Weihnachtsabend (Lavant)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Weihnachtsabend
Untertitel:
aus: Der Wahre Jacob
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: J. H. W. Dietz
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Der Wahre Jacob, Nr. 36, Seite 285-286.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[285]

Weihnachtsabend.

Ihr sucht umsonst ihn im Palaste,
Den Friedensgeist der heil’gen Nacht;
Vergebens ruft man ihn zu Gaste
Zu eitlem Prunk und hohler Pracht.

5
Er macht, bekümmert abgewendet,

Vor breiten Marmorstufen Halt,
Und wie ihr auch die Augen blendet ―
Die Herzen bleiben leer und kalt.

Er sucht die allerengsten Räume,

10
Die er mit seinem Licht verschönt ―

Da findet er die Kinderträume
In Herzen, die noch unverwöhnt;
Da kann er seine Einkehr halten
Bei Nadelduft und Kerzenschein,

15
Da kann das Märchen freundlich walten

Und König und Gebieter sein.

Da machen arme, kleine Gaben
Noch Tausende unendlich reich,
Und was wir einst gelesen haben

20
Vom Nazarener sanft und weich,

Daß er mit wenig Fisch und Broten
Den Hunger Tausender gestillt ―
Es wird das Wunder uns geboten
Nun als ein Gleichnis und ein Bild.

[286]

25
Das ist, wie aller Weisheit Ende,

So auch der Zauber dieser Nacht,
Daß man ein Kind mit kargster Spende
Noch unaussprechlich selig macht,
Daß man es führt in Märchenhallen,

30
Wenn man zurück den Riegel schiebt,

Daß es als glücklichstes von allen
Sich fühlt, wenn man es wahrhaft liebt.

Die Weihnacht wird ein Freudenbringer,
Das Herz des Kindes jauchzt und bebt,

35
Wo lang zuvor mit derbem Finger

Der Vater schnitzelt, pappt und klebt,
Wo lang zuvor die treue Mutter
Genäht mit nimmermüder Hand
Und schließlich für der Mütze Futter

40
Nur Zeit zu großen Stichen fand.


Sei’s immerhin ein armer, schlichter,
Ein karger Tisch an diesem Fest!
Die Kinder sind geborne Dichter
Und träumen spielend sich den Rest.

45
Die Kleine, die den bunten Plunder

Der Puppe an ihr Herzchen drückt ―
Wer weiß, ob je ein Marmorwunder
Sie auch nur halb so tief entzückt!

Der Knabe dort ― er spornt von hinnen,

50
Er streichelt froh sein struppig Roß;

Er schmückt mit Thürmen und mit Zinnen
Phantastisch sich ein Zauberschloß.
Die Klötzchen sind aus schlechtem Holze,
Mit denen er das Wunder baut ―

55
Doch ob er je mit gleichem Stolze

Auf Werke seiner Hände schaut?

Und weiter wirkt, ein stiller Segen,
Die Weihenacht sein Lebelang
Und ihr Gedenken kühlt wie Regen

60
Nach Staub und Glut auf weitem Gang.

Das wahre Glück, das Glück der Weisen
Vergoldet ihm den trübsten Tag
Und reicher darf er kühn sich preisen,
Als der in goldner Wiege lag.

     Rudolf Lavant.

Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Das große Buch der Weihnachtsgedichte. 200 unsterbliche Klassiker für die Advents- und Weihnachtszeit. Zusammengestellt und herausgegeben von Michael Seiler. Herstellung und Verlag: Books on Demand, Norderstedt. 2. Auflage, November 2021. Seite 161 bis 164.