Vom Standesamte

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vom Standesamte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 248, 249
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
hierzu noch ein Nachtrag in Heft 20
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[248]
Vom Standesamte.


Das Jahr 1876 hat dem deutschen Reiche die ein Jahr vorher zuerst in Preußen allgemein eingeführte Institution der Standesämter gebracht. Bei der in alle bürgerlichen Verhältnisse tief einschneidenden Bedeutung des neuen Instituts dürfte eine Besprechung desselben hier von Interesse sein.

Im Standesamte bildet die Beurkundung des Personenstandes der Staatsbürger die Hauptthätigkeit der Beamten, denen dann freilich noch je nach den localen oder besonderen staatlichen Bestimmungen verwandte Geschäftszweige mit übertragen werden können. Die Beurkundung des Personenstandes zerfällt in drei Abschnitte: in die der Geburt, der Eheschließung und des Todes. Jeder, ohne Unterschied des Ranges oder Standes, des Geschlechts oder der Confession, ja selbst der Nationalität – denn in Deutschland lebende Ausländer unterliegen auch der Beurkundungspflicht vor dem Standesamte – wird dem Standesbeamten nahe treten müssen.

Ein geordnetes Staatswesen ohne Personenstandesbeurkundung ist nicht denkbar; die derzeitige Entwickelung des bürgerlichen Verkehrs erheischt mit Nothwendigkeit, daß über die Geburt jedes Bürgers im Staate, über seine Ehe, Ehescheidung, Adoption, Anerkennung als natürliches Kind, und über seinen Tod Urkunden, das heißt Beweise aller dieser Thatumstände vorhanden seien, welche dem Staate und allen anderen Bürgern gegenüber erbracht werden können. Die Art, in welcher diese Beweise geführt, also der Civilstand beurkundet worden, ist natürlich zu verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene gewesen.

Seit dem 1. Januar 1876 kann im deutschen Reiche eine Ehe rechtsgültig, also auch mit allen Folgen des gesetzlichen Erbrechtes, des Vermögens-Nießbrauches durch den Mann, der vollen Unterhaltspflicht des letzteren für Frau und Kinder etc. nur vor dem Beamten des Staates, dem Standes-Beamten, eingegangen werden. Die Schließung einer Ehe ist zulässig für Männer vom vollendeten zwanzigsten, für Frauen vom vollendeten sechszehnten Lebensjahre ab; in besonders zu begründenden Ausnahmefällen ist Dispensation durch die von den einzelnen Landesregierungen damit beauftragten Behörden, in Preußen z. B. durch den Justizminister, zulässig, und es sind desfallsige Gesuche bei den Gerichten erster Instanz abzugeben. Einer Einwilligung zur Eheschließung Seitens des Vaters, oder nach dem Tode des Vaters Seitens der Mutter bedürfen Söhne bis zum vollendeten fünfundzwanzigsten, Töchter bis zum vollendeten vierundzwanzigsten Lebensjahre; vater-, beziehentlich elternlose Kinder bedürfen, wenn sie einer Vormundschaft unterliegen, – und das ist in der Regel bis zum vollendeten einundzwanzigsten Lebensjahre der Fall – auch der Genehmigung des Vormundschaftsrichters und des Vormundes. Sind Vater oder Mutter zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande, oder ist ihr Aufenthalt dauernd unbekannt, so wird nach erbrachtem Nachweis dieser Umstände ebenso verfahren, als wären sie verstorben. Adoptivkinder bedürfen während der Dauer des Adoptivverhältnisses bis zu den vorerwähnten Altersgrenzen der Einwilligung ihrer Adoptiv-Eltern, und nur im Geltungsbereich des Code (Rheinlande) haben auch für Adoptivkinder die leiblichen Eltern den Heirathsconsens zu ertheilen. Großjährigen Kindern steht das Recht zu, wegen Verweigerung des Consenses Seitens des Vaters oder der Mutter sich an das Gericht ihres Wohnortes zu wenden, welches über die Erheblichkeit der Versagungsgründe in solchen Ausnahmefällen entscheidet.

