Wiedereroberter Raub

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wiedereroberter Raub
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 207
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Restitution der von Napoleon gerauben Kunstgegenstände
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[207]
Blätter und Blüthen.

Wiedereroberter Raub. Auf ihren Siegeszügen hatten bekanntlich die Franzosen in Deutschland und Italien, in Belgien und Holland die Museen und Galerien geplündert und die werthvollsten Kunstschätze nach Paris geschleppt. Nachdem aber die Verbündeten in der Weltstadt an der Seine siegend eingezogen waren, wanderten die meisten dieser Bilder und Statuen wieder in ihre alten Räume heim, zum bittern Verdrusse der Pariser, deren Eitelkeit diese Minderung ihres hauptstädtischen Glanzes empfindlichst verletzte.

Mit der Rücknahme der geraubten Kunstwerke hat es aber eine eigenthümliche Bewandtniß gehabt, die bis jetzt nur wenig zur Kenntniß des größern Publicums gekommen zu sein scheint. Wir erzählen den Hergang der Sache nach den uns gewordenen Mittheilungen eines Veteranen, der, den oberen Schichten der Gesellschaft entsprossen und heute in höherer bürgerlicher Stellung, damals als Freiwilliger mit in Paris eingerückt war und den weiter unten geschilderten Scenen als Augenzeuge beigewohnt hat.

Zu der Rücknahme unserer Kunstschätze, sagt er, sind wir recht unschuldiger Weise gekommen. Der Impuls dazu ging von einem einzelnen preußischen Freiwilligen aus. Dem russ. General Thielemann nämlich war ein junger Kölner, C. de Groote, zugetheilt, der von seinem Chef mit einem Briefe in das Hauptquartier gesandt wurde, als sich dasselbe während der Capitulation von Paris in St. Cloud befand. Der junge Mann, von warmer Liebe zu seiner Vaterstadt beseelt, benutzte den Anlaß, sich an Gneisenau zu wenden, damit dieser seinen Einfluß geltend mache, daß die von den Franzosen aus Köln entführten Kunstwerke ihrer rechtmäßigen Bestimmung zurückgegeben würden. Gneisenau hörte den Bittsteller wohlwollend an und verfügte sich ungesäumt mit ihm zum Feldmarschall Blücher. Dieser ermächtigte Groote, die demselben wohlbekannten Gemälde aus dem Louvre entfernen zu lassen und heimzuschicken.

Mit dem berühmten Bilde von Rubens, der Kreuzigung Petri, das noch heute alle reisenden Kunstfreunde nach den düstern Kreuzgängen der Peterskirche in Köln zieht, für die es gemalt ward, machte man den Anfang. Die Nationalgarde, welche den Wachdienst vor und in dem Galeriegebäude versah, wollte das Gemälde nicht passiren lassen. Da mußten preußische Truppen vor dem Palaste aufmarschiren, welche dem Officier der Bürgerwehr zehn Minuten Bedenkzeit gaben. – Generalinspector der französischen Museen war Dénon, der Napoleon auf den meisten Feldzügen begleitet hatte, um in den eroberten Ländern die Kunstschätze auszuwählen, welche als Siegesbeute nach Paris gebracht werden sollten. Voller Bestürzung eilte er jetzt in die Tuilerien, um das Unerhörte zu berichten und Verhaltungsbefehle einzuholen. Ludwig der Achtzehnte fürchtete sich vor einem Conflicte zwischen den fremden Truppen und der Nationalgarde und bestimmte, daß man den heiligen Petrus in Frieden ziehen lassen und kein weiteres Aufsehen davon machen solle.

Rasch kamen nun andere Reclamationen in Betreff der Restitution der geraubten Kunstwerke. Allein mehr als vier Wochen verstrichen, ehe nur die wenigen Gemälde, etwa zwanzig an der Zahl, weggeschafft waren, die aus Preußen hatten nach Paris wandern müssen. Nach uns meldeten sich die Hessen, um die aus Kassel entführten Bilder wieder zu erhalten. Ihre Liste von den ihnen entrissenen Stücken war in so guter Ordnung, ihr Originalrecipisse so beweiskräftig, daß man nicht umhin konnte, einzugestehen, was den Preußen recht gewesen, sei den Hessen mindestens billig. Das ließ nun schon mehr Lücken an den Wänden der Louvresäle; denn Kassels Galerie war gehörig geplündert worden.

