Wikisource:Musik-Werkstatt/AMZ 1882 (ECwfAAAAMAAJ) Teil 2

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 19. Juli 1882.

Nr. 29.

XVII. Jahrgang.

Inhilt: Theobsld Bühin. Ein merkwürdiges Künsllerloben. (Fortsetzung.) — Anzeigen und Beurtheilungen (Fantasie. Sonate Nr. 4, für die Orgel componiri von S. de Lange). — Die Familie Herschel. (Fortselzung.) — Anzeiger.

Theobald Böhm.

Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von

Professor Dr. T. SHi.-ifliiiul I.

{Fortsetzung.)

Einen interessanten Triumph feierte Böhm am H. November l 816. Die berühmte Angelika Catalani hatte München zum zweiten Male besucht, um dann in zwei Concerlen aufzutreten. Es lag ein Zwischenraum von 40 Jahren zwischen der Gegenwart und ihrem erstmaligen Auftreten in München. Sie war im Jahre 1826 im 13. oder gar 47. Jahre und hatte natürlich den Meridian ihrer Glanzperiode längst überschritten. Sie trat am 26. November in ihrem ersten Concerte auf. Der Violoncellist Sigl, unser Böhm und die Sängerin Krieninger füllten die Zwischenpausen aus, welche die grosse Sängerin zu ihrer Kühe bedurfte. Sigl spielte in der ersten Abiheilung, und Böhm begann die zweite Abiheilung mit seinen Variationen, die so allgemeinen Jubel henorriefen, dass der Beifall, welcher der grossen Süngerin gespendet wurde, vollkommen in liefen Schatten trat. Die Calalani wurde natürlich am Schlüsse des Con- certes gerufen, allein den Sturm des Beifalls halle Böhm mit sich genommen. Der Correspondent (Schielt) der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, anstatt einen treuen Bericht über den Verlauf des Concerles zu geben, verschweigt den wahren Hergang und erwähnt blos: Die zweite Abtheilung begann Herr Böhm mit »Prunk-Variationen'.

Auch bei ihrem zweiten Concerle, das am 15. November stattfinden sollte, war Böhm zur Mitwirkung bestimmt; allein nach den ersten Erfolgen Böhm's war die Calalani nicht mehr zu bewegen, mit Böhm zusammen zu wirken — sie wählte untergeordnete Individuen. Das Concert wurde zum Besten der Armen von München gegeben ; das Haus war gefüllt, allein der Beifall galt mehr dem grossen Namen der Künstlerin als ihrer gegenwärtigen Leistung. Mad. Calalani begann bereits merklich zu detoniren. Indessen nennt sie der Correspondenl ganz richtig «noch immer ein belehrendes Vorbild des hohen edlen Gesanges. Jahre zerstören nicht (meint er), was mit ausgezeichneten Anlagen geschaffen in der ernsten, leider auch nun in Italien fast untergegangenen Schule ausgebildet wurde.«

In diesem Jahre erhielt Bühm durch ein allerhöchstes Re- script die Nachricht, dass von dem jährlichen 250 H. Funclions- gehalt 200 fl. in definitive Besoldung verwandelt worden sei. Böbm's Gehalt betrug nun 700 Gulden.

Böbm eilte nach diesem Concerte wieder in sein«! Schweiz XVII.

zurück und gab in Zürich*) am 22. November ein Concert unter dem lebhaftesten Applause. Er spielte da seine eigenen Com- posilioneu, sowie Varialionen von Dronet. Von Zürich aus bereiste er mehrere andere Slädle in der Schweiz, wurde überall mit dem grösslen Beifall aufgenommen und gewann überall Freunde, die seiner nie vergassen bis zu seinem Tode. Auch in dem kleinen Städtchen Morges") treffen wir ihn, dem deutschen Morsee imCanton Waadt westlich von Lausanne an einer weilen Bucht des Genfersees. Ein gewerbreiches Städtchen, das sich indessen um schöne Künste überhaupt wenig kümmerte. Erst dem im Jahre 1821 wieder berufenen A. Späth, früher Mitglied der Coburgischen Kapelle, gelang es, mehr Musikliebhaber zu einer musikalischen Gesellschaft zu vereinigen, die zuerst sich nur mil Quartellen beschäftigte, sich aber immer mehr erweiterte und ein Orchester heranbildete, das aus 58 Mitgliedern bestand. Böhm folgte der freundlichen Einladung des Directors und konnte in drei Winterconcerten sich hören lassen. Es war in Vevey, wo er sich aus den Händen ihn verfolgender belrunkener Savoyarden durch einen kühnen Sprung über eine 5 Fuss hohe Balkenlage reltete.

In Genf hatte ihn die Sociele de Musique unterm 20. Februar 1827 zu ihrem Milgliede erwählt, jaloux de posseder au nombre de ses membres un Professeur aussi distingue.

Böhm errichtet eine Fabrik fUr Anfertigung der Flöten. Paganlnl.

Böhm's finanzielle Stellung als Hofmusiker, wie wir bereits gesehen, war nicht glänzend und um so weniger, als sich seine Familie rasch vermehrte. Die weiteren nölhigen Millel brachten ihm seine Concerte, Leclionen und der Absatz seiner Flöten, die er natürlich von Inslrumentenmachcrn in München unter seiner Ueberwachung anfertigen liess. Allein die Arbeiten dieser Inslrumeotenmacher, an vollendete mechanische Ausführung nicht gewöhnt, genügten unserm Böhm nicht, so dass er im Jahre t 828 bcscliloss, selbst ein Fabrikgeschäft zu gründen. Da gab es nun genug Gelegenheit zur vollen Entwicklung seines mechanischen Genies.

Böhm reisle Anfangs Juni 4828 zum zweiten Male nach Wien, um sich namentlich hier wegen tauglichen Holzes u. dgl. für seine neue Fabrik umzusehen, ebenso sich mil dem Stand der Musik überhaupt in Wien vertraut zu mnchen. Böhm trat mit seinem Opus 3 Andante und Polonaise A-dur auf, in Folge dessen Diabelli das Werk sogleich in Verlag nahm. Böhm fand das Wien wieder wie vor sieben Jahren, das alte leichtlebige,

') Allgemeine Musikalische Zeitung. 18. Jahrg. 18i6. S. 397. ", Allgemeine Musikalische Zcilung. 49. Jahrg. m?. S. 36».

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tanzlustige. Die berühmte Musikhundliiug Haslinger hiiiile eben ein prächtiges Haus, und Bölim sclierzle : »Da sieht man rlie Früchte classischcr Musik.« Der Hausherr antwortete : >Warum nicht gar — da sehen Sie, die sind'.«, die mir mein Maus bauen helfen» und deutete dabei auf Ballen von Slran- und L.inncr's Tanzmusik hin.

Zu dieser Zeit halle gerade der grösslc Geiger aller Zeilen, Nicolo Paganini, die Wiener in Feuer und Flammen verheizt (er halle eben sein zwölftes Concert gegeben] und zwar halle sich die Begeisterung so allgemein verbreitet, das.s der sonst auf den Händen getragene grosse Violinspieler Mayscder tief beleidigt schwor, nie mehr in Wien aufzutreten, denn May- seder erklärte unsern Paganini für einen Charlatan, und das thalen in der Regel die meisten seiner Collegen, für welche Paganini in unerreichbarer Höhe stand. Böhm war durch Paga- nini's Spiel so entzückt, dass er den Versuch machte, Paganini nach Hünchen /u locken. Haslinger stellte unsern Böhm dem grossen Geiger vor. Paganini lag auf dem Sopha, in Decken eingehüllt wie eine Leiche. Nachdem ihm endlich Haslinger den Zweck des Besuches unseres Böhm erklärt hatte, erwiederle Paganini mit schwacher Stimme : »Ach, das München ist eine arme Stadt, da ist's nicht der Mühe werth, dahin zu kommen.« Böhm, der ein vertrauter Freund des damaligen Theater- Intendanten in München, des Freiherrn von Poissl war, enlgeg- nele: »Ich bürge für drei Concerte in unserm Hoflheater, und Sie werden sehen, das Haus ist bei dem vierten noch überfüllt.« Paganini kam ein Jahr später, November 1829, wirklich nach München, und Böhm's Versprechen war doppelt gelöst. *)

Von Wien aus begab sich Böhm am 4 6. August nach Triest, Padua, Verona und kam am 48. August in Venedig an. Böhm blies da im Concert sein Op. 3, das Andante mit Polonaise mit nicht endenwollendem Applaus und war Ende August wieder bei seiner Fabrik in München.

Mangelhader Mechanismus der bisherigen Flöten.

Die rationelle Umschaffung der Flöte zu einem vollendeten musikalischen Instrumente war von nun an seine Hauptaufgabe. Der Virtuose hatte die Unvollkommenheilen seines Instrumentes, das so vielen Zauber in sich verbirgt, nur zu gut kennen gelernt und war deshalb daran, einen der Hauptmängel des Instrumentes nach dem ändern bei Seile zu schaffen.

An der Flute müssle für jeden Ton der chromatischen Scala ein Seitenloch gebohrt werden, das die Luftsäule der Flöte in Beziehung auf den immer höher werdenden Ton verkürzt, wenn eine reine Scala erzielt werden soll. Zum Hervorbringen

der chromatischen Scala durch die Flöte vom c bis zum h würden 4 4 solcher Ton- oder Grifflöcher vonnöthen sein. Dem Spieler stehen aber höchstens neun Finger zu Gebole, denn der1 Daumen der rechten Hand, der die Flöte trägt, kann nur versuchsweise, aber nie zu irgend rascher Bewegung benutzt werden. Es giebt daher kein anderes Mittel, als einen Mechanismus auszufinden, durch welchen von den neun zur Disposition sichenden Fingern auch die fünf übrigen offen stehenden Grifflöcher beherrscht und nach dem allen System beliebig verschlossen werden können. Als Verschliessungsmiltel bedient man sich der sogenannten Klappen, runde metallene Deckel mit sämischgarem Leder gefüttert, welche am Ende eines dop- pclarmigen Hebels befestigt, auf die Löcher durch eine Feder niedergedrückt werden.

An die Flöte halte sich seit der ersten französischen DisKlappe dem wachsenden Bedürfiiiss gemäss nach und nach eine Klappe nach der ändern gereiht, und auf diese Weise hatten sich die Löcher der Flöte so vermehrt, dass die Flöte zuletzt i 7 Tonlöcher, < l Klappen nebst vier besonderen Hebeln er-

  • ) Allgemeine Musikalische Zeilung. 31. Jahrg. 4810. S. 74.

hielt. Die Klappen mussten bestimmte Lücher so lange -ver- schliessen, bis sie durch die Finger gehoben das Loch frei Hessen. Die Klappe bestand also aus einem doppelarmigen Nebel, der sich an einem Ende zu einer Platte erweiterte, die mit weichem Leder bedeckt, das Loch verschloss, bis der Finger am ändern entgegengesetzten Ende des Hebels nämlich das Grilfende niederdrückte und so mit dem ändern Ende des Hebels auch die Klappe hob. Der doppelarmige Hebel musste sich natürlich in seiner Mitle um eine Achse drehen. Man halle anfangs für die Dis-Klappe die Lager, welche den Drehpunkt der Klappe trugen, die zwei Backen ans dem Holze der Flöte selbst herausgearbeitet und einen Messingdraht als Drehpunkt durch die Mille des Hebels und der beiden Holzbacken ge- sleckl. Eine Mcssingfeder unier dem Ende des Hebelarmes, den der Finger niederdrückte, drückte dieses Ilebelende wieder in die Höhe und verschloss auf diese Weise das Klappenloch. Stall der aus dem Flölenrohre herausgearbeiteten hölzernen Lager wendete man auch Stühle aus einem rechtwinklig gebogenen Messingblech als Achsenträger an.

Bühm's Verbisserungen desselben. Seine erste Flöte.

An die Stelle dieses rohen rudimentären Mechanismus stellte von nun an Böhm eine Klappenbewegung her, wie sie nur aus den Händen eines Mechanikers erster Art hervorgehen konnte. Seine Geschicklichkeit als Gold- und Silberarbeiter leistete ihm hier treffliche Dienste. Stall der Holzbacken oder Messing- plättchen drehte Böhm als Achsenlra'ger kurze Säulchen aus Silber mit einem Kügelchen am obern Ende, durch dessen Mille die Löcher für die Achsen oder für die sogenannten Körner gebohrt wurden, um deren Spitze sich die Achsen drehten. Diese Säulchen wurden durch scharfe Schrauben unten an dem Fusse in das Holz der Flöte geschraubt oder mit ihren Füssen an die metallene Flöte gelölhet. Eine eigene einfache, aber höchst sinnreiche Maschine, die Böhm erfand, sicherte, dass diese Säulchen als Achsenträger genau parallel mit der Achse der Flöte gestellt oder genau als Verlängerung der Radien des Querschnittes der Flöte angebracht werden konnten. Die Körner und die Zapfen der Achse sind aus Stahl. So allein ist die Bewegung der Klappen sanft, sicher, gleichförmig und mit dem geringsten Kraftaufwands zu bewirken.

Die eigentlichen, die Löcher deckenden Klappen konnten viel zarter gearbeilet werden, um mil voller Sicherheit unter dem raschesten Wechsel der Bewegung die Tonlöcher zu ver- schliessen.

So war die erste Flöte, die aus der Böbm'scben Werk- sliilte Ende des Jahres 1818 hervorging, conslruirt,

(siehe Figur t),

auf welcher er bei seinem ersten Auftreten in Paris blies, und diese Flöte fand so vielen Beifall, dass den vielen Aufträgen, die seine Fabrik erhielt, nur sehr langsam Genüge geleislel werden konnte.

Bei Klappen, welche die tiefen Töne beherrschten, muss- len die Hebelarme sehr lang werden, damil sie die Finger erreichen konnten, und da war es des Materials halber oft nölbig, zwei zweiarmige Hebel mit einander zu verbinden, wobei es natürlich geschah, dass beim Niederdrücken auch das Tonloch geschlossen wurde, während bei den gewöhnlichen einfachen Klappen durch das Niederdrücken des Klappenendes das Tonloch geöffnet wurde. An einer so vervollkommneten alten Flöte fanden sich Klappen der Länge und Klappen der Quere der Flöte nach. Die Flöten sahen aus, als ob sich junge Blutegel über den Löchern festgesogen halten. Die eine Klappe bewegte sich leicht, die andere schwer, kurz der Mechanismus der alten Flöle vor Böhm war aus dem Bedürfnisse hervorgegangen, für die chromatischen Töne, deren man je nach der grössern Entwicklung der Instrumentalmusik immer mehr und mehr !»durfte, immer mehr und mehr Nebenlöcher neben den sechs der allen diaionischen Scala in die Flöte zu bohren und sie dann durch Klappen und Hebel in das Bereich der sechs Finger zu bringen. Wie Böbm diesen rohen Mechanismus durch ein rationell durchgeführtes System der Klappenverbindung verdrängte, werden wir bei seiner zweiten, auf akustische Principien gebauten Flöle sehen.

Bdhm's Verbindung mit Prol. v. Schtfhlutl. Akuttische Ideen des letzteren.

Eine Anstellung an der Universitätsbibliothek rief mich, den Biographen Böhm's, Ende 4817 nach München. Es war zur Zeit meiner Jugendjahre Gebrauch, den Kindern auch musikalischen Unterricht zu erlheilen , und in den katholischen Erziehungsanstalten bildeten die Zöglinge selbst ein Orchester, das auch in der Kirche die Musik bei feierlichen Gottesdiensten übernahm. Ich war deshalb von erster Jugend an mit Musik vertraut und halle meine Aufmerksamkeil forl und forl auch dem Baue der musikalischen Instrumente, namentlich der Orgel, zugewendet. Es war die Pflege der Musik in München, die mich nach der Hauplsladl lockle; Musik, die obwohl sie nur als Nebenbeschäftigung dienen durfte , meine ganze Seele erfüllte. Die neue Flöte Böhm's und seine Flölenwerkstatle in- teressirten mich vor allem. Ich machte deshalb rasch die Bekanntschaft Böhm's, die von nun an ununterbrochen durch 54 Jahre bis zu seinem Tode währte. Wir lauschten unsere gegenseitigen Ideen aus; namentlich hatte ich schon lange auf eine wissenschaftliche Construction unserer Pianoforte gedacht und schon den Plan zur Ausführung entworfen. Ebenso hatte mich das Wesen des musikalischen Tones von Jugend auf beschäftigt. Bei der allseitigen raschen Entwicklung der mathemalischen Geselze der Bewegung wurde auch der musikalische Ton blos auf einfache rasche transversale oder longiludinale Schwingungen akustischer Körper zurückgeführt. Die Saite z. B. die, wenn sie gehörig über nicht elastische Unterlage gespannt war, kaum hörbar tönte — war der tönende Körper und die elastische Unterlage, z. B. der Geigenkörper einer Amati oder Straduari ist noch bis zu dieser Stunde blos zur Verstärkung des Tones der Saite bestimml.

Wenn Tauben das Spiel eines Pianofortes dadurch hörbar gemachl werden kann, dass z. B. ein Fichlenslabchen mit dem Resonanzboden des Claviers und dem Stirnbeine des Tauben in Berührung gebracht wird, so hört er nicht blos Töne, sondern die ganze Harmonie des Spielenden — dies Alles lassl sich nicht erklären durch einen Wellenstoss, der sich von Molecül zu Molecül des Stabes vom vibrirenden Resonanzboden in das Kopfbein des Tauben fortsetzt.

Gerade bei Böhm's Abreise nach London, also vor 5l Jahren, habe ich in PoggendorfTs nAnnalen der Physik« (1834) meine Ansichten über die Aeolsharfe publicirt, in welchen ich diese meine Ideen zu begründen suchte: dass der Geigenkörper, der Resonanzboden überhaupt, der lönende Körper sei — die vibrirende Saite also die Energie eines durch die Spannung der Saite bestimmten Tones. In einem spateren Aufsalze: »Berichtigung eines Fundamenlalsalzes der Akustik«*) habe ich meine Ideen weiter ausgeführt, auf die Saiten eines Pianoforle hingewiesen an einer Mauer aufgespannt und die Leitung <les Tones dieser Saiten an eine Mauer durch Stabe aus Fichtenholz durch die Mauer hindurch zum Resonanzboden, der sich in einem ändern Räume befindet u. 8. w. Heute bal das Mikrophon und Telephon meine vor einem halbe» Jahrhundert ausgesprochenen Ideen wohl hinreichend bewährt. Seit November 4881 ist eine Mikrophonleilung vom kgl. Opernbause in Berlin nach dem Palais des Kronprinzen geführt. Man hört in den Ge-

Neues Jahrbuch für Chemie und Physik. Band VII. (881.

mäcbern des Kronprinzen mit der grösslen Sicherheit und Deutlichkeit jeden Ton eines Sängers oder Sängerin, ja man kann die Töne der verschiedenen Sänger und Sängerinnen recht gut unterscheiden.

Bflhm's Reite nach London.

Böhm ging im Jänner 4831 nach Paris und erregle da mit der Virtuosität seines Spieles und seiner Flöte die grösste Aufmerksamkeit. Von da ging er Ende März nach London. Man halte ihn in Privalconcerten bewundert und ihn veranlasst, öffentlich aufzutreten. Er wurde z. B. ersucht, im alljährlichen Concerte des Choral Funds mitzuwirken, das zum Besten dürftiger Musiker, deren Wittwen und Waisen stattfand. Zu den Prolectoren dieses Concerts gehörte neben der Königin und vielen Herzogen und Herzoginnen auch der Prinz Leopold von Sachsen-Coburg. Das Concert war ein gemischtes Concert und besland hauptsächlich aus Gesangs vortrügen, von Instrumeolal- composilionen unierbrochen.

Inslrumenlalislen waren M. Moscheies, als Pianist, M. Böhm, als erster Flötist Sr. Majestät des Königs von Bayern angeführt und auf dem Zettel bemerkt, es sei dies sein erstmaliges öffentliches Auftreten in diesem Lande. Das Concert fand am 4 5. April 4834 in Hanover Square statt. Böhm spielte seine Phantasie nach einem Recitativ und einer Arie von Pucitta mit ungeheurem Applaus, namentlich gefiel sein brillanter Vortrag und sein seelenvolles Adagio. Stürmischen Beifall errang in diesem Concerte die grosse Scene und Arie aus dem Freischütz: »Wie nahte mir der Schlummere, von Fräulein Hughes vorgetragen, berühmt durch ihre schöne prachtvolle Stimme. Ebenso gefiel das bekannte Trinklied von Marschner »Im Herbst, da muss man Irinken«, als Bachanal song, deulsch gesungen von il. Phillips. — Im zweiten Theile spielte Moscheies die grosse Phantasie mit Orcheslerbegleitung »Thestrains of the Scotlish Bards« von Moscbeles' eigener Composilion. Am Freitag den 15. April 4831 trat Böhm in einem Morgenconcerl zum »Bcnelice eines Schriftstellers» mit seinem Divertissement für die Flöte auf. Santini und De Begnis, Madame Marie Lalande, der blinde Vio- linisl A. Tolbeque, ein Schüler R. Creutzer's, Mad. Dulken befanden sich unter den Hitwirkenden.

Am 34. Mai gab Mad. Dulken selbst unter der Palrouage der Herzogin von Kenl ihr grosses Morgenconcerl. Die grösste Sängerin dieser und vielleicht aller Zeiten, Mad. Pasta, der grösste Tenorist in diesem Jahrhundert, Kubini, verherrlichten das Concert; der grösste, merkwürdigste Basssänger seines Jahrhunderts, Lablache, sang zweimal, das erste Mal in einem Trio von Mozart, zum zweiten Male in einem Duo von Ciinarosa.

Böhm eröffnete die zweite Ablheilung mit einer Phantasie. Sein brillanter Vortrag, seine Doppelzunge, sein seelenvolles Adagio riefen ungeheuren Applaus hervor; aber der englische Kritiker sagte: »An Grosse des Tones steht unser Nicholion unübertroffen da.«

In einem ändern Morgenconcerle, am Samstag den 18. Mai, spielte Böhm als zweites Mal ein Solo für die Flöte. Neben Santini, de Begnis war unter den Mitwirkenden der Violinist A. Tolbeque.

Am 3. Mai gab Moscheies sein grosses Concert im Kings- Iheater. Der Anschlagzettel allein war 63'/3 Cenlimeter breit und 4 Meter hoch. Böhm blies in der zweiten Ablheilung eine Phantasie über ein bayerisches Volkslied : »Du, du liegst mir im Herzen« etc. Was damals an berübmlen Musikern beisammen war, liess sich auch da wieder hören, unter ändern der Tenorist Rubini. Er sang das erste Mal eine Scene aus einer Arie von Costa, das zweite Mal mit S. de Begnis ein Duett: »Fin ehe al mär«. Moscheles spielte zum zweiten Mal eine grosse Phantasie: »Erinnerung an Dänemark«, mit Orchester, die er nebst einem ändern Trio eigens für dieses Concert componirt halle. Die Violine spielle der berühmte Violinist P. Gramer, das Violoocell der grösste Violoncellist seiner Zeit, Lindley, an Fülle und Schönheit des Tones nie übertreffen. Moscheies spielle »auf Verlangen« seine Fantasia concertante über eine Romanze von Blangini für Singstimme, Harfe, Hörn und Piano- Torte componirt. Den Schluss machte Moscheles mit einer freien Phantasie über ein Thema, das ihm einer der Zuhörer gab.

Der englische Flötist Nlcholton und »In Instrument.

Die Reinheil der Böhm'schen Flöte in allen Scalen fiel auf, und namentlich inleressirte sich für Böhrn und seine Flöte der älteste und grösste Blasinstrumenten-Fabrikant in London: Rudall & Rose; *) denn Georg Rudall war selbst ein ausgezeichneter Flötenvirtuose. In dieser Fabrik wurden unter ändern auch Nicholson's Flöten verfertigt. Durch Rudall wurde Böhm mit der Nicholson'scben Flöte und mit dem liebenswürdigen Charles Nicholson zugleich bekannt. Die Nicbolson'sche Flöte war die gewöhnliche aber der kräftige, stattliche Engländer hatte aus einem richtigen Gefühle die Grifflöcher seiner Flöte so gross machen lassen, als es die Finger der hohen, kräftigen Gestalt nur erlaubten. Nicholson war der grössle englische Flötenspieler — sein Ton überragte an Fülle und Kraft den Ton aller Flötisten seiner Zeit, und das ist eine Eigenschaft, die gerade dem Charakter des englischen Volkes entspricht. Der Engländer liebt in allen musikalischen Instrumenten einen vollen, mächtigen Ton , im Gegensatz zu dem Franzosen, wie sich dies auch im Pianoforte der beiden Nationen erkennen lässt. Es war nur Nicholson möglich, seinem unvollkommenen Instrumente eine solche Gleichförmigkeit im Piano und Forte abzugewinnen. Dabei charakterisirte sein Adagio ein eigen- Ihümliches Beben lang gehaltener Noten, das an das Beben der Singslimme, eine Art zarten Tremolo erinnerte.

Die ausserordentliche, nie gehörte Kraft des Flölenlones des englischen Virtuosen forderte Böhm's ganze Aufmerksamkeit, sein ganzes Nachdenken heraus, und dieser Flötenton Nicholson's war es, der Böhm zum tiefern Studium des musikalischen Tones trieb, ilm zu rastlosen Versuchen und Combi- nalionen veranlassle, aus welchen endlich Böhm's Flöten bis zur letzten Silberflöle, dem vollendetsten aller Blasinstrumente mit Klappen, hervorging.

Dia Versuche Gordon't zur Verbesserung der Flttle. Da lernte Böhm auch einen Schweizer aus Lausanne kennen, einen Dilettanten auf der Flöte (ancien eleve de DrouetJ, der alle seine Energie und sein Vermögen daran gesetzt hatte, die Fehler der gewöhnlichen Flöte zu verbessern und ein neues vollkommenes Instrument herzustellen. Es war dies der ehemalige Garde-Obrisl der Schweizer Garde unter Karl X. W. Gordon, der, nachdem Karl seinem Throne entsagte, natürlich auch pensionirt wurde. Gordon halte gleichfalls in England gelernt, dass die Vergrösserung des Griffloches auch den Ton der Flöte vergrössere. Er halle die Grifflöcher seiner Flöte vergrösserl; aber nun stimmten die Töne, durch die erweiterten Grifflöcher hervorgebracht, nicht mehr. Da er von dem eigentlichen akustischen Princip, auf welches die Stellung der Gritflöcher gegründet isl, keine Ahnung hatte, so versuchte er die Stellung seiner Grifflöcher auf empirischem Wege zu ermitteln, ein Weg, auf welchem die Stellung der Grifflöcher aller Flöten bis zu dieser Stunde gefunden wurde. Die Versuche waren sehr kostspielig; denn beinahe jeder Versuch erforderte ein neues Modell. Bei den Grifflöchern, die zu hoch slanden, liess sich leicht helfen ; Gordon erweiterte dieselben, bis der Ton stimmte. So war z. B. das Griffloch für das e das

' Rudall Rose & Co., Flute and Musical Instrument Manufac- turers and publishcrs of Flute musical. 38. South amplo Street Strand London.

weiteste von seinen Grifflöchern. Wollte er die Grifflöcher enger machen, so musste er sie füllen, was sehr schwer war und nur unvollkommen ausgeführt wurde. Auf diese Weise wurden indessen alle Flöten gestimmt. Jede, auch die beste Klöte, besitzt Grifflöcher von ungleicher Grosse. Man sehe z. B. die Löcher und die Stellung derselben an der besten englischen Flöte mit acht Klappen auf der Tafel unter Nummer IV.

Die Modelle von Gordon wurden in London von dem Flöten- und Instrumenten-Fabrikanten Cornelius Ward ausgeführt. Bei der veränderten Stellung der Grifflöcher war auch natürlich ein verändertes Griffsystem nöthig. Gordon theilte seine Ideen seinem Lehrer Drouet und dem Flötenvirtuosen Julou mit, welche sein Unternehmen billigten, aber von einer Aenderung des Griffsystems natürlich nichts wissen wollten. Gordon kam deshalb auf den unglücklichen Gedanken, seine neue Flöte mit der neuen Löcherstellung auch durch das alte Griffsyslem spielbar zu machen. Gordon consullirle natürlich Böhm über sein Projecl.

Böhm suchte ihm begreiflich zu machen , dass auf diesem Wege empirischer Versuche ins Blaue hinein eine wirkliche Verbesserung der Flöte nicht durchzuführen sei. Böhm erklärte Gordon, er sei gleichfalls durch Nicholson vcranlasst, zu versuchen, der Flöte eine neue, auf einer rationellen Basis gegründete Gestalt zu geben. Er nahm Abschied von Gordon, ihm wiederholt einprägend, dass ohne Aenderung des gegenwärtigen Fingersatzes eine reine Stimmung der Flöte nicht möglich sei, und versprach ihm von seinen Versuchen bald Nachricht zu geben.

Böhm ging über Paris nach Bayern zurück und kam September 1832 wieder nach München, mit Ruhm bedeckt. Man war in München seinen Schritten in Paris und London aufmerksam gefolgt; und so kam es, dass ihm der König eine jährliche Zulage von 300 fl. verlieh, so dass sich sein Gehalt nun auf U1 Hu fl. belief, welche in 680 fl. Slandesgehalt und 520 fl. Dienstgehalt zerfielen. Döhm hatte diese Zulage eigentlich seinem Freunde, dem damaligen Ilofmusik-Intendanten Freiherrn von Poissl zu verdanken, der auch als Musiker und Opern- compositeur seiner Zeit sehr bekannt war. (Fortsetzung folgt.)

Anzeigen und Beurthcilungcn.

Fantasie. Sonate Nr. k, für die Orgel cornponirt von S. 4« Luge, Organist von der Urossen oder St. Laurenskirche zu Rotterdam. (Opus? Jahr?) Rotterdam, U. Aisbach & Co. Preis 1 Fl. 40 e". (uf 2. 40.)

Der Autor isl als einer der tüchtigsten Organisten unserer Zeit bekannt, und hat sich durch verschiedene Compositionen einen Namen gemacht, namentlich auf dem Gebiete der Kammermusik ; auch eine Symphonie von ihm kam <879 in Köln zu Gehör, wenn wir uns recht erinnern. Diese vierte Sonale zeigt abermals sein reiches Können; die Gedanken (Hessen ihm natürlich zu, und für die musikalische Ausführung derselben stehen ihm reiche Mittel zu Gebole. Dabei offenbart dann freilich auch dieses Orgelwerk dieselben Eigenlhümlichkeilen, welche man jetzt fast ohne Ausnahme an allen derartigen Compositionen wahrnehmen kann und die hauptsächlich die Ursache sind, dass die Orgelcomposilionen der Jetztzeit sich mit denjenigen unserer Vorfahren nicht messen können, und auch kaum Aussicht haben, ein ähnliches hohes Aller zu erreichen. Ganze Slösse von Productionen dieser Art legen wir mit einem Seufzer still bei Seile, ohne ein Wort darüber zu äussern, weil es doch vergeblich wäre. Aber Herr Samuel de Lange isl ein Musiker Tod grosser Intelligenz, der die Welt gesehen und die Kunst von vielen Seiten erblickt hat; bei ihm kann man also vielleicht darauf rechnen , dass er eine öffentliche Bemerkung wenigstens nicht ganz unbeachtet lassen wird. — Worin liegt es, dass wir in der Orgelkunst nicht »an unsere Väter« reichen? Nach unserer Ansicht ist der Hauptgrund der, dass wir in diesem Gebiete nicht den richtigen Hustern folgen. Die Gedanken sterben nicht aus, in der Kunst so wenig, wie auf den übrigen Gebieten des Lebens; Neues wird immerfort geschaffen werden. Soll aber dieses Neue von Bestand sein, soll es den Schatz, welchen wir bereits als ein bleibendes Besilzlhum unser eigen nennen, wirklich vermehren, so ist erforderlich, dass es nach den Gesetzen oder Lebensbedingungen geschaffen werde, die für das betreffende Gebiet Gültigkeil haben. Es handelt sich also hier einfach um die Krage : Nach welchem Modell soll der Künstler seine Gedanken formen?

In dieser Hinsicht lässt sich nun bemerken, dass auch unser Autor nicht eigentlich die richtigen Modelle vor sich stehen hat. Aus seinem Bildungsgänge wird dieses erklärlich. Er bat sich — als Organist nämlich — zu tief in die moderne Kammermusik eingelassen, und diese hat es ihm nun an- gethan. Mit den Weisen derselben ist auch sein Orgelspiel durchsetzt. Man hört aus der melodieführenden Stimme fast beständig die Violine, aus der harmonischen Masse und Grup- pirung der Motive das Streichquartett und ähnliche Kammermusikweisen modernster Gestalt heraus. Stellenweise führt dies zu einer ganz verblüffenden Modulation, z. B. Seite 9, wo auf den Quartsexl-Accord F-moll der Sextaccord E-dur, bald hernach auf den Terzquarlsext-Accord As-dur der Quarlsext- Accord E-dur folgt. Dies ist so auffallend , so unmotivirt und orgelwidrig, dass man unwillkürlich fragt, wie ein Künstler von solcher Bedeutung so etwas für die Orgel passend findet (wir bestreiten übrigens auch, dass die erwähnten Modulationen irgendwo passend und richtig sein können). Aber Schumann und Aehnliche haben ihn dazu verleitet, und diesen folgt er nun auch selbst dann noch, wenn er auf der Orgelbank sitzt. Hier vor der Orgel muss aber unter ändern alles, was Schumann heisst, grundsätzlich aufgegeben werden, wenn der richtige Orgelstil erreicht werden soll. Der Componisl wolle uns nicht missverslehen. Die Meinung ist nicht, dass für die Orgel beständig in der allen strengen Fugenweise geschrieben werden sollte, sondern im Gegenlheil, dass wir im Fugireo eher zu viel als zu wenig thun, dagegen die frei concertirende Darstellung vernachlässigen. Kür diesen wahren Orgelconcerl- Stil, zu welchem unser Autor gewiss entschiedenen Beruf hat, liegen die Muster nicht in der gegenwärtigen Musik, sondern ausschließlich in der Musik der Vergangenheit.

Die Familie Herachel.

(Fortsetzung.)

Was man aus jener früheslen Zeit über Wilh. Herschel's Leben weiss, ist Folgendes. Wir Iheilen dieses meistens aus dem Werke von Holden möglichst wörtlich mit. Bei seinem früheren Besuche in England halle ersieh eine tüchtige Kennt- niss der englischen Sprache angeeignet. Auch Freunde halte er natürlich daselbst gefunden, doch werden diese nicht sehr vornehmen Kreisen angehört haben. Es war ausschliesslich die Musik, welcher er sein Kortkommen verdankte.

Das erste, was man in dieser Hinsicht erfahren bat, war, dass er mit der Organisation eines Musikcbores des Durhamer Militärs betraut wurde, welches unter dem CommunJo des Herzogs von Darlington stand. Herschel rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen, und dies half ihm weiter, denn in den Rei

hen des Durhamer Militärs standen viele Landedelleule und sonstige vornehme Personen.

Es war Dr. Miller, ein bedeutender Organist und gelehrter Geschichtsforscher, dessen Verbindung mit Herschel für letzteren von wesentlicher Bedeutung wurde. Wie sehr er schon damals die Aufmerksamkeit seiner Ofßciere erregt halte, ist aus den nachstehenden Erinnerungen zu ersehen.

»Um das Jahr 1760, als Miller in Pontefracl mit den Offi- cieren des Durhamer Militärs speiste, erzählte ihm Einer von ihnen, der seine Liebe zur Musik kannte, sie hätten im Chor, unter den Hoboislen einen jungen Deutschen, der, nur ganz kurz in England, doch schon der Sprache vollkommen mächtig sei und auch ausgezeichnet Violine spiele; der Officier fügte hinzu, dass, wenn Miller in die andere Stube kommen wolle, dieser Deutsche ihm ein Solo vortragen werde. Die Einladung wurde gern angenommen und Miller hörte ein Solo von Giar- dini in einer Weise spielen, die ihn erstaunte. Er benutzte später eine günstige Gelegenheil, mit dem jungen Musiker in Unterhaltung zu kommen, und fragte ihn, ob er für längere Zeit bei dem Durhamer Militär engagirt sei. Die Antwort war , Nur von Monat zu Monat'. Dann treten Sie doch aus, sagte der Organist und kommen Sie zu mir. Ich bin ein Junggeselle und denke, wir werden glücklich mit einander sein, und ohne Zweifel wird Ihr Talent Sie zu einer einträglicheren Stellung bringen.« Das Anerbieten wurde so freimüthig, wie es gemacht war, angenommen, und man kann sich vorstellen, mit welcher Befriedigung Dr. Miller später, als sein Slubengenosse der berühmte Astronom geworden war, an dieses edle Anerbieten zurück dachte. »Meine bescheidene Wohnung (sagt Miller) bestand zu jener Zeit nur aus zwei Stuben. Indessen, so arm wie ich war, enthielt meine Hütte doch eine Bibliothek ausgewählter Bücher, und es muss sonderbar erscheinen, dass ein Fremder, der erst so kurze Zeit in England gewesen war,*) selbst die Eigenthümlichkeiten der Sprache so gut verstehen konnte, dass er Swift für seinen Lieblingsschriftsteller erklärte.«

Ueber Herschel's musikalische Leistungen erfahren wir durch die Erinnerungen Näheres. »Er [Miller] ergriff eine passende Gelegenheil, seinen neuen Kreund in Mr. Cropley's Con- cerle einzuführen; die erste Violine war für ihn bestimmt und niemals, sagte der Organist, hatte ich die Concerle von Corelli, Geminiani und Avisen oder die Ouvertüren von Händel correc- ter und mehr den Intentionen der Componislen angemessen spielen hören, als von Herschel. Ich verlor bald meinen Gefährten ; sein Ruhm war schnell überall hin verbreitet; es meldeten sich Schüler bei ihm, und er erhielt die Aufforderung, die öffentlichen Concerte zu Wakefield und Halifax zu dirigiren.«

»Um diese Zeit wurde eine neue Orgel für die Pfarrkirche in Halifax gebaut, und Herschel war einer der sieben Candi- daten für die Organistenstelle. Sie losten über die Reihenfolge, in der sie spielen sollten. Herschel zog das dritte Loos, das zweite fiel auf Dr. Wainwrighl von Manchester, dessen Finger so schnell über die Tasten glitten, dass der alle Snelzler, der Orgelbauer, durch die Kirche lief und ausrief: ,/um Teufel! zum Teufel l er lief über die Tasten , wie eine Katze; er will meine Pfeifen nicht zum Sprechen kommen lassen.' Während Herrn Wainwright's Spiel, sagte Miller, stand ich im mittleren Flügel mit Herschel. Welche Chance haben Sie, sagte ich, nach diesem Manne zu spielen? Er antwortete: ,lch weiss es nicht; ich bin gewiss, dass die Finger es nicbt tbun werden.« Somit bestieg er den Orgelplatz ; da brachte er denn eine solche Fülle

) Weil beide, der Officier wie Miller, die Meinung hatten, II. r - scbel sei erst kurze Zeit dort gewesen, könnte man auf die Ver- muthung kommen, er habe ihnen seinen früheren Aufenthalt in England verheimlicht. Da aber die Erinnerungen nicht von Miller, sondern von anderer, spaterer Hand, niedergeschrieben sind, mag der Irrthum auf deren Rechnung lu setzen sein.

von l nii'-n hervor, solch eine Menge von langgezogenen feierlichen Harmonien, dass ich mir von dieser Wirkung keine Rechenschaft zu geben vermochte. Nach dieser kurzen extem- porirlen Phantasie schloss er mit der alten Melodie des < 00. Psal- mes, welche er besser als sein Rivale spielte. ,So, so — rief der alte Snelzler — das ist sehr gut, wirklich sehr gut; diesen Mann will ich haben, denn er lässt meine Pfeifen zu Worte kommen.' Als ich nachher Herrn Herschel fragte, durch welche Mittel er im Anfange seines Spieles einen so ungewöhnlichen Kllect hervorgebracht hülle, antwortete er: , Wir ich Ihnen sagte, die Finger thaten es nicht!' und, indem er zwei Stücke Blei aus seiner Westenlasche zog, sagte er: ,Eins von diesen Stücken legte ich auf die unterste Taste der Orgel und das andere auf die Oclave darüber; so, indem ich die Harmonie herstellte, brachte ich die Wirkung von vier Händen, statt von zweien hervor.« (The Doctor von Robert Southey. Ausgabe von 4848, p. 1 in. Bei Holden S. 18—Sl.) Das hier beschriebene Organislenkunslslück muss also in England damals nicht bekannt gewesen sein ; Händel benutzte ebenfalls solche Bleistücke.

Diese Organistenwahl und Herschel's Anstellung in Halifax fand (765 statt, nachdem er fünf Jahre lang auf die angegebene Art durch Concerte und Unterricht sein Brot verdient halle. Im Orgelspielen wurde er ohne Zweifel von seinem älteren Bruder Jacob unterrichtet, als dieser Organist an der Gar- nisonkirche in Hannover war.

Bath.

So wichtig die Erlangung der Organistenslelle in Halifax namentlich deshalb war, weil sie nur durch die Besiegung eines höchst bedeutenden Concurrenten erreicht werden konnte, so kurz war die Zeit, in welcher Herschel dieses Amt bekleidete. Bereits im folgenden Jahre (1766) gelangte er an seine entscheidende Wirkungsstätte, sowohl in musikalischer wie in astronomischer Hinsicht, nach Bath. Diese Stadt galt damals, wie auch heule noch, für eine der schönsten Englands, balle aber im vorigen Jahrhundert noch den grossen Vorzug vor der Jetztzeit, dass es der Sammelort der haute volee des Königreichs war, welche dort den Gesundbrunnen gebrauchte, zum Theil auch beständig dort wohnte. Bedeutende Künstler, die sich aus dem öffentlichen Leben zurückzogen, pflegten ebenfalls in Bath ihre Tage zu beschliessen. So wohnte hier zu Herscbel's Zeit auch John Chrittopher Smith (Schmidt), der Gehülfe Händel's während seiner Blindheit und sein Nachfolger im Amte der Oratorien-Aufführung. »Bath ist herrlich gelegen, schreibt Holden, an beiden Seiten des Avon, und hat viele schöne Spaziergänge und öOentliche Bauten. Die Ansicht der Stadt ist ganz besonders anziehend und schön, was einestheils dem blendend weissen Steine, aus welchem die Häuser gebaut sind, andern- theils den reizend sich aufbauenden Hügeln, in deren Mitte dieselben liegen, zu verdanken ist. Die Gesellschaft war damals von einem fröhlichen und fein gebildeten Geiste beseelt, und Herschel war auf einmal in eine viel intelligentere Al- mosphüre hinein versetzt, als diejenige war, welche er in Yorkshire verlassen hatte. Mit Leichtigkeit konnte er sich neue Bücher verschaffen, stets sah er andere Gesichter und bekam Neuigkeiten zu hören. Die Gesellschaftsräume (1771 erbaut) waren durch ihre Grosse und Eleganz bekannt; das Theater war ausserhalb Londons das beste in ganz England. Seine Stellung als Organist an der besuchtesten Kirche führte ihn in die Gesellschaft ein. .Seine herzlichen und gewinnenden Manieren verschafften ihm Freude. Seine Gaben brachten ihm Bewunderer und Schüler; die Schüler trugen ihm Geld ein. Häufig gab er in jener Zeit 3G und 38 Privatstunden in der Woche. Er fing 1766 ein Leben von unausgesetzter Thäligkeit an. ... schrieb Stücke für die Harfe, Singspiele, Catches [mehrstim

mige Gesänge in Canon- oder Fugenform] und andere Gesänge. Einer von diesen, der Echo-Catch, wurde publicirl und fand vielen Beifall. ... Als er Balh 1781 verliess, gingen viele dieser musikalischen Manuscripte bei der grossen Eile, mit der er seine neue Stellung anzutreten hatte, verloren. Besonders ein Stück erinnerte sich seine Schwester für den Druck ausgeschrieben zu haben, aber ,er konnte keinen Augenblick finden, um es abzuschicken oder auch nur den Brief des Druckers zu beantworten'. Dies war ein vierstimmiger Gesang ,In Ibee I hear so dear a pari'. Er schrieb viele Anlbems*), geistliche Lieder und Psalmen für den ausgezeichneten Kirchencbor der Octagon-Kapelle. Unglücklicherweise ist das Meiste von diesen Compositionen nicht mehr aufzufinden gewesen.« (S. 24—16.)

Als Herschel so plötzlich berühmt wurde und Bath verlassen balle, bemerkte die Zeitschrift The European Magazine im Januar <785 über sein Leben und seine Studien in dieser Stadt: »Obwohl Herschel Musik über alle Maassen lieble, auch bedeutende Fortschritte darin machte , entschloss er sich doch mit einer Art von Enthusiasmus, jeden Moment, den er von der Arbeit erübrigen konnte, zu benulzen, um sich Kenntnisse zu verschaffen, denn diese hielt er für das vornehmste Gut, in welchen alle künftigen Lebensfreuden gipfelten. Seine Stellung an der Octagon - Kirche war eine sehr einträgliche, da er bald in eine grosse Thätigkeit gerielh für die öffentlichen Concerte, das Theater und die Oratorien, und er dabei noch von Schülern überlaufen wurde und Prival-Con- cerle gab. Diese immense Aufgabe minderte nicht seine Neigung zum Studium, sondern erhöhte sie sogar, so dass er sich oft nach einem ermüdenden Arbeitstage von l i oder < 6 Stunden Nachts zurück zog, um mit der grössten Begierde seine Seele zu erquicken, wenn man so sagen darf, durch Lesen in Maclaurin's ,Fluxions' oder anderen ähnlichen Schriften, ller- scbel's erste Studien mögen etwa folgenden Verlauf genommen haben. Durch die Musik wurde er zur Mathematik geführt oder, mit anderen Worten, es wurde ihm der Anstoss gegeben zum Studium von Smith's ,Harmonics'. Nun war eben dieser Robert Smith der Autor eines vollständigen Systems der Optik, einer meisterhaften Arbeit, welche sich , trotz des fabelhaft raschen Aufschwungs dieser Wissenschaft, noch nicht überlebt hal. Es scheint uns nichl unwahrscheinlich, dass Herschel durch das Studium der ,Harmonics' eine solche Neigung zu dem damals noch lebenden Autor fasste, dass er von jener »Philosophie der Musik' desselben zu seiner Optik überging, einem Werke, welches besonders Smilh's grossen Ruhm begründet hat.« Die hier ausgesprochene Ansicht über den Studiengang Herschel's ist durchaus zutreffend, und ebenfalls kann das Urlheil, welches damals (1785) über Smilb's Optik ausgesprochen wurde, noch heule auf seine .Harmonik' angewandt werden, denn das letztere Werk ist so wenig veraltet, dass die tiefsinnigen Gedanken desselben zum Theil erst durch die neuere Wissenschaft ihre Bestätigung gefunden haben.

