es, als ob er träume. Doch bald merkte er an der Ähnlichkeit des Marschalls mit seinem einstigen Diener, daß die beiden tatsächlich ein und dieselbe Person waren. Ohne sich der früheren niedrigen Stellung zu schämen, sprach dann der jetzige allgewaltige Statthalter über jene gemeinschaftlich in Ostindien verlebten Tage, bat um volles Vertrauen und sagte dem Landrat zu, der Bitte des Kollegiums um Schonung nachzukommen. Wangenheim wurde ein häufiger Gast in dem Palaste seines einstigen Burschen, der während der Revolutionszeit unter Napoleon vom Sergeanten bis zum Marschall aufgestiegen war. Aber Johann Bernadottes Glücksstern hatte den höchsten Punkt seiner Bahn noch nicht erreicht. Nach der Schlacht von Jena verfolgte der Marschall mit seinem Korps den alten Haudegen Blücher bis Lübeck und nahm ihn und 1500 verbündete Schweden gefangen. Gegen die letzteren zeigte er sich so teilnehmend, daß die Aufmerksamkeit Karls XIII., des Königs von Schweden, auf ihn gelenkt wurde. Bald darauf adoptierte Karl XIII. den französischen Marschall, ernannte ihn zum Kronprinzen und 1818 bestieg Bernadotte dann als [342] Karl XIV. den schwedischen Thron. Auch als König hat Bernadotte seinen Lebensretter nie vergessen. Jedes Jahr lud er ihn nach Stockholm ein und Wangenheim gehörte zu den intimsten Freunden des geistvollen und leutseligen Herrschers, dessen Nachkommen noch heute die Krone Schwedens auf ihrem Haupte tragen.