Jetzt begehrten die Niederlande, namentlich Antwerpen, ebenfalls ihr Eigenthum zurück. Das aber ward Dénon, der in seinen Museen lebte und webte, zu arg. Ingrimmig schloß er den Louvre. Allein Wellington ließ sich zum Fürsprecher der Niederländer bereit finden, und so half es nichts, die prächtigen Rubens und Rembrandts, die Van Dyks und Wouvermans und manche andere der ältern holländischen Schule angehörende Perle mußten aus dem Louvre entlassen werden.

Endlich machten auch die Florentiner und der Papst ihre Ansprüche geltend. Ihnen aber, die, wie man meinte, nichts beigetragen hätten zur Wiederherstellung der Bourbonen, setzte man offenen Widerstand entgegen. Der Tumult wuchs zu einem solchen Grade an, daß man alle zehn Schritte einen Wachposten in der Galerie aufstellen mußte. Dénon selbst war vor Aerger und Kummer krank geworden und reichte sein Entlassungsgesuch ein. Nun war von einem Ausliefern nach Verzeichnissen und Katalogen nicht mehr die Rede. Die Franzosen gaben das Museum preis, und die Sieger schalteten darin ganz nach Lust und Gutdünken. Binnen drei Wochen waren von 1500 Gemälden, welche die Sammlung des Louvre unter dem Kaiserreiche gebildet, nur die 250 noch übrig, welche die Galerie vor dem Ausbruche der Revolution besessen hatte.

Von der Wegführung der Gemälde schritt man zu der der Statuen. Florenz holte sich zuerst seine Medicäische Venus wieder; darauf ließ Canova den Apoll von Belvedere und die Gruppe des Laokoon einsacken, und so ging es lustig weiter, bis die Antikensäle sich auf ungefähr die Hälfte der Sculpturwerke reducirt sahen, die sie während des letzten Jahrzehntes geziert hatten. Die Statuen, welche Napoleon in Italien gekauft hatte, insbesondere die aus der Villa Borghese in Rom, blieben ihrem gegenwärtigen Platze erhalten. „Gott im Himmel, man läßt uns ja nichts als die kahlen Mauern!“ jammerten die Pariser, wenn sie dem fröhlichen Hämmern und Wirthschaften, dem Losbrechen und Einkisten zusehen mußten, womit wir die Räume des Louvre erfüllten.

Mehr aber noch als die Ausräumung ihres Museums ging den Franzosen die Heimführung der Pferde zu Herzen, die, 1807 ihrem Platze auf dem Brandenburger Thore in Berlin entrissen, den Triumphbogen hatten schmücken müssen. Mit ihrer Wegnahme hatte man die Oesterreicher beauftragt. Diese betrieben indessen die Angelegenheit ziemlich lau, so daß uns Preußen schon die Angst kam, sie möchten die Quadriga mit ihrer Victoria am Ende ruhig stehen lassen, wo sie jetzt standen. Endlich ertheilte jedoch der höchstcommandirende Fürst Schwarzenberg dem Gouverneur von Paris, General von Müssling, den Befehl, nunmehr die ehernen Rosse und ihre Wagen von dem hohen Postamente herunternehmen zu lassen. Müssling benachrichtigte dienstgemäß den Befehlshaber der Pariser Nationalgarde, General Derolles, von dem Bevorstehenden; dieser aber bat, man möge ihm das Geschäft übertragen. Um Ludwig den Achtzehnten zu schonen, wolle er die Pferde des Nachts entfernen lassen. Da die Oesterreicher keine Pionniere in Paris hatten, so wurde eine Compagnie englischer Pionniere zu dem Werke beordert. Diese stiegen des Abends auf den Triumphbogen, fingen an zu hämmern und die Pferde loszumachen. Das hörten die Nationalgarden und die Gardes du Corps des Königs. Sie hielten einen Kriegsrath und rückten gegen halb 12 Uhr mit Fackeln aus den Tuilerien an, holten statt der Pferde die Engländer herunter und schickten sie nach Hause.

Andern Tagen herrschte großer Jubel in der Stadt. Man erzählte, wie die Engländer die Pferde hätten stehlen wollen, wie sie aber doch Furcht gehabt, es an hellem Tage zu thun, und wie man sie so schön erwischt. Les étrangers ont bien peur, war die allgemeine Meinung. Unter den Deutschen aber wurde diese Halbheit und die Höflichkeit, sich selbst lieber zu blamiren, um Ludwig den Achtzehnten zu schonen, sehr laut kritisirt und bemurrt.