Verboten ist die Ehe zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie, zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern, Stiefeltern und Stiefkindern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades, zwischen Adoptirenden und Adoptirten, so lange das Rechtsverhältniß der Adoption unter ihnen besteht, und zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen. In dem letztgedachten Falle ist unter Umständen Dispensation zulässig, welche in Preußen auf Vortrag desjenigen Gerichtes, bei welchem der Ehescheidungsproceß in erster Instanz anhängig war (und bei welchem daher auch das Dispensationsgesuch zunächst anzubringen ist), von dem Justizminister, in den anderen Staaten von den damit betrauten obersten Landesbehörden ertheilt werden kann.

Bevor eine bereits verheirathet gewesene Person eine neue Ehe eingehen darf, hat sie nachzuweisen, daß ihre frühere Ehe aufgelöst, für ungültig oder für nichtig erklärt ist, auch ist für Frauen, welche eine neue Ehe schließen wollen, eine Wartezeit von mindestens zehn Monaten nach Beendigung der früheren Ehe vorgeschrieben, indeß kann für diesen letzteren Fall unter Umständen eine Dispensation bei den Gerichten erster Instanz nachgesucht werden. – Ferner dürfen Pflegebefohlene mit ihren Vormündern oder deren Kindern während des Vormundschaftsverhältnisses die Ehe nicht schließen. – Militärpersonen, Landesbeamte und Ausländer bedürfen noch eines speciellen Consenses zur Verheirathung und zwar active Militärpersonen vom Feldwebel abwärts der Einwilligung des Chefs oder Commandeurs des Regiments, Bataillons oder Corps, zu welchem sie gehören, Officiere der Erlaubniß des Landesherrn, Landes-Civilbeamte, welche bei der Wittwencasse receptionsfähig sind, der Erlaubniß des ihnen vorgesetzten Chefs, und nur die Reichs-Civilbeamten sind von Beibringung des Consenses befreit. Ausländer haben neben den sonstigen Erfordernissen noch ein Attest ihrer Heimathsbehörde in gehörig beglaubigter Form beizubringen, daß sie nach dortigen Gesetzen unbeschadet ihrer Staatsangehörigkeit zur Eingehung einer Ehe im Auslande befugt sind oder die nach diesen Gesetzen etwa erforderliche Erlaubniß zu der beabsichtigten Ehe erhalten haben. In Folge besonderer Staatsverträge sind jedoch von Beibringung eines solchen Attestes wiederum befreit die Angehörigen der Niederlande, Rußlands, Oesterreichs (ausgenommen Salzburg, Tyrol, Vorarlberg und Krain), Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, der Vereinigten Staaten Nordamerikas und Italiens, welche also nur den Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit zu führen haben und demnächst hinsichtlich der Eheschließung wie Inländer behandelt werden. Endlich ist noch von Personen, welche, zur Schließung einer neuen Ehe schreitend, aus der früheren minderjährige Kinder haben, durch ein Attest des Vormundschaftsrichters nachzuweisen, daß die gesetzliche Abfindung der letzteren stattgefunden hat, oder doch, daß Seitens des Richters gegen die beabsichtigte Eheschließung Nichts zu erinnern war.

Anderweitige Ehehindernisse nun, besonders wegen Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, wegen bestehender Gelübde der Ehelosigkeit, geistlicher Verwandtschaft (zwischen Taufpathen oder Firmelungszeugen) oder wegen eines Verlöbnisses kennt das Reichsgesetz nicht.