Geben wir nun zu dem Leben der Geschwister in Bath über. Hier sind die Aufzeichnungen von Caroline Herschel wiederdie hauptsächliche Quelle. Auch der Bruder Alexan der war da, ein vorzüglicher Violoncellspieler und dem Bruder überdies durch seine mechanischen Talente sehr nützlich. Caroline, die, wie bereits erwähnt, (772 von Hannover nach Bath kam, um Sängerin zu werden und scbliesslicb Astronomin wurde, erzählt in unüberlefflicher Einfachheit: »Am Nachmittag des 28. August (772 kam ich mit meinem Bruder in seinem Hause New King Street Nr. 7 in Bath an. Da die Saison für den

  • { Der Uebersetzer von Holden's Biographie verdeutscht »An- thems« durch »Wechselgesfingo«; allein dies, obwohl die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, ist dennoch unrichtig, denn die englischen Anlhems sind einfache Motetten und nicht im mindesten nntiphonisch oder wechselgesang-weise gehalten.

Besuch von Bath erst im Ortober beginnt, halte mein Bruder Zeit, mich darauf hin zu prüfen, ob ich die Fähigkeit besässe, eine nützliche Sängerin für seine Concerle und Oratorien zu werden, und da er mit meiner Stimme sehr zufrieden war, so empfing ich jeden Tag zwei oder drei Leclionen und die Stunden, die ich inriii am Ciavier zubrachte, wurden dazu verwendet, mich in die Führung des Haushalles einzuweihen. Mein Bruder Alexander, der ebenfalls seit einiger Zeit in England war und mit mir bei unsenn älteren Bruder wohnte, halte das Dachzimmer inne. Die erste Etage, welche im neuesten und elegantesten Stile möblirt war, behielt Wilhelm für sich. Das Vorderzimmer, in dem das Ciavier stand, war zum Empfange seiner musikalischen Freunde und Schüler, für kleine Privatconcerte oder Proben eingerichtet. .. . Die Zeit, wo ich hoffen durfte, etwas mehr von der Gesellschaft meines Bruders Nutzen zu haben, kam erst nacb Ostern, wo Bath sehr leer wird [weil dann die Saison in London im Gange ist]. Nur einige seiner Schüler, deren Familien in der Nachbarschaft wohnten, blieben. Aber ich fand mich in meinen Erwartungen bitter getäuscht, denn in Folge des anstrengenden und ermüdenden Lebens, das er während der Wintermonate geführt, pflegte er sich mit einer Schale Milch oder einem Glas Wasser und Smith's Harmonics und Op- tics, Ferguson's Astronomie u. s. w. zeitig in sein Bett zurück zu ziehen und so, in seine Lieblingsschriftsteller vergraben, einzuschlafen. Beim Erwachen war es sein erster Gedanke, wie er sich Instrumente verschaffen könne, um die Dinge, über die er gelesen, selbst in Augenschein zu nehmen.« Er kaufte ein Teleskop, und da er dasselbe ungenügend fand, fing er an, etwas Grossartiges in dieser Weise, nämlich »ein Teleskop von (8 bis 20 Fuss zu planen. Meine musikalischen Uebungen litten sehr darunter, dass ich bei der Ausführung der verschiedenen Versuche helfen musste. Ich hatte von Pappe das Rohr herzustellen, in welches die Gläser eingesetzt werden sollten. Jetzt verwandelte sieb zu meinem Kummer jedes Zimmer in eine Werkslätte. Ein Kunsttischler, welcher ein Rohr anfertigte , stand in dem hübsch eingerichteten Empfangszimmer; Alex stellte eine grosse Drehbank (die er im Herbst aus Bristol, wo er den Sommer zuzubringen pflegte, mitgebracht) in einem Schlafzimmer auf, um die Formen zu drehen, Gläser zu schleifen, Oculare anzufertigen u. s. w. Gleichwohl durfte die Musik während des Sommers nicht ganz ruhen, und mein Bruder hielt im Hause oft Proben, zu denen sich Miss Farinelli, eine italienische Sängerin, sowie die besten Kräfte einfanden, die er fiir seine Winterconcerte engagirt hatte. Er componirte Rundgesänge (Catches), Trinklieder u. s.w. für die Stimmen, deren er habhaft werden konnte, denn es war nicht leicht, eine Sängerin zu finden, welche Miss Linie;/ [eine bekannte Oratoriensängerin] ersetzte. Zuweilen spielte er in der Abwesenheit Fischers [des berühmten Oboenbläsers] ein Concert auf der Oboe, oder eine Sonate auf dem Ciavier, und die Soli meines Bruders Alexander auf dem Violoncell waren himmlisch ! Auch widmete sich Wilhelm mit vielem Vergnügen einem Singchor, welcher die kirchliche Musik in der Octagon-Kapelle executirte und für den er viele vortreffliche Motetten, Gesänge und Psalmen componirte. . . . Jeder freie Augenblick wurde benutzt, um zu irgend einer Arbeit zurück zu kehren, die gerade im Werke war. Wilhelm nahm sich nicht einmal die Zeit, die Kleider zu wechseln, und manche Spitzenmanschelle wurde zerrissen oder mit geschmolzenem Pech oder Harz befleckt, ganz abgesehen von der Gefahr, welcher er sich unaufhörlich durch die ungewöhnliche Hast und Eile aussetzte, mit welcher er Alles tli.it. Eines Sonnabend Abends hatten wir eine sehr betrübende Probe davon. Meine beiden Brüder kehrten zwischen elf und zwölf Ohr Nachts aus einem Concerl zurück, und der älteste freute sich auf dem ganzen Heimwege, dass er am ändern Tage frei wäre und seine Zeit — mit Ausnahme einiger

Stunden, die er in der Kirche zubringen musste — ganz seiner Drehbank widmen könne. Dabei fiel ihm ein , dass die Eisen geschärft werden müsslen, und sie begaben sich mit einer Laterne zu dem Schleifsteine unseres Wirthes, der in einem offenen Hofe stand, wo sie sich am Sonntag Morgen nicht zeigen mochten. Aber bald wurde Wilhelm durch Alex halb ohnmächtig wieder heim gebracht ; er halte sich einen Fingernagel abgerissen. Alle diese Vorbereitungen fanden im Winter 177.'; statt, in einem Hause, das wir im Sommer bezogen. Hinler dem Hause befand sich ein Grasplatz, und dort traf man sogleich Vorbereitungen , um ein zOfüssiges Teleskop aufzustellen, für welches ausser den sieben- und zehnfüssigen Spiegeln, die sich in Arbeit befanden, auch einer von zwölf Fuss angefertigt wurde. Dieses Haus bot mehr Raum zu Werkstätten, und auf dem Dache einen Platz, den man als Observatorium benutzen konnte.

Diesen Sommer .... war meine Zeit durch Notenschreiben und musikalische Studien ganz und gar ausgefüllt, und ausserdem halte ich meinen Bruder zu pflegen, dem ich, wenn er polierte, die Speisen bissenweise in den Mund geben mussle, um ihn am Leben zu erhallen. Dies war namentlich einmal der Fall, als er in der Vollendung eines siebenfüssigen Spiegels begriffen, denselben 4 6 Standen lang nicht aus der Hand legte. [Das Schleifen der Specula pflegt mit der Hand ausgeführt zu werden , da sich Maschinen als nicht exact genug erwiesen haben. Anmerkung der Herausgeberin.] Auch bei den Mahlzeiten war er fast immer beschäftigt ; er benutzte diese Zeit, um Zeichnungen von den Dingen zu machen , die ihm in den Sinn kamen. Gewöhnlich mussle ich ihm vorlesen, während er an der Drehbank sass oder Spiegel polierte, z. B. den Don Quixole, Tausend und eine Nacht, die Novellen [Romane] von Sterne, Fielding u. s. w., und ihm den Thee und das Abendbrot serviren, ohne dass er die Arbeit, mit der er gerade beschäftigt war, unterbrach; ja zuweilen halte ich selber mit Hand anzulegen. Mit der Zeit wurde ich ein so nützliches Mitglied der Werkställe, wie es etwa ein Bursche im ersten Jahre seiner Lehrzeit für den Meister ist. Ausserdem hatte ich, da ich im nächsten Jahre in den Oratorien auftreten sollte, ein Jahr lang allwöchentlich zwei Stunden Unterricht bei Miss Flemming, einer berühmten Tanzlehrerin , die mich zur Dame abrichten sollte. Gott weiss, wie es ihr gelungen sein mag. So verlief unser Leben ohne Unterbrechung. Mein Bruder Alex war jeden Sommer mehrere Monate von Balh abwesend ; befand er sich aber daheim, so machte es ihm viel Vergnügen, sich für seinen Bruder mit irgend einer Drechsler- oder UhrmacheiviArbeil zu beschäftigen.«

Die erstaunlichen Resultate dieser musikalisch - astronomischen Junggesellen-Wirthschaft wurden bald sichtbar. (Schluss folgt.)

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 26. Juli 1882.

Nr. 30.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Sourindro Molmn Tagore, ei'.i indischer Dichler-Componisl. — Theobald Böhra. Ein merkwürdiges KUnstlerlebcn. (Fortsetzung.)— Die Familie Herachol. (Schluss.) — Anzeiger.

Sourindro Mohun Tagore, ein indischer Dichter-Componist.

Von Felix Vogt.

Einer der fleissigslen Musikschriflsleller unserer Tage ist unstreitig der Präsident der bengalischen Musikschule zu Cal- cutta, dessen Namen wir diesen Zeilen vorgesetzt haben. Seine Tha'ligkeit ist bereits vor drei Jahren in diesem Blatte in einer Ileibe von Artikeln geschildert, aus welchen die Leser ersehen haben, dass jene Thäligkeil des reichen indischen Fürsten nicht auf eine Darstellung der indischen Musiktheorie beschränkt ist, sondern auch nuf Dichtung und musikalische Com- positionen sich erstreckt. Dieses poetisch-musikalische Schaffen des modernen Hindu ist für uns besonders interessant, und da es in den genannten Aufsätzen vom Jahre 1879 nur obenhin berührt ist, werden wir hier näher darauf eingehen.

Der Poet Tagore ist ein begeisterter Anhänger der englischen Herrschaft. Wie weit Tagore in dieser Hinsicht, sowie überhaupt in seiner Liebe für abendländisch-englische Cullur und Aufklärung geht, ist am besten aus seiner Victoriagihikft zu ersehen, einem ausgedehnten Loblied auf die indische Kaiserin, welches aus einzelnen kurzen, in verschiedenen, theils sehr künstlichen Versmaassen abgefassten und durchweg com- ponirten Stücken besteht, welche die ganze Geschichte des britischen Reiches umfassen. Der Stoff ist nicht schlecht gewählt, denkt man, denn die englische Geschichte bietet ja genug grosse Thalen, die in Versen und Tönen besungen zu werden verdienen. Wer nun aber meint, bei dem indischen Poeten erhebende Bilder von Wilhelm dem Eroberer, von Richard Löwenherz, von Heinrich V. zu finden, wird sich gewaltig enttäuscht finden. Grosse Helden und grosse Thaten machen zwar, so denkt Tagore, viel von sich reden, nützen aber oft der Cul- tur gar wenig. Darum erwähnt er sie nur kurz, um dafür um so länger bei der Hagna Charta, bei der Erfindung der Buch- druckerkunst, bei der ersten englischen Bibelübersetzung zu verweilen. Er vergissl auch nicht, uns vorzusingen, wann die erste öffentliche Zeitung in England und später in Bengalen erschienen ist, wann Indien die Segnungen einer regelmässigen Dampfschiffverbindung mit England erbalten hat. Schliesslich spricht er sogar der Landesmulter seinen versiflcirten und com- ponirlen Dank dafür aus, dass unter ihrem milden Scepter Cal- cuttas Sirassen allnächtlich durch Gaslicht erhellt werden.

Wir haben diese kurze Charakteristik vorausgeschickt, um von vornherein festzustellen, dass wir es bei Tagore durchaus nicht mit einem ursprünglichen naiven Künstler zu thun haben, XVII.

sondern mit einem Gelehrten, der sich zum Zweck gesetzt bat, die Früchte der Gelehrsamkeit und zwar speciell der altindischen Musikgelehrsamkeit praktisch zu- verwertben. Es geht aus dem, was die englischen Forscher über indische Musik, Jones und Willard, sowie Tagore selbst mittheilen, hervor, dass sich die jetzigen Musiker Indiens wenig um Theorie kümmern. Als Jones zufällig in einem älteren Werke, dem Räga- vibhoda des Gelehrten Soma das beste theoretische Werk über indische Musik entdeckte, war es den einheimischen Musikern gänzlich unbekannt und den einheimischen Gelehrten kaum dem Namen nach bekannt. Es scheint in Indien zu sein, wie zum Theil auch bei uns, die Gelehrten kümmern sich wenig um Musik und die Musiker gar nicht um Gelehrsamkeit. Tagore's Bestreben nun geht dahin, nach Maassgabe der alten Theoretiker, von denen er durchgehends den genannten Soma als erste Autorität behandelt, die musikalische Composition praktisch auszuüben. Dass seine Poesie wenigstens nicht aus der Zeit, in der er lebt, hervorgegangen ist, sondern ihren Ursprung ganz der Gelehrsamkeit verdankt, ist schon daraus ersichtlich, dass er sich nicht eines der jetzt in Indien allein noch lebenden Volksdialekte bedient, sondern der todten Gelehrtensprache, des Sanscrils. Wenn wir daher Tagore's Compositionen als Specimina indischer Musik betrachten, müssen wir uns immer vor Augen hallen, dass auch seine Musik, wie seine Poesie, möglicherweise mehr das Werk gelehrter Nachconslruction, als das Erzeugniss des heule in Indien herrschenden Musiklebens sind, dass wir es nicht sowohl mit heuliger indischer Musik, als mit Tagore'scher Reconstruction der alten indischen Musik zu thun haben. Dabei zu entscheiden, in wie weit Tagore im Einzelnen auf der wirklichen Musikübung des heutigen Indiens fusst und wie weit er seinen eigenen Ideen folgt, ist für uns sehr schwer. Einmal nämlich fehlen uns Notationen anderer indischer Musiker, weil, wie wir schon gesagt haben, die heutigen Musiker Indiens der Theorie und also auch der Notenauf- zeicbnung abgeneigt sind, dann sind die Notirungen englischer Forscher, welche als indische Melodien Eingang in unsere musikgeschichtlichen Werke gefunden haben, der Adaptation an unser Musiksystem durchaus verdächtig, namentlich wenn wir daneben die mit der indischen Theorie weit besser übereinstimmenden, für unser Ohr dagegen viel fremdartiger klingenden Tagore'schen Compositionen betrachten'. Die Frage liegt also so: Beruht das Befremdende der Tagore'schen Compositionen gegenüber den z. B. von Ambros im ersten Band seiner Musikgeschichte veröffentlichten indischen Melodien darauf, dass Tagore's Werke Producte gelehrter Nachconslruction sind, jene Melodien aber Erzeugnisse des naiven Volksgeistes, oder (largo

auf, dass Tagore allein uns echt Indisches liefert, jene Melodien nber von den englischen Forschern ungenau aufgefasst und nach Maassgabe unseres Tonsystems und unseres rhythmischen Gefühls notirt worden sind?

Ich bin weit davon entfernt, in den folgenden Auseinandersetzungen diese schwierige Frage lösen zu wollen ; das Einzige, was mir als Zweck derselben vorschwebt , ist , dem Leser an der Hand einer kleinen Gesangscomposition eines indischen Gelehrten eine deutlichere Vorstellung von indischer Musik zu r! 'i t., als er sie aqs den üblichen musikgeschichllichen Werken gewinnen kann, wobei ich das Hauptgewicht auf das eigen- Ihümliche Verhältniss zwischen poetischer Form und musikalischem Rhythmus, welches sich in dieser Composilion darstellt, legen möchte.

Die Composilion , die wir ans vielen anderen ausgewählt haben , weil sie Eigentümlichkeiten der indischen Musik in Melodie und Rhythmus in ausgeprägter Weise vereinigt, hat Tagore veröffentlicht im Anfang eines Werkes, das die beste, wenn auch noch lange keine gute , theoretische Auseinandersetzung über indische Musik enthält ; es ist betitelt : Six princi- pal rägas, wilh a brief view of Hindu music. Der Anhang enthält vier Gesänge aus des berühmten Dichters Jayadeva*J Hirtengedicht Gitagovinda, welche Tagore selbst in Musik gesetzt hat.

Der Gilagovinda, eines der vorzüglichsten Werke der San- scritliteratur, ist ein lyrisch-dramatisches Gedicht, in welchem die Liebe des Gottes Krishna, des indischen Bacchus, und der Gopi (wörtlich Ktihhirtin) Rädha dargestellt wird. Die in den hier componirten Versen vorausgesetzte Situation ist folgende: Krishna, der seiner Göttlichkeit unbeschadet als ein flatterhafter Bursche dargestellt wird , hat die Geliebte vernachlässigt. Diese ist darüber in grosses Leid versunken und deshalb singt die Gefährtin Radhas das folgende Lied , indem sie dem Gölte die Leiden Radhas schildert. Dasselbe besieht aus 8 Strophen, alle gebaut wie der dritte und vierte Vers unseres Stückes ; zwischen diese Strophen werden unser erster und zweiter Vers als Refrain eingeschoben. Da wir hier nur die erste Strophe millheilen, habe ich eine bei Tagore nicht stehende, aber durch seine anderweitigen Auseinandersetzungen begründete da capo- nnd fine-Bezeichnung zugesetzt. Ausserdem habe ich nur in einem Punkte die Tagore' sehe Notation modiflcirt. Tagore ist nämlich in dem Irrthum befangen, wenn wir drei, fünf, sechs Noten mit einem Bogen verbinden und die betreffende Zahl (tazu setzen, so bedeute das, dass diese drei, fünf oder sechs Noten den rhythmischen Werth einer einzigen Note gleicher

Gattung besitzen, also J j j — ^, J-fj = £ a. s. w. Wenn

-X- ~JU

man daher nicht bei ihm unmögliche ^J-Takte slaluiren will, muss man alle seine Triolen, Quinlolen und Sextolen in die

nächst kleinere Notengattung verwandeln, also statt , f f

setzen ^^^ un(' slalt J"3"J

ie Uebersetzung, die

wir den Sanscrilversen beifügen, ist die vortreffliche Rückerl'- scbe**); unserem Zwecke gemäss , die deutschen Worte der Composition Note für Note anzupassen, waren wir jedoch ge- nöthigt, einige kleine Veränderungen und Zusätze zu machen.

  • ) Ich transscribire da* Indische nach der jetzt allgemein angenommenen englischen Welse, wonach c - - tsch, j = dsch, ch = tschh, c; —ss, y = j, sh = gch, v = w , also hier zu sprechen Dscbajadewa.

) Veröffentlicht in »Zeitschrift fUr die Kunde des Morgenlandes, d. BI.

Söhini (ri) khftdava. Tala madhyamana.

St vi - ra- he ta-va dl Sie von der Tren-nung er - kran

na, - kend.

ä - dha-va, ma-na-si -ja - vi-cik, ha bhay-Ad i-»a Krish- na, geschrecket von A - naugas Pfeilen, dich nur »Is

Fine.

bh4-va-nay-4 tvayi 1t

ein-zi-gen Hort noch um - ran -

- na

.kend

nin - dati chan-danam, in - du ki-nnam a-nu- Sand - el verbannt sie, die Streh-len de»Monds erkennet

vin - da - U khe-dam a - dhl - ram. nur sie für Qua-lcn - um - schnli - rang.

Vyä-la-ni -lay-am-i - la - ne-na ga-ra-lam l - va Nen-net so-gar die wilrzgen Lttf-to vergiftet durch des

da Capo sin' al Fine.

ka - la - ga-ti ma-la-ya-ea - ml - Schlangcnbergcs tödtliche Be - ruh

- i am. - rung.

I. Tonsystem.

Das indische Tonsystem beruht auf einer Scala, die unserer Cdur-Scala auffallend verwandt ist, in einem Punkt jedoch sich so charakteristisch von ihr unterscheidet, dass von einer gegenseitigen Beeinflussung nicht die Rede sein kann. Die Namen der indischen Scala sind : Sharja, Rishava, Gändhära, Madh- yama, Panchama, Dhaivala, Nishada. Die Anfangssilben dieser Namen gellen als Tonzeichen und dienen zur Solmisalion. Sa, ri, ga, ina, pa, dha, ni entsprechen unserm c, d, e, f, g, a, h oder ut, re, n»', fa, sol. la, si mit der einzigen Ausnahme, dass in unserer reinen, nicht temperirlen Scala zwischen g und a ein kleiner, zwischen a und h ein grosser Ganzton liegt, wodurch einzig die Sexte c-a das richtige Verhältniss 3 : 5 erhält, während die indische Theorie ihr dha, das unserem a entspricht, zu hoch ansetzt, indem sie zwischen pa und dha (g und a) einen grossen, zwischen dha und ni (a und A) einen kleinen Ganzton annimmt. Da ihre Theorie ganz auf dem Gehör beruht, ist auch ihre Angabe des Unterschiedes zwischen grossem und kleinem Ganzion falsch. Sie theilen nämlich die ganze Scala in II Cruti*) ein und rechnen auf den grossen Ganzton 4 Cruti, auf den kleinen deren 3 und auf den Halblon deren zwei. Die Vergleichung ergiebt also folgendes:

  • ) Bei Ambros und ancterw«rls steht constant Struti, was wohl auf einen Druckfehler zurückzuführen ist. Dem Worte ?ruli, nnm. crutis würde griechisch ein klytis vom Verbum »klyo« ich höre, entsprechen, verwandt ist das lateinische »clueo« und "inclitus«. i Yuti hcisst demnach «das Herbare*, d. h. das kleinste Intervall, das vom Ohr noch deutlich empfunden wird.

Wir haben nun neben der angegebenen reinen Scala die lemperirte, in der wir von dem Unterschied des grossen und kleinen Ganzlons absehend die Oclave in zwölf gleich Halblöne zerfallen lassen :

Diese Scala biete! den grossen Vrrlheil leichter Transposition und Hodulation. Die Griechen hatten durch den Aristoleliker Aristoxenus ebenfalls eine lemperirle Scala erhallen, die dem Bedürfniss der griechischen Chromatik und Enbarmonik entsprechend in z 4 Diesen oder Vierteltöne und jede Diese in 6 kleinere gleiche Theile zerfiel. Diese Scala leistet für die griechische Musik dasselbe, was für die unserige die lemperirle Scala. Die indische Scala nun, die sich wie unsere lemperirle Scala arithmetisch, d. h. durch Addition der Inlervallgrösscn und nicht wie es den akustischen Gesetzen einzig gemäss ist, Keomelriscb, d. h. durch Multiplicalioa der durch die Schwingungszahlen, resp. Sailenlängen, gebildeten Brüche, aufbaut, ist weder wissenschaftlich exact, wie unsere reine Scala, deren Vertreter im Allerthum hauptsächlich der in der römischen Kaiserzeit lebende Mathematiker Ptolemaeus ist, noch auch für die musikalische Ausübung so praktisch , wie unsere Halblon- scali, oder des Aristoxenus' Yierlellonscala. Wenn wir z. B. von C-dur nach F-dur gehen, so verändern wir bei lemperir- ter Stimmung nur A in 6, wenn der Indier dagegen aus dem Sbarjagrama, seinem C-dur, nach deui Madhyamagräma, seinem K-dur, umstimmt, so muss er nicht nur ni (h) um zwei c.ruli (J Ton], sondern auch dha (a) um eine c.ruli (-J Tonj erniedrigen :

Noch complicirter ist Es-dur, genannt Gandharagrama , neben Madhyamagrama die einzige von Tagore dargestellte Traos- posilions-Scala :

wo fünf Töne in verschiedener Weise erhöht und erniedrigt werden müssen.

Wenn irgend etwas geeignet ist, auf die indische Musik im Vergleich zur antiken griechischen und unserer modernen ein ungünstiges Licht zu werfen, so ist es dies unausgebildele Transpositioossyslem, nicht deshalb, weil es an sich theoretisch mangelhaft ist, sondern weil es beweist, dass die musikalische Praxis Die das Bedürfniss gefühlt hat nach freierer Modulation, durch welche allein die Möglichkeil längerer abwechslungsreicher Tonslücke geboten wird; denn hätte die praktische Musikübung je dies Bedürfniss gefühlt, so wäre gewiss die Theorie entsprechend vervollständigt worden.

Tagore geht in allen Beinen Composilionen der Benennung nach von dem Sharjagräma (C-dur) aus, »o dass auch da, wo eigentlich eine Tonleiter mit dem Grundion ma (/], wie in

tinserm Stücke, zu Grunde liegt, ma (f) nicht sä (c) genannt wird, sondern den Namen ma (/) beibehält. (Schluss folgt.)

Theobald Bohm. Ein merkwürdiges Kttnstlerleben.

Von

Professor Dr. v. Schafhüutl.

(Fortsetzung.) Ein englischer Flöten-Dilettant. Erfahrungen In England.

Böhoi's öffentliches Auftreten in England bildet einen Lichtpunkt seiner Thäligkeit in diesem Lande. Böhm war durch sein Flötenspiel und sein Benehmen als Gentleman, von welchem die Carriere des Fremden in London hauptsächlich abhängt, mit einer grossen Anzahl der Nobility und Gentry bekannt geworden, deren verehrter Gast er auf ihren Landsitzen sehr oft beinahe gezwungener Weise war. Namentlich waren es Dilettanten, die selbst die Flöle spielten , und mehrere, die die patenlirte Flöte von Böhm aus London bezogen hallen.

Einer der reichsten Guisbesitzer im südlichen Theile von England blies eine Silberflöte von Hudall und war entzückt über Böhm's Anwesenheil bei der Industrie-Ausstellung in London. Böhm mussle mit ihm aufs Land. Ein fürstlicher Glanz umgab da unsern Künstler. Er halte einen eigenen Bedieuten. Der Baronel hatte einen Adoptivsohn, einen gewalligen Nimrod — ein Stall der schönsten Pferde, Carossen aller Arl waren bereit für ihn zum Gebrauche. Böhm hatte nichts zu thun, als des Abends mit dem Baronel Duette zu blasen und hie und da in der Behandlung der neuen Flöte nachzuhelfen. Der Baronel sludirte eines Nachmittags an einem Duell, das sie Abends mit einander blasen wollten. Eine Passage wollte durchaus nicht gelingen. Der Baronet liess nicht ab, blies wieder und wieder, und wie das bei solchen Stellen, die man forciren will, zu gehen pflegt — die Passage ging immer schlechter. Der Baronet endlich im vollsten Zorne warf seine Silberflöle hinter die Thüre. Da lag sie nun — ein Trümmerhaufen. Dieser Anblick hatte den Zorn des Barouels rasch gedämpft. Böhm trat gerade in den Salon. »Böhm, geben Sie mir Ihre Flöte — fordern Sie, was Sie wollen. Sehen Sie hier meinen Wahnsinn!« Böhm lächelte — er hiess den Bedienten Alles auf dem Boden sorgfältig zusammen zu kehren, die Stücke in eine Schachtel zu legen und sie auf Böhm's Zimmer zu bringen. Böhm fragte : Haben Sie keinen Uhrmacher in der Nähe? »Ja, in dem Städtchen Horsham ist mein Uhrmacher.« . . . Morgen Abend blasen wir wieder mit einander ein Duett, tröstete Böhm. Der Baronet sah ihn zweifelnd an. Den nächsten Morgen führte ein glänzender Zweispänner unsern Böhm nach Horsham zum Uhrmacher. Ich habe hier die Trümmer der Flöle Ihres Baronets, wollen Sie mir wohl erlauben, Sie in Ihrer Werkslätte wieder zusammen zu setzen. Der Uhrmacher willigte gern ein, war der aufmerksamste Zuschauer, während Böhm feilte, lölbete, polirle, die Klappenträger wieder in ihre richtige Linie brachte und fesllöthete u. s. w. Nach Verlauf von sechs Stunden war die Flöte fertig, wie neu — Böhm dankte dem Uhrmacher aber noch mehr; denn er hatte dabei ein vortreffliches Löthmitlel kennen gelernt, das bis zu ihm Doch nicht gedrungen war — das Zinkcblorid, oder wie es die Techniker nennen, Chlorzink. Der Baronet war entzückt über die neue Flöle, die so schön war, als ob sie eben aus den Händen Kudall's gekommen wäre. Sie sprach noch leichter an als vorher. Der Baronet wandte alle Mittel an and versachte alle Wege, Böhm in seinem Land- bause fest zu halten ; allein Böhm inussle zur Jury nach London. Der Baronet entliess ihn mit dem Versprechen, bald wieder zu kommen. Allein die Wege Böhm's waren andere — Bölim hat seinen Freund und so viele andere seiner englischen Freunde nicht wieder gesehen. Böhm hatte nämlich während seines Aufenthaltes in England neben seinem Flülenspicle seine Blicke natürlich auch auf das unbeschreiblich grossarlige, technisch- mercanlile Leben und Treiben dieses Inselvolkes gerichtet, wovon er in allen Ländern des Continents kaum eine Spur Tand. Die gigantischen Eisenwerke, die englische Gussstahl-Kubri- calion interessirten ihn um so mehr, als er englischen Guss- slahl in seiner Werkslälle zu Schrauben, Körnern und Achsen nö'thig hatte.

Mechanismus und Mangelhaftigkelt der bisherigen Fluten. Böhm schritt, so bald er in München eintraf, ohne Zeilverlust mit der ihm eigenen Energie an die Ausführung seines Planes, nämlich ,m die gänzliche Umgestaltung der Flöte und ihres GrilTsystemes. Böhm liess die Fingerslellung vor der Hand ganz aus den Augen und sein Hauptaugenmerk war, die Grifflöcher an seinem neuen Rohre so zu stellen, dass die ganze chromatische Scala so rein und voll, als es die Theorie forderte, geblasen werden konnte. Denn alle die Flöten, welche vor Böbm's Erfindung gebaut wurden, gründeten sich auf rein empirische Versuche. Die rationelle Scala auf der Flöte musste nach demselben Princip geschaffen werden, nach welchem z. B. die Orgelbauer durch ihre Pfeifen die chromatische Scala hervorzubringen im Stande sind. Es ist natürlich bekannt, dass jede Pfeife, je kürzer man sie macht, desto höher tönt. So stimmen die Orgelbauer ihre Orgelpfeife, wenn sie zu tief klingt dadurch höher, dass sie oben an ihrem Rande abschneiden, so lange bis sie die nöthige Höhe erreicht hat. Stimmt die Orgelpfeife bedeutend zu hoch, so ist der Orgelmacher genölhigt, ein Rohrstück oben an den Rand zu lölhen oder anzuleimen, bis die Pfeife die verlangte Tiefe erreicht hat. Ebenso verkürzt der Violinspieler seine Saiten, je höhere Töne er erhallen will, und die « Saite auf dem Griffblatte durch die Finger giebt z. B.

die Oclave oder das e, wenn er nahezu die Hälfte der Saite gegriffen oder diese Saite um die Hälfte verkürzt hat. Nahezu verhält es sich ebenso mit den Pfeifen der Orgel — wobei der Orgelbauer zu einer diatonischen Oclave 8 , zu einer chromatischen aber 4 3 Pfeifen braucht. Würde nun der Flötenmacher seine Flöte in dieser Weise immer mehr und mehr abschneiden, so würde er natürlich nach (3 Verkürzungen zuletzt auch die Octave des Flötenrohrs erhallen. Um aber alle Töne, z. B. einer Octave, durch ein einziges Rohr hervorbringen zu können, ohne sie successive abzuschneiden, so hat die Natur die ersten Bläser selbst darauf geführt, dass sie ein Seitenloch in ihr Rohr schnitten oder bohrten. Es entsteht dadurch eine ähnliche Wirkung, als ob die Pfeife abgeschnitten worden wäre. Ein weilerer Vortheil dieses Seitenloches ist: man darf nur den Finger auf das Loch legen und also das Loch verschliessen, so hat man die ganze Pfeife und ihren Grundion wieder. Für jeden Ton auch in der diatonischen Scala ein Seilenloch einzuschneiden, wären 8 Löcher vonnöthen. Allein man hatte nur sechs Finger, dagegen sieben Töne oder mit der Octave acht in der diatonischen Tonleiter, denn der Daumen musste zum Halten der Flöte verwendet werden, und der kleine Finger war beim Spielen derQuerflöte zu kurz. Man schnitt deshalb unten drei Löcher für die rechte Hand, oben drei Löcher für die linke Hand, so dass sie von den Fingern gut gedeckt werden konnten, in gleicher Entfernung von einander. Wenn der Grundton der Flöte / war, so gab das zweite Loch e, das dritte ps, da mangelte nur das / Das f konnte bei dieser Art der Löcherstellung nur auf indirecte Weise erzwungen werden , sowie dies bei mehreren und namentlich den meisten Tönen der chromatischen

Scala der Fall war. Gerade diese Eigentümlichkeit des Instrumentes bildete einen Hauptmangel der allen Flöte.

Wir haben oben gesehen, das Seilenloch wirkt so , als ob die Flöte abgeschnitten wäre, aber nur zum Theil so, oder das Seilenloch ist zu klein, um eine volle reguläre negative Welle dem Durchmesser der Flöte entsprechend eintreten zu lassen. Das Flötenrolir konnte deshalb an der Stelle des Seitenrolirs, welches das fit angab, nicht als völlig abgeschnitten betrachtet werden. Die Luftsäule unter dem /fo-Loclie wirkte noch immer auch beim offenen c-Loche mit; wenn man nun, während dos Griffloch, welches das fis giebt, offen ist, das unier dem fix liegende Griffloch , welches das e gab, wieder mit dem Finger verschliesst, so drückt die unter dem Grillloche ps noch mil- vibrirende Luftsäule den Ton herab, und man erhält stall fix das verlangte / Allein dieser Ton ist iiu Vergleich zu den übrigen dumpf und hat einen nnJern Toncharakter. Man nannte diese Griffe, weil zwischen zwei Fingern, welche zwei Grifflöcher verschlossen, ein Griffloch offen blieb, Gabelgriffe, und mittelst dieser Gabelgriffe war es möglich, die ganze diatonische Scala und ihre Octave heraus zu zwingen. Die Franzosen fügten noch über dem <' und zwischen dem - ein neues Loch hinzu für das dis, das indessen durch eine Klappe geschlossen werden mussle, weil der Finger, dasselbe zuzudrücken, fehlte. Nun Messen sich auch die chromatischen Töne hervorbringen, aber diese chromatischen Töne waren so sehr von den übrigen Tönen der Scala verschieden und zum Tlieil so unrein , dass man höchstens nur zwei Scalen vollkommen rein erhielt.

Verbesserungsversuche.

Deshalb suchten die Flötisten bei der immer mehr sich entwickelnden Instrumentalmusik die Töne der Flöte, welche durch Gabelgriffe hervorgebracht werden musslcn, rein und den übrigen gleich zu erhallen. Sie bohrten deshalb neben den Löchern der diatonischen Scala neue Tonlöcher, die man, da zu ihrer Deckung Finger fehlten, mit einem Klappenvenlile oder einer Klappe verschloss. welche von einer Feder auf das Griffloch niedergedrückt wurde. Man mussle nalürlich dabei das Griffende der Klappe in den Bereich eines der sechs Finger bringen.

Die erste Klappe dieser Art wurde von den Franzosen über einem Griffloche angebracht, das zwischen dem ersten ./-Griff- loche und dem nächsten hohen e-Griffloche eingebohrt, den Halblon zwischen d und e, nämlich das dis angab.

Diese dts-Klappe war lange die einzige Klappe an der Flöte. Ihre Erfindung wird auch dem berühmten deutschen Flötisten Quantz zugeschrieben. Sie wurde in den Bereich des fünften Fingers geführt. Endlich wagte man sich einige Schritte weiter. Die Flölenmacher fügten der </is-Klappc eine zweite hinzu, welche das gis angab. Die ji.s-Klappe wurde für den kleinen Finger der linken Hand zugerichtet; endlich kam die fr-Klappe, welche der Daumen der linken Hand regieren musste. Eine solche nach Grenser'schcm Systeme von Böhm selbst gedrehte Flöte war es, auf welcher er seine Studien begann. So kam es, dass man immer mehr und mehr Klappen der alten Flöte hinzufügte. So hatte man noch eine Klappe für das / hinzugefügt — da war aber kein Finger mehr übrig. Ihr Spiel mussle nun dem übrigen Finger übertragen werden, der, wenn er das F erklingen lassen sollte, von seinem Griffloch auf-die Klappe hinüber glcilen mussle.

Immer hat man die alte 0-Flöte mit ihren sechs GrilTlüchcrn als Basis behalten, und was sich aus diesen Löchern nicht herausbringen liess, durch weitere Nebenlöcher zu ersetzen gesucht, die natürlich mit Klappen verschlossen werden musslcn, so dass die alte O-Flöle zulelzl l 4 Klappen erhielt. 'Kudlirli wurde der untere Theil der d-Flole, ihr sogenannter Fuss, verlängert, so dass man statt des d das c erhielt. Man kümmerte sich natürlich nicht darum, an welcher Stelle die Flöle abgeschnitten z. B. das e gegeben haben würde, man setzte das .'-l.nrh so hoch, dass es eben der Finger decken konnte.

So musslen von der c-Flüte von üöhm, welche c stimmt und 618,5 mm lang ist, 37,6) mm abgeschnitten werden, um eis zu erhalten. Bei den engen Grifflöchern der BÖhm'schen Flöle aus dem Jahre 1829 war das GnlDoch auf 50 mm hin- aufgerückl, das Grilfloch steht also um H,7 mm zu hoch, bei der neuen Flöle von 1832 ist das Griffloch bereits dem wahren cu-Abschnitte sehr nahe gerückt. Da das kleine GrilTloch der alten Flöte viel zu hoch der Finger halber gesetzt werden mussle, so ist der Ton nicht so frei, als ob die Flöle an der Stelle des Griflloches abgeschnitten wäre, sondern die Schwingungen der oberen Luftsaule wurden durch das tbeilweise Mitschwingen] der unter dem Grillloche liegenden Luftsäule in ihrer freien Entwicklung gehindert. Daher der charakteristische Ton der alten Flöle, ich möchte sagen, das Farblose, Matte der unteren FlÖlenlöne. Deswegen gaben die Poeten der sentimentalen Periode des vorigen Jahrhunderts ihren verzweifelnden Liebhabern immer die Flöte in die Hand. Nur wenn sich die Luftsäule in den hohen Tönen in t oder 8 Aliquote theilt, da wurden dann die Töne schreiend genug, wenn sie nicht wieder durch Gabelgriffe, wie bei der allen Flöle, hervorgebracht werden mussten. Daher hat die alle Flöte als Orchester-Instrument höchstens im Solospiele Bedeutung, und deshalb die alte Frage : »Was ist schlimmer im Orchester als eine Flöte?« auf welche die Antwort folgte: > zwei Flölen a. Auch Mozart war kein Freund der Flöle.

Diese Krankheil der Flöte, welche sie zum Lieblingsinslru- mente der Sentimenlalität ä la Werther und Sigwarl gemacht halte, mussle geheilt werden und wurde in der Thal durch Böhm vom Jahre l s.:, l bis »83S geheilt.

Die neuen Flöten von BVhnt. Das Ringklappen System.

Das erste grösstentheils geheilte Instrument war die sogenannte Ringklappen-Flöle Böhm's.

(S. Tafel I, Figur 3.)

Dieses erste gesunde Instrument war vom Stöpsel bis zum Ende 606 mm lang und 19 mm im Durchmesser. Böhm, der als Virtuose im Verlauf von 20 Jahren die grosse Unvollkommenheil der gewöhnlichen Flöle nur allzu sehr empfand, sah sehr bald, dass diese Unvollkommenheil zum grössten Theil von der falschen Stellung der drill- oder Tonlöcher herrührte. Böhm fand die richtige Stellung auf dem Wege des rationellen Experiments.*) Er schniltjjas Rohr, welches den Ton c gab, so lange ab, bis das Rohr eis stimmte, und bestimmte diesen Punkt auf einem zweiten ganzen Rohre von gleichen Dimensionen und so fort bis zur Linken von c dann c. Das zweile Rohr war sonach mit Punkten bedeckt, welche die Töne der c-Scala angaben, durch die Abschnitte der ersten Röhre bestimmt. Böhm bohrte nun an jedem der Punkte dieser Röhre ein Loch so gross, dass es mit dem Finger bedeckt werden konnte. Die Töne stimmten aber alle wegen der Kleinheit der Grifflöcher zu lief, Böhm cor- rigirte diese Grifflöcher auf einem dritten Rohre, indem er die Grifflöcher so weit gegen das Mundloch rückte, bis die Töne die verlangte Höhe erreicht halten. Böhm halte dadurch auf seinem Rohre < ^ Tonlöcher erhallen, alle von gleicher Grosse und in ihrer rationellen Stellung zu einander. Man vergleiche damit die Löcher und die Lochstellung der besten englischen Flöle mit acht Klappen. Wir sehen Löcher von drei verschie-

) BöAm, Ueber den Flötenban etc. Mainz 1847, S. 14.

denen Grossen, das grössle in der Mitte ! Durch diese 4 i Tpn-

löcher Hess sich die chromatische Sclala von c bis zum e in gleichmässig lemperirter Stimmung mit ihrem vollen Klange erhalten. — Das war der erste Forlscbrilt im Baue der Flöle.

Zur Bedeckung dieser l i Grilllocher reichten natürlich die neun Finger der beiden Hände nicht mehr aus; allein dieser Umstand war für den mechanischen Genius unsers Böhm kein Hinderniss. Er trennte sinnreich das GrifTende, den Sliel der Klappe von der Klappe selbst und brachte so das Griffende der Klappe unter den dazu bestimmten Finger und die Klappe selbst über das für sie geschaffene, vom Finger noch so weil entfernte Tonloch. Dies geschah einfach dadurch, dass er eine zarte Slahlachse, die er so lang, als nothwendig war, machen konnte, parallel mit der Flölenachse, also an die Langseile der Flöle slellle und natürlich rechtwinklig an einem Ende der Achse das Griffblalt oder den Stiel, am ändern Ende die Klappe selbst anbrachte, welche das für sie bestimmte Griffloch zu scbliessen halle.

(S. Tafel I, Figur 3 und *.)

Auch die Feder, welche die Klappe auf das Loch drückte, halle man früher so roh als möglich construirl, in derselben Weise, wie z. B. die Schlosser ihre Federn an ihren Thürschlössern anbringen. Die Feder halle dabei neben ihrer federnden Eigenschaft zugleich so irralionell als möglich eine gleitende und deshalb vibrirende Bewegung durchzumachen. Böhm benutzte deshalb zuerst goldene Federn, dann später ebenso sinnreich statt der goldenen Federn fein englische Nähnadeln, die er auf einem Bleche über der Spirituslampe so lange erhitzte, bis die weisse blanke Nadel blau erschien: nun war sie zur feinsten, Mirl reiflichsten Feder geworden. Er befestigte diese Feder unter der Klappenachse an einem Ende in ein kurzes Säulchen, das andere Ende drückte an ein an der Klappe angebrachtes kurzes Zäpfchen eine sogenannte Nase, wodurch natürlich die Achse mit der Klappe gedreht wurde. Die Feder wirkle hier nur durch ihre Elasticitäl, und der Weg, den sie mil ihrem drückenden Ende zu durchlaufen halle , war auf ein Minimum reducirt.

Da nun wegen der mangelhaften Zahl der Finger ein Finger neben seiner Function die eines ändern fehlenden Fingers zu übernehmen halte, also auch neben seiner Funclion eine tiefer oder höher stehende Klappe zugleich nieder drücken mussle, so verwandelte Böbm das Klappenende oder das GriffblaU der Klappe, welches am oberen Ende der Achse über das Griffloch zu stehen käme, in einen Ring, welcher das Griffloch umschloss, die OefTnung desselben also frei liess, so dass, während der Finger das Griffloch schloss, derselbe Finger zugleich am unleren Ende der Achse die Klappe auf ihr Griffloch nieder drückte. Eine zarle Rinne, welche um das Griffloch herum in das Holz geschnilten wurde , nahm den niedergedrückten Ring auf und hinderte so den Finger nicht, zu gleicher Zeit das Griffloch zu decken. So hat Böhm auf diese Weise einen Finger gewonnen; denn der Finger, der oben das Griffloch schloss, schloss auch millelsl des Ringes die Klappe an dem tiefen Theile der Flöle. Auf diese sinnreiche Weise war es möglich, alle Tonlöcher, welche von dem Finger nicht mehr erreichl werden konnten, dennoch mittelst dieses mit anderen Tonlöchern beschäftigten Fingers zu decken, oder mit neun Fingern l i Tonlöcher zu beherrschen, und es konnte nun die ganze chromatische Scala von d bis ins 6, das ist II Töne, gespielt werden, ohne die Lage der Finger zu verandern.

Das ist die Geschichle der Entstehung des Ringklappen- Systems Böhm's, das mil der ralionellen Löcherstellung an der Plöle aus dem Jahre I83S stammt.

Die Flölenspieler waren über die neue Flöle sehr erfreut, desto weniger waren es die Flötenmacber , denn der Klappen mechanismus Böhm's war das Werk eines Ubrmacbers und konnte von dem Verfertigen musikalischer Instrumente nicht so nachgemacht werden, dass er seine Dienste erCüllle. Böbm hatte sich in München und anderen Orten auf seiner neuen Klöle mit dem grösslen Beifalle hören lassen, unier Anderm auch in einem Concerl spirituel in München am <. November 183t. Dort sagt der Referent in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, der sich eigentlich nur in Phrasen ohne Sachkenntnis« erging: »Herr Böbm bat uns etwas Angenehmes hören lassen Huf der Flöte, die er selbst mit eigener Hand und mit mehreren Klappen und neuen Oeffnungen erb'nderisch zu höherem EITecte unigeschaffen.« *)

) Allgemeine Musikalische Zeitung. 35. Jahrg. 4833. S. 4». (Fortsetzung folgt.)

Die Familie Hcrschel.

(Schluss.)

Um l ,7'j bezog Herschel ein grösseres Haus, Nr. 19 in New King Street, hinler welchem sich ein Garten befand und welches nach dem Flusse hin frei lag. Hier machte er 4781 seine berühmteste Entdeckung, indem er den Planeten Uranus auffand (von ihm Gcorgium Sidus nach dem englischen Könige Georg III. genannt), und führte dann den Bau jenes vierzig- fiissigen Teleskops aus, welches damals die ganze Welt in Erstaunen setzte.

