Weihnachtsabend (Storm 1851)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Theodor Storm
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Weihnachtsabend
Untertitel:
aus: Sommergeschichten und Lieder, S. 105-107
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Duncker
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung: Gedicht
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[105]
Weihnachtsabend.


An die hellen Fenster kommt er gegangen
Und schaut in des Zimmers Raum:
Die Kinder alle tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.

5
Da pocht ihm das Herz, daß es will zerspringen;

O, ruft er, laßt mich hinein,
Was Frommes, was Fröhliches will ich euch singen
In dem hellen Kerzenschein.

Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen

10
Zur Schwelle den nächtlichen Gast;

Still grüßen die Alten, die Jungen umknieen
Ihn scheu in geschäftiger Hast.

Und er singt: „Weit glänzen da draußen die Lande
Und locken den Knaben hinaus;

15
Mit klopfender Brust, im Reisegewande

Verläßt er das Vaterhaus.

[106]

Da trägt ihn des Lebens breitere Welle -
Wie war so weit die Welt!
Und es findet sich mancher gute Geselle,

20
Der’s treulich mit ihm hält.


Tief bräunt ihm die Sonne die Blüthe der Wangen
Und der Bart umsprosset das Kinn;
Den Knaben, der blond in die Welt gegangen,
Wohl nimmer erkennet ihr ihn.

25
Aus goldnen und aus blauen Reben

Es mundet ihm jeder Wein;
Und dreister greift er in das Leben
Und in die Saiten ein.

Und für manche Dirne mit schwarzen Locken

30
Im Herzen findet er Raum; -

Da klingen durch das Land die Glocken,
Ihm war’s wie ein alter Traum.

Wohin er kam, die Kinder sangen,
Die Kinder weit und breit,

35
Die Kerzen brannten, die Stimmlein klangen,

Das war die Weihnachtzeit.

[107]

Da fühlte er, daß er ein Mann geworden;
Hier gehörte er nicht dazu.
Hinter den blauen Bergen im Norden

40
Ließ ihm die Heimath nicht Ruh.


An die hellen Fenster kam er gegangen
Und schaut’ in des Zimmers Raum;
Die Schwestern und Brüder tanzten und sangen
Ein Christlied am Taxusbaum“ -

45
Da war es, als würden lebendig die Lieder

Und nahe, der eben noch fern;
Um den Taxus tanzten Schwestern und Brüder
Und sangen ein Lied vom Herrn.

Da kann er nicht länger das Herz bezwingen,

50
Er breitet die Arme aus:

O schließet mich ein in das Preisen und Singen,
Ich bin ja der Sohn vom Haus!