Was den Eheschließungsact selbst anlangt, so gehört dazu unbedingt – und daran unterscheidet er sich wesentlich von der bisher in Preußen bestandenen Form des lediglich schriftlichen Vertrages – die von dem Standesbeamten in Gegenwart zweier großjährigen Zeugen an die Verlobten einzeln und nacheinander gerichtete Frage, ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen wollen, die bejahende Antwort der Verlobten und der hierauf erfolgende Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre. Es wäre mithin für die rechtliche Gültigkeit des Actes ganz gleichgültig, ob hierauf noch die schriftliche Verhandlung von den Anwesenden unterschrieben wird oder nicht; gleichwohl wird über jede Eheschließung eine Verhandlung in urkundlicher Form ausgefertigt, um später und zu jeder Zeit, auch wenn die bei dem Acte zugegen gewesenen Personen längst nicht mehr vorhanden sind, den Nachweis der erfolgten Eheschließung führen zu können.

Es giebt noch zu erwähnen, daß der Eheschließung ein zweiwöchentliches Aufgebot vorangehen muß, welches in der Gemeinde des Wohnortes der Verlobten und, falls dieselben verschiedenen Wohnorten angehören oder in den jüngstvergangenen sechs Monaten ihren Wohnort gewechselt haben, in den hiernach in Betracht kommenden Gemeinden durch Aushang am Rath- oder Gemeindehause bekannt gemacht wird. Ein solches Aufgebot behält sechs Monate Gültigkeit. Eine Dispensation vom Aufgebote kann, wenn besondere Gründe dafür sprechen, nach Befinden der betreffenden Staatsregierung von dieser ertheilt werden (in Preußen von dem Oberpräsidenten); nur in Fällen lebensgefährlicher Erkrankungen kann der Standesbeamte eine Eheschließung auch ohne jedes Aufgebot sogleich vornehmen. Wenn einer der Verlobten sich an einem ausländischen Orte aufhält oder innerhalb der letztvergangenen sechs Monate aufgehalten [249] hat, sodaß auch in diesem Orte ein Aufgebot stattzufinden hätte, so wird dasselbe dadurch bewerkstelligt, daß die Bekanntmachung auf Kosten des Antragstellers einmal in ein an dem betreffenden Orte erscheinendes oder verbreitetes Blatt eingerückt wird. Kann indeß eine Bescheinigung der Obrigkeit des fraglichen Ortes beschafft werden, daß ihr von dem Bestehen eines Ehehindernisses im vorliegenden Falle nichts bekannt sei, so bedarf es auch dieser Einrückung nicht.

So viel über die Erfordernisse und über die Form der Eheschließung. Wenn wir uns nun noch das Wissenswertheste über die Beurkundung von Geburten und Sterbefällen mittheilen lassen, so werden wir in dem neuen Gesetze hinreichend orientirt sein. Geburten und Sterbefälle sind immer demjenigen Standesbeamten anzuzeigen, in dessen Bezirk das Ereigniß stattfindet, auch wenn der gewöhnliche Wohnort der Eltern, beziehentlich des Verstorbenen nicht in diesem Bezirke gelegen wäre. Geburten sind innerhalb einer Woche, Todtgeburten bis zum nächstfolgenden Tage, Sterbefälle bis zum nächstfolgenden Wochentage mündlich von den Verpflichteten selbst anzuzeigen, und nur für Geburts- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen Anstalten ereignen, ist für den Vorsteher der Anstalt eine schriftliche Anzeige in amtlicher Form zugelassen. Zur Anzeige verpflichtet ist an erster Stelle das Familienhaupt, und es liegt auch ohnedies im wohlverstandenen eigenen Interesse desselben, die Anzeigepflicht nicht etwa aus Bequemlichkeitsgründen von sich abzuwälzen und anderen Personen zu überlassen, da etwaige Ungenauigkeiten bei der Beurkundung, Differenzen in der Schreibweise der Namen und dergleichen oft noch nach Jahren zu den größten Weiterungen führen können. Ist indeß das Familienhaupt in der vorgeschriebenen Zeit an Erstattung der Anzeige behindert, so kann dieselbe bei Geburten durch die Hebamme, den Arzt oder eine andere Person, welche bei der Niederkunft zugegen gewesen, sowie durch die Mutter, sobald sie dazu im Stande ist, in Sterbefällen auch von Demjenigen, in dessen Wohnung oder Behausung sich der Fall ereignet hat, sowie endlich durch jede aus eigener Wissenschaft davon unterrichtete Person gemacht werden.