Doch hören wir zunächst, wie es um die musikalischen Angelegenheiten von Caroline stand. Auch in der Musik wurde sie eine Art Factolum, wie im Hauswesen und mitunter auch in der mechanischen Werkstatt. Während der Vorbereitung zu den Oratorien, die in den Kasten aufgeführt werden sollten, schrieb sie aus den Partituren des Messias und des Judas Macca- bäus die Stimmen für ein Orchester von beinahe hundert Mann aus, ebenso die Singslimmen aus dem Samsoo und hatte dabei die Sopranistinnen einzuschulen, deren Erste sie selbst war. Bei Gelegenheit ihres ersten öffentlichen Auftretens schenkte jhr der Bruder zehn Guineen zu einem Kleide, die allerdings redlich verdient waren. »Dass meiue Stimme keine schlechte war (schreibt sie], schliesse ich daraus, dass Palmer, der Eigen- thümer des Theaters in Bath, mir sagte, sie würde eine Zierde der Bühne sein ; und als ich im Messias und Judas Maccabäus meine Recilative und Arien gesungen, halle ich die Befriedigung, dass meine Freunde, die Marquise of Lolhian und Andere, welche den Proben beiwohnten, mich beglückwünschten, weil ich den Text wie eine Engländerin ausgesprochen.! Es ist nicht zu bezweifeln — sagt Mrs. Herschel —, dass ihr Huf als Sängerin, wenn sie auf der betrelencn Bahn beharrt hätte, ein gesicherter gewesen wäre. Im folgenden Jahre war sie die erste Sängerin der Concerle, und man hol ihr ein Engagement für die Musikfeste in Birmingham an. Sie lehnte ab, weil sie nur unier der Leitung ihres Bruders siugea wollte. Um diese Zeit empfing Wilhelm Herschcl wiederholte Anerbie- lungeu von Londoner Verlegern , einige seiner Vocal-Compo- silionen herauszugeben; aber mit Ausnahme des bereits erwähnten .r.i-ln, . eines Wechselgesanges, ist nie etwas von ihm gedruckt erschienen. Diese Anerbielungen der Verleger beweisen, dass Herscbel's musikalischer Ruf sich damals weil in England verbreitet hatte ; die ersten Jahre, in welchen er die Schwester in seinen Concerten als Sängerin vorführte, müssen als der Höhepunkt seiner musikalischen Wirksamkeit angesehen werden. Die Abhaltung des regelmässigen Sonntagsgolles- diensles, der Concerte und Oratorien ging nun noch einige Jahre lang so fort. In hergebrachter Weise wurden dieselben

zuweilen auch in Bristol aufgeführt, und dazwischen plagte sich die haushallende Primadonna mit einer unredlichen Magd nach der anderen herum. So trieb man es bis Pfingsten 4783, wo Bruder und Schwester in der St. Margaretben-Kapelle zum letzten Male spielten und sangen. Bei Gelegenheit dieses letzten öffentlicbeu Auftretens wurde eins seiner oben erwähnten An- thems zu Gehör gebracht.

Zuletzt bedrängte die Astronomie die Musik immer mehr. Caroliue erzählt von der letzten Saison: »Nun begann ein sehr fleissiger Winter; mein Bruder halle sich verpflichtet, gemeinschaftlich mit Honziui [Rauzzini?] die Oratorien zu leiten und sich für die Bezahlung der engagirten Künstler verantwortlich erklärt, denn sein Credil war bei Jedem, der einmal mit ihm zu thun gehabt balle, der beste ; aber er erlitt durch dieses Abkommen beträchtlichen Schaden. Trotz dieser Ueberhäufung mit Geschäften liess er den Spiegel für den SOfüssigen Heflector niemals aus dem Sinne, und wenn er auf dem Wege von einem Schüler zum ändern nur eine Minute Zeit gewinnen oder einem heimlich entwischen konnte, so kam er gewiss nach Hause, um zu sehen, wie weit die Männer mit dem Schmelzofen waren, der in einem untern, im gleichen Niveau inil dem Garten gelegenen Zimmer erbaut wurde. . . . Eines Morgens in der Passionswoche traf mein ältester Neffe ' ein, um uns einen Besuch zumachen. Vor der Thür stand eine Chaise, die uns nach Bristol zu einer Probe des Messias bringen sollte, welcher noch denselben Abend aufgeführt wurde. Der Dirigent, noch verlieft in das [astronomische] Gespäch mit seinem Freunde [Sir William Walson], musste es mir überlassen, die NotenkolTer mit den Stimmen für ein neunzig bis hundert Mann starkes Orchester**) zu füllen. Mein Neffe war die ganze Nacht gefahren, aber wir uabmen ihn mit uns, denn wir halten ausser Freitag nicht einen einzigen Abend in der Woche, der nicht durch ein Oratorium in Balh oder Bristol in Anspruch genommen gewesen wäre. Bald nach Ostern erhielt die St. James-Kirche eine neue Orgel, welche durch zwei Aufführungen des Messias eingeweiht wurde, und auch dadurch war meines Bruders Zeit in Anspruch genommen.«

Der Wendepunkt in dem äusseren Leben Herscbel's Irin ein mit seinem Besuche am königlichen Hofe. Als Musiker musste er dem Könige Georg III., der diese Kunst über alles lieble, ganz besonders sympathisch sein, und er halte sich nun jeden Abend in deu Musikaufführungen bei Hofe einzustellen, wo sein Neffe Griesbach spielte und wo der König sich mit ihm über Astronomie unterhielt. Nachdem der König Feuer gefangen halte, begann auch der ganze Hof für Astronomie zu schwärmen, wie er längst für Musik geschwärmt hatte. Musik und Astronomie, diese beiden Geislesrichtuugen, die in Herschel vereinigt waren, bildeten das Lebenselement jener tonangebenden Gesellschaft; man darf sich also nichl wundern, wenn der

  • ) Georg Grietbach, der Sohn ihrer, an den Militarimisikor Griesbach verheiralhct gewesenen und nun bereits gestorbenen Schwester. Auch die Familie Griesbach hatte sich in England niedergelassen , und zwar in London, wo sie als geschickte Musiker ein gutes Fortkommen fanden und auch bei Hofe wohlgelitten waren; Georg Griesbach war ein regelmussigei Solist in den beständig stattfindenden Abendconcerten des Künigs. Hierbei müssen wir berichtigen, was oben Sp. »49, Z. »6 gesagt ist, nämlich dass schon der Vater von G. Griesbach in englischen Hofconcerten mitgewirkt habe. Dies ist ein Irrthum, eine Verwechslung mit seinem Sohne.

) Vorhin gab Caroline Henchel dio Stärke des Orchesters ebenfalls auf »beinahe 400 Mann« an. Aber obwohl sie darauf der Sing- stimmen zu Samson ausdrücklich erwähnt, dürfen wir doch annehmen, das» Chor und Orchester, also Sanger und Instrumenlislcn zusammen, diese Zahl ausmachten, denn mehrere hundert Aufführende wurden weder m den damaligen Concertsglen der Landstädte Platz Befunden haben, noch wären sie ohne grosse Schwierigkeit zu beschnflun gewesen. Im Uebrigen ist zu bemerken, dass das Orchester früher im Verhaltniss starker besetzt wurde, als jetzt da es dem Chore an Zahl fast gleich stand.

kinnm ersehe Militär - Hoboist für seine Bestrebungen volles Versländniss fand und nicht nur in der Wissenschaft, sondern bald auch in der Gesellschaft einen hohen Hang einnahm.

Es war aber keineswegs des Königs Meinung , dass es gut sei, diese Doppelthutigkeit bei Hcrscbel bestehen zu lassen. Sondern die Musik sollte definitiv aufgegeben werden. Der König setzte ihm ein Jahrgehalt aus, für welches er als königl. Privat-Astronom in der Nähe des Hofes leben, die Gestirne be- obaclilen und Instrumente bauen sollte. Die vielen Musikschüler in Balh warteten also vergeblich auf die Rückkehr des geliebten Lehrers; Horschel kehrte zwar endlich von seinem Londoner Besuche nach Bath zurück, aber nur, um seine Sachen zupacken und nach Datchet bei Windsor zu übersiedeln, was am 4. August 4784 geschah. Seine letzte musikalische Aufführung in Bath erfolgte bei einem Gottesdienste in der St. Margaretben-Kapelle, zu welchem Zwecke er, wie bereits erwähnt, einen feierlichen Chorsatz componirle.

Nicht nur die Musikfreunde und -Schüler in Bath waren über diese Wendung der Lage betrübt, sondern auch seine Schwester Caroline, die hiermit ihre musikalischen Lebenspläne, zu deren Verfolgung der Bruder sie in seine Nähe gezogen hatte, scheitern sah. »Die Trennung war schmerzlich für uns Alle,! schreibt sie, »und ich war besonders betrübt darüber, denn ich hatte bis dahin nicht Zeit gehabt, die Con- sequenzen in Ueberlegung zu ziehen, die daraus entstanden, dass ich es aufgab, mich unabhängig zu machen, indem ich (bei etwas weniger Unterbrechung meiner Studien) ein nützliches Mitglied der musikalischen Welt wurde. Aber abgesehen davon, dass mein Bruder Wilhelm mich vermisst haben würde, und in Verlegenheit gekommen wäre, besass ich nicht Muth genug, vor das Publikum zu treten, wenn ich seinen Schutz entbehrte.« Diesen Schutz gab das bescheidene Mädchen denn auch nicht auf, sondern fährt fort, dem Bruder auf eine beispiellose Art als Astronomin zu dienen, wie sie ihm bisher als Sängerin {gedient h:itle.

Wilhelm Hcrschel lebte von 478J bis 1785 in Datchet, dann in Clay-llall, und von <786 an in Slougli, wo er bis zu seinem am 15. August 1823 erfolgten Tode wohnte, und wo die Familie noch jetzt ihren Sitz hat. Nach dem Tode ihres geliebten Bruders ging Caroline Herschel nach Hannover zurück, um dort ihre, wie sie meinte, wenigen Tage zu be- schlicssen. Aber sie lebte dort bis zum 9. Januar Isis, erreichte also mit 97 Jahren l 0 Monaten eins der höchsten Alter, welche dem Menschen beschieden sind. In der Astronomie erlangte diese überaus merkwürdige Dame durch mehrere Kometen-Entdeckungen wie durch literarische Arbeiten eine selbständige Bedeutung, so dass der König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen ihr noch im Jahre l 846 durch Alexander v. Humboldt die goldene Medaille für Wissenschaft überreichen Hess. Von den übrigen Geschwistern stand der am 43. November 4745 geborne Johannes Alexander seinem grossen Bruder am nächsten. Er theilte mit ihm sowohl die musikalischen wie die mechanischen Talente. Als Musiker war er bedeutend durch sein Violoncellspiel, welches nicht von der. Schwester allein »hinreissend« gefunden wurde. Schon vor dieser, nämlich 4816, kehrte er, 7l Jahre alt, nach Hannover zurück, »wo er (wie Holden sagt) in bequemer Unabhängigkeit, unterstützt durch die unermüdliche Freigebigkeit seines Bruders bis zu seinem Tode 48J4 lebte. Eine Notiz über ihn in einer Bristol- scben Zeitung [v. J. 48S4] sagt: Alexander Herschel, Esq. starb am 15. März 48S4 zu Hannover; er war als tüchtiger und feiner Musiker in Balh und Bristol bekannt; 47 Jahre lang bewunderten ihn die Besucher von C6ncerlen und Theatern beider Städte als ersten Violoncellisten. Zu den ausserordent- lichen Gaben Herschel's kam ein bedeutendes Talent für feinere' Mechanik und Philosophie, und seine Verwandtschaft mit sei

nem Bruder Wilhelm war nicht geringer in der Wissenschaft, als im Blute.« [Holden S. 45.)

Der älteste der Brüder, Heinrich Anton Jacob, geboren 10. November 4734, ging von Anfang an mehr eigne und besondere Wege, obwohl er als der Aellere und musikalisch Gewiegtere auf den vier Jahre jüngeren Wilhelm einen grossen Einfluss hatte. Ihn darf man mit Recht als den eigentlichen Musiker der Familie ansehen. Er war bedeutend als Violinspieler wie auch als Instrumenlalcomponist. Von seinen Com- posilionen sind im Druck erschienen:

6 Quartette für Ciavier, zwei Violinen und Violoncell. Op. I. Amsterdam. (4774 nach Fetis, »um 4775« nach Gerber.) Sinfonie in D. (London.) Sinfonie in F. (London.)

Im Manuscript kannte man ausserdem noch von ihm : Con- cerle für Ciavier und für Violine, sowie auch Sinfonien. Einen anderen Druck von ihm führen wir zuletzt auf, weil es der einzige ist, welcher uns vorliegt. Es sind dies die oben von seiner Schwester erwähnten, der Königin gewidmeten Sonaten , die also schon um 4769 gedruckt sein müssen: »Six Senates k deux Violons et la Basse composees et Ires humblement dediecs a Sa Majeste Charlotte . . . par Jacob Herschel, Musicien de la Chambre de sä Majestc Britanniqne a Hannover. London. Printed for the Aulhor, and sold by R. Bremner.«

Eine Zeitlang wirkte Jacob mit Wilhelm gemeinsam in Balh, kehrte aber bald nach Hannover zurück , wo er in der königl. Kapelle zuletzt Vice-Conccrtmeisler war. Als solcher fand er hier 479J plötzlich und auf unerklärte Weise seinen Tod, indem er im Felde bei Hannover erwürgt gefunden wurde.

Der als Geschichtschreiber der Musik bekannte englische Musiker Charles Burney wurde mit Wilb. Herschel befreundet und wandle sich ebenfalls noch in seinen allen Tagen der Astronomie zu. Burney verfasste sogar ein Gedicht über die Geschichte der Astronomie, welches natürlich in eine Lobrede auf seinen Freund Herschel auslief. Er las dasselbe Herschel vor , der , nachdem er einige Abschnitte gehört hatte , sagte : »er habe fast immer eine Abneigung gegen Poesie empfunden, da er sie als eine blosse Aneinanderreihung von schönen Worten, ohne irgend welchen nützlichen Zweck oder Liebe zur Wahrheit ansehe ; wäre aber Wissenschaft und Wahrheit in so schönen Worten vereinigt, so würde er Poesie sehr gern mögen.« (Burney's Brief vom 18. Sept. 1798 an seine Tochter Madame d'Arblay.) Dieser Ausspruch ist Wilhelm Herschel nicht zu verargen, denn man kann die Poesie von Grund aus verkennen und dennoch nicht nur der grösste Astronom seiner Zeit, sondern auch noch ein ausgezeichneter Musiker sein.

I'*0] Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

ÜMoritz

Illustrationen

PIBEiLI©.

In Kupfer gestochen von //. Merz und G. Gonzenbaeh.

Separat~Pracht«AusgaI>e. 0;iii PirfjlnmKit oon Hermann .ihiiiiv

Inkill:

Eintritt Fiielio's in den Hol des ßelänpisses. Erteniuu-Sein. FiiHlO-Jeai, unn-Aiulu.

Imperial-Format. Elegant cartonnirt. frei» IS Mark.

["'J Neue Musikalien.

Verliig von IBreitlzopf & Härtel in L c i p z i g.

Behm, Eduard, Op 2. Fünf Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforle. Jt 2,25.

No. 4. AbendsehnsutU. »Wenn der Abend sich senkt.« — S. »Wir hatten uns einst gerne." — 3. »Des Nachts in mcinemTrnuine.» — t. Lied. »Kalt und schneidend weht der Wind.« — 5. Lie- besahnung. «Wissen es die blauen Blumen.« Hofmann, Helmieh, Op. 56. Wilhelm von Oranien. Grosse romantische Oper in drei AufzÜRCn. Dichtung von Roderich Fels. Vollständiger Clavicrauszug mit Text vom Componisten. Einzeln:

Barcarole. (Sopran.) «Gar oft warf ich den grünen Wollen.« 75 Lied. (Tenor.) »Dein denk' ich, du holde, du herrliche Krau.«

75 %.

Gebet. (Sopran.) »Vater über allen Sternen.« 50 $r.\ Gavotte. (Sopran.) »Ich lieb ein Wesen fein auserlesen.« 50 Sji. Mozart, W. A., Conwit (Köch.-Verz. No.S99) für Hole und Harfe mit Orchester-Begleitung. Mit Pianoforle bearbeitet von Karl Burchard. Jt 7,75. Nlcodt-, Jean Louis, Op. »4. Drei Etüden für das Pianoforte.

No. I. r'i*moll. No. i. Fdur. No. ». Dmoll. Jt 4,50. - Op. S5. Sonate. G dur für Pianoforte und Violencell. Jl 9, — . Beioecke, Karl, Op. 454. „Aus unieren vier Wanden". Clavier- slücke für dio Jugend. Heft I. Aus den Kindertagen. Jt 1,50. - U. Kinderball. .! 1,75. -111. Weihnacbtsbilder. .{' \.:<».

Warteresiewlcx, Seyerin, Op. 3. Sechs fiedichte von Ernst Zilel-

ii-n.i.i für eine Singslimme mit Bewertung des Pianoforle. Jt i, 85.

No. \. »Als ich für dich die Rose wollte brechen.« — *. »Auf

meinen Weg schien einst ein lichter Stern.« — S. »Die Farbe

der bunten Welt erblich.« — 4. »Das sind so traumhaft schöne

Stunden.« — 5. »Sie lachte laut und scherzte wild.« — 6. »Schon

ist die Mitternacht vorbei.«

Zllcher, Paul, Op. 8. Etüden zur Ausbildung des 4. und 5. Fingers für das Pianoforle. Jl i, —

Mozart's Werke.

Kritisch durchgesehene (! es am m t aus gäbe.

Scrienau8ea.bc. — Partitur. Serie V. Opern.

No. 45. Dio Entführung aus dem Serail. Komisches Singspiel in 3 Aclen. (Köch.-Verz. No. 884.) Jl »3,—.

Elnzeln.us|pn.l>e. — Partitur.

Serie VI. Arien, Duette, Terzette und Quartette mit Begleitung des Orchesters. Band I. No. 4—4«. Jl 9,90. No. 4. Arie für Tenor. »Va, dal furor portata«. (K. No.»4.) 909.

— J. Arie für Sopran. »Conscrvati fedele«. (K. No. *8.) 60 fy.

— 8. Recitativ und Arie (Licenza) f. Tenor. »Or ehe il dover«. (K. No. 86.) Jt 4,05. — 4. Recitativ und Arie (Licenza) für Sopran. »A Berenice o Vologeso«. (K. No. 70.) Jl 4,05. — 5. Recilativ und Arie für Sopran. »Misero me«. »Misero pargo- letlo«. (K. No. 77.) Jt 4 ,50. — 6. Arie für Sopran. »Per pielä, bell' idol mio«. (K. No. 78.) 60 Sjl. — 7. Recitativ und Arie für Sopran. »O temerario Arbace«. (K. No. 79.) 60 3)1 . — 8. Arie für Sopran. »Se tutli i mali roiei«. (K. No. 88.) 60 ty. — 9. Arie für Sopran. »Fra cento affanni«. (K. No. 88.) Jl 4,35. — 40. Arie für Sopran. (Passionslied.) »Kommt her, ihr frechen Sünder«. (K. Nr. 446.) ::",/. — 44. Arie für Tenor. »Si mostra la sorte«. (K. No. »09. ) 60 3f. — 4«. Arie für Tenor. »Con ossequio, con rispetto». (K. No. 240.) 75 t}.

Robert Schumann's Werke.

Kritisch durchgesehene Gesammtanagabe. Herausgegeben von Clara Schumann.

Serie l. Orchesterwerke.

No. 4. Vierte Symphonie Op.4»0.

Partitur Jl 4 3, — . Stimmen Jt 49, — .

Ko Volksausgabe.

486. Schubert, Harsche f. das Pianoforte zu vier Hunden. Jl 4,30.

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zu besetzen mit 4. September d. J. beim philharmonischen Verein in Marburg a. Dräu (Steiermark). Gehall 600 n. (4JOO Mark). Er- wtinscht sind erfahrene Dirigenten, die in Violinspiel und Gesang, womöglich auch in Blasinstrumenten Unterricht crtheilcn können. Gelegenheit zu reichlichem Nebcncinkommcn vorhanden. Gesuche und Anfragen bis 10. August an die Vereinsloilung.

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Heinrich von Herzogenberg.

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lieft 1. /V. 3 Jl.

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No. 4 in A dur . No. i in Fdur . No. 8 in Hmnll No. 4 inCmoll. No. 5 in G dur . No. 6 in Cdur .

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Heinrich von Herzogenherg.

Op. 34.

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Leipzig und Wintertliur. J. Rieter-Birdcrmann.

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ccll, Contrabass ä 45 fy.) Mit Pianoforle ..... Pr. t Jt.

Verleger: J. Kieler-Biedermann in Leipzig und Wintcrthur. — Druck von Breitkopf & Hiirtel in Leipzig. Expedition: Leipzig, Am Rabenstcinplatz Z. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg:.

Dl« Allg«n.Mn* Mu-iValisrh«

rtcaeint rtgelmissig »n jrdem Mittwoch

und int durch alle PosUmter und Bucb-

Aindlangen zu beiiehou.

Allgemeine

Frei*: Jihrlirb 18 MV Vierteljlhrlicn* rrfcoam. 4 Mk. 50 Pf. Anzeigen: die gespaltene Petitzeile oder deren H*om 30 P£ Briefe und Oelder werden fruico erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rcdacleur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 2. August 1882.

Nr. 31.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Sourindro Mohun Tagore, ein indischer Dichler-Componiül. (Schluss.) — Theobald B!>hm. Ein merkwürdiges Kunstlerleben. (Fortsetzung.) — Deutsche Operngesellschaflcn in London »88J. — Anzeiger.

Sourindro Mohun Tagore, ein indischer Dichter-Componist.

Von Felix Vogt.

(Schluss.)

Für jedes Tonstürk wird nun ein Räga oder eine Rägini feslgeslellt, was wir etwa mit Melodiegattung übersetzen können. Der Unterschied zwischen Räga und Rägini ist kein grundsälz- lieber. Tagore nimmt sechs Rägas, d. h. Hauplmelodiegattungen an, Andere mehr theils mit anderen Namen.

In unserem Stücke herrscht die Rftginl Söhini, deren Wesen in folgenden Eigentliiimlichkeilen besteht: I) Die benutzte Tonleiter ist khädava, d. h. unvollständig, es fehlt ihr der Ton pa (g), i) der Ton n (d) tragt das Zeichen A, ist also um zwei mtl. d. h. einen Halblon vertieft, 3) von den benutzten Tönen kommt am häufigsten ma (f) vor, er heisst Vädi, d. h. der Anzeiger, i) am /.weitläufigsten sä (c), er heisst Samvädl, wobei zu bemerken, dass fast regelraässig der Samvadl eines Rägas oder einer Rägini die Quinte des Vi.li ist, B) die übrigen Töne der Scala heissen dann Anuvädi und der ausgeschlossene pa (g) vivädi (d. h. widersprechend), 6) die Rägiui scbliessl mit dem Vädi, wie es im Indischen meist, aber durchaus nicht immer der Fall ist, 7) sie beginnt mit ga (e), einem Ton , der weder vädi noch samvädi ist, während gewöhnlich einer dieser beiden Anfangsion ist.

Vädi dürfen wir unbedenklich mit unserm Grundion iden- tificireo. Wir haben also für die Ragini Söhini eine /'-Scala, die so aussieht:

f — a h c des ef

~^<v i «r ~~t

8o.r. + 3 c.r. + 2 c.r.+1 er + 5 er. + J <;r. _ « s.r.

Gegen unsere Uebung verstösst in dieser Scala einmal die über- massige Quart f-h, dann die kleine Sexl (f-des) neben der grossen Terz (f-a] ; durch beide Umstände entsteht die Folge von zwei Halbtonintervallen h-c c-des, die in der Diatonik unmöglich ist. Vergleicht man das Griechische, das dem Indischen schon durch den Mangel der Harmonie und die Benutzung von Viertellönen näher steht, und das daher von Tagore oft und gern, aber ohne jede Einsicht bei theoretischen Auseinandersetzungen zur Parallele herbeigezogen wird, so findet man auch Hort keine volle Berechtigung zu einer solchen Tonreihe. Die chromatische dorische Tonleiter heisst zwar abwärts gehend

e des c h a ges f e,

so dass man nur ges auszuschliessen braucht, um die Tonreibe unserer Ragini zu bekommen, aber für den Griechen ist a un- XVII.

umgänglich Mese, d. h. der in der Melodie meist benutzte Ton, und kann unmöglich durch die Parypale /' in dieser Function ersetzt werden.

Wenn wir uns die Tonart nach modernen Begriffen klar machen wollen, so liegt uns am nächsten der lydische Kirchenton :

f g a h c d e.

Das des neben a erinnert an das Vorkommen der kleinen Sexl in Dur-Melodien und Dur-Accorden, welches den Theoretiker Hauplmann dazu geführt hat, neben Dur und Moll ein gemischtes Tongeachlechl zu statuiren, das auf der Stufe f beissen würde :

f g a b c des e f.

Die, für uns freilich ganz unmögliche Vereinigung des lydischen Kirchenions mit Hauptmann's gemischtem Tongeschlechl würde die Tonart der Rägini Söhini ergeben :

f (ff) a h c dt» e f.

Um zu zeigen, dass die Ragini Sühinl mit ihren chromatischen Intervallen keine Ausnahme von anderen Rägas und Räginis bildet, wollen wir hier die Tonreihen hersetzen, welche Tagore seinen sechs Ragäs oder Hauptmelodiegattungen zutheilt, wobei wir die vorkommenden Dreiviertelton-Eroiedrigungen durch einen darübergesetzten Punkt bezeichnen :

Criraga :

Vasanla :

Bhairava :

Pancbama :

Megha :

dis

dt

h c

"T

fis g

~T «414 vädi c oder des, samvadi äs Anfang c, Ende c.

e des e fit — a h

"T TT 6 T~

vädi f, samvadi c

Anfang e, Ende e.

e dtt e f g ji.i.i : cdefgahc

~t ir ~r ~r ~r ir ~r

vadi f, samvädi c Anfang c, Ende c.

Von diesen aechs Tonreihen mit ihren Bestimmungen über Haupltöne und Anfangs- und Schlusstone hat nur die allerletzte für uns nichts befremdendes und gerade von ihr macht Tagorc, der von jedem Riga eine genau beschriebene und bildlich <l.u- gesl eilte Personiticalion giebt, eine abschreckende Beschreibung : »Dieser Riga wird personificirl als ein mächtiger Krieger, welcher über das Schlachtfeld reitet. Sein Körper ist ganz mit Blut bespritzt. Dieser Räga wird im Winter gesungen,» und »elzl noch dazu, dass er sehr selten im Gebrauch sei. Von dem ersten Riga dagegen mit dem doppell vorkommenden Vielellon- Intervall heisst es: »Der Halbgott Criräga , berühmt über die ganze Erde, spielt zärtlich'mit seiner Nymphe« u. s. w.

II. Melodiebildung.

Unsere moderne Melodiebildung ist so sehr auf die Harmonie berechnet, dass es uns sehr schwer ist, uns gegenüber Melodien anderer Zeilen und anderer Völker, welche eine Harmonie in unserem Sinne gar nicht kannten, auf einen vorurteilsfreien Standpunkt zu stellen. In der vorliegenden Melodie fallen uns die Stellen am wenigsten auf, für welche wir unwillkürlich den tonischen Dreiklang in F-dur als harmonische Grundlage supponiren können. An drei Stellen, die uns besonders abslossen, scheint geflissentlich die chromatische Verbindung h-c-des, die, wie wir gesehen, auch in drei Rägas (einmal als h-o-tUi) vorkommt, hervorgehoben zu werden, so gleich am Anfang t-des-c-h. Es giebl dies dem Liede von vornherein einen klagenden Ton , der zum Texte recht gut passl. Durch die Auslassung von g kommt etwas Gebrochenes in die Melodie, die für uns geradezu widerwärtig ist, namentlich in der dreimal am Versende vorkommenden Figur f-a-u-f. wo wir das schlussvermittelnde g schwer entbehren. Monoton sind diejenigen Takte, wo der vadi !f] oder samvadi (c) stets wiederholt werden. Nach den nicht völlig klaren Angaben Tagore's ist es wahrscheinlich, dass solche Stellen dazu bestimmt sind, bei der Wiederholung des Stückes beliebig zu Coloraturen benutzt zu werden. Im letzten Takt ist der Ton / dreimal auf dieselbe Silbe notirt, eine bei uns ganz in Abnahme gekommene Verzierung, die bei Tagore sehr oft verwandt ist. Von einer Benutzung eines bestimmten Motivs der Melodiebildung findet sich weder hier nuch sonst bei Tagore eine Spur. Das gleich Anfangs erscheinende charakteristische Intervall e-dei kehrt nicht mehr wieder. Der Umfang der Melodie ist für ein so kurzes Stück ziemlich bedeutend, er umfassl eine verminderte Undecime a-det, und dabei ist die Höhe, besonders der Ton c, bedeutend mehr in Anspruch genommen als die Tiefe. Tagore giebt nirgends an, ob er eine Composilion für hohe oder tiefe Stimme bestimme, unil wo er über Ausdehnung der menschlichen Stimme spricht, die er zu S'/2 Saplakas oder Oc- taven angiebt, macht er eine Unterscheidung weder zwischen Männer- oder Frauenstimmen , noch zwischen Sopran und All oder Tenor und Bass. In einem ändern Gesang JayadevaV fordert er einen Stimmumfang von zwei Uclaven von H bis A. An ungewöhnlichen Melodieschritlen finden wir in unserem Stück eine übermässige Secunde e-des, eine verminderte Terz dcs-h, mehrmals f-a-h, das als übermiissige Quart auffällt trotz des dazwischen gesetzten a. In jenem ändern Gesang kommen sogar Seplimtin- und Nonensprünge vor.^Alle diese Merkmale lassen schliesscn , dass der (ndivr, oder wenigstens Tagore , auf die Natur der menschlichen Summe wenig Rücksicht nimmt und dass es ihm an dem schon dem Griechen der allen Zeit

eigenen Schönheilsgefühl fehlt, welches die initiiere Kegion, in der alle Summen gut klingen, ausschließlich oder hauptsächlich zu benutzen lehrt.

111. Rhythmus.

Der Khylhmiis der indischen Musik bietet merkwürdige Analogien mit demjenigen der griechischen Musik und auch auffallende Abweichungen. Gemeinsam ist linden das Ausgehen von dem Rhythmus der Poesie und in dem Rhythmus der Poesie die alleinige Berücksichtigung der Ouanliläl, d. h. der sprachlichen Länge und Kürze der Silben und die völlige Vernachlässigung des Accentes. Wir beschränken uns hier auf den Bau der uns vorliegenden Verse des Jayadeva und deren Hhythmi- sirung. Das Grundelement des Rhythmus ist dasMätra, ein Wort, das in der Philosophie die Monade bezeichne!. Die verschiedenen Arien von Main heissen Laghumütra, welches die Dauer einer kurzen Silbe bezeichnet, Gurumälra, welches das doppelte Zeilmaass, die Dauer einer langen Silbe bedeutet; PlulamAtra ist gleich drei oder mehr La^liiim'ilia. Die L'nler- abtheiliingen, die Hälfte und der Viertel des Laghumätra heissen Ardhamälra und Anumalra. Bei Tagore wird das Lagliuniälra in diesem Lied durch ein Sechszehnlel ausgedrückt, so dass also die Notenwerthe die folgenden sind .

J

Anumalra

Ardhamalra = **' Laghumälra = «s Gurumälra ^ J Plutamätra = J J o

MMra schlechthin ist hier gleich . denn das vorgeschriebene Taktmaass MadhyamAna soll nach Tagore immer g MAlra enthalten. Madhyamana ist also ein 4/4-Takl oder genauer ein s/s- Takl, den wir als zwei 4/8-Takte schreiben würden, weil Sechszehntel die vorherrschende Notengatlung darin sind. Ich deulc durch punktirle Linien die 4/8-Taklstriche an, die uns die Ueber- sicht erleichtern. Wie bei uns, so scheinen auch bei den Indiern die geraden Taklarlen 4/s, 8/8, 14/8 die bevorzugten zu sein. Daneben kommt ein s/4-Takt vor ("/, -(- */8 +- J/8). Ein Cu- riosum ist der indische %-Takt. Bei uns ist der %-Takl ein dreilhciliger Rhythmus, bei den Indiern aber ein viertheiliger. Wer nur dieses hört, hält das für eine conlrariictio in adiecto, für eine Unmöglichkeit. Und doch giebt Tagore Notationen in diesem Takt. % geheilt durch i giebl */8 -{ '/31 , also wird der indische 8/8-Takt so eingetheilt :

In diesem Rhythmus notirt Tagore mehrere seiner RAgas ohne Wortunlerlage, niemals aber Gesangsstücke, so dass es scheint, dass dieser Rhythmus (TAla ÄrA genannt) nur für Instrumentalmusik Bedeutung hat. Der Merkwürdigkeit halber geben wir hier in unserer Notenschrift den Anfang des RAgas NattanA- rAyana wieder :

Da der Rhythmus vom Versbau abhängl, müssen wir vor allem d«n Bau der vorliegenden Verse feststellen. Die drei

letzten Verse haben den gleichen Bau und enthalten je 28 Laghu- ni.iir.i. die wir zu theilen haben in 8 -f- 8 + 8 + i Laghu- ..Mir,i Der kürzere ersle Vers enthüll < J Lagliumälra = 8 + 4. Der Rhythmus ist daktylisch, doch kann jede Länge des Daktylus an-, r der letzten des Verses in zwei Kürzen aufgelöst werden, nie aber dürfen die beiden Kürzen in eine Länge zusammengezogen werden, ausser im letzten Kuss, wo dies Regel ist. Der indische Daktylus hat also die Formen —^^ und ^va-» und am Versschluss — —, während der griechisch - romische im Gegensatz dazu die Länge nie auflöst und die beiden Kürzen beliebig zusammenzieht, -~^ oder ' und am Versschluss ebenfalls nur - —.

Die rhythmische Disposition unserer Strophe ist also folgende : J * * / * * J /

	\s 	 	 	 	W	 	 	 	 	 

st vi - ra -he ia - Tren-nung ."- dl - nä krankend, Sie von der t\ K * £ * * * j * * $ / * * Madha - Krishna va ma -na- ge - schreckel si - von ja- A- vi - ci- nan-gas kha-hhay-a'd Pfei-len, dich i - va nur als f £ f * * / f

	 	 	W	 	 	 	 	 

bhA - ein - w xi - nay - gen - 4 tva - Hort noch gi um- II - n« ran-kend, f .* * f * * / f * * f * * W W W W nin - San- .la de - ti ver chan - - bannt da - ale, nam die in - du - ki ra - nam a - nu- Slrahlen des Monds er-ken-net

  • *

vin - da - U khe - dam a- nnr sie für Qua - Ion - um- dhi-ram schnürung, f * * * * * * / * * * * * * vya-la n i Nennet so - ta - yam-i - la- gar die wUrzgen a» - na ga - ra - lam i - Lüf-le ver -gif- tet durch v« des

  • * *

ka - la - ga - ti ma-la-ga n- Schlangeober-ges Utdt-li-che Be- ml - ram. rün-rung.

Dies ist der Versrhythmus, dem der musikalische Rhythmus in einer Weise theils folgt, Iheils widerspricht, die für das rhythmisch-musikalische Gefühl des Indiers höchst charakteristisch ist. Die grösste Abweichung besteht darin, dass die vier vers- schliessenden Spondeen (——) von zwei Achteln , die ihnen eigentlich zukommen, auf 4 erhöhl sind, so dass wir es nur noch mit rhythmischen Gliedern von 4 Achteln oder 8 Lagliu- mälra zu thun haben :

a. l) 8 + 8

») 8 + 84-8-f-S

h. 3) 8 + 8 + 8 + 8

4) 8 + 8 + 8 + 8.

D» nun, wie wir gesehen haben, die Länge des versschliessen- den Daktylus nie aufgelöst wird und ihm aussenden) durch den Krim ein besonderes Gewicht verlieben wird, so dürfen wir den Schluss ziehen, dass die voii Tagore vorgenommene Verlängerung iltr scbliessenden Spondeen, welche bei Auflösung der Länge (""-) nicht möglich wäre, eine althergebrachte und für dieses Versmaass gebotene ist.

Festgehalten ist bei der musikalischen Hhyihmisirung, dass die drei (-«^) oder vier (^www) Silben, die einen Daktylus bilden, zusammen vier Laghumatra, d. h. eine Viertelnote >us-

füllen müssen, frei gesteht-dagegen ist, wie diese drei oder vier Silben im Einzelnen auf die Vierleinole vertheill werden. In diesem eng umschriebenen Gebiet erlaubt sich nun der Com- ponist rhythmische Künsteleien , die für uns schwer zu wür

digen sind. Stall »*»' finden wir nicht nur *. *~» , was

wir noch begreifen , sondern auch " »s' " »"» oder [ *

oder * f- r~* , wo die Pausen auf gute Takltheile und oft mitten in die Worte hinein fallen , dann die Triolenverbindungen

oder

und stall

mit Triolen

~» Unnatürlich und unbefriedigend erscheint uns auch die Behandlung der Versschlüsse. Wir würden bei diesen gewichtigen Spondeen , die zwei Viertel ausfüllen, die zweite Silbe auf das drille und nicht, wie Tagore, auf das zweite oder

vierle Achtel fallen lassen : »1 * j j j j statt »"7 "»"»« dl - n« dt - -\ nA.

Dass diese Wunderlichkeiten, namentlich aber jene Pausen auf gute odeV relaliv gule Taktlheile möglicherweise individuelle Verirrungen sind , scheint mir aus der von Tagore selbst gegebenen allindischen Taktlehre und Taktbezeichnung hervorzugehen. Die guten und schlechten Taktlheile werden bei den Indiern nicht blos, wie bei uns, in der Ausführung unterschieden, sondern sogar bei der Notation angegeben ; bei vierlhci- ligem Rhythmus heisst das erste Takltheil sama (Zeichen), das dritte agliäta (Schlag) , das zweite und vierte virama (Ruhe) und dies wird ausgedrückt durch die vier Zeichen : + S O S, welche in jedem Takt über den betreffenden Buchstaben stehen, welche die Tonhöhe bezeichnen, z. B.

ga pa

ga

Wenn wir in dem angeführten Gesangstück die genannten rhythmischen Künstlichkeiten eliminiren und an ihre Stelle die ursprüngliche rein daktylische Rhythmisirung treten lassen, so kommt uns dasselbe viel näher und wird für uns auch singbar mit dem deutschen Teil. Mit diesem Versuche wollen wir hier schliessen, und wenn auch die Ausbeute aus dem indischen Musikgebiet uns wenig Anmuthendes geliefert hat, so besitzt sie um so mehr den Reiz des Kremdarligen und giebt uns darüber manchen Fingerzeig, wie wenig in der musikalischen Kunst allgemein güllige Principien angenommen werden dürfen, und welche grosse Verschiedenheit in der musikalischen Auffassung zwischen zwei stammverwandten Cullurvölkern, von denen jedes seit undenklicher Zeit die Kunst der Töne gepflegt hat, bestehen kann.

Sie M.n der Tren - n*ng er - krau - kend,

Krish-na, ge-schrecket von A - nangas Pfeilen, dich nur als

Fine.

ein - li - gen Hort noch um - ran - - kend,

San - del verbannt sie, die Strahlen des Honda er-ken-nel

M"

nur sie im iju.i - len - um - schnii - - rung,

Nennet so-gar die würzgen Luf - te ver-gif-tel durch des

Schlan-gen-ber-ges todl-li - ehe Be - ruh - rung.

Theobald Bohm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von Professor Dr. T. Sdufhäntl.

(Fortsetzung.) Gordon's E.penmente im Flotcnbau und trauriges Ende.

Böhru ging im Jahre ls:i.l wieder nach Paris, wo er am 9. Mai eintraf uud ebenso gros.se Bewunderung durch sein Spiel, wie durch seine neue Flöte erregte. Von da richtete er seine Schrille nach London, wo er mit seiner Flöte in Concer- ten und in den Zwischenacten im Theater auftrat, wodurch sich seine Klöte immer mehr Eingang verschaffte. Da suchte der schon einmal erwähnte Obrist Gordon sogleich seinen Freund Böhui auf. Gordon hatte die neue Flöte Böhm's studirl — Böhm's Löcherslellung gefiel ihm, allein sein Griffsystem wollle er dem allen Griffsystem angepassl haben, obwohl schon Drouel und Tulou sich dagegen ausgesprochen hatten, ßöhm hatte, gleich bei seiner ersten Bekannlschafl mit ihm, Gordon immer die Unmöglichkeit Dachgewiesen, l i Grifflöcher mit 7 Fingern zu beherrschen. Gordon verliess enlläuschl, kurze Zeil, nachdem Böbm von London nach München abgereist war, London, setzte in Paris seine Arbeit mit seinen Verbesserungsversuchen an der Flöte fort; allein er war in seinem Erfolge wieder so unglücklich wie in London. Am l 5. Februar l 833, nachdem Böhm auf seiner neuen Flöte im Jahre 4 831 in München und Paris öffentlich aufgetreten war, schrieb Gordon endlich an Böhm einen Brief nach München, der im Originale vor mir liegl und so lautet:

Lausanne 15. Fevr. 4831. Mon eher Monsieur l

Je suisdepuisquinze jours de retour cliez nun ä Lausanne, apres nn sejour assez long a Paris, oü ju suis venu de Londres peu apres vous avoir vu lorsque vous en Ales parli pour Munich.

J« n'ai pas perdu aion temps, et j'ai Iravailleavecperseverance .1 une fidle nouvelleque j'ai faile rooi-iueme, aussi hien que j'ai pu, et que je viens de lerminer

Je ne vous ai point oublie, et j'ai loujours altendu que vous m'enverriez une flute perfeclionnee que vous proposiez de chercher a faire a votre retour en Allemagne. Selon v6tre Offerte a Londres, je veux vous envoyer ma flüt« en vous priant de m'en faire une belle sur ce modele; ou que je possede entierement Ic doigte pour la jouer. Je vous enverrai en mime teinps la lablalure du doigte.

Je n'ai pas voulu vous envoyer ma flute avant d'avoir recu de vos nouvelles. Veuillez donc m'*crire a l'adresse ci-apres: A Monsieur Gordon a La u sänne enSuisse.el demedire la manierc que vous croyez sure de vous la faire parvenir saus accident; et si vous pourriez m'en faire uae semblable, vous en occuper le plus-löt possible. Dans l'esperance que ma teltre vous trouvera ä Munich, je vous l'envoye ä l'adresse (jue vous m'aviez donne.

Acceplez l'assurauce de toul« ma cousidcratioii. Votre devoue servileur

Gordon.

P. S. Avez vous toujotrrs votre uon ouvrier dont vous m'avez parle a Londres?

J'ai vu Drouel ä Paris. II aprouve ma Flute, mais U recule de- vtinl un changement dans le doigte. Tulou en esl lä aussi.

Böhm antwortete ihm und nieinle, es sei am besten, wenn (iordon selbst nach München komme. Er setze ihm seine Fabrik und seinen besten Arbeiter (üri'vej zu Gebote, er könne mit seiner Flöte so viel Versuche machen, als es ihm beliebt;. Gordon folgte auch wirklich Böhm's Käthe, kam kurze Zeit n.» li Böhm's Antwort yeycn Ende Miirz nach München und machte sich in Böhm's Werkslälle heimisch. Er war von der Vorzüglichkeil seines Systems so überzeugt, dass er unterm ("i. Juli 1833 von München aus an den Instruiuenlen-Fabri- kanlcn Mercier in Paris eine grosse Anzahl von Exemplaren, in welchen er seine Ideen über seine neue Flöte auseinander selzle, sandte und ihn bal, den benannlen Musikern und Flöten- virtuosen in Paris einhändigen zu wollen. Er lasse nämlich in München durch einen ausgezeichneten Arbeiter (Böhm's) seine vervollkommnete Flöte nach suineni Modelle verfertigen und werde nächstens nach London reisen. Der Brief lautet im Originale folgenderweise :

Monsieur! Coniinissniit depuis loii|!-temps vülrc obligeancc, je n'ai crains pas de vous domander un Service. U s'agil de faire re- inellre aux ci-apres nomme.s quelquesexcmplaires deshnprimes que je vous adressu de Muuich. oü je viens du faire cxeculcr par un liabile ouvrier uu instrumcnt cxcellent d'apres mon modele. Je por- in.ii prochainemenl pour Londres, oü mon adresse est New-castle slreel, S Im ml SS. Veuillez m'y udrcssur un mot sur la receplion des iinprintes, que j'atTranchis aussi loin que je puis. N'ous compterons plus tard vos dchourses. Vous pouviez laisser vMrc adresse chez quetques uns des ci-dessous nommes, pourquc, s'il se presente des amatcurs, vous puissiez leur indiquer la miennc ä Londres. Pour M. l'leycl, au inagusin de musique, boulevard des llalieus, 6 exeni- plaires; pour l'accini idem nr. 44; Mr. Fiey, place des vietoires nr. 8; Schlesiiiger, ruc Hiehelieu nr. 9 ; Mr. l.aurcnt, facteur de llütes, Palais royal 63; Mr. Tulou. rue des Marlyrs nr. S7 ; Mr. Drouet, rur de l'Arcadu nr. tu; Mr. Farrenc, rue M. Morc ur.«); Mr. Camus, rue Montmartre, en fauc de la rue MoutoKeuil; Mr. Leuioiue, rue de l'Echelle, ur. 9; Jcauet et Colellc, rue SI. Ilonore 4 tt; au bureau de Mr. Fetis, redacleur du Journal des bcauv-arts, rue St. Lazare nr. 14.

Allein die erste nach seinem Modelle ausgeführte Flöte entsprach ihm nicht und seine Keise nach London unterblieb. Es wurden weitere Modelle gemacht und wieder verworfen. Eine Flöle wurde vollendet und an ihr so lange verändert und ver- suchl, bis sie ganz unbrauchbar war — eine zweile theille dasselbe Schicksal. Endlich kam eine dritte zu Stande, die seiner Idee genügte. Nach der Arbeit beinahe eines ganzen Jahres verliess Gordon München, ging nach Paris und publicirte da einen lithographirlen halben Bogen, auf welchem seine Flöle nebst dem dazu gehörigen Griffsyslem in Lithographie dargestellt war, den er auch im Jahre < 834 an Böhm sandle und der ebenfalls im Originale in meinen Händen isl. In der Anweisung seines Grilfsyslems auf der erslen Seile erklärl er: »La sup- pression de deux Clefs de Fa nalnrel et leur remplacement par un Clef de Fa duze est une Idiie donl l'applicalion olfre de grands avantages. L'ldee de cette Clef de Fa dieze coinmuniquee par Ur. T. Boehm de Munich a ele avec son agremenl adoptee pour la presenle Flüle donl eile complelle les moyens d'exo- culion.o Dies Bekennlniss slummt aus dem Jahre 1834, nachdem Gordon Böhm's Werkställe bereits verlassen halle.