Hatte dies nun geholfen, oder war man sonst in sich gegangen, – der Befehl kam, die Pferde bei Tage herunterzunehmen. Zwei Bataillone österreichischer Grenadiere stellten sich auf dem Carousselplatze auf und schlossen ein Viereck. Im Hintergrunde rückten vier Schwadronen Cürassiere an, und alle Zugänge zum Platze wurden mit doppelten Wachen besetzt. Die Gitterthore an den Tuilerien wurden geschlossen, und kein Franzose durfte den Platz ferner überschreiten. Nun begann ein fröhliches Leben. Alle Deutschen versammelten sich auf dem Carousselplatze, um dem Schauspiele zuzusehen. Im Innern des Triumphbogens führt eine steinerne Treppe zur Höhe empor, und die österreichischen Officiere ertheilten ohne Schwierigkeit die Erlaubniß, hinaufsteigen zu dürfen.

Wie die Mauerspechte kletterten die rothen englischen Officiere auf dem Monumente herum. Die Pionniere hieben die Steine hinweg, um die Pferde zu lösen, die ungefähr einen Fuß tief eingelassen und von eisernen Stangen und Klötzen festgehalten waren. Dabei wurde recht leidlich getrunken. Die Engländer warfen die leeren Flaschen hinab und sangen ihr Rule Britannia, von Officieren vieler Nationen umgeben. Es war ein erhebendes Gefühl, heute auf der Triumphpforte zu stehen, die Napoleon für sich gebaut hatte, und von da auf die Franzosen hinabzublicken, die noch vor kurzer Zeit so voller Stolz und Uebermuth unsere Herren gespielt hatten.

Alle Deutsche, die auf dem Triumphbogen standen, wollten ein Andenken an diesen Tag und an diese Stunde. Die schön vergoldeten Bleiornamente schienen dazu nicht unschicklich zu sein, und die englischen Pionniere waren sehr behülflich, sie abzubrechen. Für den Alten im Barte nähmen wir ein großes N mit. Schien es uns doch billig, daß „le nommé Jahn“, der seiner Zeit so herrlich im Moniteur prangte, nicht vergessen werde. Mir selbst theilte ich ein Stück des ehernen Lorbeerkranzes zu, so groß, daß ich es nicht nach Hause zu bringen wußte. So war in wenigen Stunden der Siegeswagen ganz kahl, bis auf den vorn angebrachten riesigen Adler, der Jedermann ein zu gewichtiges Andenken dünkte.

Unter Gläserklange und dem Jubel der Menge kam gegen 6 Uhr Abends das erste Pferd herunter; um 7 Uhr folgte das zweite. Da inzwischen die Nacht hereinbrach, so blieben die beiden anderen bis auf den folgenden Morgen verschont. Als die Pferde entfernt waren, zogen die Oesterreicher ab, und die Franzosen strömten auf den Platz und besahen den Siegeswagen und die beiden Genien des Ruhms und des Sieges, die dem Triumphbogen gelassen worden waren, obschon sie jetzt nichts mehr zu thun hatten und recht kläglich an das „Sic transit gloria mundi“ (so vergeht der Ruhm der Welt) mahnten.

Auch der große Adler war mittlerweile verschwunden, vermuthlich von einem kühnen Engländer in der Nacht herabgeholt.

Obschon die Pferde verhältnißmäßig nicht schwer sind, da jedes nur etwa 1500 Pfund wog, so war das Abnehmen doch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, weil man kein Gerüst dazu aufgeschlagen hatte. Indessen praktisch wie immer wußten sich die Engländer auch hierbei geschickt zu helfen. Die Deichsel des Wagens hatten sie abgeschnitten, damit sie ihnen nicht hinderlich werde. Die obere, etwa fußdicke Steindecke des Triumphbogens war der Kürze wegen ebenfalls weggehauen worden, und die Pferde standen nun ganz frei, da die bleiernen Stränge, mit denen sie angeschirrt, sofort abgeschnitten wurden. Jetzt stellten sie über das erste Roß einen Dreifuß, in dem ein Flaschenzug hing, und zogen somit das Pferd in die Höhe. Darauf schoben sie einen zweiten Flaschenzug mit einem Ballen über den Triumphbogen hinaus, und über diesen glitt das Pferd vom Triumphbogen hinweg, ohne das Gesimse zu berühren, worin eigentlich die Schwierigkeit der Aufgabe lag, weil kein den Triumphbogen überragendes Gerüst vorhanden war. Die Franzosen hatten zur Aufstellung jedes einzelnen Pferdes volle acht Tage gebraucht!

Als am andern Tage die Oesterreicher den Marcuslöwen abnahmen, der auf der Fontaine vor den Invaliden stand, riß ein Seil, der Löwe fiel herunter und brach ein Bein, natürlich zu großer Genugthuung der Franzosen.