Auch alle auf inländischen Seeschiffen stattgefundenen Geburten und Sterbefälle werden von dem Schiffer, beziehentlich dem Seemannsamte dem Standesbeamten des Wohnortes der betreffenden Person zur Beurkundung mitgetheilt. Reichsangehörige und Schutzgenossen, welche im Auslande wohnen, unterliegen dagegen nicht den Bestimmungen des in Rede stehenden Gesetzes: die Vornahme ihrer Eheschließungen, wie die Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle unter ihnen gehört vielmehr vor den vom Reichskanzler hierzu ermächtigten diplomatischen Vertreter oder Consul des deutschen Reiches. –

Warum ist denn nun aber dieses Gesetz eingeführt worden? Den nächsten Anstoß, wenn nicht zum Erlasse des Gesetzes selbst – denn Artikel 19 der preußischen Verfassung stellt diesen bereits in Aussicht, und in vielen der anderen deutschen Staaten bestand die obligatorische Civilehe schon früher – so doch zum beschleunigten Erlasse gab unstreitig der sogenannte „Culturkampf“, und es wird dies, auch wenn er selbst längst verklungen sein wird, stets eines seiner ersten und besten Vorrechte bleiben. Der Religion oder der Kirche soll dadurch nicht der geringste Schaden geschehen, sondern ihr nur eine durch nichts als durch die Gewohnheit sanctionirte Handhabe der Macht genommen werden. Der Staat als solcher, dessen Grundelement ein geordnetes Familienleben ist und der in seiner Gesammtheit nichts Anderes, als eine Vereinigung vieler Familien repräsentirt, hat eben darum das erste, natürlichste und unzweifelhaft größte Interesse an der Klarstellung und Beweisfähigkeit derjenigen Familienzustände, welche staatliche Rechte und Pflichten begründen, also an Geburt, Ehe und Tod. Daß sich an diese wichtigsten Ereignisse im Leben dann noch für die Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften auch entsprechende religiöse Feierlichkeiten und Gebräuche anschließen, ist eine althergebrachte und in ihrer wahren Bedeutung schöne Sitte, letzteres selbstredend nur so lange, als sie nicht erzwungen werden muß.

Thatsächlich wurden in Deutschland bis in das Mittelalter hinein die Ehen ohne alle staatliche oder kirchliche Mitwirkung durch den bloßen Consens der Verlobten geschlossen, woraus aber verschiedene nachtheilige Folgen fühlbar wurden. Es kam häufig vor, daß man gesetzliche Ehehindernisse umging, ja daß die Eheleute ungestraft wieder auseinander gingen und wohl gar eine anderweite Ehe schlossen. Unter solchen Umständen hätte nun der Staat einzuschreiten gehabt, aber die bürgerliche Gewalt des Staates ordnete sich ja von selbst der Kirche, als der alleinigen Trägerin von Bildung und Civilisation, unter, und so überließ der Staat willig und gewissermaßen selbstverständlich der Kirche die Ordnung auch dieser Angelegenheit, und das ökumenische Concil von Trient (1545 bis 1563) bestimmte zur Abhülfe der hervorgetretenen Mißstände, daß in Zukunft die Verlobten öffentlich vor dem Pfarrer und zwei Zeugen ihre Erklärung, einander ehelichen zu wollen, abzugeben hätten, um durch diese größere Oeffentlichkeit der baldigen leichtsinnigen Auflösung eines Eheverhältnisses Einhalt zu thun. Damit war die Eheschließung auch Kirchensache geworden.