In dieser neuen Flöte isl nicht mehr wie in der allen englischen Flöle Gordon's z. B. das £-Gritfloch zu tief gestellt, gegen die übrigen Grifflöcher zu weil und noch überdies inil einer Klappe bedeckl. Das «-Griffloch hal nun ganz die Stellung wie in der Böhm'schen Flöle. Gordon nannte seine Klöle Flüle dialonique. Man siehl die Aehnlichkeil in der Stellung der Grifflöcher mit der Flöte Böhm's, aus dessen WerksUille sie hervorging. Dagegen Irill uns ein Gewirre von Klappen und liebeln, das allerdings sinnreich, aber zur künstlerischen Ausführung irgend einer Passage viel zu unbehilflich war. Indessen Gordon liess seinen Mulh und seine Ueberzeugung nicht sinken. Er arbeitete fort und forl an seiner Flute. In einem ändern in Paris ausgeführten Instrumente, das Coche abbildet, isl das Klappeogewirre iu der Höhenlage noch grösscr, ja eiu Hebel ist mit einer Klappe sogar durch ein Drahtseil aus Slahldrabl ver- buniieu. Gordon schrieb, schon geistesschwach, 1837 an den Arbeiter Böhm's, Greve, der ihm seine erste Flöte in München verfertigt halle, sich mit ihm zu verbinden und eine Flöleu- fabrik für Paris, London, Wien elc. zu etabliren, obwohl Gordon schon ein Jahr zuvor alles Vertrauen zu seiner eigenen Flöte verloren zu haben schien, als er mit Böhm im Jahre 1836 wieder in London zusammentraf; denn er verlangte von Böhm eine Flute nach Böhm's System. Gordon halte durch seine Manie seine Vermögensverhälluisse ruinirt und schien überhaupt sehr missmuthig-. Böhm schrieb nach seiner Zurück- kunfl von München aus noch an Gordon in Lausanne, ob er eine solche Flöte nach seinem (Böhm's) System wünsche; allein seine Frau schrieb ihm, Mai 4838: Böhm möge die Sendung unterlassen, Gordou sei bereits sehr krank. Nun vernahm Böhm nichts mehr von ihm. Allein nach der Aussage eines Landsrnannes von Gordon erfuhr man, Gordoo habe seine Flöte in den Genfersee geworfen und sei im (rrenhause verstorben.

Verbreitung, Anerkennung und Anfechtung der B8hm sehen Flöte,

Ich lebte seit dem letzten Drittel der zwanziger Jahre ununterbrochen in den freundschaftlichsten Verhältnissen mit Böhm und niussle noch überdies leider sein Biograph werden. Ich war mit den täglichen Vorkommnissen in Böhm's Werk- slä'lle vertraut und habe alle Operationen Gordon's in München mit durchlebt.

Die erste kurze Nachricht über Böhm's neue Flöte war in der hämischen Anzeige in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, die wir schon kennen gelernt haben. Die erste ausführliche Nachricht über Böbm's neue Flöte habe ich vor meiner Abreise nach England in derselben Allgemeinen Musikalischen Zeitung, 4834, gegeben; sonst war bis zu dieser Zeit in Deutschland nichts über die Böhm'sche Flöte bekannt geworden.*) Böhm hatte um diese Zeit seine neue Flöte in einem Hofconcerte und zwei Concerlen der musikalischen Akademie mit ausserordentlichem Beifall zu Gehör gebracht. Allein bei allen neuen Erfindungen erhebt die Missguast ihr Haupt; das gewöhnliche Manöver ist immer dasselbe. Man versichert, die erste Idee zu der neuen Erfindung längst gehabt zu haben oder versucht nachzuweisen, dass die Erfindung keine neue sei und dergleichen. Schon unterm SS. Mai 4838 schreibt der berühmte Flötenspieler Jean Baptüte Coche aus Paris an Böhm: i in dil dans le monde arlisle, que la flute que porte volre nom a <-if decouverte et inventee avec tous ses perfeclionnemens acluels par un nomme Gordon etc. Coche war der erste, welcher die neue Flöte Böhm's nicht nur mit der allen vertauschte, sondern eine glänzende Vergleicbung der alten mit der neuen Böhm'scben Flöle publicirle, und Ursache war, dass die Böbm'scbe Flöle am Pariser Conservalorium eingeführt wurde. Er hat auch eine gule Schule für die neue Böhm'sche Flöle publicirl. **)

Was F£lis in seinem bekannlen Diclionnaire über die Böhm'sche Flöle sagl, isl ein lächerliches Operiren von Irrlbümern und Dngenauigkeilen aller Arl in einem so kleinen Artikel — ein würdiges Seitenstück von Oberflächlichkeit zu vielen übrigen Artikeln dieses Diclionnaires. F£lis legl die Erfindung Böhm's in das Jahr 4 849 (da war Gordon bereils gegen 41 Jahre todl), während Böhm's französischer Brief, in welchem er genau das Verhältnis* seiner Flöte zu der Gordon's darlegt, bereits

Allgemeine Musikalische Zeitung. 8«. Jahrg. 48t«. S.74—7l.

    • ) Examen crilique de la Hüte imimaire comparee a la Flute de

Boehm, präsente a M. U. les Uembrea de l'lnstilul Academie Royale

de Bau» Art«, Section de la Musique, par V Coche Professeur eo

Coatervaloire. 4818.

vom 4 J. Juli 4838 dalirl ist und in demselben Jahre das ausgezeichnete Werk von Coche »Examen crilique« etc. erschien. Felis isl also schon in Beziehung auf die Jahrzahl 4 849 um 41 Jahre zu spät. Auch in der Schrift Böbm's: »Ueber den Flölenbau« aus dem Jahre 4847, im Jahre 4848 bereils ins Französische übersetzt, hat Böbm sein Verhälluiss zu Gordon und seiner Flöle durch 'Gordon's eigenhändige Correspondenz erläutert. In diesem famosen Artikel Felis' heissl es: Zur selben Zeil (4849) beschäftigte sich ein Engländer Gordon*) mit derselben Untersuchung zur Verbesserung der Flöte und Gordon balle das Problem gelösll — was nun folgt, ist unverständlich , ich gebe es deshalb im französischen Originale. Die Lösung des Problems geschah »par un Systeme d'anneaux remue par un tige mobile, donl les combinalions altaquaienl a peu pres le bul«. Ausdienen wenigen Worten geht hervor, dass der Berichterslaller auch nicht eine Idee von dem Bau der Flöte und dem Ringklappen-Syslem Böhm's besass.

Felis sprichl von der Verbesserung der Flöle durch Gordon im Jahre 4849 (in welchem Gordon bereits 4 i Jahre todl war), dem Böhm erst das Geheimniss ahgelauschl haben sollte, während ein Referent aus München über ein üiverlissement von Böhm, das er im Concert spirituel am l. November 4831 in München spielte, ausdrücklich erwähnt, dass Böhm dies Divertissement auf seiner neuen Flöte gespielt habe, »die er mit eigener Hand mit mehreren Klappen umgeschalTen. **) Ein Jahr darauf referirle ich in derselben musikalischen Zeilung 36. Jahrgang 4834 über die neue Böhm'sche Flöle Nr. 5 S. 74—80, und der gule Felis ISsst ungern Gordon sich erst im Jahre 1849, in welchem er längst aus dem Leben geschieden war, mit der Verbesserung der Flöle beschäftigen, während Böhm im Jahre 4832, also vor 47 Jahren, bereils in Paris auf seiner neuen Flöle gespiell halle.

An der Gordon'schen Flöte befanden sich gar keine Ringe, ebenso wenig eine Verbindung von Ringklappen. Gordon hat seine Flute dialouique im Jahre 4834 in seiner lilhographir- leo Grlfflabelle abgebildet. Eine andere Abbildung der letzten Gordon'scheu Flöle findel sich aus dem Jahre 4838 in Coche's Examen crilique, der Klappenmechanismus isl da noch compli- cirler, als in seiner Flöte von 4834, aber Ringklappen linden sich nirgends, ja es sind ein paar Klappen sogar mit Slahldrabt verbunden, wie in der Abbildung zu ersehen.

Bei der Induslrie-Ausslellung aller Völker zu London 4854 hatte ich als Mitglied der Jury für musikalische Instrumente weitläufig die mit der ersten grossen Verdienst-Medaille gekrönte neue Flöte Böhm's beleuchtet. ***) Bei der allgemeinen deulschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 4854 habe ich gleichfalls die Erfindung Böhm's aoalysirl, die auch in dieser Ausslellung wieder einstimmig mit der grossen Denkmünze gekrönt wurde, i) Bei der Induslrie-Ausslellung in Paris vom Jahre 1855 erhielt Böbm wieder die ersle grosse goldene Medaille nebsl einer Erklärung des Prinzen Napoleon : ce nom esl une aulorilöet une puissance.fi) In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1879 habe ich gleichfalls die Geschichle der Böbm'schen Flöle bis auf die neueste Zeil berauf enlwickell.fti)

Nach Böhm's'Tode tauchte selbst in England die alle Mähre wieder neu auf, so dass sich ein Flölenvirtuose nach München

  • ) Gordon war kein Engländer und um diese Zeil schon lodl. *) Allgemeine Musikalische Zeitung. Jahrgang 1835. — 48SS S. 44.
    • ) Amilicher Bericht Über die Industrie-Ausstellung aller Völker xu London im Jahre 4 854, von der Bericbterelaltungs-Commls- sion der deutschen Zollverelns-Regierungen l, S. 883.

i) Bericht der Beartbeilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 485*, S. 144. H) Vlsiles de S. A. \.. le Prince Napoleon aus Produil» collecUh des Nalions qui ool pri» pari a 1'Bx.posltlon de 48&B. tt-r) Allgemeine Musikalische Zeitung 4879, S. «4l.

wandle, um über das Eigenlhumsrechl Böhm'.« auf die Flöle, die seinen Namen trägt, nähern Aufschluss zu erhallen. Ich habe die ganze Geschichte der Böhm'schen Erfindung entwickelt und sein Eigenthumsrechl auf die Böhm'sche Klöle so klar als möglich dargelegt. Meine Erläuterung ist in der Musical World vom 48. Februar und aus dieser in der Musical Opinion März «882 S. Ü6—>>1 abgedruckt.

Böhm's abermalige Reise nach England. Schafhlutl's Verbesserung

des Clavierbaucs.

Böhm ging mit seiner neuen Klöle im Jahre 1833 über Paris nach London und erregte durch die Fülle des Tones seiner neuen Flöte allgemeines Aufsehen, wie wir bald hören werden. Er lernte hier die grossartige Fabrication musikalischer Instrumente kennen, die ihn mit dem Wesen der englischen Fabri- calion überhaupt vertraut machte, einer Fabricalion, die in ihrer Grossarligkeit ebenso sein Erstaunen als seine Bewunderung erregte und die Seele des Mechanikers wie Technikers so erfüllte, dass wir nun für einige Zeit seine Thäligkeil in einem ganz ändern Zweige des industriellen Treibens bewundern werden, die von der Musik uml ihrem Leben sehr weil seitwärts lag.

Böhm halte schon von seiner ersten Zurückkunft von London ein wunderbares Bild entworfen von Englands grossartiger Thäligkeit ; von seiner lebensvollen politischen und technischen Entwicklung, die alles mit Freude in sich aufnahm, was in die gewaltigen Fortschritte der Technik fördernd eingriir, über die Freiheit dieses gewalligen grossartigen Lebens und Treibens dieser mächtigen Nation, über die Fülle des Glanzes und Reich- thums, die London zu einem Cenlralpunkte erhob, der Alles an sich zog, was sich Schönes und Grosses, namentlich im Gebiete der Musik und im Leben der Welt entwickelte. Böhm malte dieses grossartige Bild mit den feurigsten Farben und erweckte in mir eine Sehnsucht nach diesem gelobten Lande der Technik.

Ich halte mich sehr lange Zeit mit einer Idee beschäftigt, unsern Pianofortes oder den sogenannten Flügeln einen Bau zu geben, der den grossen Umfang ihrer Töne zu einem einheitlichen harmonischen Ganzen zu verbinden vermöchte. Ich habe noch kein Pianoforte gefunden, in welchem sich alle Theile des Tonumfanges in voller Harmonie befanden. Es fehlte immer etwas, entweder oben , in der lUitle oder unten. Böhm fand meine Idee sehr interessant und griff sie mit seinem gewöhnlichen Feuer auf. Die Idee musste zur Ausführung gelangen. Kr entwarf rasch die notwendigen Pläne und gewann für die Ausführung ein Handlungshaus. (Ins mit Hilfe von drei Clavier- machern zur Ausführung unserer Idee schrill. Allein zwei treulose Arbeiter machten von dem ihnen zur Ausführung über- gebenen Modelle eine das Wesen des Princips zerstörende Abänderung, gingen mit ihrem Modelle, von dem nicht sehr scru- pulösen Chef des längst verschwundenen Handlungshauses unterstütz!, nach London und nahmen ein Patent auf ihre angebliche Erfindung. Der Pianoforte-Fabrikant, welcher mil Böbm in Verbindung getreten war, wurde in einen gewaltigen Process verwickelt, ich ging (834 selbst nach London, der Process wurde gewonnen ; allein die Frucht des gewonnenen Processes war in der Kegel wie überall und namentlich in London dieselbe. Die eigentlich disponibeln Mittel zur Ausführung des Projecls halle der Process verschlungen — der Bau eines Pianoforle nach meiner Idee würde das Piano kostspieliger gemacht haben, und deshalb wurde die weitere Ausführung natürlich fallen gelassen. Indessen ist ein gewalliger Process von zwei Fremdlingen in London durchgeführt immer eine merkwürdige, interessante Episode im Leben.

Im Jahre <833 ging, wie schon bemerkt, Böhm mit seiner neuen Flöle nach London und erregte da jnter den Musikern

ebenso grosses Aufsehen als unter den Dilettanten, namentlich unter Dilettanten der hohen und höchsten Classe der englischen Gesellschaft. Sein Spiel wurde überall bewundert, die meisten Flotendilellanlen der Nobility und Gentry zählten zu seinen Schülern, und der Genlleman wurde sehr bald als Freund in die Familien seiner noblen Schüler eingeführt.

Die englischen Eisenfabriken und Schmelzbfer, Seine Flöle und seine Tournure öffneten ihm den Weg zu der grössten metallurgischen Fabrik , die sonst kein fremder Fuss betreten durfte. Ich machte von diesem günstigen Verhältnisse Böhm's fleissigGebrauch. Die gewaltigen weltberühmten Gussstahlfabriken Chefflelds inleressirten mich ebenso sehr ; denn was von der englischen Fabricalionsweise aus unseren technischen Werken zu ersehen war, gnh nur einen unvollkommenen Begriff von dem grossarligen Fabrikbelriebe, ja Vieles, was in diesen Werken angegeben war, beruhle sogar auf Irrthum.

Ebenso interessirle uns, dass das in so grossartigem Maass- stabe erzeugte Bisen in England zur Herstellung des berühmten, feinsten englischen Gussslahles nicht lauglich war, dass die Engländer zu diesem Stahl nur das reinste schwedische Stabeisen aus dem Magneteisenstein zu Dannemora oder in zweiler Qualität aus den russischen Eisenwerken des Fürsten DemidofT gebrauchen konnten. Die eigentliche Produclion von Guss- and Slabeisen war ebenso interessant als neu, und ebenso die gigantische englische Ausführung.

Wenn uns Schiller in seinem Gang nach dem Eisenhammer von dem Hüttenwerke des Grafen erzählt, wo ihm in hoher »Ofen-Gliilh die Eisenslufe schmolz«, so waren unsere hohen Deren damaliger Zeit 2 Meier, höchstens 6 Meier hoch. Die hohen Oefen Englands sind 1 S bis l 8 Meier hoch, Thürme, die man an Bergabhänge baut, um mittelst Brücken zu ihren oberen Mündungen gelangen zu können, oder wo Berge fehlen, man sich genöthigt siebt, durch schiefe Ebenen oder Aufzüge die Kohlen und Erze auf den oberen Theil des Thurmofens zu bringen. Am merkwürdigslen war die neue englische Methode, Schmiedeisen und Gusseisen in bisher unmöglich scheinenden grossen Quantitäten in verhällnissmässig kurzer Zeit zu erzeugen. Dieser merkwürdige Process ist es, welcher nicht allein unser ganzes technisches, sondern auch socialcs, politisches Leben geändert und dasselbe in eine ganz neue Phase unserer socialen Verhältnisse geleitet hat. Ohne diesen englischen Hültenprocess wäre die Herstellung unserer Schienen und deshalb unserer Eisenbahnen, welche nun Völker mil Völker verbinden, die früher nie oder nur durch die Sage bekannt waren, unmöglich gewesen — unsere gewaltigen Schiffe von 400 Pferde- dampfkräflen durchfurchen alle Theile des Oceans, der die Well umspann! — der Gedanke an solche Dinge wäre Wahnsinn gewesen — wäre nicht der einfache Eisenmeisler Cort in Glouceslershire mil seiner Erfindung in die Welt getreten. Das Holz war nämlich in England immer seltener geworden, eigentliche üppige Wälder, wie sie unser Continenl aufweist, exislir- len seit langer Zeit nicht mehr. Als Brennmaterial benulzle man Steinkohlen, an welchen England auch gegenwärtig noch einen Deberfluss besitzt; allein mit Steinkohlen konnte des Schwefelgehalles der Steinkohlen halber kein Schmiede-Eisen erzeugt werden; alles feine Schmiede-Eisen musste deshalb vom Conlinente bezogen werden und war bereits auf das Doppelte des früheren Preises gestiegen. Da kam Cort auf den Gedanken, da das Roheisen mit den Steinkohlen seines Schwufel- gehalles wegen während des Scbmelzeus nicht in Berührung gebracht werden durfte — das Roheisen blos der Flamme der brennenden Steinkohlen auszusetzen , und siehe , der Versuch gelang vollkommen. Das Roheisen wurde in einem (lachen Herde mit Sleinkoulenflamnien zu einem Brei geschmolzen, und der Brei dann ununterbrochen mittels! Eisenslangen gerührt, bis das flüssige Eisen sich in zähes Schmiedeisen verwnndelt balle. Das Rühren und Herumarbeiten in einer breiigen Masse oder ursprünglich im Kothe, hiess in der englischen Sprache Puddeln, und daher wird auch jetzt noch diese neue Methode Schmiedeisen im Flammenofen zu erzeugen, das Puddeln genannt, und der Ofen mit seinem flachen Herde heisst Puddelofen. Gort nahm auf seine Erfindung ein Patent, allein er ging, wie das meistentheils allen ersten Erfindern geht, mit seinem Patent zu Grunde, und erst als der Process des Puddeln freigegeben ward, wurde er zur gegenwärtigen Vollkommenheit gebracht. Das neue Verfahren des Huddling-Processes halle neben dem speciellen Vortheil für England noch den grossen Vortheil für die ganze Welt, dass in derselben Zeit eine viel grössere Quantität von fertigem Schmiedeisen hervorgebracht werden konnte, als dies mit dem Verfahren auf dem Conlinenle der Kuli war, und ,diese Eigentümlichkeit des Puddlings-Pro- cesses war es, die unserm socialen und technischen Leben eine neue Wendung gab. Wenn unsere Eisenfriscbherde des Conli- ncnts wöchentlich 50 bis 60, höchstens 70 bis 80 Cenlner Schmiedeisen zu erzeugen im Stande sind , so liefert ein einfacher Puddlingsofen wenigstens 300 Centner. (Fortsetzung folgt.)

Deutsche Operngesellschaften in London 1882.

Nach langer Zeit hat die deutsche Oper es wieder unternommen , sich in London gellend zu machen, und zwar durch zwei Gesellschaften auf einmal. Die Schicksale beider hat man bereits einigermaassen aus den Zeitungen erfahren. Es hängt aber so viel Merkwürdiges drum und dran , und dabei steckt noch so viel Unbekanntes hinter dem Berge, dass es dem Verfasser, welcher den Gegenstand in der Nähe betrachten konnte, gestattet sein möge, dem Leser das Ganze noch einmal vorzuführen.

Den Anfang machen wir mit einer Erklärung oder Rechtfertigung, welche Herr Pollini in Hamburg, ein Hauplacteur in dieser Geschichte, dem deutschen Publikum vorzutragen für nöthig gehalten hat. Er schreibt auf Veranlassung von Aeusse- rungen, die uns den Eindruck bestellter Arbeit machen, Folgendes.

Hamburg, U. Juli ins:. Geehrte Redaction!

Hierdurch erlaube ich mir, die ergebene Bitte an Sie zu richten, die nachstehende Erklärung in Ihrem geschätzten Blatte zum Abdruck zu bringen:

Die von Hrn. Hermann Franke im Verein mit mir in dieser Saison arrangirte Deutsche Oper in London ist mit dem l. Juli d. J. zu Ende gegangen. Mit Abschluss dieses Unternehmens hat Hr. Franke, wie dies inzwischen bereits allgemein bekannt geworden ist, seine Zahlungen eingestellt und die Einleitung des Concu rsv e rfah rens gegen sich beantragt. Um Hissdeulungen vorzubeugen, sehe ich mich veranlasst, diesen Umstand durch Anführung der nachfolgenden Thatsachen in das rechte Licht zu setzen. Die diesjährige Deutsche Oper in London war von Hrn. Franke und mir auf Grund eines im vorigen Jahre zwischen uns abgeschlossenen Vertrages unternommen worden. Gemäss diesem Vertrage hatte Hr. Franke allein die ganze pecu niäre Ve rant wortl ichkeit des Unternehmens zu tragen. Er stellte zunächst die rühmlichst bekannte, unter der Leitung des Hrn. Hans Rieh te r stehende, seit fünf Jahren von Hrn. Franke in England selbständig geführte Kapelle zur Verfügung. Er verpflichtete sich weiter, ein zweckentsprechendes Theater zu pachten und erklärte sich bereit, die nöthigen Anschaffungen und Auslagen zu bestreiten. End

lich lag ihm die ganze fi na n zielte Leitung des Unternehmens ob. Ich hingegen sollte, gemäss jenem Vertrage, lediglich die artistische Leitung der Saison übernehmen. Hierfür wurde mir von Hrn. Franke eine Gewinnbetheiligung, ohne jede Vera n t wortlich kei t meinerseits fü r einen eventuellen Ausfal l, bewilligt. Dieser Vertrag ist in allen Theilen zur Ausführung gelangt, mit der alleinigen Ausnahme, dass ich nachträglich einer Anzahl von Künstlern gegenüber, deren Engagemenlsverlräge ich auf unser Beider Namen halte stellen lassen, die Verpflichtung für die richtige Auszahlung der Gagen übernommen hatte.

Der Erfolg, den das Unternehmen in künstlerischer Beziehung hatte, ist bekannt und s. Z. von der gesammten Presse entsprechend gewürdigt worden. Die Vorstellungen fanden fortgesetzt vor volle« Häusern statt, und war das Interesse des Publikums für das in seiner Art neue Unternehmen bis zuletzt ein reges. Dem künstlerischen Erfolge entsprach der finanzielle. Die Einnahmen waren zum Theil sehr gute, und es flössen erhebliche Summen in die Kasse des Hrn. Franke.

Der Umstand, dass derselbe dessenungeachtet seine Zahlungsunfähigkeit angemeldet hat, kann nur in Folgendem seine Erklärung finden. Herr Franke hat, wie sich jetzt herausgestellt, eine vollständige Misswirthschaft getrieben. Die Mietbung eines ganzen zu Bureaux dienenden Hauses zum Preise von 800 Pfd. Slerl., die Einrichtung desselben, kostspielige Engagements eines ganzen Stabes von Bureaubeamten, eine ungeordnete Buchführung waren die Hauptmängel seiner Verwaltung. Dazu kam, dass er durch ein Leben auf grossem Fusse, Veranstaltung glänzender Soireen etc. erhebliche Privat- schulden conlrabirte. Hieb versuchte er, wenn ich ihm in der Zeit meines Aufenthaltes in London Vorstellungen in einer oder der anderen Hinsicht machte, durch Versprechungen allgemeiner Natur, durch den Hinweis auf seine sehr wohlhabenden Verwandten und die bedeutenden, ihm zur Verfügung stehenden Baarmiilel zu beruhigen. Es gelang ihm dies um so eher, als ich angesichts unseres Vertrages, mich zu Eingriffen in seine finanzielle Verwaltung nicht berechtigt hallenkonnte. — Die unvermeidliche Folge dieser mir verheimlichten Misswirth- schafl ist nunmehr eingetreten. Nachdem die ersten Gagenzahlungen während der Saison anscheinend ohne Schwierigkeit von Herrn Kranke geleistet worden waren, ist er einem Theile des Personales die beim Abschluss fälligen Gagen schuldig geblieben. Ich besann mich natürlich keinen Augenblick, die berechtigten Ansprüche derjenigen Künstler, die ich gemeinsam mit Herrn Franke engagirl halte, durch sofortige Auszahlung zu befriedigen. Rückständige Gagenansprüche an mich sind somit nicht vorhanden. — Herr Franke seinerseits machte keinen Versuch, irgend Jemanden zu befriedigen, mit Ausnahme dessen, dass er dem gesammten englischen Orchester Checks auf ein Geldinstitut ausstellte, bei welchem er kein Guthaben hatte, die sich somit ohne Weiteres als werlhlos erwiesen. Und doch musste er derzeit, wie es klar am Tage liegt, über nicht unerhebliche Baarmittel verfügen l Die letzten drei Vorstellungen hallen je ungefähr eine Baareinnabme von 40,000 Jl ergeben. Weiter halle er sich ca. 8000 Jf dadurch zu verschaffen gewussl, dass er von dem Theater-Director Herrn Carl Rosa diesen Betrag unter der bündigen Zusage entlieh, denselben aus einer von mir zur Verhinderung der Katastrophe zur Verfügung gestellten Rimesse zurückzuzahlen. Herr Franke hat die Rimesse zwar erballen, Herrn Rosa aber sein Darlehn bis heule nicht zurückgezahlt.

Mit einem Betrage von ungefähr 40,000 .// aber, wie er somit beim Abschluss der Saison zum Mindesten in den Hunden des Herrn Franke gewesen sein muss, hätten sich die gesammten Verbindlichkeiten dieses Opern-Unternehmens erledigen lassen. Insoweit ich einen Ueberschlag zu machen im Stande bin , halte sich aber kein Deflcit, sondern ein belriiclillichur Reinertrag als Endresultat ergeben müssen. Ansiall dessen berief Herr Franke durch ein Circular seine Geschäfts- und l'ri- valglüubiger, beantragte, ohne mir eine Abrechnung zu er- llieilen, die gerichtliche Liquidation seiner Angelegenheiten, und reiste, die Regelung derselben einem Anwalt überlassend, mit seiner Familie in eine Sommerfrische ab.

Kin doppeller Grund veranlasst mich, die vorstehende wahrheitsgetreue Zusammenslellung von Thatsachen der Ocffentlich- keit zu übergeben. Einmal wünsche ich dadurch zu vermeiden, dass die in künstlerischer und finanzieller Hinsicht gesunde

Sache um der unfähigen Gcsch'aftsgebahrung eines Einzelnen willen in Misscredil komme ; sodann aber — und das ist für mich das ungleich Wichtigere — muss mir Alles daran gelegen sein, meinen unter den Augen der Oelfenllirlikeit durch rastlose Thiiligkcit erworbenen Ruf nicht durch die äusserliclic Verbindung meines Namens mit einem durch fremde Schuld herbeigeführten Misserfolge gefährdet zu sehen. Beides hoffe ich durch die vorstehende schlichte Darstellung zu erreichen.

Mit meinem Danke genehmigen Sie, geehrte Redaction, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung, mit der ich zeichne B. Pollini.

Kit.

M »S] Verlag von

J. Kieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

fiir

eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte

von

Franz von Holstein.

geb. zu Braunschweig, (6. Februar (8S6.

gest. zu Leipzig,

44. Mai 4878.

J» Sf

Op. ^3. Reitcrlieder aus August Bcckcr's »Jung Friedet, der Spielmanh« für eine liefe Stimme mit Begleitung dos Pianoforle. (Herrn Director Heinrich Behr zugeeignet.} . . 2 50 No. t. Auszug: »Blas, blas, blns und blas, Trompeter, blns

das Lied« — 50

No. i. Vom langen Jörg: »Der lange Jürg stund immer

vorn 1 —

No. 3. Lustiges Reiterleben: »Holiah, heil welch lustig

Reiterleben hatderHerrgottunsdercinslgegeben!« — 50 No. 4. Der Trompeter bei Mühlberg : »Bei Muhlnerg hallen wir harten Stand« — 80

No. 5. Das gefeite Hemd: »Am Chrislnachlabend sä.«

mein jüngstes Schwesterlein« — 50

Op. (6. Fünf Lieder für eine mittlcrn Summe mit Begleitung

des Pianoforle. (Fräulein Paulinc Ninvai-t i/f>vi<lmtt.\ . . 1 80 No. 4. Am Bach: »Rausche, rausche, froher Buch« von

Fr. Öse r — SO

No. 8. Jagcrlied: .Zierlich isl des Vogels Trill im Schnee»

von E. Mörike — 50

No. 3. Winterlied: "Geduld, du kleine Knospe« von E.

vonPlaten — 50

No. 4. Als ich weg ging: »Du hrnclil'st mich noch bii auf

den Berg« von Klaus G rolh — 50

No. 5. Komme bald l: »Immer leiser wird mein Schlum- mer« von H. L i n gg — 50

Op. 10. Sechs Lieder für oineSingstinnnr niil Kegleilung des Pinnoforlo. (Herrn Joseph Schild, Kuniyl. -ffir//.*. llnfoprni-

sünger freundschaftlichst geiridmet.) i 50

No. i. Waldfrönlcin: »Am rauschenden Waldessäume.

da slehl ein finslcrer Thurm« von W. llerlz . . — 80 No. 8. »Wenn etwas leise iti dir spricht« von II. Ling^ . — 50 No. 3. Im Frühling: »Blülhcnschnee weht dun h die

Lande« vom Componisten — SO

No. 4. «Ich wohn' in meiner Liebsten Brust» von !'r.

Riickert — HO

No. 5. »Sagl mir nichts vnm Paradiese« von !'r. R u < ko rl — 50 No. 6. »Gieb den Kuss mir nur heute« vnn Fr. K tu: k er l — 80 Op. 33. Fünf Lieder fiir eine Sin^slimmc mit llfgluiliing des Pianoforlo. (Herrn Eugen Gura in Frcundsrlmfl un<l l ereli-

rung gewidmet.) 3 —

No. 1. Zur Mandoline: »Schüchtern brichl das niichtV"

Schweigen diese Mandolinenweise« von A. Sc h o 11 so No. i. Trennung: »Wild saust der Winter durch die

Nachl« von W. Oslerwald — 80

No. 1. Abends: »Leise sinkl auf Berg und Thal Abend- * * dufl hernieder« von J ul ius A Um» nn . . . . — 50

No. *. Wandergiüssc: »Goll grüss'dich, ruft die Lerche«

von J u l i us A11 man n — 80

No. t. Auf Pontc molle: »0 Ponte mollc, du treffliche Brück« aus J. V. Scheffel's Trampeler von Siikkingen ( —

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Die Allgemeine Hnilk»li«clie Zeitung

erscheint regelinä»»!« an j*J«m Mitlwoch

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Allgemeine

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Musikalische Zeitung,

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Cfarysander.

Leipzig, 9. August 1882.

Nr. 32.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Deutsche Musiker in Schweden. U. J G. Naumann. — Theobald Btlhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Fortsetzung.) — Anzeigen und Beurtbeilungen (Handel-Album. Arranged from the Scores for the Organ by W. T. Best). — Anzeiger.

Deutsche Musiker in Schweden. *)

Von Dr. A. Llndgren in Stockholm.

U. J. 0. Naumann.

Obacbon Naumann in Schweden nie als Kapellmeister angestellt war, so liat er sich um die schwedische Oper, was Composition und Organisation anbetrifft, dennoch solche Verdienste erworben, dass ihm in unserer Gallerte ein Platz nicht gern versagt werden kann. Da er sich aber den grössten Theil seines wechselreichen Lebens ausserhalb Schwedens Grenzen aufgehalten hat, so will ich hier, auf die ausführlichen Biographien von Meisstier, Rocblitz und Fells**) verweisend, nur seine Wirksamkeil innerhalb derselben besprechen.

Johann Goltlieb Naumaun, als Sohn eines armen Bauern am 17. April 1741 in Blasewilz bei Dresden geboren, war von seinen Eltern zuerst zum Handwerker, dann zum Lehrer bestimmt und erhielt erst im Jahre 1757, durch zufällige Bekanntschaft mit einem schwedischen Musiker Namens Wesslrb'm Gelegenheit, seinem Beruf als Musiker zu folgen. Dieser Wesslrb'm, welcher erstaunt war, den Jüngling Bacb'- sche Melodien spielen zu hören, nahm Naumann nach Padua mit, wo er bald Tarlini's Aufmerksamkeit erregle und von ihm drei Jahre kostenfrei unterrichlel wurde. Von Wesström, von dem er tyrannisch bebandell und als Notenschreiber und Koch benutzt wurde, trennte sich Naumaun bald und unter dem Schulze Anderer gelang es ihm, Mine Sludien Iheils in Neapel, theils in Bologna bei Padre Martini fortsetzen zu können. Nachdem er in Venedig mit einer Oper glücklich debutirt hatte, wurde er (76* rufolge einer an die Kurfürstin Wiltwe von Sachsen, Maria Anlonia, eingesandten Composition zum kurfürstlich sächsischen Kirchencomponislen, und <776, nachdem er Italien noch zweimal besuchl und mehrere Opern componirt balle, deren Namen uns gleichgüllig sein können, zum Kapellmeister ernannt.

Durch den schwedischen Minister in Dresden, den Grafen F.A.Löwenhjelm, dessenGeniahlirv(dieGräfin Augusla***j Fersen) eine Schülerin Natimann's gewesen war, wurden nun Unterhandlungen angeknüpft, welche dahin führten, dass Nau-

) S. I: /. C. F. Haeffner in Nr. II.

  • ] A. G. Melssner, Bruchstücke zur Biographie J. G. Naumann's. Prag 480*. — F. Rochlilz, Für freunde der Tonkunst. III. t. Aufl. Leipzig 4888. — r'elis, Biographie universelle desmusiciens. 1. Edition. Paris 4878.
    • } Nicht Ulla, wie Meissner unrichtig angiebt. XVII.

mann im Juni 4777 nach Stockholm übersiedelte, wo er sich ungefähr ein Jahr lang aufhielt, um das Orchester zu reorga- nisiren und Amphion zu componiren. Die Angabe Meissnor's, dass sein Vorgänger U Hin i »ein sehr mittelmässiger Künstler« gewesen sei und die Kapelle des Königs sich «in solcher Unordnung befunden habe, dass Naumann nahezu an der Möglichkeit verzweifelte, Licht in dieses Chaos zu bekommen,« dürfle wohl schwerlich bei demjenigen Glauben finden, welcher mit der Geschichte des schwedischen Theaters unter Ultini bekannt ist. Wahrscheinlich ist dieses strenge Urtheil ein Ausdruck für Naumann's persönliche Ansicht, welche von Gustav III., der Naumann mit den ehrendsten Gunstbezeugungen förmlich überschüttete, unterstützt wurde. Zwar ist es glaublich , diiss sich das Orchester nicht im besten Zustande befunden hal und dies ist bei den traurigen Voraussetzungen , welche bei der Gründung der Oper 4773 vorhanden waren, auch gar nicht zu verwundern. Wie dem aber auch sei, so ging Naumann seinen Weg still und ruhig. Er sammelte die in Schweden hier und da zerstreut lebenden Musiker um sieh und verschrieb andere von Sachsen ; durch ruhigen Ernst rottete er so manche Missbräuche aus, und es gelang ihm, bei der Hofkapelle allmälig eine bessere Ordnung einzuführen und ein Orchester zu gründen , welches zwar seinem Ideale nicht entsprach , sieb aber bestimmt mit den besten in Deutschland messen konnte. Die augenscheinliche Gewogenheit des Königs gab seinen Anordnungen Nachdruck. Diese Gewogenheil, welche infolge der Bescheidenheil des Künstlers nur noch zunahm , halte natürlicherweise die des Hofes und der Vornehmen im Gefolge, und Naumann wurde mit Aufträgen dermaassen überhäuft, dass e>- in einem Briefe schreiben konnte (ich citire nicht wörtlich, nu dem Hauptinhalt hach) : »Wenn ich mich zerlheilen könnte und der Tag 48 Stunden hätte, so würde ich hier unermessliches Geld verdienen. Schade nur, dass ich meine allen Opern nicht mitgenommen habe, hier könnle ich sie alle in klingende Münze umselzen, denn Alles was meinen Namen trägl, ist jelzt neu und hübsch. Die Welt ist doch recht eigenthümlich.«

Einen augenscheinlichen Beweis für Naumann's Energie dürfte man auch in dem mit der Aufführung seiner Opern im Zusammenhange stehenden quantilaliven Zuwachs des Opernpersonals sehen können. Hierin isl es inleressant, den Theaterkalendern aus jener Zeit zu folgen , und es möge mir daher gestattet sein, hier mit einigen, den Kalendern für 1779, l 7s.t und 1787 entnommenen Zahlen, welche selbstverständlich das Verbältniss der vorangegangenen Jahre angeben, diese zwar ohne Gustav's III. grossartigen Eifer und Freigebigkeit nicht möglich gewesene Entwicklung näher zu beleuchten, und als

sprechenden Vergleich die Nummerslärke unserer gegenwärtigen Oper anzuführen:

1778 1782 1786 1882

Solisien 28 22 28 28

Chorislen .... 39 49 87 44

Ballet 43 63 63 42

Geigen <3 <6 47 12

Bralschen .... 4 5 4 4

Celli 4 4 4 4

Conlrabässe .... 2 4 3 4

Flölen 3 4 2 3

Oboen 2 3 4 3

Clarincllen .... — i 2 3

Fagolte < 2 3 3

Waldhörner.... l 2 6 &

Trompeten .... — 2 2 (9) 3

Posaunen .... — — — 3

Pauken — 1 < (2) l

Türkische Musik . . — — — y

Harfe — — — l

Hieraus geht hervor, dass Chor und Ballet in wenigen Jahren einen Umfang erhielten, von dem wir jetzt nur noch die Hälfte aufzuweisen vermögen, und dass die Stärke der Violinen eine Höhe erreichte, gegen welche die jetzige um '/3 zurücksieht. Clarinellen wurden bereits <780, Trompeten und Pauken 1 i s : ins Orchester aufgenommen und 1785 mit neun besonderen »königlichen Hoflrompetern« und zwei »königlichen Hofpaukensculiigern« verstärkt. Dagegen vermisst man die Posaunen bis <8<6, die Harfe bis <8H. Da aber Naumann schon in »Cora« vier Posaunen (seltsamerweise beim Opferchor und ,n: hi beim Erdbeben) vorschreibt, so isl es wahrscheinlich, dass solche den Militärkapellen entliehen wurden. (Scbluss folgt.)

Theobald Böhiu. Ein merkwürdiges Kttnstlerleben.

Von

Professor Dr. T. SrluU'liiiut 1. (Fortsetzung.)

Böhm errichtet englische Schmelzofen in Deuttchland; wird HUtten- und Piiddolmoister.

Böhm sah die Wichtigkeit dieser Art von Stabeisenerzeu- gung für sein Vaterland Bayern sogleich ein. Ich führte Bolim in die Theorie dieses Processes und den wunderbaren llüllen- proccss überhaupt ein, und der Flötenvirtuose Böhm war bald mit dem Puddlingsofen ebenso vertraut als mit seiner Flöte.

England war nun in Bezug auf den Eisenbedarf vom Auslande mehr als unabhängig, allein zu dem sogenannten englischen Gussstahle, dem besten in der ganzen Welt, war es doch nicht zu gebrauchen. Bei Verschmelzung des englischen Eisensteines, des sogenannten Thoneisensteines, wurden neben dem Eisen noch andere Metalle, Kiesel, auch Thonerde zu Si- licium und Aluminium reducirt, die sich mit dem Eisen verbanden ; auch die Steinkohlenflamme im Puddlofen gab noch immer einen, wenn auch nur einen geringen Theil Schwefel an das Eisen ab. Ich machte mehrere chemische Analysen und gelangte bald dahin, die schädlichen Bestandteile aus dem Eisen während des Puddlings-Processes zu entfernen, allein die Mittel zu diesem Zwecke waren in ihrer Anwendung im Grossen viel zu kostspielig, zum Theil auch nicht in so grossen Quantitäten zu erhalten. Es gelang eine Verbindung von überall

zu erlangenden wohlfeilen alltäglichen Mitteln zu erfinden, welche ihren Zweck beinahe ebenso gut erfüllten, als die theuern chemischen Iteagenlien. Der Fabrikherr, unter dessen Auspi- cien wir die Versuche anstellten, nahm ein Patent auf den neuen Process, und Böhm eilte nach München zurück, um den englischen Puddlings-Process auch in Bayern einzuführen, wo man noch immer die alte Herdfrischmethode zur Erzeugung von Schiniedeisen anwendete. Die Einführung gelang vollkommen, und der Puddlings-Process wurde auf allen Eisenwerken Bayerns eingeführt; dafür ward unserm Ilofmusikus Böhm am 2. Januar 1839 vom König das Ritterkreuz des Verdienstordens vom heil. Michael verliehen.

Böhm bereiste nun zuerst die Eisenhüttenwerke um Khein und in der Nähe des Rheins, wo er den palenlirlen Process zuerst in dem grossarligen Eisenwerke des Herrn von Krämer, ebenso in dem von Stumm einführte. Mittlerweile war das in England palenlirle Verfahren durch das Journal des Patent Office veröffentlicht worden. Ein Patent in Deutschland war natürlich nuch dieser Veröffentlichung nicht mehr zu erhallen; allein Böhm bereiste dennoch die österreichischen und böhmischen Hüttenwerke, leitete da während des Tags den Puddlings- Process als Hütten- und Puddelmeister und war nach vollbrachtem Tageswerke Abends wieder der Flötcnvirluose. Da versammelten sich dann gewöhnlich dio Hütten- und Bergleute und lauschten in aller Stille, lautlos, so lange Bühm in seinem Zimmer spielte. Einst in einem böhmischen Eisenwerke glaubte er Geräusch vor der Thüre seines Zimmers zu vernehmen. Er öffnete und fand da den Vorplatz gan* mit Hüllenleulen angefüllt und selbst die Treppe war mit Hüllcnleuten besetzt. Nach seiner ersten Ueberraschung redet der ihm am nächsten stehende Hütteuarbeiter in seiner einfachen Weise: »Nicht wahr, Herr Böhm, Sie erlauben schon, dass wir Ihrem Spiele zuhören, wir verhallen uns ganz ruhig.« Böhm liess so viel, als das Zimmer fassen konnte, eintreten und wiederholte jeden Abend sein Flötenspiel unter der bewundernden und hoch erfreuten Menge.

Böhm reiste nun in doppeller Eigenschaft: als Flöten- virtuose und als Hüllenmann — je nachdem sich die Umstände ergaben, und seine Flöte führte ihn auch in Deutschland in Kreise, wohin sich der Kuss eines Hüttenmannes nie verirrt hatte.

Aulenthalt In Paris 1834. Der Akustiker Savart.

Böhm war auf kurze Zeit wieder nach Müncnen zurückgekehrt, um sich nach seinen Fabriken umzusehen, und verliess bald München wieder und reiste nach Paris am Ende Juni l 834, während Gordon noch immer an seiner Flöte arbeitete. In Paris angekommen, spielte er wieder auf seiner Ringklappen-Flöle. Der berühmte Flötenspieler Vincent Dorus war eben an der grossen Oper angestellt, als er, nachdem er unsernBöhm gebort, sogleich seine gewöhnliche Flöte bei Seite legte und die neue Böbm's studirte. Der junge Virtuos war damals erst 22 Jahre all und fand sich sehr rasch in den Fingersalz der neuen Flöte.

Wir haben schon gehört, in Paris machte Böhm's Flöte gewalliges Aufsehen, trotzdem dass sich die allen Flötisten , wie in Deutschland, gegen die Böhm'sche Flöte wehrten. Indess die berühmten Instrumenten-Fabrikanten im Palays-royal zu Paris Farreau, Camus & Laurent kannten schon im Jahre 1833 ebensowohl Böhm's Flöle, als das Modell Gordon's, und es war nirgends ein Zweifel darüber, welcher von beiden Flöten der Vorzug gebühre. Dass die Flöle Böhm's nicht rascher in der Well ausserhalb Paris bekannt wurde, daran war Böhm selbsl schuld, der seine Aufmerksamkeit, wie wir bereits gesehen, mehrere Jahre ganz der Eisen- und Slahlfabricalion zugewendet hatte. Allein nach dem Wiedererscheinen Böhm's als Virtuose mit dem Anfang des Mai 1837, bahnte sich Böhm's Flute rasch ihren Weg durch Paris und Frankreich.

Böhm wollte vor Allem das Gutachten wirklich Sachverständiger, gelehrter Akustiker hören und wandte sich deshalb an den damals berühmtesten Akustiker, den Akademiker Sa- vart. Dieser nahm anfangs wenig Notiz von der Versicherung Böhm's, dass auf seiner Flöte in allen Tonarten rein zu spielen sei, denn er erklärte, »eine in allen ihren Scalen reine Flöte herzustellen , sei eine Unmöglichkeit«, bis ihn Böhm von der Möglichkeit einer in allen Tonarten reinen Flölenscala durch die Thal überzeugte. Savart war ausserordenllich überrascht, sagte Böhm viel Schmeichelhaftes und veranlassle ihn in der Sitzung der Academie des Sciences am 4. Mai (837 eine Skizze über seine Erfindung vorzutragen und sie durch sein Spiel zu erläutern. Die Flöte wurde dann durch eine Commissiun, die aus den berühmten Akademikern und Professoren am Conser- vatorium de Prony, Dulong, Savart, Paer und Auner bestand, genau untersucht und durch das glänzende Gutachten dieser Commission erlangte die neue Flöte ein allgemeines Interesse.

Cocha In Paris verändert Böhm's Flute.

Zu den ersten, welche in Frankreich mit voller Begeisterung dem Studium der Böhm'schen Flöte sich zuwendeten, gehörte der bereits vorhin (Sp. 489) erwähnte ausgezeichnete Flötist Victor Jean Baptiste Cache, ein Schüler Tulou's vom Pariser Cooservatorium, der 4834 als 2(jähriger junger Mann den ersten Preis erhielt und sogleich neben Tulou als Lehrer angestellt wurde. Gerade ein Jahr später trat Böbm in Paris mit seiner neuen Flöte auf, und die meisten jungen Flötisten schwärmten für das neue Instrument.

Dnterm 7. November schrieb Coche an Böhm: »Je ne puis vous expriiner loule l'admiralion que j'eprouve jaque jour en travaillant votre magnifique et riche Instrument que cst appele a faire une revolution des plus marquables dans les inslrumens ä vent. Aussi c'esl avec beaucoup d'ardenr que je le cnltive. Puisse-je Ud jour <Hre digne par mon execution de parlager les sutTrages que appartiennent de droit a celle belle invenlion.«

Coche entwickelte in einer eigenen Schrift die Vorzüge des Böhm'schen Instrumentes*) und schrieb noch im Jahre 1839 eine ausführliche Schule für die Böhm'sche Flöte.

Leider entstanden zwischen dem anspruchslosen Böbm und seinem frühern Bewunderer Coche einige Differenzen. Coche hatte nämlich 1838 eine sogenannte Verbesserung an der Böhm'schen Flöte angebracht. Die Verbesserung bestand darin, dass die nach dem Böhm'schen Principe offene pis-Klappe in eine geschlossene verwandelt wurde, weil sie dem an die alte Flöte gewohnten Virtuosen in Folge des allen Griffsystems bequemer war als die offene -Klappe Bölim's.

Diese Klappe wurde als Verbesserung in die Welt hinaus- geschrieben, und Böhm entgegnele, das sei eine ganz unsystematische Verbesserung an seiner Flöte, da mit seiner Klappe alle Töne der chromatischen Scala vollkommen rein und leicht ansprächen, allein das half in Paris nichts. Böhm's Flöte mit der Verbesserung von Corhe und Daru begann nun in Paris Mode zu werden und noch gegenwärtig werden in Paris alle Böhm'schen Flöten mit der geschlossenen gw-Klappe gemachl.

Dabei sagt Böhm : »Alle bisher erhobenen Discussionen über meine Flöte beziehen sich eigentlich nur auf die Klappen- einrichlung, welche ohnedies meistens mehr nach individuellen Ansichten beurlheilt wird, da ein Jeder dasjenige für das Beste hält, was seinen eigenen Fingern am meisten entspricht. Ich legte von jeher nur insofern Werth auf mein Griffsystem, als ich in der consequenten Einrichtung desselben das einfachste Millel zur Erreichung meines Zweckes gefunden zu haben

  • Bxamnn crilique de la Flute ordinaire cnmparee ä la Flute de Boehm presentitc ä M. M. les Matlres de l'lnstitut (Acadtmie roynle des Beaui Arls) par V. Coche, Professeur au Conscrvatoire de Musique. Paris 4818.

glaubte; der eine Hauptpunkt war aber die Verbesserung der Flöte in allen ihren akustischen Verhältnissen, auf welchen die grössere oder geringere Vollkommenheit aller musikalischen Instrumente hauptsächlich beruht, während der Mechanismus derselben von einem untergeordneten Werlhe ist. Auch ist es viel leichler, Klappen zu conslruiren, als Töne zu verbessern.»

Unser Böbm war, wie wir sahen, abwechselnd Virtuose und Hüllenmann. So trat er, nachdem er sich in Paris hatte hören lassen, in London im fuofzehnlen Abendconcerlo des neuen Musical Fund for Ihe Relief of decayed Musicians llieir Widows and Orphans am Freitag den 17. Juni 4836 mit seiner neuen Flöte auf.

Was London, was die Well überhaupt Grosses an Sängern und Sängerinnen hatte, wirkte hier vereint mit. Mad. Grisi, Mlle. Assandri, Sig. Rubini, S. Lablache, S. Tamburini reprä- senlirlen den Gesang. Als Instrumentalislen kündigt der Con- certzeltel an: M. Öle Bull, M. Lindley und Dragonetli, der Eine einer der gewaltigsten Violoncellisten, der Andere der Pa- ganini auf dem Conlrabasse. M. Casimir Backer spielte eine Phantasie auf der Harfe. Nach Öle Bull kündigte der Zettel M. Theobald Böhm, der eine Phantasie auf seiner neu erfundenen Flöte spielen werde, mit der Bemerkung an: being bis first Performance at London Ihis season.

In London begannen sich nun die Inslrumentenmacher immer mehr für die Böbm'sche Flöte zu interessiren. Böhm baute in Verbindung mil mehreren Fabrikanten musikalische Instrumente.

Böhm trat Ende Juli seine Heimreise an, um die österreichischen Hüttenwerke zu besuchen. Beim Eintritt ins Oesler- reichische wurde er von einem heftigen Cholera-Anfall ergriffen. Seine eiserne Nalur hat ihn auch hier geretlel. Den Kranken quälte brennender Durst. Der Arzt erlaubte ihm endlich Wasser — da überfielen ihn furchtbare Krämpfe, so dass der Arzt rathlos dastand. Böhm erholle sich wieder; der quälende Durst stellte sich neuerdings ein. Er verlangte von der Wärterin Wasser. Diese weigerte sich anfangs, weil sie die schreckliche Wirkung desselben gesehen hatte, reichte es endlich. Böhm war aber vorsichtig geworden, er behielt das Wasser im Munde, bis es erwärmt war, verschluckte es dann, wiederholte dies so lange der Durst anhielt, war rasch genesen und wurde fortan einer der feurigsten Anhänger des Wassers als einziges und liebstes Gelränk bis an sein Ende.

Die Flötenfabrik hatte unterdessen sein ausgezeichneter musikalischer Arbeiter Greve fortgeführt, deshalb konnte Böhm ohne Sorge seinen Geschäften als Eisenhüttenmann nachgeben, l 838 durchreiste er Oesterreich, eigentlich Böhmen mit seinen Hüttenwerken.

Unterdessen halte Coche in Paris der Böhm'schen Flöte eine sehr grosse Verbreitung gegeben; zugleich tauchle aber das Gerücht, wie wir bereits gehört haben, unter den Musikern auf: Die neue Flöte Böhm's sei eigentlich eine Erfindung des schon genannten Obristen Gordon. Coche schrieb darüber an Böhm unterm 45. Mai 483S. Böhm antwortete am 1. Juni desselben Jahres. Coche publicirle den Brief Böhm's und der Madame Gordon ; denn Goidon war bereits sehr krank und geistesabwesend, wie wir oben (Sp. 489) gehört haben. Coche hatte die Böbm'sche F'öte natürlich mit seiner Verbesserung der Academie royale des Beaux Arts in Paris vorgelegt. Die Commission bestand aus Cherubini, Paer, Auber, Halevy, Carafa und Berlon als Rapporteui , lauter wellberübmle Namen. Die Akademiker schlössen sich dem Rapporte Berlon's au, wie der Secretair der Akademie Quatremere Quincy bezeugte. Berlon überscbickte sein Protokoll an Coche mit der vollsten Anerkennung der Gewichtigkeil und Genialität der Böhm'schen Erfindung.

Dass der Gedanke der Pariser Flötisten auf Gordon als den Erfinder der Bülim'schen Flöte geleitel wurde , mag aus dem Umstände hervorgehen , dass Gordon , ein früherer Schüler Drouet's, seinem Lehrer und dem berühmten Flötisten Tulou seine Ideen über eine verbesserte Flöte mittheilte, welchen das .System geliel , die sich aber gegen jeden neuen Fingersatz energisch wehrten. Dass sijh die beiden Virtuosen mit dem Wesen des Gordon'schen und Böhm'schen Systems vertraut gemacht hatten , ist von Virtuosen und von so berühmten Vir- luosen am wenigsten zu erwarten.

Buhm hat uns eine Geschichte seiner Erfindung in einer eigenen Broschüre: »lieber den Klötenbau« (Mainz 1847) gegeben und unier anderm recht überzeugend gesagt : »Den sichersten Beweis für die Aulhenlicität meiner Erfindung glaube ich .iln i durch die Darlegung der Motive, die mich zu meiner Construclion veranlasslen, und durch die Erklärung der akustischen und mechanischen Principien, die ich hierbei in Anwendung brachte, geben zu können. Denn nur derjenige isl fähig, ein durchaus rationelles Werk zu liefern, welcher von der Con- ception desselben angefangen über das Warum und Wie der Ausführung eines jeden einzelneu Theiles vollständig Rechenschaft zu geben im Stande ist.« Die Broschüre halle Böhm später auch ins Französische übersetzt und sie dem berühmten Flötisten , seinem Freunde Doms gewidmet , der , wie wir schon gehört haben , sogleich seine Flöte bei Seile legte, als er Bölim auf der neuen Flöte gehört hatte. Dorus trug ebenfalls sehr viel zur Verbreitung der Böhm'schen Flöle in Frankreich bei, was Böhm auch in seiner Dedication dankbar anerkennt : »Volre delicieux talent a popularise en France ina flute de

Böhrn's Verbesserungen des Transmissions Apparates.

Böhm war noch immer mit der neuen Einrichtung unserer bayerischen Eisenwerke beschäftigt und wurde daher, wie wir schon gehört haben, am J.Juni 1839 durch den König zum Ritter des Verdienstordens vom heil. Michael erster Klasse erhoben. Trotz alledem linden wir ihn wieder in kleinen Zwischenräumen zu Paris und London , überall das technische Wirken und Treiben der Zeit zugleich im Auge behallend.

So hatten die sogenannten Transmissionen , mechanische Apparate zum Ueberlragen der bewegenden Ur- oder Haupl- krafl nach den verschiedenslen mehr oder weniger von der Hauptkrafl entfernten Theilen des Fabrikgebäudes, mehrere Complicalionen, wie Wellen, Räder nöthig gemacht, welche durch Reibung, Torsion, Masse einen grössern oder geringern Theil der bewegenden Kraft absorbirlen und für ihre Zwecke zu Verlust brachten.

Bühm's merkwürdige Combinationsgabe fand im Vorbeigehen , möchte ich sagen , während seines Aufenthaltes in London eine höchst einfache neue Art, die Transmissionen ohne Itienicn oder Wellen , die er in einem kleinen Modelle unier der Hand ausführte und die so sinnreich war, dass man ihn veranlassle, das Modell der Society of Arls in London vorzulegen. Die Society war durch diesen einfachen neuen mechanischen Gedanken so erfreut, dass sie unserm Böhm die grosse silberne Medaille volirte, die er »m 8. Juni 4835 aus der Hand des Präsidenten der Society , des Herzogs von Sussex, in der öllenlliclien Versammlung Irr Society in ihrem Versammlungs- liause Kxeler Hall in London erhielt.

aohn.'s letzte Verbesserung der FlOte. Die Cyl!nder-FI8t« 1847.

Wir kommen nun /.ur letzten glänzenden UmschafTung der Flöte, zur Cylinderflöle aus Metall oder Holz.

Sie stammt aus dem Jahre 1846 bis 1847. Während Buhm noch immer in Rayern mit Einführung einer neuen Krtindung Faber du Fours bcschäfligl war, nämlich die bisher ans der ciliorrn Ocllnung des Hochofens unbenutzt entweichenden

brennbaren Gase zur Heizung des Ofens seihst zu benutzen, dachte er schon in jeder freien Minute auf eine letzte endliche Verbesserung seiner Ringklappen-Flöle , indem er zahlreiche Versuche in seiner Werkslälte anslellle und endlich im Jahre 1847 seiner Flöle die lelzle Vollendung gab.

Das beständige Beobachten in der weissglühenden Höhlung der. Puddlingsöfen halte seine Augen derart geschwächt und empfindlich gemacht, dass trotz aller angewendeten Mittel das Hebel immer peinlicher wurde, so dass er sich endlich ge- nölhigl sah, den König zu bitten, ihn als Mitglied der königl. Hofmusik in den Ruhestand zu versetzen. Sein Ansuchen wurde Ende September 1848 genehmigt, und er erhielt damit einen Ruhrgehalt von jährlich 1080 Gulden.

Jetzt konnte Böhm alle seine Kraft der Verbreitung seiner neuen Erfindung zuwenden, da ihn keine weitere Verpflichtung mehr von der Lösung seiner einzigen Hauptaufgabe abhielt.

Wir haben bereits gehört, dass in Paris der berühmte Flötenspieler Coche durch sein Examen crilique das Wesen der Böhm'schen Ringklappen-Flöte den Franzosen erläutert und so theoreliscb und praktisch zur Verbreitung der Flöle von Böhm mit dem grössten Erfolge gewirkt, einer Flöte, welche von dem Pariser Fabrikanten Godefroy aine & Lol in grosser Vollkommenheit ausgeführt wurde.

Die Schriften des Flötisten Carlo in London für Böhm In England war es die berühmte älleste Flötenfabrik von Kudall & Rose in London, welche Böhm's Flöte in hoher Vollkommenheit ausführte, und der berühmte Flötisl R. Carte halle schnell die alle Flöte mit Böhm's Hingklappen-Flöle verlauscht, gab jedoch dabei (Jnterric)il auf der allen und neuen Flöle. Er hatte eine vollständige Schule für die Böhm'sehe Flöle mit der geschlossenen oder offenen jt's-Klappe geschrieben,*] die mehrere Auflagen erlebte, dann ein anderes interessantes Werk: »Erklärung der Böhm'schen Flöte: eine Analyse derselben, ausgezogen, aus dem vollständigen Cursus des Unlerrichls nack der Böhm'schen, Flöte.«**)

Diese Analyse isl sehr lichtvoll gehalten. Sie führt Jeden nicht allein in das Wesen der Böhm'schen Flöle ein , sondern giebl auch eine vollsländige Inslruclion über die Erzeugung der Töne in der ersten, dann der zweilen und drillen Octave. Sie behandelt in einem eigenen Paragraphen die sogenannten französischen Verbesserungen, nämlich die geschlossene gis- Klappe in Beziehung auf die ursprünglich offene Klapp« der Böhm'schen Flöte und erklärt hier wieder, dass die Anwendung der offenen jis-Klappe an der Böbm'schen Flöte anstatt der geschlossenen Klappe der allen Flöte einen ihrer Hauptvorzüge vorder alten Flöle bilde. Carte weist dies durch Nolenliguren auf anderthalb Seiten nach. Das. allein war eine Demonslratio ad oculos gegen das französische Vorurlheil, eine praktische Begründung der Vorzüglichkeil des Böhm'scheH Systems, die man in keinem ändern Werk dieser Arl wieder findet. Carte erklärte auch ausdrücklich, dass Anfänger sich in den Fingersalz der neuen Böhm'schen Flöle viel rascher finden, als in den Fingersatz der alten Flöte. ***)

In Paris halle der ausgezeichnete Flölenfabrikanl M. Clair Godefroy das Rechl, die neue Flöle von Böhm zu fabriciren, unserm Böhm um 6000 Francs abgekaufl. Das Gleiche Ihal

  • ) fl—«<irt«, A complele course of inslruction for Ihn Uoehm Flute (bolU Hie open and llic j-heyed Flute; for bcginners äs well äs for lliosa acquninled \vith Ihc old Flute, 4S45. (Die erweiterte Auflage dieses Werkes von <S46 siehe weiter unten.}
    • , The Boelim Flute explained. Anolysis extractecl from the complet course of instruction for Ine Boelun Flute by H. Carle. London 4846.
      • Von Garte's Scliriftcn und Wirken für Itöhm wird in einem folgenden Abschnitt nhennals die Rede sein.

der instrumenlenfabrikanl Lot. Er erhielt ein Privilegiura für die Flöte Böhm's uacb dem alten und neuen System. Sie verbreiteten ihre vortrefTlicIi ausgeführten Instrumente durch ganz Frankreich. Es waren demnach die Engländer Kudall & Rose in England und Godefroy A Lot, welche die Böhm'sche Hingklappenflöte durch ganz Frankreich und endlich durch die ganze Well verbreiteten.

Es ereignete sich bei dieser ersten Wanderung der Böhm'- schen Ringklappen-Flölen durch die verschiedenen Regionen der Welt manche interessante Anekdote. Sobald die Flötisten durch den ersten Anblick der neuen Flöte überrascht wurden, gerielhcn sie in ein Dilemma zwischen dem überraschend wunderschönen Ton der Böhm'schen Flöte und der neuen Appli- catur. Im Jahre 1850 war auch eine solche Flöte nach Neapel gekommen und erregte unter den Flötisten allgemeines Interesse. Am meisten fand sich der Professor der Flöte etc. am Coaservatorium zu Neapel, Scaramelli, von der neuen Flöte angezogen. Der gegenwärtig in Hünchen lebende ausgezeichnete Schweizer Arzt Dr. Iseoschmied, zu dieser Zeit im Dienste des Königs von Neapel und Schüler Scaramelli's, erzählt uns: Scaramelli aalle einen merkwürdigen Kampf durchzufechlen zwischen der neuen Flöte BöhuVs und seinem alten Instrumente. Der Ton der neuen Flöle zog ihn immer mehr und mehr an, das neue GrifTsyslem dagegen slimmte seinen Enlhu- siasmus wieder herab. Scaramelli kam indessen immer wieder zu der verhängnisvollen neuen Flöte zurück, probirle immer mehr und. mehr und fand, dass die Sache sich immer besser und besser mache. Er fand endlich, dass die anfangs so entsetzlich gedachte Schwierigkeit in kurzer Zeit zu überwinden sei, und war endlich so kühn, mit den Flötisten Neapels zu wetten — in vier Monaten werde er auf der neuen Flöte dieselbe Ferligkeit wieder erreicht haben, wie auf der allen. Die Welle wurde angenommen und Scaramelli blies nach Ablauf der vierten Woche auf dem Theater S. Carlo in einem Zwi- schenacle ein Flölenconcerl mil Orcheslerbegleilung auf der neuen Flöle mil ungeheurem Applaus — und die Welle war glänzend gewonnen l Scaramelli verlheidigle zulelzl auch die Böhni'- sche Flöte gegen einen Angriff aus Florenz, indem er bewies, dass der Angreifer das Princip, auf welches sich der Bau der Bobm'scheu Flöle gründete, gar nicht begriffen habe.

Böhm's Stricht Über die Entstehung seiner neuen Cylinder-Flöie.

Diese Riogklappen-Flöle indessen befriedigte unsern Böhm noch lichl ganz, hinsichtlich des Klanges und der Ansprache hoher und tiefer Töne *) : ein lelzler Dabeistand, der nur durch eine totale Veränderung der Bohrung des Flöleorohres erreicht werden konnte.

Aus (k-iii Bestreben , diesem noch besiehenden Mangel abzuhelfen, ging di« letzte Volkendung der Böhm'schen Flöte — die cylindriscbe mit den grossen durch Deckklappen zu scbliessend en Tonlöchern und dem conaidischen Kop tstück e hervor. »Ich hatte von jeher nicht begreifen können, warum unter allen Blasinstrumenten mit Tonlöchern und konischen Botirvertialtnissen die Flöte allein an ihrem dicken Ende angeblasen werden soll, da es doch nalurgeaiässer ist, dass die bei zunehmender Tonhöhe immer kürzer werdenden Luftsäuleo-Abschnille zugleich :iucli verhällnissmässig dünner werden. Ich versuchte es daher, die Verhältnisse umzukehren und halle bald gefunden, dass meine Ansichten, richtig waren. Ersl im Jahre 1847 gelang es mir, Flöten nach einem wissenschaftlich begründeten System berzuslellen, wofür mir bei der Weltausstellung in London 1851 und in Paris 1855 der höchste Preis zuerkannt wurde.

) Btihm. Die Flöte und das Flötenspiel (München (87)) Seite 1.

»Ich hatte (fährt er fort) im Jahre (846 eine grosse Anzahl konischer und cylindriscber Hohre von der verschiedensten Dimension und aus vielerlei Holzarien und Metallen verferligl, um die Brauchbarkeit bezüglich der Tonhöhe, Ansprache und Klangfähigkeit gründlich zu untersuchen. Es ergab sich bei diesen Versuchen

I) dass die Starke, sowie der volle reine Klang dieser Grundlöne dem Volumen der schwingenden Luftsäule proportional sei;

»1) dass eine mehr oder weniger bedeutende Verengung am obern Theile des Flölenrohrs, sowie die Verkürzung oder Verlängerung dieser Verengung auf die Ansprache der Töne und auf die Stimmung der Oclave einen bedeutenden Einfltiss hat;

  • 3) dass diese Verengung in einer gewissen geometrischen Progression gemachl werden muss, aus welcher sich eine von der Parabel zunächst kommende Curvenlinie bildel;

»i) dass die Bildung der Scbwingungsknoten und Tonwellen am leichleslen und vollkommensten in einem cylindrischeu Flölenrobre vor sich geht, dessen Durchschniltsweile den 30. Theil der Rohrlänge und dessen im obern Viertel beginnende Verengung beim Abschluss durch den Kork ein Zehntel des Durchschnitts beträgt.«

Das ist der Ursprung der gegenwärtigen cylindrischen Flöle. Weitere Versuche Böhm's über die Weile der cylindrischen Röhre zur Länge ergaben, dass der schönste Ton erscheine, wenn bei der Länge des Rohres von 606 mm der Durchmesser SO mm erhält.

»Allein die hohen Töne sprechen nicht mehr gut und leicht an, und ich war genöthigl, den Durchmesser bei einer Länge des Flötenrohres von 606 mm auf 19 mm zu reduciren «

Böhm machte nun viele Versuche über die beste Grosse des Mundloches.

Die Grosse des Mundloches von U mm Länge und <0 mm Breite dürfte den meisten Spielern am besten zusagen. Nach diesen Versuchen machte sich Böhm eine dünn und hart gezogene Röhre aus Messing, auf welcher sich der Grundton c schon durch einen Hauch etc. entwickelte und leicht zu einer bedeutenden Stärke gebracht werden konnte, ohne in die Höhe zu steigen. Auch das beim Anblasen der gewöhnlichen Flöten so unangenehme Zischen des Luftslromes war hier nicht zu bemerken.

Nachdem Böhm die beste Dimension seines Flötenrohrs entwickelt halle, schrill er zur schwierigen Untersuchung übet die richlige Stellung der Griff- oder Tonlöcber.

Böhm's zweites Bestreben war, die Tonlöcher so gruss zu machen, dass man die Flöle als über der Mille des Tonloches abgeschnitlen belrachlen konnle. Ein Tonloch , das nicht dem Durchmesser der Flöte gleich isl, macht natürlich, dms die unter dem Tonloche liegende Luftsäule relardirend und somit verlangsamend, der Ton der Flöte also trotz der Tönlöcher tiefer erscheint, als wenn die Flöte über der Mille des Tonloches abgeschnitten wäre. Denn selbst Tonlöcher von dem Durchmesser der Flöte wirken noch immer etwas relardirend auf den Flötenion. Schneidet man die Flöle daher unter dem tontoche ab, so wird der Ton höher als der Ton der ganzen Flöte mit dem grossen Tonloche in der Mitte. Schneidet man die Flöle über dem Tonloche von dem Durchmesser der Flöle ab, so ist er liefer als die Flöle mil dem grossen Tonloche in der Mille; schneidet man die Flöte durch die Mitte des Tonloches ab, so ist der Ton elwas höher als der Ton der ganzen Flöle mit dem grossen Seitenlocbe in der Milte.

Diese relardirende Wirkung der unier dem Tonloche liegenden Luftsäule wird nach den Versuchen Böhm's unroerk- lich, wenn der Durchmesser des Tonloches wenigstens >/4 Theile des Durchmessers des Flölenrohrs belrägl. Aber Tonlöcher von dieser Weile lassen sich natürlich in Holznöten nicht ausführen, da auch die Holzdiebe auf Vertiefung des Tones wirkt.

Die praktisch mögliche Weite der Tonlöcher und die Möglichkeit ihrer VerSchliessung oder Deckung ergab sich bei den Tonlöchern der Silberflöte l :i.."> mm und bei der Holzflöle der Holzdicke halber 13 um im Durchmesser, bei der silbernen g- oder Allflöle steigt der Durchmesser sogar auf II mm. Diese grossen Tonlöcher können nun nicht mehr durch die Finger geschlossen werden. Böhm machte deshalb über jedes Tonloch eine das Tonloch vollkommen deckende Klappe, und der spielende Finger drückte nun anstatt auf das Tonloch auf die Klappe, welche das Tonloch schliesst. Bei dem ebenso rationell als genial ausgeführten Klappenmechanismus ist das Spiel auf diese Weise viel angenehmer und sicherer als früher, wo der Finger selbst das Griffloch genau dicht zuschliessen halte ; jetzt braucht er nur den Finger auf die Klappe zu legen. So einfach diese Abänderung erscheint, so schwierig war sie auszuführen. Es waren Monate lange Versuche nöthig, um die lauglichen Slofle zur Herstellung der Polster auszufinden, welche an die Klappe geschraubt das grcsse Griffloch bei dem leisesten Fingerdrucke vollkommen luftdicht schliessen mochte. Es sind Scheibchen von feinem dichten Wollentuche mit einer doppellen Lage von Häutchen überzogen, die aus dem Amnion gewisser Säugelhiere bereitet sind.

Der neue Klappenmechanismus ist ein wunderbares mechanisches Heisterstück. Die zehn Haupttonlöcher mit ihren Klappen versehen erforderten zehn Finger, allein dem Flötisten stehen nur acht Finger zu diesen zehn Klappen zu Gebole. Nach der natürlichen Lage der acht Finger auf dem Flölenrohre bleiben die Töne ..; und h frei. Diese zwei freien Tonklappen sind nun durch einen höchst sinnreichen Mechanismus mit einigen anderen von den Fingern zu bewegenden Klappen so verbunden, dass sie unter den weiter möglichen Tonverbindungen mittelsl irgend einer anderen Klappe gespielt werden können. Das g war mit der e-, f- und /(«-Klappe so verbunden oder zusammen gekuppelt, dass die (/-Klappe nach Belieben mit jeder dieser Tonklappen niedergedrückt wurde. Mil der freien //-Klappe und mit der fis-Klappe war die 6-Klappe in Eine Verbindung gesetzt.

Diese merkwürdige Kuppelung hat Böhm dadurch hervorgebracht, dass er die horizontale Achse seiner Ringklappenflöte in eine wirkliche Charniere verwandelle, d. h. über die Achse noch eine Röhre oder mehrere Röhrchen schob, an welche der Klappenhebel angelölhel war, so dass an einer Achse mehrere Klappen sich nach Erforderniss öffnelen oder schlössen. Die Kuppelung isl an der 0-Klappe durch einen in zwei Theile gelheilten Bügel bewirkt. Die Kuppelung der e-, f-, fis- und 6-Klappe durch verstellbare Schräubchen mit dem Stiele der Klappe, welche auf die Nase der darunterliegenden Achse drücken; ja, es kostet Mühe, das Ineinandergreifen der einzelnen Theile des genialen Mechanismus an der Flöte selbst zu erfassen. *)

Diese zweile Verbesserung der Deckklappen-Flute stammt, wie wir bereits gesehen, aus dem Jahre < 851. Böhm halle die erste Silberflöle dieser Art, sowie eine Allflöle aus Silber, nebsl einer Oboe nach London zur ersten grossen allgemeinen In- duslrie-Ausslellung 1851 geliefert.

Verbreitung, Anerkennung und Benutzung derselben. Schon die Ringklappen-Flöle wurde z. R. in England mit grossem Enthusiasmus aufgenommen. Die englischen Zcil- schriflen : Musical World, Morning Post, TheConnoisseur, Manchester Guardian waren voll Bewunderung über die Flöle

') m ihm. Die Flölc und «las Fliilcnspicl. «. Aufl Tnfi-l II.

Röhm's, noch mehr stieg der Enthusiasmus für die letzte cylin- driscbe Flöte. Giulio Briccialdi, wohl der grösste Flötenvirtuos seiner Zeit, halte seine Flöte sogleich bei Seile gelegt und sich innerhalb vier Wochen so ganz in die Böhm'sche Flöle hinein- gearbeilel, dass er beim ersten Auflrelen mit ungeheurem Beifall überschüttet wurde. Indessen hat auch Briccialdi nichl umhin gekonnt, an der Böhm'schen Flöle eine Verbesserung anzubringen, nämlich eine geschlossene 6-Klappe, obwohl Böhm neben seiner c-Klappe bereits seinen 6-Hebel angebracht hat, der Alles leistet, was der Spieler verlangen kann.

Rudall & Rose haben ihren Preiscourant angezeigt. Eine Böhm'sche Silberflöte kostet «6 £ 8 Shilling. Wer die fcmoll- Klappe Briccialdi's dazu haben will, zahlt noch l £ t sh. mehr.

Bereits im Jahre 1850 (20. August) kam eine Bestellung für die silberne Cylinderflöte aus Cannamore, Ostindien, die Empfangsbestätigung ging über Madras und kam in Augsburg 26. Oclober <851 an, die Flöte selbst war l Jahr und * Tage auf dem Wege. Der Besteller, Musikdireclor und Kapellmeister Frohncrt, schrieb an Böhm, dass er die Bekannlscbafl eines Officiers der oslindischen Compagnie, Prescoll, gemacht habe, der vor einigen Jahren in London häufig Duellen mit Böhm spielte und gegenwärtig eine Ringklappen-FIöte von Rudall & Rose besitze. Unter den vielen Briefen aus allen Ländern Europas liegt z. B. ein Brief aus Shanghai (China) 0. S.O. vom 22. Decetnber (866 vor uns. Der Besteller, der berühmte Flötenvirluose der Königin von England, Remusat, sah eine cylindrische Allflöte BÖhm's bei Broadwood in London und wünschle eine solche aus Neusilber zu erhallen. Er war entschlossen, die alte Flöte, die er dreissig Jahre lang gespielt, mit der neuen von Böhm zu verlauschen. Hermann Miller halle in Leipzig 30. Mai 4850 ein dreistrophiges Gedicht an Theobald Böhm's herrliche Silbernöte gerichtet. Von Königsberg kam schon unterm (2. October 18*9 ein begeisterter Brief des berühmten Flötisten W. Scherrer an Böhm, in welchem es unier anderm heisst: »Ich rufe Ihnen ein herzliches Bravo Bravissimo zu und versichere, dass diese herrliche Flöte meine kü'hnslen Erwartungen übertrifft, die ich mir je über Vervollkommnung dieses so unvergleichlichen Instrumenles habe machen können. Längst schon halle ich mir die classischen Sonaten von Beethoven für Flöte eingerichlet, aber viele holen enorme Schwierigkeiten dar — jetzt sind die letzlen mit einem Schlage verschwunden, und eine vollkommene Welt Beelhoren'scher Musik bielet sich uns dar, seit ich die Flöte habe, deren Klang, Gleicli- mässigkeil und enorme Reinheil in^allen Regionen gleich isl, so dass auch nichl der Schallen eines Tones effectlos verloren geht. Wollen Sie die ganze Herrlichkeil Ihrer unüberlrelflichcn Meistererfindung im Adagio mil Pianoforlc geniessen, so spielen Sie gefälligst mit einem tüchtigen Pianisten Beelhoven's Sonale Op. 96 und die darin enthaltenen beiden Adagios. Auch empfehle ich Ihnen die Sonaten Op. 23, 24, 30 (Nr. 1, 2, 3) wegen der darin enthaltenen herrlichen Adagios. Gleichfalls könnte ich Ihnen meine Ueberlragung von drei Sonaten von J. S. Bach besorgen, der dieselben für Piano und Violine com- ponirl hat. Die darin enthaltenen Dolces und Andanles machen sich auf Ihrer neuen Flöle köstlich, aber auch die Allegros und Preslos, welche durchaus auf das Gelehrteste fugirl sind — aber auf der allen Flöle gar nicht, auf Ihrer neu construirlen von 1832 besser, auf dieser Melallflöte aber leichl und unter dem eclalanleslen Effecle durchzuführen sind« etc.

Briefe gleichen Inhaltes liegen vor mir aus England, Amerika , Ostindien, Russland, Odessa, Mannheim, Wiesbaden, Zürich.

Ja sogar aus Petersburg halle Antoine Sauvlel, premicr Flüle des Thi'Mrcs Imperiaux a Sl. Pelersbourg, als Nominale ii Monsieur Theobald Boehm, inventeur cclAbre de la flute du notiveiiu syslrme '> Munich »im Souvenir du Volga«:

caraclerislique (morceau de Salon) pour la Flute avec accom- pagneraent du Piano« gewidmet.

Der Compositeur hatte die Eigenschaft der Böhm'schen Flöte ganz ausgezeichnet zu benutzen verstanden. Seine Phantasie beginnt in F-moll, einer Tonart, mit der sich wohl Leine andere Flöte hervorzutreten getraute. Es ist ein einfacher, getragener Gesang, der sich vom meno morso zum animalo steigert und von As-dur in de.r mittleren Lage der Flöte in einer getragenen Canlilene voll Wehmuth bis ins </ berobsttigend sich wieder fröhlicher in der höhern Tonlage bewegt und jetzt durch C-dur und F-dur modulirl. Der musikalische Gedanke erhebt sich immer lebhafter spielend in Triolen bald im Diminuendo, bald im Rallentando durch D-moll, H-dur, E-moll, Cis dur, Fis-dur, Gis-dur und kehrt durch E-moll wieder charakteristisch zum ersten Satz F-moll zurück, der sich nach dem siebenten Takte in F verwandelt, durch D-moll, A-dur. Die Melodie gebt dann in ein munteres frohlockendes Allegro über, das in Triolen sich bewegende Geplauder des Pianoforte antwortet , bis sie im Tempo primo mit dem Piano in gleicher Form tändelnd ins F-moll zurück modulirt. Nach einem momentanen Herabsioken der Melodie in F-dur im alten drei- scblägigen Hhythmus der Einleitung führt ein jubilirendes Alltgro vivo zum Schlüsse des Gesanges.

In jedem Falle ist die Macht der Böhm'schen Flöte in den wenigen Takten dieser musikalischen Composilion schlagend illuslrirl.

Bthm's Widerlegung des durch Chladnl veranlagten Irrthumt, daisdas Material de« Instruments auf den Ton ohne Elnfluu Ml.

Böhm halle in dieser Periode, wie wir schon gehört haben, einen höchst interessanten praktischen Schritt gethan zur Widerlegung eines Irrthums der Akustiker, der durch Chadni in der Akustik aufgetaucht, sehr gläubig aufgenommen, immer weiter und weiter entwickelt und zuletzt zum vollkommenen Lehrsätze ausgebildet wurde. Chladni meinte, der Stoff, aus welchem ein Instrument gebildet sei, Sussere keinen oder kaum einen Einfluss auf die Tonfarbe des Instruments. Heute lehrt man als einen Fortschritt akustischer Forschung: das Malerin), aus welchem ein Blasinstrument gebildet sei, äussere gar keinen Einfluss auf den Ton des Instrumentes. »Eine Flöte aus Glas u. dergl. klinge ebenso wie eine Flöte aus Holz.« Wenn sich dieser Grundsatz nicht blos aus theoretischer Anschauung entwickelt, sondern als wirkliches Resultat der Vergleichung des Tones einer Glasflöte mit dem einer Holzflöte hervorgegangen ist, so muss dem Manne die Hauptsache, ein wirklich musikalisches Ohr gefehlt haben. Schon Böhm erwähnt in seiner Broschüre »lieber den Flötenbau« {(847) S. 16: »Man verfertigte auch Flöten aus Elfenbein, Laurent in Paris aus Kryslall-Glas, in Nürnberg wurde eine Flöte aus Papier-mache, in Berlin für Friedrich den Grossen aus Porzellan, und von Dimler in München sogar Flöten aus Wachs gemacht. Der ärmlichste Ton aller dieser Flöten war natürlich derjenige der aus Wachs gemachten Flöte.«

(Fortsetzung folgt.)

Anzeigen und Beurtheilungen.

Hamlrl- illium. ContainingExtracts from Instrumental Music b} Handel, now rarely pcrformcd (The Curtain Tuncs, Manches, and olher Incidental Music from the Italian Operas: Sclections from the Sonatas for Stringed In struincnls; Organ and Harpsichord Music; Oboe Gon- ccrlos; Grand Conccrtos; Walerand Firc-Music de.). Arriingcd from the Scores for the Organ by W. T. Best.

London, Augencr A Co. (Leipzig, K. F. Köhler.) kl. quer-folio Book 4 bis 45; zusammen 330 Seiten.

Eine ziemlich gross angelegte Sammlung, von welcher bis jetzt < 5 »Books« oder Hefte vorliegen, die aber hiermit noch nicht zu Ende ist. Wie wir hören, ist die Absicht, sie mit dem SO. Heft zu beschliessen, so dass das Ganze einen starken, aber noch immer bequemen band füllen würde. Der bekannte, im Anfange seiner musikalischen Laufbahn als Wunderkind angestaunte Dr. Crolch gab vor langer Zeit (in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts) eine Collection von Orgelauszügen Händel'schcr Werke heraus, welche fast sämmtliche Oratorien und die grossen Werke der Kirchenmusik (Anlhems, Te Deurns etc.) einschloss, über hauptsächlich nur die Ouvertüren und Chöre jener Werke behandelte. Nach der Partilurausgabe von Randall und der etwas vollständigeren, aber noch weit schlechteren von Arnold brachte Clarke die in jenen Ausgaben enthaltenen Hauptwerke (Oratorien- und Kirchenmusik) in Ciavierauszügen heraus, die eine grosso Sammlung bilden und noch jetzt ein stehender Artikel des Londoner musikalischen Antiquariats sind. Diesen Ciavierbearbeitungen folgte Crotch in seinen Orgelbearbeitungen. Händel's Opern , Instrumentalwerke und sonstige Compositionen traten zu jener Zeit mehr und mehr in den Hintergrund : man hielt sich hauptsächlich an das, was durch die genannten Gesammtausgaben Allen als das »Bedeutendste« vor Augen gelegt war.

Inzwischen haben wir einen Schritt weiter gethan. Durch die Ausgabe der deutschen Händelgesellschaft sind neue Quellen geöffnet, wo man es nicht ahnte, und selbst das bisher dem Namen nach oder in unvollkommener Gestalt Gekannte bat jetzt, wo es in der Originalgestalt vorliegt, eine andere Bedeutung gewonnen. Bisher ist noch wenig geschehen, dies dem grösseren Publikum in entsprechenden Arrangements verständlich zu machen. Als das erste Unternehmen dieser Art, wenigstens auf dem Orgelgebiete, ist die vorliegende Sammlung von Best anzusehen.

Herr Best ist dem deutschen Publikum wohlbekannt, wenigstens dem Namen nach, da sein Ruf als der des bedeutendsten englischen Orgelspielers über sein Vaterland hinaus sich verbreitet bat. Er sollte uns aber etwas mehr, als dem blossen Namen nach bekannt sein, und dieses »Handel-Album« möchte sich wohl am besten eignen, eine solche Bekanntschaft zu vermitteln. Die Stücke sind verhältnissmässig kurz, es ist daher auf dem Raum von drei- bis vierhundert Seilen eine außerordentliche Mannigfaltigkeit von Musiksätzen vereinigt. Es existirt keine ähnliche Sammlung aus Händel's Werken für Orgelspieler, was den Werth der vorliegenden natürlich bedeutend erhöht. Aber auch bei einer etwa vorhandenen oder eintretenden Concurrenz sind wir überzeugt, dass Best das Feld behaupten wird, denn der Hauptvorzng, welcher den englischen Componisten seit Händel's Zeit geblieben isl, besteht in ihrer Gewandtheit im concertirenden Stil, wogegen wir eine Stärke im Fugenstil besitzen. Dem concertirenden oder freien Stil ist eine elegante, leichte Haltung eigen, welche dem an Fugen grossgezogenen Spieler oft abgebt. Eins ergänzt das Andere, und nur wer in beiden Sätteln annähernd gleich gut sich bewegt, ist ein wahrhaft bedeutender Orgelspieler.

Die Register sind Englisch und Französisch angegeben. Es wäre wünschenswert!], beim Abschluss diese Ausdrücke auf einem Blatte deutsch zu erklären. Sobald diese sehr empfeh- lenswerthe Sammlung vollständig erschienen ist, werden wir auf dieselbe zurückkommen.

['*] Soeben erschienen in meinem Verlage:

Sechs kleine Lieder

JOSEPH LUDWIG HAASE für eine Singgtimme mit leichter Glavierbegleitung

componirl von

Emil Keller.

Op. 21.

Camptet Pr. i uf 30 ^

Einzeln:

No. 4. Naturfreuden Pr. 50 .^

No. 1. 0 süsser Traum . . . . Pr. 50 Sp.

No. ». Waldesfreuden Pr. 50 ty.

No. 4. Hinaus l Pr. 50 3jf.

No. 5. Erwachen des Morgens . . Pr. 50 Sp.

No. 6. Waldconcert . Pr. 50 ».

Leipzig und Winterthur.

J. Rieter-Biedermann.

M«») Parzival,

der Ritter ohne Furcht und Adel.

Siegmey.

Hit 48 Zeichnungen von Henry Albrecht. Eleg. Ausstattung.

Geh. Preii 1 .V Leipzig. _ Rosent.hal'sche ^'erlagühdlg.

1«4] Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

No. No. No.

No.

No.

No.

No.

No.

No. 9.

No. 10.

No. H. No. 4S.

No. 4t. No. 45. No. 46.

van Beethoven.

Für Pianoforle m vier Bänden bearbeitet

von

Theodor Kirchner.

Vier Hefte ä 4 Jl. Einzeln:

Hertl.

Triumpbmarsch zu Tarpeja .

Marsch aus Egmont 4 —

Trauermarsch aus der Heroischtui Sinfonie.... a 50

Heft 2.

Türkischer Marsch aus den Ruinen von Athen . Marsch mit Chor aus den Ruinen von Athen . Rüle Britannia aus Wellington'« Sieg .... Marlborough aus Wellington'« Sieg ....

Siegesmarsch aus König Stephan

Geistlicher Marsch aus König Stephan . . . Marsch aus Fidelio

Heft3.

Marsch für Militairmusik

Marsch aus Prometheus S SO

Heft 4.

Marsch aus der Sonate Op. 404 s —

Trauermarsch aus der Sonate Qp. 26 t

Marsch aus dem Quartett Op. 4SI — 50

Marsch aus der Serenade Op. 8 — 80

-, 80

— 80 4 SO

— 50

— 80

— 80

— 50

— 80

4 80

[«*] Verlag von

J. Mieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Ausgewählte

Hierzu eine Beilage Von W. Schwarz in Wien.

für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

Iturtli, Rieh., Erste Begegnung: -Wohl mir der Munde,« von K Walther von der Vogelweide ........... 4,

Banmg-artner, W., Abendlied : »Abend wird es wieder,« Vod Ho/fmann von Fallcrsleben. Op. 10. No. 4 ....... 0

Berlioz, H., Ländliches Lied: »Wenn im Lenz milde Lüfte wehen,« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Mezzosopran oder Tenor. Op. 7. No. 4 ............ 4

- Der Geist der Rose: »Blick' auf, die du in Traumes Schoosse,« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Contraall. Op. 7. No. > ................ 4

- Auf den Lagunen: »Mir ist mein Lieb gestorben,« nach Th. Gautier von P. Corneliiu ; für Bariton oder Conlraalt oder Mezzosopran. Op. 7. No. B ........... 4

- Trennung: »0 kehr zurück, du meine Wonne!« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Mezzosopran oder Tenor. Op.7. No. 4 .................. 0

- Auf dem Kriedhofe {Mondschein): »Kennst du das Grab mit weissem Steine,« nach 7'A. Gautier von P. Cornelius; für Tenor. Op 7. No. 5 ............. 4

- Das unbekannte Land : »Sag', wohin willst du gehen, mein liebliches Kind?« nach ih Gautier von P. Cornelius; für Mezzosopran oder Tenor. Op. 7. No. 6 ....... 4

Dietrich, Alb., Einzug: »Dich hab' ich einst gesehen,« von tf. Bernays. Op. 44. No. 4 ............. 0,

- Frühling: »Es blühen aus demScbooss der Erden die Blumen allgemach,« von M. Bernayi. Op. 44. No. i .... 0

- Sommer: »Was soll nun all' das Trauern?« von M. Ber- nays. Op. 41. No. 5 .............. 0

- März: »Es ist ein Schnee gefallen,« von W. Goethe. Op. 41. No. 4 ................... 0,

- War schöner, als der schönste Tag; von W. Goethe. Op. 4g. No. 8 ................ 0,

- Dein Auge : »Ein Himmelreich dein Auge ist,« von Dilia Helena. Op. 46. No. 4 ............. 0,

- — Meine Linde : »Im Garten unter der Linde, da sitz* ich so

manchen Tag,« ungenannter Dichter. Op. 46. No. l . . . o

- > Um Mitternacht: »Um Mitternacht hab' ich gewacht,« von Fr. Hückert. Op. 46. No. 5 ........... 0

- Blühendes Thal : »Wo ich zum ersten Mal dich sah, wie Üppig grünt die Wiese dal« von Jut. v. Rodenberg. Op. 47. No. » .................. 0,

- Frühlingssonne: »Fruhlingssonne hin mit Funkeln aus den Wolken,« von J. v. Rodenberg. Op. 47. No. S .... 0,

-- Scheiden: »Wenn man die Hand zum Abschied giebt.« Op. 47. No. 4 ................ 0,

- Muntrer Bach : »Muntrer Bach, was rausch'st du so?« von Jul. v. Rodenberg. Op. 47. No. 5 ......... 4,

Eggers, linst., Heimlicher Liebe Pein : »Mein Schatz, der ist auf die Wanderschaft hin« (Volkslied). Op. 40. No. S . . . 0,

- RotheAeuglein: »Könnt'sl du meine Aeuglein sehn« (Volkslied). Op. 40. No. 5 .............. 0,

Fischer, Gust. E., Schiffers Braut: »Komm mit, es graut im Osten,« von Klaus Groth. Op. 4. No. 4» ....... 0,

Grimm, Jlll.O., Wie scheinen die Sternlein so hell; Böhmisch. Op. 44. No. 4 ................ 0,

- Fragen : »Wozu mein langes Haar mir dann,« Slavisch. Op. 44. No. S ................ o,

- Warum bist du denn so traurig? Deutsch. Op. 44. No. 4 0,

- Nun steh'n die Rosen in Blüthe; von Paul Heyie. Op. 44. No. 8 .................. 0,

- Bitte : »Weil' auf mir, du dunkles Auge,« von N. Lenau. Op. 45. No. l ................ o

- Jagerbraut: »Mein junger Liebster zog zu Wald,« von fron» Hüffer, Op. 45. No. S ........... 0,

- Liebesnacht: «Du sprichst von Scheiden?« von A. Kaufmann. Op. 45. No. 4 ............. 0,

— — Minnelied: »Ich unternahm's, den Falken gleich, «von Otto v. Turne. (Altdeutsch.) Op. 45. No. 6 ........ 0,

(Fortsetzung folgt.

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Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf A Harte! in Leipzig. Expedition: Leipzig, Am Rabensteinplatz 2. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg-.

I>10 AUgmrin« Maiikalinck« Äeltnng

richeint »nlabiijc an jedem Mittwoch

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Allgemeine

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 16. August 1882.

Nr. 33.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercompositlonen. — Theobuld Böhm. Ein merkwürdiges Kunstlerleben. (Fortsetzung.) — Die Ton- kimstli'r-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins vom 8. bis U. Juli 4881. — Nachrichten and Bemerkungen. — Anzeiger.

Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen.

T. K. Am IS. Hai waren es vier Jabre, dass der talentvolle Tonsetzer Franz v. Holstein aus dem Leben schied, ein edler liebenswürdiger Charakter, eine begeisterte Musiker- und Dicbternatur. Bereits vor längerer Zeit ist ihm ein liierarisches Denkmal gesetzt worden in dem nöchsl anziehend und im warmen Tone der Freundschaft geschriebenen Buche :

Frau Tm ItUttli. Seine nachgelassenen Gedicht«, herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen von Heinrich Bultbanpi Leipzig, 4880. Breitkopf und Härtet. (XII, 220 S. 8.)