Holland führte im sechszehnten, England im siebenzehnten Jahrhundert die Civilehe ein. Luther und Brenz erkennen an, daß die Eheschließung ein Act bürgerlichen Charakters sei, und Letzterer sagt: „Der Eelich Contract, gleichwie sonst andere weltlich Contract möcht auch wohl auf den Rathsheussern oder anderen gemeinen, öffentlichen, ehrlichen und bürgerlichen orten verrichtet werden.“ Das Uebergewicht der Kirche verdrängte indeß mehr und mehr die Auffassung der Ehe nach ihrem rein bürgerlichen Rechtselemente, und Pius der Neunte erklärte in einem Schreiben an Victor Emanuel 1856: die Ehe sei dogmatisch ein Sacrament, dieses letztere begreife das Wesen der Ehe, und außerhalb derselben stehe nichts als das Concubinat.

So lange nun im Staate nur eine Kirche bestand, wäre man am Ende auch mit der rein kirchlichen Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung ausgekommen, allein man denke nur an die zahllosen Schwierigkeiten, die den Mischehen häufig entgegengestellt, an den Zwist, der dadurch so oft in die Familien hineingetragen worden; ferner an die Schwierigkeiten, in Vormundschafts-, Erb- oder Militärsachen und dergleichen Atteste zu beschaffen: man mußte da nicht nur den Geburts- und Aufenthaltsort, sondern auch noch ermitteln, welchen der zahlreichen Religionsgemeinschaften oder Secten die betreffende Person angehörte. Zudem knüpfte die Kirche ihre Beurkundungen nur an religiöse Acte; Taufscheine von Kindern, die vor Empfang der Taufe verstorben, vom Geistlichen zu fordern, war so wenig ausführbar, wie ihm Todtenscheine von Personen, denen die kirchliche Beerdigung verweigert worden, abzuverlangen. In Fällen, in welchen der Geistliche aus Gewissensbedenken die kirchliche Copulation verweigern mußte, hat ohnehin schon seit geraumer Zeit der Staat den die Eheschließung dennoch Begehrenden durch seine Organe unter weitläufigen und schwierigen Verhältnissen zu Hülfe kommen müssen, und dennoch entzog sich eine so zu Stande gekommene Ehe in den der Humanität weiter abstehenden Kreisen immer nicht ganz dem Vorwurfe einer gewissen Anrüchigkeit. Zweifelhafte Anzeigen über die Zeit der Geburt, die Abstammung eines Kindes, die genaueren Personalien eines Verstorbenen etc. entbehrten für den Geistlichen des kirchlichen Interesses, um ihre sofortige Aufklärung herbeizuführen, auch fehlten ihm dazu polizeiliche Mittel.

Vor Allem aber legt endlich die offene Auflehnung einzelner Religionsdiener gegen die Gesetze des Staates diesem die Verpflichtung nahe, die fragliche Materie voll und ganz von dem Gesichtspunkte aus, daß die Eheschließung nur auf der Autorität des Staates ruht, zu regeln. Es gab jetzt gesetzwidrig angestellte Geistliche, die zur Führung der Kirchenbücher als gleichzeitiger staatlicher Urkunden nicht berechtigt und deren Auszüge aus denselben den Behörden und den Bürgern des Staates gegenüber nicht glaubwürdig waren, – eine Thatsache, die zu den größten socialen und Rechtsverwirrungen führen mußte. So lange nun der Staat der Schöpfer und Träger der rechtlichen Ordnung ist, hat er so Recht, wie Pflicht, Klarheit und Wahrheit zu schaffen. Recht und Würde der Kirche soll aber nicht, wie in leidenschaftlicher Uebertreibung hier und da gehört wird, durch die Institution des Standesamtes gekränkt werden, wie auch eine Entfremdung von der Religion, deren Güter doch nur dann wirksam sein können, wenn sie aus wahrem Herzensgrunde ersehnt und nachgesucht werden, nie und nimmer durch dieses Gesetz herbeigeführt werden soll.