Auf Grundlage zuverlässiger Quellen (eigenhändige Aufzeichnungen und Briefe v. Holslein's, Mittheilungen der Seinigen) entwirft der Verfasser ein anschauliches Bild der a'usseren LebensverhBltnisse und des geistigen und künstlerischen Entwicklungsganges v. Holstein's, und veröffentlicht sodann die hinterlagsenen Gedichte des Verstorbenen, deren Redaction (wenn es sich der Mühe lohnen sollte«) derselbe kurz vor seinem Tode ihm anvertraut hatte. Diese lyrischen Dichtungen, zart und tief in der Empfindung, lauter und klar in der Form«, legen beredtes Zeugniss ab von der Begabung ihres Schöpfers. Ihre Würdigung im Einzelnen müssen wir uns an diesem Orte versagen. Dagegen wollen wir, um irrthümliche Angaben in musikalischen Zeitschriften und Lexicis zu berichtigen, von der Biographie einen kurzen Auszug geben, einige charakteristische Momente heraushebend.

Friedrich Franz von Holstein wurde am 16. Febr. I8J6 zu Braunschweig geboren , als Sprössling einer alten Adelsfamilie aus dem Mecklenburgischen. Sein Vater, Werner von Holstein, Soldat und Aristokrat vom Wirbel bis zur Zehe, war im russischen Feldzug von < 8< l kaum der Katastrophe an der Beresina und dem Hungertode entronnen, Seine strenge, allem Künstlerwesen im Grunde abgeneigte Sinnesweise war der musikalischen Ausbildung des frühgeweckten Knaben wenig förderlich. »Wie bezeichnend ist es, dass das erste Ciavier gegen den Willen des Vaters bei Nacht und Nebel in das Holstein'sche Haus geschafft wurde; wie charakteristisch, dass zur Entschuldigung die Ausrede dienen musste : es könne sehr gut als Tisch gebraucht werden.t (S. S.) Mit dem 16. Jahre trat der Sohn in das braunscbweigiscbe Cadeltencorps, wo Robert Griepenkerl, der bekannte Verfasser der überkräftigen Revolutionsdramen »Robespierre« und »Die Girondisten«, sowie der Abbandlungen Ritter Berlioz in Braunschweig« (Braunschweig 4843) und »Die XVII.

Oper der Gegenwart« (Leipzig 4 R4~), sein Lehrer in deutscher Sprache und Literatur wurde. Dieser war es, welcher dem Vater v. Holstein's den, allerdings abschlägig beantworteten, Vorschlag machte, den Sohn der Ausbildung seiner Talente zu überlassen, und der sodann dem reich begabten Schüler die Kenntniss der damals in Braunscbweig aufgeführten Werke von Berlioz, Meyerbeer und Llszt vermittelte, ein Danaergeschenk, an welches Bultbaupt die allgemeine Bemerkung knüpft: »seltsam war es, dass eine so ausgesprochene, originelle musikalische und allem Raffinement im innersten Grunde abholde Natur wie Franz von Holstein gewissermaassen den umgekehrten musikalischen Bildungsgang durchmachen sollte : durch Berlioz, Meyerbeer, Liszt zu Schumann, Mendelssohn, Gade und endlich zu Mozart und Beethoven ; von der ECTecthascherei durch die Romantik zur ClassicitSt.« (S. 40.)

Ostern 4845 bestand Holstein sein Officiersexamen, zugleich hatte er seine erste (zweiactige) Oper »Zwei Nächte in Venedig« vollendet, eine Diletlantenarbeit, welche ihm bei ihrer Aufführung im Familienkreise die ersten Lorbeern brachte, die er aber später nebst drei anderen ans den Jahren 484S/46 »sorglos zu den Todlen warf«. Mächtig trieb es ihn vorwärts: »Seine ernste Natur verlangte aus der Willkür und Planlosigkeit des Autodidaktentbums nach gründlicher Unterweisung, nach festen Normen.« Dnler des befreundeten ri;irl Richter, eines gebornen Frankfurters, Leitung »machte er ernste Compositions- studien und übte systematisch Ciavier, ohne einbringen zu können, was in der Kindheit versäumt war. Seine Finger waren während des Wachestehens und Exercirens bei ranhem Wetter erfroren, und, so leidenschaftlich gern er auch allein für sich und bei seinen Angehörigen spielte, in Gegenwart von Fremden setzte er sich noch in späteren Jahren nie ohne ein gewisses Widerstreben ans Ciavier. Das Unzulängliche seiner technischen Ausbildung peinigte ihn.« (S. 44.)

Heimgekehrt aus dem scbleswig-bolsteinischen Feldzag von 4848—49, wurde er zum Adjutanten eines brauoschweigischen Landwebrbataillons in dem kleinen Harzslädtchen Seesen ernannt, ein grosser Vortheil für seine musikalische Weiterentwicklung. »In Seesen lernte er zum ersten Male das Glück einer ruhigen Arbeit kennen ... die stille Einkehr in sich selbst, die dem Künstler doppell nolhwendig, doppelt werthvoll ist.« (S. 17.) Hier war es denn auch, wo allmälig der Entschluss in ihm reifte, den Soldaleorock an den Nagel zu hängen und sich ganz der beissgelieblen Kunst hinzogeben. >Da kam plötzlich, unerwartet die Entscheidung. Die ihm angetragene Stellung eines Flügel-Adjutanten des Herzogs [Wilhelm von Braun- schweig] hatte der Vater, dem der einflassreiche und beneidete

(B Posten für seinen Sohn gleichwohl nicht geeignet erschien, kaum für ihn abgelehnt, als die neue, bestimmte Anfrage an ihn erging: ob er die Stellung eines Regimentsadjulanten zu übernehmen Willens sei. Die Büreaugeschäfte dieses Amts hätten ihm zu künstlerischem Schaffen so gut wie gar keine freie Zeit gelassen. Anfangs erschrak er darum nicht wenig über die kritische Alternative. Aber nur auf Augenblicke — ein Zweifel war ja jetzt nicht mehr möglich , die Würfel musslen fallen, und offen schrieb er an den Vater, wie es ihm ums Herz war und was er zu thun Willens sei. Der Oberst fasste sich auch hier militärisch. Er machte nicht viel Worte , aber er stellte dem Sohn eine zweite Alternative : entweder solle er auf die Kriegsschule gehen und später in den Generalslab treten, oder seinen Abschied nehmen und sich ganz der Musik widmen. Nur verlangte er (eine billige und gerechte Forderung) vorab als Gewähr für das Talent seines Sohnes das Urlheil eines ruhigen, erfahrenen Künstlers, einer musikalischen Autorität. Moritz Hauptmann's[welchen v. Holstein bei einem flüchtigen Besuch in Leipzig im Jahre 1847 kennen gelernt hatte] Entscheidung, auf die man sich einigte, sollte für Beide bindend sein. Und so reiste denn der nicht mehr ganz junge Kunst- candidat, die dickleibige Partitur seiner »Gastfreunde« [einer historischen Oper, aus der sich später sein letztes dramatisches Tonwerk »Die Hochländer« entwickelte] unter dem Arm, nach Leipzig, um den würdigen Meister um sein Urtheil zu bitten» und dann daheim in Seesen bange Tage der Erwartung zu verleben. (S. 49.) Hauptmann's Entscheid, welcher sechs Wochen darauf in einem inhaltsreichen Briefe vom 14. Februar 1853 erfolgte, lautete günstig, und so begab sich, nachdem der Vater die Mittel für ein Jahr verwilligt, v. Holstein zu weiterer künstlerischer Ausbildung nach der Musikstadt Leipzig. »Mit dem lebhaftesten Eifer griff er seine Studien an: Ciavierunterricht genoss er bei Wenzel, Plaidy und Moscbeles, Theorie und Formenlehre hörte er bei Richter, Contrapunkt bei Hauptmann (zu dessen Privatschülern er überdies zählte), Composition bei Richter und Rietz. Eine Fülle neuer Eindrücke bedrängte ihn.... Es war kein Wunder, dass seine reizbaren Nerven den Stürmen nicht Stand hielten, dass der volle Strom des Geniessens, des Slrebens von 'mancher störenden Krankheit gehemmt wurde. Auch die Geselligkeit verlangte viel von ihm. Ein lebhafter freundschaftlicher Verkehr verband ihn mit Männern wie Grimm, Radecke, Papperitz, Heinrich v. Sahr, Albert Dietrich. Besonders der Letzte wurde ihm ein treuer, anregender Freund. Auch Jobannes Brabms, dessen überlegene Kraft er neidlos verehrte und liebte, gehörte zu dem schönen Kreise. Hauptmann und seine vortreffliche Frau (Susetle Hummel) nahmen ihn gastlich auf; die Häuser Frege, Moscheies, Gontard, Salomon, die Sammelpunkte der künstlerischen Welt Leipzigs, standen ihm offen, lieber all dem Neuen verging das Probejahr, ehe ers gedacht. Eine trübe Rückkehr ins Elternhaus l Was war er in dem einen Jahre geworden ? was hätte er auch werden können! Auf eine Anstellung und Berufung durfte doch Niemand rechnen? Und was hätte ihm eine Cantor- und Musik- lehrcrstelle in irgend einem Dorfe, einem entlegenen Städtchen bieten können? Vielleicht hinlängliche Müsse , aber das peinigende Gefühl der Halbheit, eines verfehlten Lebens vielleicht. Er war »des Treibens müde«, er verzweifelte an sich selbst und wünschte sich den Tod herbei. Da kam unerwartet heller Sonnenschein in das Dunkel. Eine sanfte Hand führte ihn nach Leipzig zurück, und als er im Frühjahr 4855 aufs Neue nach Braunschweig reiste, begleitete ihn eine geliebte Braut, Hedwig Salomon, mit der er sich am 4. Sept. desselben Jahres verbei- rathete. Sie ist von nun an von seiner ganzen Persönlichkeit und seinem Schaffen unzertrennlich.a (S. 30—32.)

Schöne Jahre folgten nun, welche das glückliche Paar tbeils in Leipzig, seinem festen Wohnsitz, theils in Italien (1855,

4864), seit dem Jahre 4874 im Sommer alljährlich zu Oberstdorf im Allgäu verlebte. Nach langem Warten kamen endlich auch die äusseren Erfolge, und zwar durch die dramatische Kunst, welcher sich v. Holstein nach jahrelanger Beschränkung auf Composilion von Kirchen- und Kammermusik endlich wieder zugewendet hatte (vgl. S. 51, 57). Am 2t. Oct. 4868 gelangte auf der Dresdner Hofbübne v. Holstein'* im Jahre 4866 vollendete Oper «Der Haidescbacbt« (zu welcher er wie zu seinen übrigen Opern das Libretto selbst verfasst hatte) *) unter grossem Beifall zur ersten Aufführung, am 19. Juni 4870 im Leipziger Sladttheater, und von da an ging das Werk über fast alle deutschen Bühnen.**) Im Sommer 4874 vollendete v. Holstein die Partitur einer neuen, komischen Oper, betitelt »Der Erbe von Morley, deren erste Aufführung am 14. Januar 4872 in Leipzig stattfand. Das Jahr 4875 zeitigte sein drittes grosses Opernwerk, »Die Hochländer«, zum ersten Male am 46. Januar 4876 in Mannheim aufgeführt. Leider wurden v. Holstein's letzte Lebensjahre durch eine tückische, qualvolle Krankheit (Magenkrebs) verbittert, welcher er in der Nacht des 21. Mai 1878 zu Leipzig erlag, mitten unter neuen Compo- sitionsenlwürfen. Seine opferfreudige Fürsorge für jüngere Talente, die er im Leben reich bethätigt halte, offenbarte sich noch im Tode: die treue Lebensgefährtin erfüllte bald darnach seinen Lieblingsgedanken, auf seinem Grundstück (in der Salo- monstrasse zu Leipzig) eine Stiftung für junge Musiker zu errichten, ein Künstlernaus, das unbemittelten Talenten eine sichere Zuflucht während ihrer Ausbildung auf dem Leipziger Conservalorium gewähren sollt«, — das »Holstein-Stift«.

Anmuthend berühren auch den Fernerstebenden die warmen Einleitungsworte, mit denen der Biograph den Charakter und die äussere Erscheinung seines Freundes während der letzten Lebensjahre schildert (S. 4) : »Als ich Franz von Holstein kennen lernte, halten die grossen Erfolge seines »Haide- scbacht« seinen Namen schon berühmt gemacht. Ich sah den gewordenen, nicht den werdenden Mann: eine schlanke, eher zarte als kräftige Gestalt, ein blasses, im Ertragen körperlicher Leiden geübtes Gesicht, eine eigentbümlich scharf ausgebildete Adlernase, die dunklen Haare frei, ohne ängstliche Ordnung herabhängend, unter der hoben klaren Stirn ein helles, reines, liebevolles Auge, in seinem ganzen Wesen der lautere, um Gottes und seiner Kunst willen schaffende Künstler, der selbst begeistert auch Andere zu begeistern vermochte und der doch, in der schlichten Einfachbeil seines Wesens, Alle, ob sie ihm nun an Alter und Begabung gleichstanden oder nicht, an seine herzgewinnende Persönlichkeil unwillkürlich fesselte. Ein ausgezeichneter Musiker, ein mit seinem besten Herzblut seine Gebilde tränkender Componist, ein feinsinniger, anmutbiger Dichter, ein liebenswürdiger, harmonischer Mensch, so recht geschaffen, sein Leben künstlerisch auszugestalten und Andre in seine glücklichen Kreise zu ziehen.«

Was die musikalischen Schöpfungen des Entschlafenen anbelangt, so verweilt Bullhaupt, und das mit Recht, besonders eingebend bei der Schilderung des Entstehens, des Inhaltes und des Erfolges der oben genannten drei Opern. Der übrigen Werke aber, namenllich der Liedercompositionen, gedenkt er nur im Allgemeinen an wenigen Stellen (S. 18, 36, 64, 93). Und doch nehmen gerade die Lieder, bei Holstein's ausgesprochen lyrischer Begabung, in seinem Kunstschaffen eine be-

  • ) Auch sonst war v. Holstein literarisch thatig; so brachte die »Allg. Mus. Ztg.« mehrere Aufsätze aus seiner Feder, u. a. Über Schumann1« »Genoveva« (Jahrg. 4875, Nr. 44, Sp. 4 «9 ff.), Rnbinstein'g MaccabHer* (Ebenda, Nr. 4» f.) und Kretschmer's»t'olkungen (Ebenda, Nr. 4« f.). Vgl. Bulthaupt S. 80.
    • ) Vgl. die Aufsitze von Sclmnr Bagge Über den Haideschacht« Jahrg. 487«, Nr. S f. und Über den »Erben von Morley« Jahrg. 4875, Nr. *« ff.

deutende Stellung ein. Erregt schon ihre Zahl (es sind <07 einstimmige Lieder, 89 Duette u. s. w.) unsere Aufmerksamkeit, um wie viel mehr die wahrhaft künstlerische Vollendung so vieler von ihnen in Bezug auf Stimmung, Erfindung und liedmässige Behandlung. Versuchen wir daher im Folgenden die angedeutete Lücke in Bulthaupt's Biographie auszufüllen, indem wir in annähernd chronologischer Reibenfolge an der Hand der Opuszahlen die einzelnen Lieder in Kürze besprechen. Ein Anhang möge schliesslicb, um ein volles Bild der composi- torischen Tb'ätigkeit Franz von Holstein's zu ermöglichen, seine übrigen Compositionen aufzählen.

I. Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

Noch in die Braunschweiger Zeit gehören die Waldlieder von J. N. Vogl. Op. 1. Leipzig, Breitkopf & Ilürtel. Vr. Jt l.—. (Hieraus einzeln: Nr. 3. Lieder- kreis Nr. 480, 50 .'?/,'}

»Auf Drängen der Freunde» waren sie nebst Op. 3 (sechs Münnerquartettenj »im Manuscript nach Leipzig an einen dortigen Verwandten (Gontard) geschickt und von diesem Moritz Hauptmann vorgelegt worden, der sich in günstigstem Sinne darüber ausgesprochen und die anspruchslosen, gefälligen Lieder Breilkopf und Hart«! zum Verlage empfohlen hatte« (Bultbaupt S. (8). Ihre Jugendfrische und ihr leichter Melo- dienfluss gewinnen sofort unser Herz. Ein schönes Lied ist vor allem das weihevoll-innige dritte: »Waldeslust« (»Lass mich ganz in dich versinken«) mit seiner schlichten und doch so charakteristischen Begleitungsfigur; im leichtbeflügellen Al- legretto tcherxando schwebt das vierte einher (»Vöglein ohne Ruh und Rast«) ; von tief tröstlicher Stimmung ist das fünfte durchweht (»Nähret Cnmulh deine Seele«); fröhlich und heiter ergehen sich Nr. < und z (»Im Freien, ach im Freien« und Lustig, lustig, wer zum Wald seine Schritte wendet«), während das etwas schwerere sechste Lied, der poetische Abschied lom Wald (»Morgen wieder, lieber Wald«), einen liebenswürdigen Abschluss bildet.

Jugendwerke sind ferner eine Anzahl Lieder für tiefe Stimme. Nach einer Angabe Bulthaupt's S. 48 fallen die beiden zunächst genannten Hefte in die Seesener Zeit; wahrscheinlich gilt dies auch von den zwei hierauf folgenden.

Op. 8. Drei CMiBge von Goethe, Geibel und Spitta für

eine Bassstimme. Berlin, Bote & Bock. Pr. Jl 1. —. Op. 4. Brei Balladen von Slrachwitz, Heine und Geibel für eine Bassslimme. (Herrn Hofopernsänger Krause freundlichst dedicirt.) Berlin, Bote & Bock. Pr. .M 3. 50.*) Op. 6. Zwei Lieder für eine Bass- oder Baritonslimme. Braunschweig, G. M. Meyer jun. (Lilolff). Pr. uf 4. SO. Op. 6. Beie. Gedicht von Platen. Für eine Bass- oder Baritonstimme. (An seinen Freund R. Weber.) Braunschweig, Meyer (Litolfl). l'r. ,# l. 16.**) Ein Vorfahr der später erschienenen Reiterlieder ist Nr. < aus Op. 3 »Lasst mich nur in meinem Sattel gelten«; treffend illustrirt die Musik den Goethe'schen Text aus dem west- östlichen Divan: frisch und kräftig der Anfang und das Ende, voll Weihe und Andacht der Mitteltheil. Auch In dem lang ausspinnenden zweiten Lied: »Der M,.i ist gekommen« sind die wechselnden Stimmungen hübsch nüancirt: die überquellend jugendliche Wanderlust, die Einkehr bei Wirtli und Spielmann, der sorgtose Schlummer am Busen der nächtlichen Natur. Den geraden Gegensatz hierzu bietet das choralarlig gehaltene »Was

  • ) Auf dem Titel von Op. i und 4 steht der Name des Compo- nlslen fehlerhaft: Hollstein statt Holstein; richtig dagegen beidemal anfS.l.
    • ) Op. 6, S. g und » Um: pochende!.

macht ihr, dass ihr weinet«; Wehmutb der Trennung, gemildert durch religiösen Trost, ist sein Grundion. — Welch lebendig dramatischer Ausdruck dem Componisten bereits in seinen Jünglingsjahren zu Gebote stand , das zeigen uns die Balladen Op. 4. Unter ihnen hebt sich an wirkungsvoller Kraft hervor dus Composition zu dem bekannten Heine'schen »Belsa- zar« ; der wilde Jubel der zechenden Kriegsknechte, des Königs frevelnder Hohn, die unheimliche Erscheinung der Flammenschrift und das schlotternde Erbeben der Sünder sind drastisch gemalt, jedoch ohne jemals die Grenzlinie der Schönheit zu verletzen. Ihr nahekommend an musikalischer Stimmungsmalerei, wenn auch nicht gleichmässig an dichterischem Wertb, ist die vorangehende Ballade von Moritz Graf Strach- witz »Pharao«, welche den Untergang des prunkenden Aegyp- terheeres und die Drangsal und Errettung des Volkes des Herrn schildert. Mit Jugendfeuer ist der Componisl bei der Cunception der Geibel'schen »Rbeinsage« ins Zeug gegangen, wir meinen besonders den frischen, fröhlichen Schlusstheil; aber auch den feierlichen und von stillpoetischem Zauber angehauchten Partien des Gedichts, z. B. wie die Geistergestalt des altei Heldenkaisers Karl nächtlich über die goldne Moudbrücke wandelt und die Rebenblüthe am Rbeinstrom segnet, lässt er volles Recht widerfahren. — Op. 5 enthält zwei öfter componirte Texte: »D» hast Diamanten und Perlen« von Heine und »Die Höhen und Wälder schon sieigen immer tiefer ins Abendgold« von Eichendorff. Unser Componist hat ihnen neue Seiten abzugewinnen gewusst. Das letztgenannte Lied tritt vollsafliger und männlicher auf als z. B. die leise und innig vorzutragende Composition von R. Franz. Das erslere dagegen führt in geschickter Steigerung von leichtlebigem Eingang zu leidenschaftlichem Abschluss. Bemerkenswert!! ist, dass seine Clavier- Begleitung in Takt 7—4 i der Begleitung zu Wolfram's Gesang an den Abendstern ähnelt; um so bemerkensverlher, als Holstein zur Zeit des Niederschreibens seiner Musik Wagner's »Tannhäuser« wahrscheinlich noch nicht kannte, wie aus Bulthaupt's Biographie S. 34 hervorgebt; denn ihr zufolge lernte er diese Oper erst während des Leipziger Studienjahrs kennen. — Sehr schön hat der jugendliche Künstler in Op. 6 die Grundstimmung des Platen'scben Gedichtes (»Wie rafft' ich mich auf in der Nacht«) getroffen : »Reueschmerz wühlt im Ge- müth«. Der düstere Anfang kehrt verstärkt wieder im düsteren Ende, dazwischen die ruhigere xelodische Partie der liebten Slernennacht.

Eine Fortsetzung seines Erstlingswerkes gab Holstein in

Op. 9. ffaldlleder von J. N. Vogl. (Zweites Heft.) (Frau Susette Hauptmann gewidmet.) Leipzig, Breitkopf & Härte!. Pr. M 3. —. (Hieraus einzeln : Nr. S und 3, Liederkreis Nr. 467 und 4Z6, a 76 Jf.)

Die Widmung lehrt uns, dass wir mit diesem Opus in die Leipziger Zeit kommen, und interessant wäre da die Untersuchung der Frage, welchen Einfluss, abgesehen von der theoretischen Unterweisung, Hauptmann's Lieder auf die seines Schülers geübt haben ; wir unterlassen sie hier jedoch , weil sie ausserhalb unseres Zieles liegt. Thatsache ist, dass man in dem jetzt zu besprechenden Liederhefte ein betrachtliches Wachsthum an künstlerischer Reife und an Originalität wahrnimmt. Frisch wie der tbaustrahlende erquickende Morgen, den es schildert, giebt sich das erste Lied (»Welch neues frohes Leben erwacht vom näcbt'gen Traum«). Die beiden folgenden verdienen besonders hervorgehoben zu werden, zunächst Nr. 2 (Waldliebe : »Fort, nur fort durch Busch und Zweige«) wegen seines schwungvoll feurigen Temperaments, dem nur einmal, bei den letzten Worten des Gesanges (»möchte werfen mich an deine Brust«) in schönen Harmonien Zügel angelegt werden. Nebenbei gesagt, haben wir in den vier ersten Takten der Gell

sangsmelodie eiqen Anklang au Schumann'» »Er, der herrlichste von Allen« bemerkl. Was Nr. 2 nur andeutet, das Brausen des Sturms im Wald und als jubelnder Widerhalt im Menscheo- herzen, spinnt Nr. 3 (Im Sturm : »Der Sturm ist los») charakteristisch und vollkräftig weiter aus, es ist in der Thal e<n prächtiges Lied. Nr. i »Waldeinsamkeit« illustrirt, ioj engen Anschluss an den Text zwischen Adagio- und AUegrosätzen wechselnd, das Traulich-E inladeode d,cr Waldesoacht. Graziös wiegt sich auf leichten Fittigen das Lied vom. Waldvöglein (Nr. 5: »flqs VogleiQ hat ein schönes Loos im Wald«) ; ganz reizend ist die Steile: »Husch! i&Vs im l%kirlu drip«. Wie in den Waldliedern Op. <, so machet wU liier ein bewegter »Abschied,' Ni. 6: »Ade, du lieber T^uii.cu\v;iMu; den, lui iirlicbvu Scbluss, aber in viel voJlimUeU'rer Weise, namentlich was Einzelausdruck und HelodJenOuss anbetrifft.

Theobald Babm. Ein merkwürdiges Kttnstlerlebe».

Von. Professor Dr. T. Hutpfhänl!.

i hatte sich bei seineu seluiu. berührten YersudMn. gezogener Messiogröhcea bediunt,, di» siebt am teiohtaslea herstellen und handhaben lii-sseu. Hie ausseiordeqtlioh, UichV). Ansprache dieser Uessiagcokre. überrasobte ibn , uqdi ec> verfertigte deshalb , nachdem, ec die. Riogkjappen. beseitig* balte, sieb, zuerst ein Rohr aus Messing, dann aus SiUwc , NeusiUHJt ii. s. w. Er sagt, dabei iu, .wiiuio) tetoteq Werke.:- »Wen Vlöte«-. bau und das Flötesapiak S. % : »Auf die Klanghcbe oder die. Qualität der Töne halt die, gr.öseer«. oder geringere Härte und Sprödigkeil des MnKuials den meisten Eiaflusg. Ilior.iibtir siud viele Erfahrungen, vorbapdea, denn man haUe Flöten. aus v.ee-, scbiedenen Holzarten,, aw Elfenbein, Kristallglas, Porzellan, Kautschuk, Papier-machd, ja sogs* äug Wachs gemacht. AJJe derartigen Versuche führten jedoch, wieder äug dio. Verwendung sehr harter Holzarten, zurück, bis es: mir gelang, aus Silber und Neusilber Vliite» zu verfertigen , welche nun sei* SO Jahren (dies sagte er im. Jahre, l s" l) mit den Holzflote riva- lisiren, ohne dass die Frage : Welche Flöten sind bossett entscheidend beantwortet werden konnte. Die Silberflöten sind jedenfalls wegen der grossen Modulalionsfähigkeil ihrer äusserst hellklingenden und' sonoren Töne vorzüglich, zum. Spiele in grossen Räumen geeignet. Da sie aber gerade, wegen, ihrer ungemein leichten Ansprache sehr häufig überblasen, werden, wodurch der Klang der Töne lurt und* schreiend wird, so können ihre Vorlage, nur bßi einem, sebr, guten Ansätze und -m-KWiigeq.TonsHium zur vnl)en,GeUung gelangen. Aue diesem, Grunde werden auqb. l^olzflölen, nach nteinpin System ge- mac.nl:, welche dem. Ansalze, der, meisten, l;lplenspiele,r besser. eqtsprechen und wegen des. vo||e.n uml angenehmen Kjapges der Töne namenlljph, in peutechjand. bevorzugt werden. In England) bat man, sieb jedoch beinahe durchaus für die Silber- flöt£. entschieden.*.

So schreibt Rudj«ll &, Kose i. Septemb,er. : »Es ist nicht der geripgste Zweifel, über, den grosseq Vorzug Ihrer, MeUlulöto gegen jede aqd.pip.. In der T,bal, man glßubt, dass es.. kein, anderes Blasinslfumeolgiebt, w.elches. so viele Vorzüge besitzt,« und. der FJöteavirluose Georg Rudaij, schreibt, zur selben Zeit,: »Icb,,l)abe ip vielpn Gesellschaften, gespie,H und, Ihr,e MetallQoto bat lii-i Jedem, Bewunderung und Entzücken erregt, Al|e riefep, aus : es gehe, über ihre Begriffe., dass d.js Fl»le,, zu solch einer. Vollendung gebracht wei^P» kqpnte.«, Sq. lje.gen, pulnepds YflH,

Briefe« vor aus allen Ländern, welche ihr Entzücken uUr di* Metalldüte aussprecben.

Nun, kam, di» gross» bwiustrie-AussleUung aJler Völker in London — sie war die erste grossartigste in ihrer Aus- und Durchführung in London, soctaua auch in Bezug auf die Tb*il- uahme aller Völker der Erde. Unter den musikalischen Instrumenten, die uns hier aitein interessiren, sind es vorzüglich d«t Flöteu. Zu den. interessantesten der Ausstelluug verzeichne« wir eine neue StlberQöte von, Böhm mit Deckelklappen, cui Piccolo und eia. Obo« nach demselben System.

Die älteste und berühmteste Klötenfabrik Englands UudaJl & Rose hatte gleichfalls Flöten nach Böbm's System ausgestellt und erhielt die PveisoMdAillB für Verfertigung dieser ?löte. Daneben erwähne» wir »och die verbesserte Patentflöte von dem berühmten Flötisten Garte, dann die PalentQöte des berühmten Flötenspielers Clinton. Auch er benutzte die [Mansche Stellung der Grifflöcher . versuchte aber einen Mechanismus, der es möglich machen sollte, das gewöhnliche GrifTsystem der allen Flöte beizubehalten.

Es waren da natürlich Flöten aus den verschiedensten Ländern zu sehen. Aus Frankreich finden wir Godefroy mit der Böhm'schen Flöte, auch Berlon in Paris hatte eine Flöte nach dem Böhm'schen Princip gebracht. Dazu kam noch Tulon mit seiner sogenannten verbesserten Böhm'schen Flöte. Aus Nordamerika finden wir Pfaif aus Philadelphia. Aus dem Zollverein fanden sich Flöten von Essen, Neukirchep, Klingenthal, Mainz, ferner aus der Schweiz, auch Dänemark.

Die Ausstellung-Jury bestand aus: Sir H. Dr. Bishop, Professor der Musik an der Universität in Oxford als Vorsitzender. Dazu kamen Sterndale Bennet, Professor an der kgl. Akademie der Musik in London, Hector Berlioz aus Frankreich, Dr. Robert Black aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Ritter Sigismund Neukomm aus Deutschland, Cyprian Potter, Vorstand der kgl. Akademie der Musik; dann meine Wenigkeit, der Biograph Böhm's zugleich als vereinsländischer Juror, ferner Sir Georg Smart, Organist und Componist an der kgl. Kapelle, Sigismund Thalberg, Dr. Henry Wylde, Professor an der kgl. Akademie der Musik.

Die Flöte Böhm's erregte das grösste Aufsehen, das grösste Interesse aller Musiker und sie erhielt auch nach der genaueslen, lange dauernden, bis ins kleinste Detail sich erstreckenden Prüfung einstimmig den ersten Preis, die grosse Preismedaille.*)

Die (flöte Böhm's wurde nun in den., meisten bändern.und am meisten in Nordamerika, fabricirt, allein die Flöten aus der Fabrik Böhm's und Mendler's in München.sind in Bezjehuqg auf Vollendung dennoch nicht erreicht worden. Die besten Flöten nach Böhm's System wurden in London durch Rudall &. Rose, in, Paris durch Godefroy & Lot gemacht« und in aller Herren Ländern verbreitet»

Eine grossartige Imitation der Londoner Ausstellung war, die Industrie-Ausstellung iq, Paris im Jahre 4855. Böbm.hatte zu seiner Silberflöle eiqe Holzflöte und Modelle , Hechnungen und Zeichnungen, ein Schema zur Bestimmung der Maasse für Flöten jeder Stimmung auf mechanischem oder graphischem Wege gebracht. In Paris und deshalb auch in Frankreich war die Böhm'sche Flöte schon zum musikalischen Gemeingut geworden. Die Jury erkannte Böhm einstimmig den ersten Preis, nämlich die goldene Ehrenmedaille, und der Präsident der Pariser Ausslellungs-Commission, Prinz Napoleon Booaparte, hatte sich, bei der Erlheilung der Preise noch in besonders bewuq- dernder Weise über Böhm ausgesprochen. Ein Berichterstatter sagt: Soo Altesse Imperiale a termine sä XVIII* visite par le

  • ) Amtlicher Bericht über die Industrie-Ausstellung aller Völker, in,London in> Jahre l-v", l von der Berichterstattungs-Coromission der deutschen Zollvereins - Regierungen Bd. I, S. 883 und 994 bis »35.

17* class« Fabricatioa des Instruments de Musique und erklärte : »Si la France, qu» occupe incootestablement le premier raog pour la fabricalion des Instruments de Musique, pouvait redouter un concurranl, ce serait la Baviere avec ses inslru- meats ;i vent en bois. Daus celte classe l'Etranger n'avait qu'un seul nom qu'il put opposer k la France, luais ce nuin esl uiic a utorite et uae puissance. Nous voulong parier de Mr. Boehm de Muuich. Artiste, iavenleur, fabricanl Mr. Boebm a porte toutes les parties de son art ä la plus haute de perfec- tiuii ; il a donne soo Dom a un Systeme nouveau, applique ä la llüte. U a fiivim; ä l'Exposilion deux modeles, Tun en metal, l'autr« ea bois, qui lui aal valii la graode medaille d'hon- iiL'ur.. *,. Der Prinz erklärt dann weiter und mit vollster Bewunderung: Sein Name ist eine Autorität und eine Macht.

Der Bericht des Präsidenten der französischen Jury, des Direc- tors des Conservatoriums der Musik in Wien, Joseph Helmesber- ger, spricht sich in derselben Weise und zugleich als Deutscher aus. ") »Der Verfasser dieser Zeilen kann es sich beim Schlüsse seines Berichtes über die XXVII. Klasse Dicht versagen, dem bei der Pariser Ausstellung vertretenen deutschen Streben und Schaffen noch ein freudiges »Hoch« auszubringen durch einige Worte über die Fabrication von Holz-Blasinstrumenten, welche zugleich den Schlussstein dieser Besprechung bilden. Wir Buden hier eine herzliche Anerkennung für den deutschen Mann, den Reformator der Flöte, füc den berühmte D Meiste r Böhm in München, dem einstimmig die Auszeichnung der grosseo Ehren-Medaille zuerkannt wurde. Das vortreffliche, ja unschätzbare System des genialen Künstlers, welches von der Flöte nunmehr auf alle anderen Blasinstrumente übergebt, muss als wahrer Fortschritt im Gebiete der Musikinstrumenten-Fabrication betrachtet werden und wird ohne Zweifel mit der Zeit die allgemeinste Verbreitung finden. Möge sich der geschätzte Meister für die Schwerfälligkeit, welche sich bisher der allgemeinen Annahme seines Systems hemmend entgegen stellte, durch die wohlverdiente Anerkennung, welche demselben bei Gelegenheil der Ausstellungen zu London, München und neuerdings zu Paris einstimmig zu Theil geworden und durch das Bewusstsein entschädigt und belohnt finden, sieb in der Geschichte der Entwicklung der Musikinstrumente einen bleibenden und ausgezeichneten Namen gesichert zu haben t a

Dies Alles stand auf dem Papier und wurde vielleicht unter tausend Musikern höchstens von einem gelesen. Was das musikalische Frankreich und Nordamerika, ja selbst die Pariser Akademie in Bewegung setzte, exislirte für das musikalische Deutschland so viel wie gar nicht. Ja selbst bei der Industrie- Ausstellung in Wien im Jahre (873 war das musikalische Wien allerdings überzeugt, dass die Zukunft der Böhm'scben Flöte angehöre. »Die Gegenwart gehört Böhm schon längst an, ganz Frankreich, England, Belgien und grössteqtheils Deutschland, Italien und Amerika. Bei uns hängt man noch treu an unserm Ziegler, das ist Ziegler's und seines Vaters Verdienst, dass die alte Wiener Flöte noch in ganz Wien ausschliesslich herrscht.«***) Indessen ist bereits eine sehr grosse Anzahl Flöten aus der Fabrijf. von Böhm nach Wien und allen Ländern Oesterrcichs geliefert worden, namentlich an Dilettanten.

Von nun au gab es in Frankreich keine Fabrik musikalischer Instrumente mehr, in, welcher man unten ihren Instrumenten

  • ) Visite de S. A. I. l« Prince Napoleon aux Prodult* colleclifs des Natioos qui ont pris part ä l'Exposilion de 185r>.
    • ) Amtlicher Bericht über die allgemeine Pariser Industrie- Ausstellung im Jahre 1855 elc. durch Dr. G. von Viebabn und Dr. Schubartb. Berlin 4888, 8. «87.
      • ) Internutiundle Ausstellung*-Zeitung. Beilage der Neuen Wien« Pwsse, Wien, DonneraUg den lt. August 4873 Nr. .11.11. Feuilleton.

nicht der Böhm'schen Flöte ihren Pfalz anwies. Neben dem allen berühmten Fabrikpreis von Godefroy & Lot finden wir z. B. in Paris Desnoyers, Thulart & Cie. mit Klütes de Boebm um Hii Francs, Neusilber 90 Frcs., Petite Flute Boehm gren- dille 90 Frcs., Neusilber 60 Frcs., Clarineltes Boehm nou- veaux System 145 Frcs., bis heute zu 4iO, 435, 430 Frcs. Sogar in den Dörfern Cuture und Jury-la-Bataille, beide im Departement d'Eure, nordwestlich von Paris, hat die Instrumen- len-Fabrik Tbibouville & Herouard eine Flute Boehm mit < 1 Klappen ausgeschrieben, und Noblet & Thibouville in Jury- la-Bataille an der Eure haben Clarinetten nach Böhm von 460 bis SOO'Franken und Böbm'sche Flöten zu 450 und aus Neusilber zu 95 Mark in ihren Katalogen.

Die ausgezeichnete berühmteste Fabrik Böhm'scher Flöten in England war die alle Fabrik Kudall & Rose in London. Die Fabrik hat sich ein Patent erworben und verkaufte ihre Böhm'schen Flöten vollendet in Eluis mit allen nölliigeo Zugaben aus Cocos-Holz mit Silberklappen um 48 £ 48 sh. In Silber die Cylinderflöte um i6 £ 5 sh., in Neusilber, silberplatlirt, um 4 8 £ 4 8 sh. Wer eine geschlossene 0u-Klappe dazu haben will, zahlt 4 £ 4 sh. mehr, ebenso wer die Bricerol'sche ömoll- Klappe an der obigen Flöte angebracht haben will.

Die ausgebreitete Fabrication Böbm'scber Flöten ist in- desseu in Nordamerika. Tausende (darunter die Allerbesten) blasen die Böhm'sche neu verbesserte Flöte. Durch sie ist die Flöte ein geachtetes Instrument geworden, gerade wie in England , Frankreich und Belgien ausscbliesslich die Böbm'scbe Flöte geblasen wird.

Bühm's Verbesserungen an dir Hoboe. Seine Alt-Flöte, Böhm wandle endlich sein System auf alle Holz-Blasinstrumente mit Grifflöchern an. So hatte er für den ersten Oboisten seiner Zeit, Lavigue, an der italienischen Oper in London, eine Hoboe, für den ersten Fagottbläser an der italienischen Oper in Paris ein Fagott nach seinem System verfertigt. Auch diese Instrumente fanden Beifall trotz des hohen Preises und des neuen Griffsystems. Die berühmte Fabrik Triebert & Cie. baute Hoboen nach Böum's System. Nach einem Preis-Courant vom 7. März 1857 kostet eine solche Hoboe ins a herab steigend mit Silberklappen etc. in Etuis 600 Frcs.

Eine neue Schöpfung Böhm's ist seine AI t flöte (in der Londoner Ausstellung hatte sie noch den Namen Flute d'amour). Er hatte seiner Flöte auf Verlangen noch einen sogenannten ff-Fuss beigegeben; allein tiefer zu geben hielt er nicht für zweckmässig; denn die Töne verlieren hier, je tiefer sie gehen, Mark und Klang.

Mil der Zeit überwand er auch dieses Hinderniss. Scnon im Jahre 4847 halle er Rohre conslruirl, welche das kleine /mit derselben Leichtigkeit und derselben Kraft angaben, wie die hoben Flötenlöne; allein das Griffsystem wurde, da die Grifflöcher in der längereu G-Flöle weiter auseinander lagen, schwieriger, die Finger ermüdeten leicht bei der grossen Spannweite. Biihin blieb deshalb beim kleinen g stehen. Hier ist' die Flöte trotz ihrer Länge noch verbältaissrnSssig leicht zu behandeln. Die G-Flöle ist 820' Millimeter lang und oben 26mm weit, während die C-Flöle Pariser Slimmung 620 mm lang und oben 4 9 mm weit isti Die unteren Grifflöcher haben T4 mm im Durchmesser. Böhm nannle seine Flöle nun mit vollem Rechte Allflöte. Das Griffsystem bleibt dasselbe wie auf der Böhm'scben c-Flöte. Die dem Grundtone C sieben nächsten Töne sprechen ebenso leichl und sicher an, wie auf der Böhm'schen e-Flöle, so dass sich für den Spieler keinerlei Schwierigkeilen bielen. Dabei sind diese liefen Töne wunderbar schön und lassen sich zu einer überraschenden Stärke anschwellen, wodurch die Allflöle ebenso gut in den grösslen Räumen wie im Salon eine merkwürdige Wirkung hervorbringt.

Von dieser Zeit an beschränkte Böhm seine Reiselust und beschäftigte sich hauptsächlich mit Unterricht. In seinen Mussp- siunden componirte und publicirle er hie und da eine seiner Connposiliunen, die überall die vollste Anerkennung fanden und sehr gesucht sind, namentlich in Nordamerika.

Dabei lag ihm die Vervollkommnung seiner Flöle fort und fort vor Augen. Hit der Substituirung eines Kopfstückes aus Cocosholz statt des metallenen auf seiner Metallflöte hielt der 78jährige Mann seine Lebensaufgabe für gelost. Durch dieses Kopfstück erhielt die Metallflöte auch in den höchsten Tönen das charakteristisch Milde des Klölentones ohne Nachlheil der leichten Ansprache und der brillanten Kraft der Metallflöle.

Carle in London. Btthm's Urlheil Über die an seiner Flbte vorgenommenen Verbesserungen.

Die neue Flöte erhielt hie und da, wie wir bereits gehört, sogenannte Verbesserungen, niemals wurde jedoch das eigentliche Wesen der Böhm'schen Erfindung — die Dimensionen des Flötenrohres, die Stellung der Grifflöcher an ihrem akustisch bestimmten Platze — auch nur im Mindesten angetastet, es war immer nur ein secur.dürcr Theil der Böhm'schen Flöte, die Stellung einer Klappe, hie und da die Anbringung einer Zusatzklappe, eine geschlossene anstatt der olTenen als Verbesserung angegeben, eine Veränderung, die theils aus der Liebhaberei oder Angewöhnung irgend einer Fingerbewegung, oft auch aus der Sucht hervorgegangen war, etwas Neues als eine sogenannte Verbesserung an dem berühmten Instrumente anzubringen. So die grossen Flötisten Coche, Dorus; auch Giulio Briccialdi, welch letzterer unbestritten der grösste Virtuose auf seinem Instrumente war.

Die ganze Verbesserung drehte sich eigentlich um eine einzige Klappe, die sogenannte 0u-Klappe. Böhm hielt alle seine Klappen offen, so dass alle Finger dieselbe Bewegung, die des Niederdrückens der Klappen, auszuführen hallen. Mit dieser sogenannten Verbesserung wird die Böhm'sche Flöte in Frankreich noch immer in die Welt geschickt. Es war der bereits oben Sp. SO i besprochene R. Garte, damals der grösste Flötist Englands, der selbst ein Patent auf eine durch ihn verbesserte Flöte besass, und trotzdem die Böhm'sche Flöte mit Leidenschaft ergriff, der Böhm's System geistig durchdrungen hatte, wie keiner seiner Collegen. Er schrieb ein oft aufgelegtes Werk : *) »Ein vollständiger Cursus von Instructionen für die Böhm-Flöte mit offener oder geschlossener Gu-Klappe mil einem Vorbericbte.a Dieser Vorbericht enthielt eine Analyse der Böhm-Flöte und der alten achtklappigen Flöte , mit einer Vergleichung der beiden Flöten, um den Flötenbläser in den Stand zu setzen, selbst ein Ortheil über die relativen Verdienste beider Flöten zu fallen. Es ist wohl das beste Werk, welches überhaupt über die Böhm'sche Flöte geschrieben worden ist — ebenso steht die Analyse der Böhm'schen Flöte einzig in ihrer Art da. In dieser Analyse vertheidigl er das Böhm'scbe Klappensystem als ein aus einem einzigen Gusse hervorgegangenes Klappen- und Griffsyslem. Er sagt sehr treffend : »Bei der einzigen geschlossenen jis-Klappe ist eine doppelte Thäligkeit des Fingers nolhwendig. Wie irrationell ist ein System, dem Bizarrismus des GrifTsystems der allen Klöte entnommen , wo einer oder mehrere Finger sich über den Grifflöchern erheben, der

  • ) A complele Course of Instruclions for thc Bochm Flute (Bolh thc open and thc closcd G keycd Flute), ücsignctl äs well for Be- ginners äs for thosc acquainted witli the old Flute; and prccedeil by an analysis of thc Bochm Flute and thc old eigbt-keyed Flute. Willi a comparison between thcn, lo cnable the Fiutc-playsc to judge o( Iheir relative mcrcts by R. Garte. London. Addison and Hodson SM0 Rogentstrccl and «7 King Williams Street. Price (0 Shillings 6 Veiten. 4846. (Die erste Auflage von »845 ist oben Sp. 50« angeführt und besprochen.,

andere Finger aber die Klappe drücken muss. In der zweiten Octave wird diese Griffart noch complicirter und kann höchstens kaum an dem entschuldigt werden, der sich von der allen Gewohnheit in keiner Weise losmachen kann.«

Böhm sagt: »Wenn es möglich wöre, eine Klappe für dieses gü zu machen, ohne das ganze Griffsystem zu verwirren, ich würde kein Wort dagegen sagen ; da jedoch dies nicht thunlicb ist, und da für den Anfänger nicht die geringste Schwierigkeit im Gebrauche der offenen jis-Klappe entsteht und bei dem ans alte System gewöhnten Flötenspieler nur kurze Zeit noth- wendig ist, um sich in mein System hinein zu finden, so würde ich nie die gegen mein System geschlossene yis-Klappe billigen. Ich wollte i.IÜm" , mein System zu studiren ohne alle Aende- rung, und ich bin versichert, dass ein Jeder in kurzer Zeit erfreut sein wird, meinem Rath gefolgt zu haben, und ich bin überzeugt, dass die französischen Spieler mit der geschlossenen (/«-Klappe nie die Vollendung in ihrem Spiele erreichen werden, als die Deutschen, welche mein System seit langer Zeit befolgen, z. B. Stettmair in Hechingen.« (Fortsetzung folgt.)

Die Tonkünstler-Versammlung des Allgemeiden deutschen Musik-Vereins

vom 8. bis 12. Juli 1882.

Zum ersten Male seil seinem 23jährigen Bestehen hielt der Allgemeine deutsche Musik-Verein diesen Sommer Einkehr in der Schweiz und feierte während der Tage des 8. bis <2. Juli in Zürich das Fest der sogenannten Tonkünstler-Versammlung. Dass man in der kunslsinnigen Stadt, welche sich von je her durch treffliche Organisation wie glänzende Ausstattung ihrer Feste hervorgethan bat, Alles aufwenden würde, um den Gästen aus Deutschland nicht blos musikalisch Vorzügliches zu bieten, sondern auch einen freundlichen Empfang zu bereiten und die Feiertage so angenehm wie möglich zu gestallen, das stand von vorn herein zu erwarten. An dem mit unerbittlicher Conse- quenz vom grauen Himmel triefenden Regen musste freilich der beste Wille theilweise zu Schanden werden, und es konnte beispielsweise die Festfahrt auf dem See Dienstags den 41. Juli nur unter den obligaten Regenschirmen vollzogen werden. Dem Feuerwerk mit nautischen Spielen und Illumination der Seeufer, welches vom Sonntag auf den nämlichen Dienstag verschoben wurde, lächelte glücklicher Weise ein günstiger Stern. Bei dunkler, windstiller Nacht war der plötzlich aufstrahlende Feuerzauber auf der Wasserfläche von unbeschreiblicher Wirkung und versetzte die Zuschauermassen auf Augenblicke in ein Märchen von Tausend und Deiner Nacht. Je ungünstiger sich übrigens die Witterung gestaltete, desto eifriger wurde musicirl, desto mehr trat die Arbeit, welche das umfangreiche Programm Mitwirkenden wie Zuhörern auferlegte, in ihre vollen Rechte ein. Die Tendenz des Deutschen Musikvereins, Compositionen zeilgenössischer Tonkünstler, besonders seiner Mitglieder zur Aufführung zu bringen, jugendlichen Kräften Gelegenheit zu bieten, ihre Schöpfungen in vorzüglicher Reproduction vor die Oeffentlichkeit zu bringen, hat gewiss seine Berechtigung. Immerhin lässt sich nicht läugnen, dass sich infolge dieser Tendenz neben Bedeutendem, Yoll- werlhigem nicht blos zahlreiches Mittelgut, sondern auch Verfehltes, Unerquickliches in die Programme mit einschmuggelt, und dass das Gönnerthum eine keineswegs unwichtige Rolle dabei spielt. Es wäre daher jedenfalls empfehlenswerlh, wenn man neben dem Modernen, noch Cnerproblen und Problematischen wenigstens ein grösseres älteres Werk zur Aufführung brächte, dessen Kunstwerlb über jeden Zweifel erhaben, dessen unverwelkliche Schönheit dazu angethan wäre, Alte und Junge, Conservalive und Forlschritlsmänner, Classicisten und Zukünftler gleicherweise zu erquicken und den richtigen Maassstab zur Beurlheilung unserer neuzeitlichen Bestrebungen darzubieten. Eine specifisch moderne Färbung erhielt das Programm des Züricher Festes freilich schon durch die Anwesenheit von Franz Liszt, welche die Aufnahme einer grösseren Anzahl seiner Compositionen gewissermaassen bedingte. Dass der persönliche Cullus, welcher mit dem Hanne gelrieben wird , die ehrerbietigen Knixe und verhimmelnden Epitheta, die »dem Meister« eine unzertrennliche Suite spendet, uns nüchternen und demokratischen Schweizern ein Lächeln entlockte, das verslebt sich wohl von selbst. Mit objectivem Behagen betrachtete man das Gebahren dieser Exallirten, welche sich Liszt gleicherweise an die Ferse hängen, wie sie es seinem Freunde Richard Wagner thun, und war weit davon entfernt, den greisen Künstler, dessen untersetzte Gestalt und colossaler Kopf mit dem geistvollen Profil übrigens sofort Aller Aufmerksamkeit auf sich zogen, etwa für die Thorheiten jener Parasiten verantwortlich zu machen oder sich die Freude über seine Gegenwart dadurch vergällen zu lassen. Mag man über Liszt's londichterische Begabung, sowie den Werth der von ihm als Componist vertretenen Richtung denken wie man will, seine Bedeutung als Virtuose, als genialer Vorkämpfer auf dem Gebiet der neuern Ciaviertechnik steht geschichtlich nicht weniger fest, als der aufopferungsvolle Idealismus, das menschlich Edle seiner Persönlichkeit. So gab denn auch seine Anwesenheil bei der Tonkünstler-Versammlung zu Zürich den Aufführungen erhöhten Impuls, und wer hätte dem ergrauten Mann die herzlichen Ovationen, die ihm Seitens der festlich erregten Menge dargebracht wurden, missgönnen wollen l — Wenden wir uns nach diesen einleitenden Bemerkungen, welche sowohl den Standpunkt des Referenten als die Stellung andeuten sollten, die das äusserst zahlreiche Concertauditorium den deutschen Tonkünst- lem und ihrem Koryphäen gegenüber einnahm, zu den musikalischen Thalen der Festwoche, so erhielten die Gäste schon am Empfangsabend, d. h. Samstags den 8. Juli, im Pavillon der Tonballe Gelegenheit, die Qualität der Chor- und Orcbester- kräfle Zürichs kennen zu lernen und sich zu überzeugen, dass die Zeilen längst verrauscht, wo Ed. Hanslick mit einem gewissen Recht schreiben konnte : Die Schweiz, diese Schatzkammer von Naturschönbeiten, sei im Vergleich zu ihren europäischen Nacbbaren ein höchst tonarmes Land. Während das Tonballenorchester unter Lothar Kempter's Direction den instrumentalen Tbeil des Abends bestritt, halten sich die beiden Zürcheriscben Männergesangvereine »Harmonie« und » Männerchor «, über 100 Mann stark , zum Vortrag einer Anzahl Lieder vereinigt. Sämmtlicbe Nummern wurden mit grosser Präcision, namentlich schöner dynamischer Nüancirung gesungen. Einen durchschlagenden Erfolg errangen Attenbofer's »!'<i/e carissima" und das köstlich humoristische »Rothhaarig ist mein Schätzelein«, ferner Rob. Schumann's »Sonntags am Rhein« für Männercbor sehr glücklich arrangirt von Gust. Weber. Alle drei mussten wiederholt werden. Aber auch die Orchesterproductionen fanden warmen Beifall, den meisten die reizend instrumenlirte Orchestersuite »Sylvia« von Delibes, ferner Rakozymarsch und Sylpbentanz aus »Faust« von Hector Berlioz. Letztere Nummer, ein Cabinelstück geislvoller Tonmalerei, wurde stürmisch da capo verlangt. — Das erste Concert begann Sonntags den 9. Juli Nachmittags 4 Uhr im grossen Tonballensaal, nachdem am Morgen die Hauptprobe vorangegangen, und brachte Liszt's Oratorium »Die heilige Elisabeth«. Die Chöre wurden vom Gemischten Chor Zürich und dem Sängerverein »Harmonie« ausgeführt. Das Tonhalleorchester hatte man durch Zuzug von 30 Mitgliedern der königl. Hofkapelle in Stuttgart und einigen

aus Karlsruhe auf circa 85 Mann verstärkt. Die Leitung lag in den Händen des Herrn Kapellmeisters Fritz Hegar, welcher, um dies gleich hier zu sagen, Sämmtlicbe Chor- und Orchesler- werke des Programms mit unermüdlicher Ausdauer vorbereitet balle und seine schwierige Aufgabe in vorzüglicher Weise löste. Liszt's Oratorium enthält neben musikalisch dürftigen und namentlich zu weit ausgeführten Partien viel Ansprechendes, trifft den Ton der dramatisirten Legende glücklich und zeichnet sich durch ein reich abgestuftes Orcuestercolorit aus. So ist, um nur zwei Beispiele zu erwähnen , die Harfenbegleitung bei der Illustration des Rosenwunders von magischem Effect und in der »Elisabeth« betitelten Scene, wo die Verstossene ihr Gebel zu den Sternen sendet, umspielt das Solovioloncell gleich einer tröstlichen Stimme von Oben den Gesang der frommen Dulderin. Der musikalische Höhepunkt des Oratoriums scheint uns übrigens in dem dritten Abschnitt zu liegen, wo die Kreuzfahrer auftreten. Den Fanatismus derselben hat Liszt vortrefflich wiedergegeben, und der Marsch der Gottesstreiler mit seiner Mischung von trotziger Kühnheit und demütbiger Entsagung ist ein Glanzstück. Schade nur, dass gerade hier die übermässige Länge die Wirkung abstumpft und den Hörer ermüdet l — Mit dem Cbor wetteiferten die Solisten, um alle Vorzüge der Tondichtung ins günstigste Licht zu setzen. Fräulein Marie Breidensteiu aus Erfurt verkörperte die rührende Gestalt Elisabeth's nicht weniger vorzüglich denn die Altistin Fräul. Luise Schärmack aus Weimar die herzlose Landgräfin Sophie, die gewissermaassen das böse Princip des Dramas bildet, Herr Joseph Staudigl aus Karlsruhe glänzte als ungarischer Magnal und Landgraf Ludwig mit seinen prachtvollen Stiinm- milteln, wobei nur der eigentbümlicb süddeutsche Accent unser Ohr etwas slörte. Schön vertrat Herr Joseph Burgmeier aus Aarau die Rollen des Seneschals und des Kaisers Friedrich. Auch die kleineren Partien waren in den Händen der Zürcne- rinnen Frau Sutor-Weber, Frau Hegar-Volkan und des Herrn F. Fiirrer wohl aufgehoben.

(Fortsetzung folgt.)

Nachrichten und Bemerkungen.

  1. Aas Revil wird geschrieben: Ein neues »Perpetuum mobile« für die Geige von Ferd. Hiller erregt in den hiesigen Symphonie-Concerten kein geringes Aufseben. Der hier concerti- rende wohlrcnommirte Geigenkünstler, Concertmeister Otto Hohlfeld, brachte die originelle Composition mit eminenter Meisterschaft zu Gehör, und der Erfolg war ein stürmischer, dass er sie nicht allein noch ein zweites Mal spielen, sondern auch in dem folgenden Concert wiederholen musste. Publikum und Kritik stellen dies Hiller'- sche Perpetuum mobile in Bezug auf Charakteristik und musikalischen Werth über das gleichnamige Paganini'sche Virtuosenstuck, ao überraschenden, blendenden Effecten jenem mindestens gleich. Der bekannte Musiker und Schriftsteller H. Stiehl nennt es in der Revale? Zeitung »ein schwieriges, doch dankbares und interessantes Stück. das beute noch wenig bekannt, wohl bald die Concertprogrammj lieren, in erster Linie von Hohlfeld auf seiner Tournee durch Russland und Deutschland dem Publikum vorgeführt werden wird.

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J. Rieter-Biedermann.

14541 Bekanntmachung.

Durch den Abgang des Canlors an der hiesigen evangelischen Hauptkirchc zu St. Marien, Herrn Odenwald, wird vom 4.Octobercr. ab die Cantorstellc an der genannten Kirche vacanl.

Das Einkommen der Stelle betragt incl. des Werths der freien Wohnung von 434 Jt 98 ty circa 4461 .* 86 jp, wovon jedoch nur 649 Jl 88 fy feste Bezüge sind. Die Höhe der Summe, welche dem Gewählten zur Haltung des Kirchenchors zur Disposition gestellt werden wird, soll nach erfolgler Wahl bestimmt werden. Beim Vorhandensein der erforderlichen pädagogischen und didaclischen Begabung wird dem Gewählten ferner der Gesangunlerricht an dem hiesigen städtischen Kcalgymnasium gegen eine Uilirliche Remuneration von 450 Jl übertragen.

Qualificirtc Bewerber wollen sich unter Erreichung ihrer Zeugnisse und eines kurzen l.cbenslaufs bis zum 4. September er. bei dem unterzeichneten Magistrat melden.

Elbing, den 16. Juli 4881.

Der Magistrat, gez. Tlioniale.

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J. Kiefer-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Ausgewählte

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für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

(Fortsetzung.)

Ufe HUIer, Ferd., Abendsegen : »0 lichte Glulh l o goldner Strahl,«

von H. Steinheuer. Op. 85. No. 4 4,00

Holstein, Fr. r., Auszug: »Blas, blas, blas und blas, Trom- peter, blas das Lied,« von Aug. Becker. Op. 48. No. 4. . . 0,50

Vom langen Jörg: »Der lange Jörg stund immer vorn,«

von Aug. Becker. Op. 4t. No. l 4,00

Lustiges Reiterleben: »Holiah, hei l welch lustig Reiterleben hat der Herrgott uns dereinst gegeben l« von Aug. Becker. Op. 43. No. S 0,50

Der Trompeter bei Mühlberg: »Bei Mtthlberg hatten wir

harten Stand,« von Aug. Becker. Op. 48. No. 4 0,80

Das gefeite Hemd: »Am Christnachtabend sass mein

jüngstes Schwestcrlein,« von Aug. Becker. Op. 48. No. 5. . 0,50

Hart

Holstein, Fr. T., Am Bach : »Rausche, rausche, froher Bach,« von Fr.Oter. Op. 46. No. t 0,50

Jagerlied: »Zierlich isl des Vogels Tritt im Schnee,« von

£. llonke. Op. 46. No. l 0,50

Winlerlied: »Geduld, da kleine Knospe« von K. v. l'latcn.

Op. 46. No. 8 0,50

Als ich weg ging: »Du brachl'st mich noch bis auf den

Berg,« von Klaus Grotk. Op. 46. No. 4 0,50

Komme bald!: »Immer leiser wird mein Schlummer,«

H. Lingg. Op. 46. No. S 0,50

Waldfraulein: »Am rauschenden Waldessaume da steht

ein finsterer Thurm,« von W. Hertz. Op. 10. No. 4 . . . 0,80

Wenn etwas leise in dir spricht, von H. Lingg. Op. 10.

No. 0,««

Im FrUhling: »Blttthenschnee weht durch die Lande;«

vom Componisten. Op. 10. No. 8 0,80

Ich wohn' in meiner Liebsten Brust, von Fr. Rucker l.

Op. 10. No. 4 0,80

Sagt mir nichts vom Paradiese, von Fr. Rückerl. Op. 10.

No. 5 . 0,50

Gieb den Kuss mir nur heule, von Fr. Rückerl. Op. 10.

No. 6 0,80

Zur Mandoline: »Schüchtern bricht das nScbt'ge Schweigen diese Mandolinenweise,« von l Scholl. Op. 88. No. 4 . 0,80

Trennung: »Wild saust der Winter durch die Nachtl«

von W. Ollerwald. Op. 8. No. l 0,80

Abends: »Leise sinktauf Berg und Thal Abenddufl hernieder,« von Julius Altmann. Op. 88. No. 8 0,50

Wandergrusse: »Gott grüss'dich, ruft die Lerche«, von

Julius Allmann. Op. 83. No. 4 0,80

Auf Ponte molle: »0 Ponte molle, du treffliche Brück«,

aus J. V. Scheffel'i Trompeter von Sakkingen. Op. 33. No. 5 . 4,00 Homgteln, B. T., Grillen: »Es ist ein Elfchen leicht und klein,«

ungenannter Dichter. Op. 6. No. l 0,80

Jengen, Ad., Letzter Wunsch: »Mein Schatz will Hochzeit hal- ten,« von W. Hertz. Op. 44. No. 4 0,50

Fernsicht: »Auf des Berges höchstem Scheitel steh' ich

allezeit so gerne,« von l! . Hertz. Op. 44. No. l .... 4,00

Mein Herz: »Mein Herz ist ein stiller Tempel,« von H".

Hertz. Op. 44. No. 8 0,50

Mein Engel hüte dein: »Und willst du von mir scheiden,

mein herzgeliebter Knab',« von W.Hertz. Op. 44. No. 4 . . 0,80

Sternbotschaft: »Ich sass in finstrer Trauer, mir war das

Herz so schwer,« von W. Hertz. Op. 4 4. No. S 0,80

Lied der verlassenen Liebe: »Lieblos isl mein Lieb geworden, war mir treu doch manchen Tag,« von W.Hertz. Op. 44.

No. 6 0,80

Kränge, E., Sei getreu bis in den Tod; ungenannter Dichter.

Op. 40. No. 8 0,80

l.cii. Ih im.. Der letzte Grass: »Ich kam vom Walde hernieder,« von J. v. Eichendorff. Op.l. No. 6. Für hohe Stimme 0,80

Dasselbe. Ausgabe fiir tiefe Stimme 0,80

Methfeggel, E., Wunsch: »Ich wollt', ich war' ein Vogel,« von

K. M. Oettingtr. Op. 43. No. 8 0,50

Reinecke, C., Bei den Bienenstöcken im Garten; von 0. Bo- yuette. Op. 59. No. 4 4,00

0 wie wunderschön ist die Frühlingszeit: »Wenn der

Frühling auf die Berge steigt,« von Fr. Bodemtedl. Op. 59.

No. l 4,»»

Die Nachtigallen: »Möcht' wissen, was sie schlagen so

schön bei der Nacht,« von J. v. Eichendorff'. Op. 59. No. 3 . 0,80

TiuiliiTl, \ViIh., Abeodlied: »Es ist so still geworden, ver- rauscht des Abends Weh'n,« von G. Kinkel. Op. 454. No. 4 . 0,50

Wettig, C., Liebeslrost: »Lass dich immer nur verhöhnen, Liebe kennet keinen Spott;« von Hoffmann von Fallersleben. Op. 18. No. 4 0,50

Wiegenlied : »Schliessc, mein Kind, die Aeuglein zu,« von

Alb. Träger. Op. 13. No. 5 0,80

Abendlied: »Nun ist die Sonne untergangen im rosen-

rothen Schein,« von I.uise Ollo. Op. 13. No. * 0,50

Willliicr, Fr.. Brgullein meiner Seele; nach dem Spanischen von Paul !!:; Op. 5. No. l 0,80

Ueber allen Gipfeln ist Ruh'; von W. Goethe; Op. 5. No.3 0,50

Um Mitternacht: »Nun ruht und schlummert Alles,« von

Jul. von Rodenberg. Op. 5. No. 5 0,80

Wenn der Frühling auf die Berge steigt; nach Itirza

Schaff» von Fr. Bodenstedt. Op. 8. No. 4 0,8»

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Brcilkopf <& Härte! in Leipzig. Expedition : Lelpilir, Am Rabensleinplalz 1. — Redaclion: Bergedorf bei Hamburg.

Di« Aiip.i,,,-,,- HDKikali8C.il /. iituu: trftcheint rege)m«UbiR an jedem Mittwoch und int durch alle Fosttnitflr und Bucb-

j..i .i'l, n i'i ' ü IB l>;:^,19bull.

Allgemeine

Preli: Jttrlic« 18 Mk. VierieljUirlicbt Prinnm. 4 Mk. 50 Pf. Anzeigen : die gespalten* Petitzeile oder daran Kaum 30 PC Briefe and Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 23. August 1882.

Nr. 34.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercomposilionen. (Fortsetzung.) — Theobald Bölim. Ein merkwürdiges KunstlerlebeD. (Fortsetzung.) — Die Toükünsller-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins vom 8. bis 41. Juli (88S. (Fortsetzung.) — Anzeiger.

Franz von Holstein. Seine Lledercompositlonen.

I. Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

(Fortsetzung.)

In der nun folgenden Periode seines Schaffens hat der Com- ponist die Stufe der Meisterschaft erreicht; reizvolle Gaben musikalischer Lyrik sind es, die von jetzt ab bis zum Schwanen- liede des Künstlers durch charakteristische Ausprägung und eine Fülle edler Klangschönheit unser Ohr und Herz fesseln. In der Zahl folgt zunächst

Op. 10. riif Lieder. Leipzig, Bartholf Senff. Prüf 2. 50. der einst in Leipzig hochgeschätzten Sängerin Livia Frege geb. Gerhard*) gewidmet und durch die vortreffliche Stimmungs- malerei ihrer würdig. Nr. l (Nun die Schatten dunkeln« Tod Km. Geibel) wiegt sich im Wohllaute innig sich hingebender Liebessebnsucbt. Das zweite Lied (Am Strande : »Am Himmel ziehn die Wolken«) gewährt uns einen Blick in die umdüsterte Menschenseele im Spiegelbilde der stürmisch erregten See ; aber so gesund-kräftig ist die Färbung der Musik, dass sie die sentimentalen Stellen der Dichtung für das Gefühl des Hörers wohl- thuend verdeckt. In leidenschaftlicher Bewegung, dabei in schöner Formung schildert Nr. 3 (»Ich fahr dahin, mein Leben« von 0. Roquelle) die Bangigkeit und den Schmerz des Schei- dens vom lieben llerzensschatz. Der «Abendgang« (Nr. i: »Wenn ich an deiner Seite im Abendscheine geh«, Gedicht von J. C. v. Zedlitz) feiert in schwärmerischem Drange die Wonne und Glückseligkeit der Liebe. Das letzte Lied (»Sorgenvolle, wetterschwüle Mädchenstirne, geh zur Ruh«), das wegen seiner rhythmischen Schwierigkelten Uebung erfordert,**) lässt im Ciavierpart die Unruhe des klopfenden Mädchenherzens nachklingen , während die Gesangsstimme besänftigende Tröstung einflösst, die schliesslicb, mild austönend, den Sieg erlangt.

Erst nach dem Tode des Künstlers erschienen als Nr. 8 der nachgelassenen Werke

EatiigMgslieder. Op. 11. Leipzig, Breitkopf & Härtel.

Pr. Jl 2. 25.

Wie der Titel schon andeutet, sind sie alle in scbwermüthigem Tone gebalten, das erste (»Verbleibst ihm dennoch hold gesinnt«) mehr in Mendelssohn'schem Geiste. Nr. S und 3 (»Ich glaubte, die Schwalbe träumte schon vom theuren Nest« und

  • ) geb. (8(8 zu Gern, lebt als Gattin des Prof. Frege zn Leipzig. **) Takt 8—4 erinnert an Op. 4 (Waldlieder), Nr. > (Waldeslust), Takt «Off. und 3Off. XVII.

»Wenn Gott auch mir vergönnte, was er so reichlich dir verlieb l«) bieten einem begabten Sänger Gelegenheit, sein dramatisches Talent durch gute Pbrasirung und reichbelebten Gefühlsausdruck zu erproben. Inbrünstig erschallt der schmerzliche Nothruf des Verlassenen im vierten Lied (»Gott hilf! Gott hilf l im Wasser wächst das Schilf«). Der »Epilog« endlich (»Sie spielt mit Blumen im welken Strauss«) muss rührend auf jedes empfängliche Herz wirken: es ist wie ein ahnungsvolles Ver- mächlniss an die Seinen. Im Ganzen betrachtet, lasse» diese Lieder eine Saite in Holstein's Gemülb erklingen, die uns sonst an ihm fremd ist; deshalb vennutheo wir (in Uebereiastim- mung mit ungefährer Zeitberechnung), dass sie jener trüben Zeit entstammen, von welcher Bulthaupt (S. 31 g. E.) erzählt. Im scharfen Gegensatze zu den letzterwähnten Gesängen stehen die von genialem Hauch durchwehten

Kelterlieder aus August Becker's »Jung Friedel, der Spielmann«, für eine tiefe Stimme. Op. 18. (Herrn Direc- tor Heinrich Behr zugeeignet.) Leipzig und Winterthur, J. Bieter-Biedermann. Pr. jt 2. 50. (Einzelausgabe ä 50, 80, 100 fy.}

Sie sind von dem Componisten mit wahrer Begeisterung für dag poetisch - Bedeutsame de« Kriegerlebens geschrieben, überall mit urwüchsiger Kraft, die selbst an den pathetischen Stellen alle Sentimentalität ausschliessl. Wie ergreifend wirkt z. B. das Lied vom »Trompeter bei Mühlberg« (Nr. i), worin geschildert wird, wie ein Reitersmann aus dem geschlagenen Heere seinen todtwunden Kameraden auf dessen inständiges Bitten erschiesst, um ihn nicht in die Hände der erbarmungslosen Mordfeinde fallen zu lassen. Und wie bedeutend ist das Lied »Vom «äugen Jörg« (Nr. t), dem tapfern Fäbndrich der »schwarzen« Gesellen, dessen todesmulbiger Untergang seine Reiter zur Rache spornt und zum Siege führt. Von unheimlichem Zauber umwoben ist das Sthlusslied Nr. S »DM gefeite UeaBtf« (»Am Christ- nachtabend sass mein jüngstes Schwesterlein«); ia rrki künstlerischer Weise wird hier dem bittersten Schmerz Andruck gegeben, welchen der Bruder um die treue Schwester trägt, die ihre fürsorgliche Liebe mit dem Leben zahlen musste. Sehr charakteristischen Wechsel der Stimmung zeigt Nr. 4 »Auszug« (»Blas, blas, blas und blas, Trompeter, blas dag Lied«): Groll und webmüthige Erinnerung kämpfen im Herzen des jungen Heitersmannes, welchen ungetreue Liebe getrieben hat, der Werbetrompele zu folgen; aber zwischen diesen Gemüths- regungen kommt das kriegerische Selbstgefühl zum Durchbruch. Trotzdem ist das prächtige Lied aus Einem Gusse. Einen reiter- mässigen frischen und fröhlichen Ton endlich schlägt der Com-

ponist in Nr. 3 (»Lustiges Reiterleben«} an: als »Herren der Welt* und »Fürsten von Schwertes Gnaden« fühlen sich die lustigen Gesellen im Bewusstseio blühender Jugendkrafl.

Op. 16. Hut Lieder für eine mittlere Stimme. (Fräulein Pauline Nowack gewidmet.) Leipzig und Wintert hur, J. Bieter-Biedermann. Pr. Jt 1. 80. (Einzelausgabe

ä 50 3jf.}

Die Palme gebührt hier dem schlichten anmuthsvollen »Winterlied« (Nr. 3 : »Geduld , du kleine Knospe, im lieben stillen Wald«). Ihm kommt am nächsten das graziöse »Jägerlied« (Nr. l : »Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee« von Ed. Mö- rike), welches die »Gedanken treuer Liebe« preist. Hunter wie der rauschende Bach, den es zum erweckenden Kusse der noch schlummernden Blumen auffordert, fliesst das erste Lied (»Am Bach«) dahin. Interessant ist die Art und Weise, wie im vierten Lied (Als ich weg ging: »Du bracbt'st mich noch bis auf den Berg bei Sonnenunlergehn«) das träumerische Versunkensein in wehmülhig-liebe Erinnerung veranschaulicht wird. Nr. 5 bebandelt das vielcomponirte »Immer leiser wird mein Schlummer« von H. Lingg; aber mit welchem Adel der Empfindung hat es der Musiker durchdrungen und über jeden sentimentalen Beiklang erhoben l

»Liebesfrühling« möchten wir das folgende Liederheft taufen, eins der schönsten, die Holstein geschrieben hat:

Op. 2O. Sechs Lieder. (Herrn Joseph Schild, König). Sachs. Hofopernsänger freundschaftlichst gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann. Pr. .// 2. 50. (Einzel-Ausgabe a 50 und 80 Sp.)

Das wonnige Liebesleben in seinen mannigfachen Gefühlsäusserungen finden wir hier mit einer überraschenden Fülle melodischen und harmonischen Woblklangs und feiner Nüancirung verherrlicht. Wir wissen in der Thal nicht, welchem Liede wir den Preis zuertbeilen sollen, ob dem innigen »Wenn etwas leise in dir spricht« (Nr. l, von H. Lingg), oder dem feurigen triumphirenden »Blüthenscbnee weht durch die Lande« (Nr. 3, gedichtet von Holstein selber) ' ; ob dem hochbeglückten »Ich wohn in meiner Liebsten Brust, in ihren stillen Träumen« (Nr. 4, von Fr. Rückerl) , oder dem leichtbeschwingten anmuthigen »Sagt mir nichts vom Paradiese« (Nr. 5, von Fr. Rückert), oder endlich dem von glühender Leidenschaft beherrschten: »Gieb den Kuss mir nur heute, ob du morgen es kannst, wer weiss?« (Nr. 6, von Fr. Rückert). Auch die von dem Künstler fein erwogene Reihenfolge (dito wir auch anderwärts beobachtet haben) ist nicht ausser Acht zu lassen: die allmälige Steigerung von dem romantischen ersten Liede* vom »Waldfräulein«, das von finsterer Burg herab in einsamer Entsagung auf das Küssen und Kosen glücklicher Menschenkinder schaut, — bis zu dem in orientalischer Glut aufwogenden Schlüsse.

Im Jahre 4870, wie eine dankenswerlhe Zahl auf dem Titel angiebt, erschien

Op. 23. Tier Lieder. (Frau Julienne Flinsch gewidmet.) Leipzig, E. W. Fritzsch. Pr. Jt 1. 50.*») (Hieraus einzeln: Nr. 2, Pr. 60 ,^.)

In Nr. 4 (»Ich weiss einen grossen Garten, wo die wilden Blumen blühn«) ist der geheimnissvolle Märchenton der Eichen- ilorlfschen Muse prächtig getroffen, ebenso in dem reizenden »Klein Anna Kalhrin'« (Nr. J, nach R. Burns) der Ton volks-

  • ) Das Gedicht steht in Bultbaupt's Aasgabe auf S. 174. Die dortige zweite Strophe fehlt in der musikalischen Composition, Holstein bat sie aus künstlerischem Formgefühl für Abrundung and Einheit des Liedes weggelassen.
    • ) S. i, dritte Note der vierten Gesangszeile (zu dem Worte »noch«) Me« dt" statt <:". — S. 9, Zeile * lies schätzen statt schützen.

Ihümlicher Einfachheil; man könnte es für ein originelles schottisches Volkslied halten. Das dritte Lied (Der welke Kranz : »Auf der Haide ist ein Platz«) stellt uns leibhaftig die ländliche Maid vor Augen, die in wehmuthsvoller Erinnerung sich der jungen Liebe verschwundenes Glück zurückruft, wie der ferne Schatz sie zum ersten Mal gekii ,sl, wie sie es bang geschehen liess, und wie nun der Kranz, der neben ihm frischgewundene, verdorrt am grünen Fliederbaume hängt. Ein Musler klarer Declamation finden wir in Nr. 4, »April» von Goethe (»Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?«) ; ein schwieriges Problem ist hier in der glücklichsten Weise gelöst: die Musik zeichnet rhythmisch scharf die zugespitzte Redekunst des Ostens, aber führt sie ungezwungen in so melodische Gänge, dass ein höchst sangbares Lied entsteht.

Op. 24. Vier Lieder. (Herrn Hofopernsänger Gustav Walter gewidmet.) Leipzig, E. W. Fritzsch. Pr. Jl 2.—.*)

Dieses schöne, an Op. 20 gemahnende Heft beginnt mit dem innigen, von froher Bangigkeit erfüllten »Fragst du mich, woher die bange Liebe mir zum Herzen kam?« (Frage und Antwort, von Ed. Mörike). Ihm reiht sich hinsichtlich der Stimmung noch am nächsten an die in hellem Jubel erklingende Composition des »Liebesfrühlings« von N. Lenau (Nr. 3 : »Ich sah den Lenz einmal erwacht im schönsten Thal«) ; sie muthet uns an wie eine blühende Frühlingslandschaft mit blauem Himmel und goldnem Sonnenschein. Hinwiederum die beiden Gedichte von J. Grosse »Lebensüberfluss« (Nr. 2 : »Rauschende Bäche quellenden Lebens«) und »Bei dir« (Nr. 4 : »Die Nächte stürmen, doch die Seele singt: Du bist doch mein!«) sind mit grossartigem Schwünge aufgefasst. Das erstere Lied (Die Liebe im Vollgenuss der Wonne) muss durch seine glückselige Begeisterung Sänger wie Hörer mit sich fortreissen. Das letztere braust in wilder Leidenschaft einher; so äussert sich die Liebe errungen in den Stürmen des Lebens. Die Synkopen erschweren zwar die Ausführung des Liedes, erweisen sich aber als äusserst wirksames Mittel, den Ausdruck des Ungestüms bis zum Gipfel zu steigern.

Wohl für Männerstimme ist berechnet

Op. 27. Zwei ««sänge. Salem Marie ' Bitcrolfs Thüringer Waldlied. (Herrn Carl Hill hochachtungsvoll gewidmet.) Leipzig, C. F. Kahnt. Pr. ä jt t. —.

»Landscbaflsbilder der Wüste« zaubert der Musiker, durch prächtige, fein nüancirte Farbengebung die Mängel des Dichler- wortes ergänzend, im ersten Gesang vor unsere Blicke, indem er die feierlich gehobene Stimmung des Pilgers versinnlicht, die in dem christlichen Grusse »Salem Marie l« allenthalben zum Durchbruch gelangt, sei es im friedlichen Palmenbain am Ufer des beiligen Nilstroms oder unter den Goldorangen und liebesprühenden Rosen von Fayüm, an der schattenlosen Gräber- Stätte von Sakkarah im Sonnenbrand der Wüste oder im stillen andächtigen Abendgebet vor den Minareten Kahira's. — In grossen kräftigen Zügen , mit scharf '.markiertem Rhythmus ist das zweite Lied componirt; in ihm erschallt, im Gegensatz zu den Palmen und Wüsten des heiligen Landes, der Preis des Thüringer Bergwaldes aus dem Munde des von der Kreuzfahrt heimgekehrten Helden, der sich nun wieder am Jagen und Dichten in den hcimathlirben Forsten des Inselbergs ergötzen kann. Victor Scheffel hat für seinen markigen Stil einen guten Interpreten gefunden!

Als ein Meister in der Kunst scharf ausgeprägter Charakteristik zeigt sich Holstein in der folgenden Liedergabe, die er mehrfach dem Stimmmaterial und der dramatischen Begabung der kehlfertigen Süngeriu angepasst hat, welcher er sie widmete :

) S. 4 lies: im vollen Lauf. — S. H a. E. lies: Gestalt.

O p. 39. fiif Romainen, (Frau Dr. Peschka - Leutner in Verehrung gewidmet.) Leipzig, Fr. Kistner. Preis Jt 2. 50.

Welcher CoDtrast im musikalischen Colorit der Mädchencbarak- lere, die uns der Künstler in den ersten drei Liedern schildert: das feurige flallrige Zigeunerblut in seiner koketten Grazie (Nr. l: »Ohne Mütterchen zu fragen«, nach dem Russischen von Bodensledt), die sinnige tief empfindende deutsche Jägermaid mit ihrem kindlich sonnenhellen Gruss (Nr. l, Parole: »Sie stand wohl am FenslerbogetH von EichendorfT), die schwer- mülhige wie Meeresbrandung bewegte »Matrosenbraut« (Nr. 3 : »Mein Liebster keck ist ein Matros'«, Lignrisches Volkslied von W. Hertz) I Und dann in der vierten Romanze (Heimweh: »In meiner Brust zieht auf und nieder«) der glücklich gelungene Versuch, dem zartbesaiteten Temperament des schöngeistigen Franzosen Chateaubriand mit deutscher Gemütbstiefe beizukommen ; es ist ein ausdrucksvolles Lied in getragenem Stile geworden, das seine französische Abkunft nicht verleugnet. Aber damit auch der Scherz nicht fehle, fliegt zum Schlnss eine Art neckischer Puck heran (Nr. 5, »Rückkehr« von Eicben- dorff) :

»Wer steht hier draussen? — Macht auf geschwind!

Schon funkelt das Feld wie geschliffen,

Es ist der lust'ge Herr Morgenwind,

Der kommt durch den Wald gepfiffen.«

Mit den Wolken und einem Wandervöglein um die Wette reisend, hat er sich gespulet, um seine lieben Landsleute noch in den Bettfedern zu überraschen. Heraus mit euch, die ihr drinnen noch Küsse tauscht! Wie reizend macht sich in der Musik dieser frische Humor, namentlich auch gegen Ende die Wendung, wie der Schalk mit ernster wichtiger Miene von den Wundern des fernen Italiens erzählt, — und doch gefällt ihm nichts so sehr als das deutsche Waldesrauschen l

Op. 31. r'ünf Lieder. (Herrn Hofopernsänger Max Släge- mann*).) Leipzig, Fr. Kistner. Pr. Jl 2. 50. Zwei allerliebste Lieder bilden den Anfang, das zart-innige »Nun gieb ein Morgenküsschen, du hast genug der Ruh« (Nr. <, »Morgens« von Th. Storni und das liebenswürdig-schelmische Es hat die Nacht geregnet« (Nr. t, »Der Winzer« von Eichen- dorff); da macht uns denn freilich die Musik leicht begreiflich, dass dem Frühauf die liebelnde Sonne im Morgendunsl und die »liebe verschlafne Frau« phanlasievoll in eins zusammenfliessen. Unvermerkt anklingend an steirische Zither- und Sangesweisen, schildern die Einleitung und das Ende des dritten Liedes (»Rauscht nirgend mir ein grüner Wald« von R. Hamerling) in kräftigen Tönen die Sehnsucht des Aelplers nach den Bergesgründen and Tannenwäldern seiner Heimalh ; auch das herrliche blaue Meer vermag sie nicht aus seinem Sinn hinwegzuspülen, wie dies der grüblerische Milteltheil weiter ausspinnl. Viel Kunst des Ausdrucks verlangt vom Sänger das »Abendlied« Nr. 4 (»Der Tag wird kühl, der Tag wird blass« von P. Heyse), wenn seine feinen Wendungen zu rechter Geltung kommen sollen. Dagegen singt sich das fröhliche »Wanderlied« Nr. 5 (»Es zwitschert ein Vöglein: komm mit, komm mill« von Th. Slorm) frisch von der Leber weg; mit so lebendigen Rhythmen ist der eifrige Drang des Wanderburschen in die schöne weite Welt veranschaulicht, dass er unwillkürlich auch das Herz des Singenden erfasst, wiewohl der Dichter schliesslich doch gebieterisch voraussetzt, dass das Herz daheim bei einem ändern Herzen bleibe, das uns in seinem Reichlhum die Welt und den Himmel zugleich schenkt. —

An Stelle der Opuszahl 3t, die unausgefüllt geblieben ist,

  • ) Seil t. Juli 4881 Director der beiden städtischen Theater zu Leipzig.

reiben wir hier zwei Lieder ein, die ungefähr in diese Zeit gehören. Ursprünglich sind sie als ein Beitrag v. Holstein's in der »Musikalischen Welt«, Ausgabe B, erschienen, und zwar das erste im Jahrg. 1872, Bd. l, Hefts, das zweite im Jahrg. 1873, Bd. II, Heft i. Sodann veranstaltete die Verlagshandlung folgende Separatausgabc :

Zwei Lieder. (O lUge nicht. Wiegenlied.) Deutsch und englisch. Braunschweig, Henry Litolff. Pr. .11 —. 75. Endlich sind sie später noch ein drittes Mal veröffentlicht worden, in den nachgelassenen Werken Op. 42 Nr. 5 und Op. 44 Nr. 4 (s. unten). Das erste, »Ein schöner Stern geht auf in meiner Nacht« von H. Heine, führt in anmuthiger Melodie zu dem innig flehenden Schlüsse »0 lüge nicht«. Das »Wiegenlied« von Hoffmann von Fallersleben (»Draussen blinket im silbernen Schein schon der Mond mit den Sternelein«) fügt in zarter, wiegender Bewegung ein neues sangbares Motiv zu jenem unerschöpflichen Thema, das uralt und doch ewig jung ist.

Ein zweites Beispiel, wie v. Holstein seine Lieder dem Talente des Sängers entsprechend auswählte, welchem er sie dedicirte, bietet das im Jahre (873 erschienene

Op. 83. Nnf Lieder. (Herrn Eugen Gura in Freundschaft und Verehrung gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann. Pr. ,« 3. —. (Einzelausgabe ä 50, 80, 400 Jp.)

Drei Gesänge greifen wir zunächst heraus, welche im Sturm unser Herz erobert haben: Nr. l »Zur Mandoline« (»Schüchtern bricht das nächt'ge Schweigen diese Mandolinenweise«), ein Abendständchen, wie man es sich zartsinniger und charakteristischer nicht denken kann; Nr. 3 »Abends«, dessen An- fangsworle »Leise sinkt auf Berg und Thal Abendduft hernieder« den Gesammteindruck des weihevoll - ergreifenden Liedes wie in einem Kern enthalten ; endlich Nr. 5 die in ihrer Schlichtheit wahrhaft geniale Wiedergabe von Scbeffel's*) »Auf Ponte molle« aus dem Trompeter von Säkkingen (»0 Ponte molle, du treffliche Brück«): der markige Rhythmus, der volkstümliche Melodienfluss, der prächtig vermittelte Wechsel zwischen energischer und süss-schwärmerischer Stimmung (die hervorbrechende Erinnerung an die verklungene Jugendzeit, an die stille boldselige Schwarzwaldmaid) müssen dies Lied zu einem Liebling der Sängerwell machen. Aber auch Nr. J und 4 sind höchst interessante Lieder : in kraftvollen Rhythmen schreitet das letztere einher (Wandergrüsse : »Gott grüss' dich, ruft die Lerche«) und in vollgesälligten Klängen, wie sie der Brust des Wanders- manns entsteigen, der erfüllt ist von der Schönheit der Schöpfung und der Güte und Allmacht ihres Schöpfers. In dem ersteren Liede (Nr. S, »Trennung«) hingegen sendet ein heissblüliges Herz mitten aus stürmender Winlernacht ein leidenschaftlich- sehnsüchtiges Ade an das ferne Lieb, unterbrochen (im ruhigeren Miltelsatz) von der tröstlichen Deberzeugung felsenfester Treue.

Op. 87. fünf Lieder. (Frau Anna Schimon-Regan in aufrichtigster "Verehrung gewidmet.) Leipzig, Breitkopf & Hartel. Pr. uT 2. —.

Dieses nicht genug zu empfehlende Heft besieht aus einer Reihe kurzer einfacher Lieder von volkstümlichem Klang, eins immer lieblicher und liebenswürdiger als das andere, Text wie Musik von zart poetischem Duft umwoben. Wem sollen wir den Vorzug geben ? dem naiven ersten, »Die Kleine« von Eicben- dorff (»Zwischen Bergen, liebe Mutter l weit den Wald entlang«), oder dem vom Componisten selber gedichteten »Früblings-

J S. 45 steht irrthUmllch J. W. Scheffel (stall J. V. — Joseph Victor). wünsch« "i , oder dem der Dichtung besonders eng sich anschmiegenden drillen (»Sterne mit den goldnen Füsschen«, von H. Heine) , oder endlich dem behaglichen »Sonst und Jetzt« von Eicheodorff (Nr. 4, »Hier unter dieser Linde sass ich viel tausendmal«) ? Es ist Hausmusik im idealsten Sinne des Wortes. Nur ein Lied macht eine Ausnahme von dieser heiler-herzgewinnenden Stimmung, das letzte (»Klage» von Paul Heyse: «Ueberm dunklen Walde steigt der Mond empor«) , das aber durch die edle Schönheit und Hilde, in welcher die elegische Stimmung sich ergiesst, hinwiederum in seiner Gattung eine wahre Perle ist. (Schlass folgt.)

' Da das Gedicht in Bulthaupl's Ausgabe fehlt, so (heilen wir es hier im Wortlaut mit:

»Liegt die Frühlingssonne so goldenhell

Auf dem traulichen Gartcnplglzchen,

Dann schwillt mir im Herzen der Wunsch so schnell:

Ich hall' ein herzliebes Schälzchenl

Mit dem säss' ich dort unterm Weissdornstrauch, Und ich druckte ihm beide Hunde Und spräche mit ihm und ich kUsst' es auch, Da will- des Freuen» kein Endet

Doch die Zweiglein dort an dem Weissdornstrauch Haben Bltithen noch nicht getrieben, Die harren auf wärmeren Frühlingshauch, Drauf harrt auch Küssen und Lieben.«

Thcobald Böhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben,

Von

Professor Dr. T. Schiifhüutl. (Fortsetzung.)

Man vergleichendes Bild des Klappensyslems der Flöte von Böhm'mit den zwei daneben stehenden alten Flöten auf der Figurenlafel. Der Eindruck ist beim ersten Anblicke schon wobllhueod. Es isl eine Harmonie in diesem Klappensystem, die Jedem auf den ersten Blick auffällt und den sichern Beweis liefert, dass diese Klappenstellung nicht durch Zufall oder ein individuelles Bedürfniss, sondern aus einem einzigen rationellen Princip hervorgegangen isl. Doch wir wollen Böhm hier selbst sprechen lassen.

«An meinem Griffsysteme selbst Aenderungen zu machen, habe ich deshalb nicht für gut befunden, weil erstens durch die Leistungen der ausgezeichnetsten Künstler auf Instrumenten nach meinem System längst erwiesen isl, dass alle Arten von musikalischen Figuren, ohne Rücksicht auf Tonarten rein und sicher ausgeführt werden können, und zweitens, weil trotz vielfältiger Versuche und Bemühungen Anderer wohl Manches geändert, allein bis jetzt nichts Besseres gemacht worden isl. Denn wenn auch durch die bekannt gewordenen, sogenannten .Verbesserungen' an meinem Griffsystem einige Schwierigkeiten in der Behandlung meiner Flöte beseitigt wurden , so sind die erlangten Vortheile doch nur scheinbar gewesen, indem sie entweder mit einer blossen Verlegung der Schwierigkeilen von einem Finger auf einen ändern, oder von einer Stelle auf eine andere bestehen,'wirkliche Erleichterungen aber jedesmal nur auf Kosten der Gleichheit oder Reinheit der Töne erreicht worden sind.

»Ich verkenne keineswegs, dass eine noch grössere Leichtigkeit in der Behandlung des Instrumentes, vor Allem aber ein weniger compHcirter Klappenmechanismus höchst wünschens- werth wäre; allein so lange zum Schliessen und Oeffnen der zur Hervorbringung einer reinen und gleichen chromatischen Scala unumgänglich notwendigen dreizehn Tonlöcher nur

neun Finger disponibel sind, werden auch Schwierigkeiten unausweichlich bleiben ; denn es muss notwendiger Weise entweder ein Finger mehrere Löcher auf verschiedenen Stellen bedienen, wodurch das Spiel erschwert wird, oder es müssen zur Erleichterung desselben die Klappen mehrerer Löcher durch Combinationen auf eine zusammengeführt werden, wodurch natürlich der Mechanismus complicirter wird.

»Durch geschickte Arbeiter kann jedoch ein auch sehr complicirter Klappenmechanismus gut und solide ausgeführt werden, und technische Schwierigkeilen im Spiele, deren jedes andere Orchester-Blasinstrument mit Grifflöchern weit mehr bietet als die Flöte, lassen sich durch Qeissige Uebung überwinden; Ton und Stimmung müssen hingegen bei einem Instrumente vor Allem berücksichtiget werden, denn sie sind zur Vollkommenheit eines musikalischen Vertrages unerlässlich.

»Meine Flöten besitzen einen Umfang von drei Octaven oder 36 Tönen, initlelst welchen von c1 bis >' alle diatonischen und chromatischen Scalen, alle Intervallen-Verbindungen, Triller etc. rein, sicher und schon ausgeführt werden können.«

Bau und Bedeutung der Böhm'schen Flöte. Verhältnis* von akustischer Theorie und künstlerischer Praxis bei derselben.

Wir haben in der That hier an der Böhm'schen Flute ein vollendetes musikalisches Inslrumenl, und dieses Instrument isl in der Geschichte der musikalischen Instrumente um so interessanter, weil wir die Geschichte seiner akustisch rationellen Vollendung bis ins kleinste Detail, vom Anfang bis zum Ende, verfolgen können.

Diese Flöte von Böhm ist erstens aus der steten Berücksichtigung der Theorie hervorgegangen. Die Theorie der musikalischen Inslrumente mit Grifflöchern gehört zu den schwierigsten akustischen Problemen.

Die Scala der Flöte wird unter so eigentümlichen Verhältnissen und unter dem Zusammenwirken so vieler störender Elemente hervorgebracht, dass es schwer ist, irgend ein anderes musikalisches Instrument mit der Flöte in irgend eine Parallele zu bringen. Die Flöte hat grosse Aehnlichkeit mit einer Orgelpfeife; allein eine Orgelpfeife giebl nur einen Ton, die Flöte muss die ganze musikalische Scala nach Belieben hören lassen. Man wendet die Gesetze, nach welchen die Scala auf dem Monochorde hervorgebracht wird, nur gar zu gern ohne alle Beschränkung auf die Inslrumente mit Seilenlöchern an.

Wenn die lönendeSaileeinesMonocIiordes durch einen untergesetzten Steg in zwei ganz gleiche Tlicile getheilt \\ii-«! , ohne die Spannung der Saite zu verändern, so giebl jede Hälfte die Oclave des Tones der ganzen Saile. Bei den Orgelpfeifen isl dies nur unter besonderen Umständen der Fall. Wenn man deshalb eine Orgelpfeife um die Hälfte ahschneidel, so könnte man denken, man erhalte hier die Oclave der ganzen Pfeife. Allein die beiden Hälften der in der Mille abgeschnittenen Pfeife sind wieder nicht gleich ; der obere abgeschnittene halbe Theil isl eine hohle an beiden Enden offene Röhre oder ein eben solches Prisma, die andere Hälfte isl am uniern Ende geschlossen , und nur ein kleiner Theil, der sogenannte Aufschnitt an der Seite offen. Dass die untere am untern Ende geschlossene Hälfte die Oclave der ganzen Pfeife geben sollte, ist schon bei der Erwägung dieser Umstände nicht wahrscheinlich. Die untere Hälfte der Orgelpfeife wird als eine theilweise gedeckte Pfeife schon deshalb einen viel liefern Ton geben als die oben abgeschnillene Hälfte der Pfeife, und so besläligt der Versuch diese Anschauung.

Allein die Flöte ist keine Orgelpfeife. Die Rechnung hat hier mit Duldenden von Einflüssen und Modificalionen zu thun, von denen man bei der Analyse der Orgelpfeife gar keine Ahnung hat. DieFlole, oben durch einen Stöpsel verschlossen, wird an der Seile durch das Mundloch, das vom Stöpsel 47 mm entfernt ist, angeblasen. Dazu kommen noch Seilenlöcber oder die sogenannten Grifflöcher.

Würde ein Griffloch dem Durchmesser der Flöte gleich gemacht werden können, so würde der Ton der Flöte dem einer Flöte entsprechen, die etwas über der Mitte des Griffloches abgeschnitten wäre ; allein die Grifflöcher können natürlich nicht so gross hergestellt werden, deswegen sind die Vibrationen der ganzen Luftsäule durch eindringende negative LuClweüen gestört, deren Wirkung von der Grosse, der Zahl der Löcher und ihrer Entfernung vom unteren cylindrischen Theile der Flöte abhängt.

Die Function dieser Seitenlöcher in Beziehung auf ihre Zahl der Vibrationen bilden ein äussersl verwickeltes mechanisches Problem. Es giebt Differential-Gleichungen, die sich nicht inte- griren lassen, und die Integration zwischen bestimmten Integralen giebt Resultate, die der Wirkung sehr nahe kommen, sie aber bis jetzt nie ganz erreichten : denn zuletzt kommt es auf ein paar Vibrationen an, die das Ohr sehr wohl beurtheilt. Ich brachte Böhm sehr oft Resultate langer Rechnungen ; allein sobald er seine Flöte darnach construirt hatte, waren immer ein paar Schwingungen zu wenig oder zu viel. Empirische Formel n können da alle i n helfen. Denn die Flöte ist, wie wir schon bemerkt, keine Orgelpfeife. Die Orgelpfeife, wenn sie unten auf ihrem Hundstücke im Pfeifenbrette steht, wird immer mit dem gleichen Mundslücke angeblasen. Bei der Flöte kommen eine Menge anderer den Ton beeinflussender Umstände in Betrachtung. Die charakteristische Tonerregung der Flöte bringen die Lippen hervor. Die Flöte an die Lippe gesetzt, klingt schon etwas tiefer, als die freie Flöle mit einem Mundstück angeblasen, weil die Lippen zum Theil über die Mundöffnung hervorragen. Die Stellung der Lippen ist immer wechselnd, und gerade durch diesen Wechsel wird das Eigen- thümliche in dem Charakter des Tones hervorgebracht. Dreht der Spieler die Flöte etwas einwärts, so deckt die Oberlippe das Mundloch mehr, der Ton wird etwas tiefer; dreht er die Flöle auswärts, so wird der Ton etwas höber ausfallen oder in die Octave überspringen. Gerade bei der Flöte ist es das Spiel der Lippen, das dem Tone der Flöle die Seele verleiht, und dieses Spiel der Lippen entziehl sich jeder Berechnung.

Die' Theorie allein halle also die neue Flöle nichl hervorgerufen.

Es gehörte zweitens dazu der geniale musikalische Mechaniker Böhm, der mit seiner nie zu ermüdenden Geduld, mit seiner Unerschöpflichkeit an Erfindung mechanischer Hülfs- mitlel praktisch die Grenze festsetzte, welcher sich die Theorie nur noch nähert, ohne sie zu erreichen.

Der dritte Grund, der die Böhm'sche Flöte praktisch zu einem wirklich durchaus musikalischen Instrumente machte, das sich in der eigentlich musikalischen Welt einbürgerte, war, dass Böhm selbsl ein Virtuose, ja einer der ausgezeichneisten Virtuosen war, die je die Flöle gespielt und für sie componirt hatten. Er als Virtuose und Künstler war allein im Stande, zu beurtheilen, durcli welche Mitlel das, was Theorie und Praxis geschaffen, den höchsten Anforderungen der Kuosl entspre- chend ausgeführt werden könne. Einem solchen Manne allein war es möglich, alle Ergebnisse aus theoretischen und praktischen Forschungen so lange umzuformen , bis sie den höchsten Anforderungen der Kunst enlsprachen. Wäre Böhm endlich nichl selbst Virtuose gewesen, so ii.iu-.' er nicht im Stande sein können, dem Künstler die Vorlrefftichkeil seiner Erfindung so schlagend vorzuführen, dass die grösslen Künstler sogleich ihre allen Instrumente in den Winkel legten und ihre Studien von Neuem begannen, um nun des neuen Instrumentes Meister zu werden. Wäre Böhm nicht selbst im Stande gewesen, die musikalische Well von der Vorlrefflichkeil seiner Flöle zu überführen — nie wäre seine Erfindung zur Gellung gekommen —

ja, die gewöhnlichen Künstler auf der allen Flöte hallen z. B. in Deutschland die neue Flöte nicht nur ignorirt, sondern waren naturgemäss die Gegner derselben. Es sind 30 Jahre verflossen, während die Böhm'sche Flöte in allen civilisirlen Ländern der Welt gespielt wird; in Deutschland findet sich eine Böhm'sche Flöle höchstens in den Händen von einigen Dilettanten und im Münchener Hoforcbester.

Wenn die Theorie, der schaffende Gedanke im Stande ist, messend und rechnend in das innere Wesen der Bewegungserscheinungen einzudringen und zum Beispiel die Gesetze der tönenden Schwingungen dem Geiste klar zu machen, so wird es nur dem genialen Mechaniker und Virtuosen allein möglich, auf den Ergebnissen der Theorie weiter bauend ein wirkliches, d. i. praktisches musikalisches Instrument zu schaffen, zu dessen Vollendung ohne diese Eigenschaften des Virtuosen Jahrhunderte nothwendig gewesen sein müssten.

Dasselbe Verhältnis; bei der Violine.

Alle akustischen Experimente, alle unsere Theorien sind für den Vorlesesaal, für Leute, die keine Musiker sind. Ueber den Werth eines musikalischen Inslrumentes entscheidet nur der Künstler, der Virtuose. Man möchte vielleichl einwenden, die Violine sei ohne Theorie entstanden; sie isl allerdings nichl aus der Theorie der Gelehrten hervorgegangen, aber aus der Erfahrung einfacher, genialer, mit mechanischen Talenten begabter Virtuosen, die natürlich in Journalen nicht brillirlen, aber mil ihrem Kopfe und ihren Händen so lange unermüdel arbeiteten, bis ihr Instrumenl ihren Anforderungen als Künstler entsprach. Die berühmten Geigenmacher waren Virtuosen auf ihrem Instrumente bis zu Steiner herauf, der die Woche über seine Geigen ausschnill, Sonnlags auf dem Musikchor Innsbrucks die Geige spielte. Die Geige ist vorzugsweise dasjenige unnachahmliche Instrument, das, wenn sich die Wissenschaft an dasselbe wagte, verdorben aus ihren Händen hervorgehen würde, und hier werden wir zu Schiller's »Wellweisen« hinübergefübrl, von denen er unter anderem sagt:

Und hat Genie und Herz vollbracht,

Was Lock' und Descartes nie gedacht,

Sogleich wird auch von diesen

Die Möglichkeit bewiesen.

Die flachen Resonanzdecken aller Schlag- und Saileninslru- menle, die millelsl der Finger oder eines Plectrums gespielt werden , Theorben , Lauten , Mandolinen , Zithern , alle diese flachen Resonanzdecken hat der Geigenmacher, der zugleich Virtuose war, mit der richtigsten Einsicht, von welcher unsere heuligen Akusliker keine Ahnung hatten, in eine gewölbte Decke und gewölbten Boden umgewandelt vor Jahrhunderten, während einer der grösslen Akustiker der Neuzeit, der kein Virtuose war, die Zweckmässigkeit dieser Wölbungen, die allein die Streichinstrumente charakterisiren und erst zu Geigen machen, abgeläugnel hat. Aus der Theorie und den physikalischen Cabinelten sind unsere Geigen nicht hervorgegangen, ja es brauchte bis zu unserer Zeit herauf — Jahrhunderle, bis die Theoretiker die Zweckmässigkeit dieses Geigenbaues begriffen.

(Mit dieser treftlicben, den Kern der Sache berührenden Auseinandersetzung vergleiche man die kümmerliche Ansicht Über die alten Meister des Geigenbaues, welche KiMmann in seinerGeichichle der Bogeninstrumente vorträgt. Man sehe die Recension dieses Werkes in Nr. »7 dies. Ztg., Sp. «17. D. Red.]

Ward In London als Gegner BBhm't.

Es trat überhaupt vor dem Publikum in Wort und Schrift nur ein Gegner der Böhm'schen Flöle auf und dieser war es nur Iheilweise, aus der reinsten Dnkenntniss der Wirkung der Böhm'schen Flöle. Es war, wie man bereits gehört hat, der Fabrikant musikalischer Instrumente in London, Cornelia* Ward, der gleichfalls eine palentirle Flöte eigener Erfindung dem Publikum anbot. *) Ward war mit der Geschichte der Flöte und den akustischen Principien, auf welchen der rationelle Bau der Flöte beruhte, durch Carle's Broschüre und Carte's Vorgang recht gut vertraut. Er kannte die Fehler der allen Flöte und war, wie wir bereite gehört, der Instrumenlenmacher, der um 1834 die ersten Ideen Gordon's hinsichtlich der Verbesserung der Flöte ausgeführt ball«. Er erörtert, dags Böhm seine Grifflöcher so ziemlich an die rechte Stelle gesetzt habe, allein mit Böbm's Griflsyslem ist er nicht zufrieden, und sein Tadel ist der schlagendste Beweis, dass er die Böbm'sche Flöte und ihr Griflsyslem nicht kannte, ein eigentlicher Virtuose nicht war. Böhm's Griffsyslem nennt er untheorelisch im höchsten Grade, ungeschickt; schwer zu lernen und ebenso schwer auszuüben. Der Ton der Böhm'schen Flöte sei ungleich an Kraft, verschieden in seinem Charakter und schlecht in der Qualität des Tones. Man staunt, wenn man solche Vorwürfe vom Jahre l M i S hört; denn von »lle dem, was er an der Böhm'schen Flöte tadelt, fand gerade das Gegenlheil statt. So schreibt der berühmte französische Composileur Berton, der Mitglied der aus französischen Musikern bestehenden Commission zur Untersuchung der Böhm'sehen Flöte war, an den Flötenspieler Coche unter anderm: »Non seulement vous avez bien meritä de vos confreres en con- sacrant vos soins et vos veilles a l'etude et la construclion du nouvel Instrument. Mainlenant on pourra employer sans crainte et indifferent la flute snr tel ou tel de l'echelle chromalique, parce qu'on trouve toujours egalite de son, intonation par- faite daos tous les tons, perfectionnement du mecanisme qui ne fait plus que le bruil ordinaire des «Hres instrumente ä venl, possible d'ex&uler la musique de völre illustre mattre Tulou et lous les trilles sur tous les degres de votre inslrument. Cettes avantages etaient plus que süffisantes pour motiver l'ad- hesion de l'Academie au rapport dont vous pouvez vous ho- norer.« **)

Die Sitzung der Akademie fand Samstag den 14. März 4 838 stall, und sechs Jahre darnach schreibt der englische Inslru- mentenmacher Ward, der Ton der Böbm'schen Flöte sei ungleich an Kraft, veränderlichen Charakters und armselig in Beziehung auf die Qualillt des Tones. Ward war nicht Künstler, sondern Fabrikant, und vom Standpunkte eines auf Concurrenz eifersüchtigen Geschäftsmannes sind derartige Verkennungen allein erklärlich.

Wenn Ward von der Schwierigkeit des Griffsystems sprach, wies der berühmte Flötenspieler Carle sechs Jahre vorher durch seine Praxis nach, dass der Anfänger sich viel leichter an das Böhm'sche Griffsystem, als an das der allen Flöte gewöhne. ***)

Bei der Industrie-Ausstellung in London halle Ward gleichfalls seine Palentflöte ausgestellt zum Theil nach dem Böhm'schen System gebaut. Sie ging ganz unbeachtet vorüber, während die Jury Böhm einstimmig die grosse erste Preismedaille zuerkannte.

BWim'l Schlier Haindl, FUrsienau und Krüger, iliiliin hatte viele Schüler auf seiner früheren und neuesten Flöte herangezogen. Der grösste, der ein Paganini auf der Flöte geworden wäre, war Won« Uaindl, kurze Zeit in Wien sich aufhaltend. Als Sohn eines Thürmers von Amberg in der bayerischen Oberpfalz kam er von Wien nach Amberg zurück, um seine Braut abzuholen. Auf einer Spazierfahrt auf der an Amberg vorbeifliessenden Vils kam der Kahn an dem Kugelfang der

  • ) The Flute explained beeng en examination of the Principlos of its struclure and acllon by Carneüut Wart. London, published by Ibe Aalbor 484«.
    • ) Examen critiqne de la Flute ordinaire comparee a la Fiale de Boehm, pir V. Coche. Paris 4888. pag. 4t et lt.

Carl», The Boehm Flute explained pag. 9.

Schiessstttte vorüber, alf ihn eine Kugel traf und der unglückliche junge Künsller in kurzer teil an der Seite seiner Braut den Geist aufgab. Der Kugelfatg der Schützen halle nur eine einzige schmale Oeffnung in dtr Höhe, so dass es kaum zu begreifen isl, wie die Kugel von der Höhe zu dem Flusse hinüber gelenkt den unglücklichen jungen Künstler treffen konnte.

Haindl hatte sieb in Wien sogleich mit einer silbernen cylin- drischen Flöte versorgt und schrieb am SO. Mai 4848 von Wien aus an Böbm: Herzlichen Dank für die herrliche Flöte; ich habe eine unendliche Freude damit und werde durch mein Spiel ihrer Erfindung grosse Ehre machen.t

Die Wirkung dieses herrlichen Spieles unseres Haindl war Veranlassung, dass Ende Juli 4845 der berühmte Flötist der sächsischen Hofkapelle, Anlon Bernhard Fürstenau, seinen genialen Sohn Itoriti Päntmau zu Böhm sandle, um die neue Flöle zu sludiren.

Schon am 40. Nuvember 4845 tr.it Fürstenag in einem Concerte der kgl. bayer. Hofmusiker Faubel, Menter und Mit- lermaier mit der bekannten Phantasie von Böhm Es-dur über Schweizer Themas i.iit ausserordenllichem Beifall auf. Nach Dresden zurückgekehrt, veranstaltete er sein berühmtes Con- cert und erregte stürmischen Beifall. In einem Berichte des Dresdner Tageblattes heissl es nach dem Berichte über das Concerl: >Der Concerlgeber spielte auf der sogenannten Böbm'schen Flöle.« Der Berichlerstaller giebt eine ausführliche Beschreibung der Böbm'schen Flöle und ihrer Vorzüge vor den bisherigen in Gebrauch gewesenen Flölen und schliessl: »Herr Morilz Fürstenau, der sich vor Jahren schon als tüchtiger Virtuos auf seinem Instrumente producirle, hal sich mit dem Opfer der früher gewonnenen Applicatur dem Studium dieser neu conslruirten Flöte unter Anleitung des Erfinders ergeben und zeigte in diesem Concerte, wie dieser sehr elirenwerlbe Enl- scbluss ihn schon in die besten, lohnendsten Resultate einer sicheren, glänzenden und ausdrucksvollen Behandlung geführt hat. Sein Ton isl in den lieferen Lagen durch eine edle gleich- massige, sonore Fülle ausserordentlich schön und brillant und bildet zu der charakterislisch unterschiedenen Höhe einen be- merkenswerthen Reichlhum des Instrumentes.«

In einem Berichte der Wiener Musikalischen Zeitung vom December<846 lesen wir: »Einen willkommenen Uebergang zu den in hiesigen Künstlerkreisen besprochenen Concerte vom erslen Semesler bildele die am 28. October von Herrn L. M. Fürstenau jun. veranstaltete Akademie.« Was unser n Fürstenau mit seiner Flöte betrifft, so heissl es: »Der würdige Concerlgeber, ein wackerer Schüler seines berühmten Vaters, hall« die Riesenaufgabe nichl gescheut, nachdem er schon eine bedeutende Virluosilät auf der gewöhnlichen Flöte errungen halte, nochmals ab ovo zu beginnen in der Behandlung der Flöte nach Böhm'scher Construction bei dem Erfinder selbsl — eine Erfindung übrigens, die in Deutschland bisher die wohl verdiente Anerkennung und Verbreitung keineswegs gefunden [vor 36 Jahren l]. Dieser Fleiss, diese Selbstverleugnung Fürste- nau's war mit dem schönsten Erfolge gekrönt elc. Der junge Virtuose zeigte schöne, markige und sehr tüchtige Technik, grosse Bravour und Ausdauer und wobltbuende Innigkeit des Vertrages.«

So sehr ihm hier die musikalische Welt Beifall schenkte, so wenig Anerkennung fand er in seiner Heimatb bei der Hofkapelle. Die allen Mitglieder und die Direclion der Kapelle damaliger Zeit waren so sehr gegen die Neuerung und die neue Flöte eingenommen, dass Morilz Fürslenau, der schon seil 4. Februar 4841 angestellt war, im Jahre 485t genöthigl war, zu der alten Flöte wieder zurückzukehren, wenn er uicnt seine Anstellung gefährden wolle, zu einer Zeit, wo England, Frankreich und Amerika über die neue Flöte jubilirten l

Der königl. Würtembergische Hofmusiker Krüger sandle gleichfalls seinen Sohn Karl im Spätjahre <nir, zu seinem Freunde Böbm nach München, wo Karl 4847/48 seine Studien beendigte. Der junge Krüger ist nun einer der ausgezeichnetsten Flötenrirtuosen und Kammervirtuose am kgl. Würlem- bergischen Hofe.

Wir haben hier nur einige der in Deutschland bekanntesten Schüler Böhm's aufgerührt. Seine Schüler zählen in die Hunderte , ja die ausgezeichnetsten haben in Amerika ihr Glück gemacht, England zählte eine Menge seiner Schüler, die als Dilettanten oder Musiker von Fach nun seine innigsten Freunde wurden. Bis in die letzten Tage seines Lebens haben immer neue Schüler seine Hülfe gesucht.

Unter den Dilettanten befindet sich ein höchst origineller deutscher Arzt, der die schönsten Tage seines Lebens in Südamerika zugebracht hat. Er hatte gleichfalls aus heroischer Resignatien die Applicatur der alten Flöte, die aus den ersten Jahren seines Lebens herrührt, geopfert und sich in die Itiilim' sehe hineingearbeitet; er spielt nun die Böbm'sehe und g- Flöte mit einer kaum zu übertreffenden Virtuosität. (Fortsetzung folgt.)

Die Toiikünstler-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins

vom g. bis n. .luli 1882. (Fortsetzung.)

Reicheren und vielseitigeren Genuss als der erste Festtag brachte den Hörern, welche wiederum die Tonhalle bis in den letzten Winkel anfüllten, das zweite Concert. Dasselbe fand Montags den 10. Juli Abends 7 Uhr statt und wurde durch Richard Wagner's Vorspiel zu den Meistersingern eröffnet. Ein etwas gemässigleres Tempo hätte vielleicht die Wucht des Marschmotivs, welches das Ganze beherrscht, noch gesteigert, ohne das hinreissende Feuer zu dämpfen, mit dem das Orchester das Tonstück zu Gehör brachte. Es folgte Liszl's Cla- vierconcert Nr. I in A-dur, von Herrn Rob. Freund in Budapest, früherem Lehrer an der Musikschule zu Zürich, meisterhaft vorgetragen. Nach diesem Muster eines äusserlich glänzenden, aber nichts weniger als stilvollen, die Concertform bis zur Unkenntlichkeit verwischenden Bravourstücks wirkte die »Nänie« für Chor und Orchester von Job. Brabms in ihrer edlen Einfalt zwiefach erhebend. Das Werk, welches die elegische Trauer über den Untergang des Schönen in einer den Scbiller'schen Distichen durchaus homogenen Weise zum Ausdruck bringt, wurde von dem Gemischten und Männerchor Zürich weihevoll vorgetragen. Vollendete Schönheit des Aufbaus und Tiefe der Empfindung gehen hier Hand in Hand und reiben die Tondichtung dem »Schicksalslied«, das einen ähnlichen Stoff behandelt, durchaus ebenbürtig an. — Den zweiten Theil des Concertes füllte Albert Becker's B muH-Messe Op. < 5 für Soloquartett, Doppelchor, Orchester und Orgel aus. Das Werk des 1834 zu Quedlinburg geborenen Componisten, eines Schülers des Contrapunktisten Dehn, zeugt vor Allem von einer Beherrschung nicht blos der strengen Formen, sondern der musikalischen Darstellungsmitlel überhaupt, besonders auch des orchestralen Apparates, wie sie nur bei wenigen Zeitgenossen zu treffen sein dürfte. Dazu gesellen sich eine Fülle schöner, triebkräftiger Themen und eine liebevolle Versenkung in den Gehalt des Messtextes, die den ebenso phantasiereichen wie ernst-frommen. von seiner Aufgabe innerlichst erfüllten Künstler bezeugen. Gleich das erste Kyrie ist ein meisterlich behandelter Fugensatz, mit dessen düslerer Klage das von zar

ter Innigkeil zu stolzer Zuversicht anschwellende »Christ« eleison' einen schönen Gegensatz bildet. Bei dem Gloria und namentlich dem mildfeierlichen Sanctus hat dem Componisteo offenbar Beetboven's Mitsa solennis als Muster vorgeschwebt, ohne dass übrigens von eigentlichen Reminiscenzen die Rede wäre. Melodisch zart und einschmeichelnd beginnt das »Gratias agimus«, welches zunächst vom Soloquartett vorgetragen und dann vom Chor aufgenommen wird. Der Adagiosatz omiscrere nobis* bildet dann in seiner schmerzlichen Zerknirschung, welche durch eine abgebrochene Figur der Singstimmen, wie durch die chromatischen Orchesterbässe schön ausgedrückt wird, wiederum einen prägnanten Gegensatz zu dem »Quoniam tu soltu sanctus* und der anschließenden Fuge »Cum sancto spiritu*. Letztere ist sehr kräftig gebalten und leitet zum Gloria zurück, das in majestätischer Steigerung den zweiten, Theil abschliesst. Wohl den Höhepunkt des Werkes bildet das Credo, welches nur durch den ununterbrochenen Chorklang etwas ermüdet. Gleich das erste Graue drückt die freudige Ueberzeu- gung des Glaubensbekenntnisses vortrefflich aus. Die mystischen Klänge, mit denen Becker die Vorstellung der Gotteinigkeit des Sohnes mit dem Vater (Consubstantialem patri), sowie das »Et tncarnafux musikalisch illustrirt, erinnern unwillkürlich an Aebnliches bei Sebastian Bach, dessen Schöpfungen in Fleisch und Blut unseres Tondichters übergegangen sind. Von rührender Wirkung ist der dazwischen ertönende, von der Orgel allein vorgetragene Choral: »Ein Lämmlein geht und trägt die Schulde, wie denn überhaupt die Verwerlhung einer Reihe von Choral- melodien in der Instrumentalbegleitung von der Feinsinnigkeil des Componisten Zeugniss ablegt. Den ergreifendsten Abschnitt des ganzen Theils repräsentirt übrigens das »et exspecto resvr- rectioncm mortuorum«. Hier entrollt Becker unter Zuhülfenahme aller Mittel der modernen Instrumentation, namentlich genialer Verwendung der Orgel wie des Tamtams, ein Bild des jüngsten Gerichtes, dessen packender Gewalt Weniges von neuerer Kirchenmusik zur Seite zu stellen sein dürfte. Mild beruhigend beginnt dann das -I-'.l vitam venturi saecvli« in Des-dur, in dessen allmälig mächtiger emporschwellende Weise die Blasinstrumente den Choral »Jesus meine Zuversicht« mischen. Aus dem dritten Tbeil der Messe heben wir das überaus melodische Osanna in excclsis«, sowie das tBenedictus gut venit*, wiederum einen Satz voll gesättigter Wohllaute, in welchem namentlich das Quartett zu ausgiebiger Verwendung kommt, hervor. Das Agnui dfi hat Becker sehr düster gehalten; über den dunkel wogenden Bässen lassen die Singstimmen ihre ängstlichen Rufe erschallen. Auch der kurze Fugensatz »Qu» tollit peecala mtmdi' hüllt sich in das Gewand ernster Trauer. Erst beim Dona nobis, das durch ein zartes Instrumentalvorspiel eingeleitet wird, hellt sich die Stimmung auf. Wie milde Grüsse klingt es aus dem Vocalchor und den begleitenden Hörnern herüber, and nach einer nochmaligen energischen Steigerung verhallt der Satz in stiller Weibe. Das Werk, das Herr Kapellmeister Hegar besonders sorgfältig einstudirt, wurde, einige Schwankungen in der höchst complicirten und schwierigen Rhythmik abgerechnet, untadelhaft reproducirt. Im Soloquartelt zeichneten sich besonders Frl. Marie Breideosteio und die mit einer prächtigen Stimme begabte Altistin Frau A lexandrine Müller- Swiatlowsky aus. Auch Herr Staudigl vertrat die Basspartie gut, während der Tenorist Herr Karl Dierich aus Leipzig weder stimmlich, noch durch seinen Vortrag befriedigte. Letzterer fiel in seiner Aufdringlichkeit aus dem Rahmen des Quartettes heraus und wurde stillos.

Der dritte Festtag brachte zwei Coacerte, ein Orgelconcert im Grossmünster Vormittags halb < < Uhr und einen Kammermusikabend um 7 Uhr wiederum im grossen Saal der Tonhalle. Infolge einer entschieden unglücklichen Zusammenstellung des Programms wurde das Orgelconcert trotz einzelner vorzüglicher

Leistungen zu einer dreistündigen Tortur, der sich ein grosser Theil des Auditoriums durch schleunige Flucht entzog. Schon der Beginn der Aufführung war kein verheissungsvoller. Ein Herr Arnold Schönhardt, Organist aus Reullingen, spielte Seb. Bach's G moll-Phantasie nebst Fuge von A bis Z mit vollem Werk herunter und fing, nachdem er etwa die Hälfte absolvirl, nochmals von vorne an, da irgend etwas am Instrument versagt halle. Es folgle das Adagio aus Beethoven's Hammer- claviersonate Op. 106 für Violine, Violoncell und Orgel arrangirl von D. Fritz Slade, vorgetragen von den Herren Concerlmeister Oscar Kahl in Zürich, Fr. Grülzmacher aus Dresden und Aug. Flitner, Organist in SchalThausen. Trotz der tüchtigen Bearbeitung und der trefflichen Wiedergabe der Com- position wirkte dieselbe ermüdend aus dem einfachen Grunde, weil sie für die öffentliche Vorführung zu Inng und zu intim ist, in einer subjectiven Stimmung schwelgt, in die ein nach Tausenden zählendes Auditorium nicht rasch und intensiv genug einzugehen vermag. Schön waren zwei Lieder: »Christus der Kinderfreund« von Peter Cornelius und »Treue« von Felix Drä- seke, durch die Altistin Frl. Amalie Kling überaus stilvoll gesungen. Umsomehr fiel das darauf folgende von J. G. E. Stahle, Domkapellmeister in St. Gallen, componirte und gespielte symphonische Tongema'lde »Saul« für Orgel ab, welches volle J5 Minuten in Anspruch nahm. EineProgrammsymphonie auf der Orgel stellt sich von vornherein als unglückliches Experiment dar, da der Mechanismus des Instrumentes jene Indi-

vidualisirung und Vergeistigung des Tones und der Klangfarben verunmöglichl, durch welche solch poetisirende Musik allein geniessbar gemacht werden kann. Dazu kam aber in concreto eine Dürftigkeit der Erfindung, die den Hörer vollends in einen Zustand moralischen Katzenjammers versetzte. Auch der Liszt'- sche »Engclgesang« für Streichquartett vermochte uns nicht davon zu befreien , so wundervoll derselbe durch die Herren Hob. Heckmann, Otto Forberg, TheodorAIckotle (alle drei aus Köln) und Fr. Grützmacher vorgetragen wurde. Wenn die Himmlischen so melancholisch und sentimental musiciren, tragen wir wahrlich kein Verlangen nach einei Tonkünsller-Yersammlung im Jenseils. Da die Phantasie für Violoncell und Orgel aus der Feder Carls von Radecky, die übrigens viel Schönes enthält, wiederum fast eine halhe Stunde dauerte, fanden wir es an der Zeit, auch unserer Seils etwas Nützlicheres zu thun als weiterzuhören. Wir können daher bezüglich der folgenden Nummern : Friedrich Hegar's »Abend- tn.iiil für Baritonsolo und Männerchor, W. Kadelt's "Ave tlaria* und Liszt's Prophetenphantasie nur nach den Angaben compe- (cnlcr Ohrenzeugen berichten, dass Herr Fritz Furrer und die »Harmonie« die stimmungsvolle Männerchorcomposilion schön sangen und dass sowohl das Orgelspiel des Herrn Gusl. Weber als dasjenige von Saint-Saens die Bewunderung der Kenner erregten.

(Schluss folgt.)

11581 Bekanntmachung.

I4öiii£li4'li«' Akademie der Künste zu Berlin.

Wintercursns der Lehranstalten für Musik. A. Akademische Meisterschulen für musikalische Composition.

Vorsteher: die Professoren Barglel, Grell, Kiel, Oberkapellmeisler Tailliert.

Die Heisterschulen haben den Zweck, den in sie aufgenommenen Schülern Gelegenheit zu weilerer Ausbildung in der Composition unter unmittelbarer Leitung eines Meisters zu geben.

Genügend vorbereitete Aspiranten, welche sich einem der genannten Meister anzuschliessen wünschen, haben sich bei demselben in den ersten Wochen des October persönlich zu melden und ihre Compositionen und Zeugnisse (insbesondere den Nachweis einer unladel- haften sittlichen Führung) vorzulegen. Ueber die künstlerische Befahi^unj; der Bewerber zur Aufnahme in die Meisterschule entscheidet der betreffende Meister. Der Unterricht ist bis auf weitere Bestimmung unentgeltlich.

B. Hochschule für Musik.

Directorium: Die Professoren Joachim, Kiel, Rudorff, Schulze, Spitta.

Die Aufnahmebedingungen sind aus dem Prospoct ersichtlich, welcher im Bureau der Anstalt, Konigsplalz No. l, käuflich zu haben ist.

Die Anmeldungen sind schriftlich und portofrei unter Beifügung der unter No. VIII. des Prospects angegebenen nöthigen Nachweise spätestens eine Woche vor der, Montag den i. October, Morgens 9 Uhr, stattfindenden Aufnahme-Prüfung an das Direclorium der Anstalt, Königsplalz No. (, zu richten.

Die Prüfung Derer, welche sich zur Aufnahme in die Chorschule schriftlich angemeldet haben, wird Donnerstag, den S. October, MorgensM Uhr, abgebalten.

Die Aspiranten haben sich ohne weitere Benachrichtigung zu den Aufnahmeprüfungen einzuflnden.

C. Institut für Kirchenmusik.

Oranienburger-Strasse No. 19. Director: Professor Haupt.

Zweck der Anstalt: Ausbildung von Organisten, Cantoren, wie auch von Musiklehrern für höhere Lehranstalten, insbesondere Schullehrer-Seminare.

Ausfdhrliche Prospecte sind durch den Director des Instituts zu beziehen. Die Aufnahme-Prüfung findet am \ 0. Oclobor, Morgens9 Uhr, im Locale des Instituts statt. Berlin, den (5. August 4882.

Der Vorsitzende der musikalischen Section des Senats.

Taubert.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf A Härtel in Leipzig. Expedition: Leipzig, Am Rabensteinplatz ». — Redaction: Berg-edorf bei Hamburg;.

Die Allgemeine Mntikaliffcfae Zoitunff richeint regelm&ssig an jotlem Mittwoch and iit durch »11« Postämter und Buch-

beziehen,

Allgemeine

Frei«: JUrlick IS Mk. Vierteljährlich« l'rumm. 4 Jlk.lOl'f. Anici(<n: die getpil- tene Petitieile oder deren Baum 80 Pt Briefe und Gelder werden trinco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redactettr: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 30. August 1882.

Nr. 35.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann. Gesammlausgabe von Breitkopf und Härte). — Theobald Btihni. Ein merkwürdiges KUnsllerleben. (Fortsetzung.) — Die Tonkünstler-Versammlung de« Allgemeinen deutschen Musik-Verein« vom 8. bis 42. Juli 4881. (Schlags.) — Berichte (Kopenhagen). — Anzeiger.

Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann.

Gesammtansgabe von Breitkopf und Härtel.

Seit der ersten Anzeige dieser im Jahre 4 879 begonnenen Ausgabe in Nr. 3 dies. Ztg. l xsl Sp. 33—37 ist eine Reihe von Werken publicirt, welche bisher noch nicht zur Besprechung kamen. Immerhin ist damit schon eine stattliche Anzahl erschienen, wenn dieselbe auch im Vergleich zu der Hasse des Vorhandenen klein genannt werden muss und mit den Hülfs- mitteln dieser OfQcin in vier Jahren eine weit grössere Zahl von Bänden hergestellt werden könnte. Aber, wie schon früher bemerkt, sind Breitkopf und tlä'rlel durch Verlagsrechle gehindert, mit der Publication noch schneller vorzugehen. Erst 1886 wird Schumann "frei»; bis dahin halten die Originalverleger an ihrem Eigenthum um so mehr fest, weil Schumann erst in den letzten beiden Jahrzehnten allgemeiner in Aufnahme gekommen ist. Nur ein einziges Werk eines ändern Verlegers, wenn wir nicht irren, ist bis jetzt in dieser Gesammtausgabe erschienen, nämlich

Sechi FigCB über den Namen Bach, für Orgel oder Piano- forte mit Pedal, Op. 60. (Serie VOI: FUr Orgel. 29 Seiten Pol. Preis .4t 2. 55. n.)

Dieses Opus kam nämlich seinerzeit bei C. F. Peters in Leipzig heraus. Indem der Originalverleger einwilligte, dass es schon jetzt in der Gesammlausgabe erscheinen durfte, brachte er ver- muthlich kein grosses Opfer, denn das genannte Werk ist doch wohl mehr künstlerisch als geschäftlich interessant.

Die sechs Fugen sind für Orgel oder Pedalflügel bestimmt und 4845 componirt. Schumann beschäftigte sich damals angelegentlich mit contrapunktischen Studien , weil er nach den glücklichen genialen Entwürfen seiner Jugendperiode doch zu sehr die Mängel einer gründlichen Vorbildung, hauptsächlich nach der contrapunklischen Seite hin, empfand, um nicht einen ernstlichen Versuch zu ihrer Abstellung zu unternehmen. Titel und Thema seiner Fugen sagen uns besser, als lange Auseinandersetzungen, an welche Quelle er sich hierbei wandte. Es war J. S. Bach, und zwar ausschliesslich Bach. In diesem erblickte er den contrapunktischen Heiland, und seine Arbeit war noch etwas mehr, als eine blosse Studie, sie war ein dem Angestaunten dargebrachtes Opfer, kann daher ohne Uebertrei- bung als Anbetung bezeichnet werden. Nach dieser Seite hin sind die Fugen auch anziehend und gehaltvoll; streicht man dagegen den Namen Bach und damit die Beziehungen, welche derselbe wachruft, und betrachtet die Stücke lediglich als mu-

sikalische Producte, so überwiegen ihre Hänge! zum Theil ihre Vorzüge.

Man kann wohl fragen, ob für den grüblerischen Schumann gerade Bach der richtige Wegweiser war. Wir glauben dies nicht, und wer namentlich die Chöre in Schumann's grösseren Werken unbefangen prüft, der wird uns beistimmen. Ein recht durchsichtiger vocaler Contrapunkt, wie er sich noch bei den Italienern des <8. Jahrhunderts und bei Händel findet, würde für Schumann abklärender gewirkt und ihm eine grössere Freiheit und Allgemeingültigkeil des Ausdrucks verlieben haben, als der Bach'sche, der doch wesentlich instrumental ist. Zugleich verleiteten die von Bach gehäuften, aber von ihm dennoch anscheinend spielend überwundenen Schwierigkeiten den Nachahmer, nun ebenfalls einen Thurm auf den ändern zu stellen. Die letzte und längste Fuge dieser Sammlung ist ein bemerkenswerthes und zugleich ein warnendes Beispiel davon.

Fuga I steht in B-dur. Im Grunde sollte die Tonart selbstverständlich sein und für sämmtliche Stücke gellen; wir werden aber unten Ausnahmen davon finden, denn Nr. 3 steht in G-moll und Nr. 5 in F-dur. Diese erste Fuge ist in doppelganzen Takten aufgezeichnet, beginnend

und mit »Langsam« bezeichnet. Die noeüe Fuge dagegen soll »Lebhaft* vorgetragen werden; ihr Thema lautet:

Die Ausdrücke «Langsam« und »Lebhaft« sagen hier also nur, was ohnehin schon in den Figuren liegt, sind daher überflüssig, ja sogar irreleitend, wenn man sie nach dem einfachen Wort- verstande befolgen wollte, denn dann würden sie besagen, dass die langen Noten der ersten Fuge noch besonders verlangsamt, die kurzen der zweiten aber noch weiter beschleunigt vorgetragen werden sollten. Das kann aber nicht die Meinung des Componisten sein, sondern er wollte mit seinen Bezeicbungen nur sagen, was ohnebin in den Noten steht. Diese Notengruppen, diese Aufzeichnungsweisen hat Schumann seinem Vorbilde möglichst genau nachgeahmt, sowohl bei der ersten fünfstimmigen, wie bei der zweiten vierstimmigen Fuge. Dabei machen sich aber in dem ersten Satze einige Abweichungen bemerklicb, die angeführt zu werden verdienen. Die Taktart bezeichnet Schumann durch C. Dieses C giebt den 4/4-Takt an, hier stehen aber nicht vier, sondern acht Viertel im Takle. C bedeutet nun unter allen Umständen, dass nach Vierteln gezählt werden muss. Sollten also hier die acht Viertel einzeln, und zwar der Vorschrift geinäss »langsam« abgespielt werden, so würde ein schöner Trauermarsch zu Stande kommen. Die entsprechende langsame Bewegung ist nur ausführbar, wenn nicht nach Vierteln, sondern nach Halben gezählt wird. Das ist aber der Allabreve-Takt, und das Zeichen desselben ist C. Ohne uns weiter auf Vermuthungen einzulassen, aus welchem Grunde dasselbe von Schumann nicht gesetzt ist, wollen wir nur bemerken, dass 0 statt C nothwendig hier stehen musste. Gleichfalls müsste die Doppeltaktpause statt der einfachen gesetzt werden. Die Originalausgabe dieser Fugen ist uns nicht zur Hand ; wir setzen aber voraus, dass dieselbe alles genau so enthalt, wie es diese neue Edition bietet, und unsere Meinung ist keineswegs, dass die charakteristischen Unrichtigkeiten Scbu- mann's von der Herausgeberin hätten verbessert werden sollen. Eine Redaction erweist sich hier zur Verhütung der angeführten Missverständnisse allerdings als nothwendig, aber diese Hesse sich auf die bescheidenste Weise bewerkstelligen, wenn man der Ueberschrift ein »Alla breve« in Klammern hinzufügen wollte; also »Langsam. (Alla breve.)<

Die Gründe, weshalb diese anscheinenden Kleinigkeiten hier so eingebend besprochen sind, werden weiter unten noch deutlicher zu ersehen sein.

Fugalll steht in G-moll. Sie ist fünfstimmig und nur kurz. Die Ueberscbrift lautet «Mit sanften Stimmen«; eine weitere Vortragsbezeichnung fehlt, obwohl dieselbe nölbiger und zugleich weniger einleitend gewesen wäre, als bei den voraufgegangenen Stücken. Man wird schon aus den Anfangstakten

ersehen können, dass dies keine Musik ist, welche das richtige Tempo gleichsam in den Noten mit sie!) führt, wie es dagegen

bei den beiden ersten Fugen der Fall ist. Takt 6 des obigen Beispiels fehlt in der Ausgabe ein > vor e im Basse; immerhin ein störender Druckfehler. Bei einem alten soliden Fugencom- ponisleo hat dergleichen freilich nicht viel zu bedeuten, denn hier versteht sich ein fliessender Gang der Stimmen von selbst, und etwaige Fehler sind leicht nach den Parallelstellen zu cor- rigiren. Aber Schumann kennzeichnet sich im Fugengebiete auch dadurch als ein Späterer und zugleich als ein Neuling, dass gewisse harmonische Grundstellen nicht in der typischen Weise der Alten bei ihm erscheinen. Es ist dies eine der Ursachen, weshalb seine conlrapunklischen Gebilde den Charakter der Unruhe an sich tragen. Im fünften Takt vom Ende haben wir zwar ein tj« zu demselben Thema, aber dies ist eine Orgelpunkt-Harmonie ; trotz derselben würde man wohl in unserer Zeit, wo alle möglichen Disharmonien arglos vorgetragen werden, im obigen sechsten Takte ebenso oft zweimal es als e spielen. Man wird schliesslich sogar zweifelhaft, ob Schumann selber nicht vielleicht « haben wollte. Der Takt würde dann kaum misslautender und incorrecler werden , als der vorauf- gehende fünfte Takt, wo das g im Basse sich unangenehm dis- sonirend bemerklicb macht und dadurch die Aufmerksamkeit von der Beantwortung des Thema abzieht. Dieser Eintritt des Gefährten war aber ohnehin schon sehr flau ausgefallen wegen des Aufsteigens der vorher gehenden Stimme; um so mehr musste Bedacht darauf genommen werden, ihn nach seiner Bedeutung darzustellen.

Bei Fuga IV, welche ebenfalls fünfslimmig sich ergebt, finden wir die Vorschrift »Massig, doch nicht zu langsam« wieder überflüssig, weil Jedermann das Stück genau so spielen wird, was natürlich ein Lob für die Aufzeichnungsart desselben ist. Die Tonart ist B-dur, aber das Grundlhema bat eine originelle Wendung erfahren:

Dieses Stück macht sich durch gelehrte Haltung bemerklicb. Mit Takt 30 führt der Componist sein Thema vor- und zugleich rückwärts ein

Man.

Ped.

und eine Engführung folgt später. Dazwischen fehlt es auch nicht an freien Sätzen und noch weniger an Orgelpunkten, ohne deren Beibülfe Schumann als Kugencomponisl überhaupt nicht weit kommen würde. — In der Beantwortung schreibt er consequent ges statt /b (s. obiges Beispiel +). Wir wagen nicht, dieses als incorrect zu bezeichnen, weil vielleicht ein uns verborgen gebliebener Sinn darin stecken mag. (Fortsetzung folgt.)

Theobald Böhm.

Ein merkwürdiges Kflnstlerleben.

Von Professor Dr. T. SrhiifhüiitI.

(Fortsetzung.) Die letzten Lebensjahre. BOhm't Grundlitze des wahren FlOtentplels.

Böhm verbrachte endlich die letzten Jahre, nachdem Kränklichkeit .seine Reiselust gedämpft, seine Zeit mit Unterricht talentvoller Schüler, Correspondenzen seiner Flöte halber, die ihn'mit allen Welttheilen, selbst Australien, in Verbindung brachte, mit Compositionen für seine beiden Instrumente, die - und 0-Flöte, mit dem Ueberlragen seiner Compositionen für die c-Flöte auf die liefe Alt- oder j-Flöte.

Üie wenige Erholung, die er sich gönnte, führte ihn im Herbste nach Tegernsee, der Residenz des kgl. Prinzen Karl, des zweiten Sohnes des Königs Max I. König Max der Erste, der ebenfalls am liebsten seinen Aufenthalt im Schlosse der alten Abtei Tegernsee nahm, hatte, wie wir bereits gesehen, unsera Flötenspieler Böhm vom Beginne seines Auftretens her nnter die Lieblinge seiner Hof- und Kammermusik aufgenommen und auch sein Sohn, der Prinz Karl, blieb bis zu seinen letzten Tagen iinsenn Böhm immer freundschaftlich gewogen. Der reichste aller bayerischen Prinzen halle Böhm's Sohn, Karl, schon früher zu seinem Cassier erwählt und sah überhaupt den Vater gern in seiner Residenz zu Tegernsee.

Welch schmerzlichen Eindruck der unerwartete plötzliche Tod des so hochverehrten Prinzen auf den Mann von 84 Jahren gemacht hat, den der Prinz noch überdies in seinem Testamente mit einem sehr sinnreichen Andenken bedacht hatte, lässt sich kaum beschreiben. Trotz allem diesen blieb bis zu diesem Ereignisse Böhm's physische wie geistige Kraft, trotz seines hohen Alters ungebrochen; aber nun begann die Zeit, ihre Kraft auch an seinem Körper zu erweisen. Der Zahn der Zeit hatte ihn gerade der zu einem guten Ansätze wichtigsten, nämlich der zwei Vorderzähne beraubt. Indessen der gewandte Mechaniker wusste sich zu helfen. Er verfertigte sich ein paar künstliche Zähne, die er mittelst eines einfachen Mechanismus an die Stelle der fehlenden schob , und sein Ansatz war wieder so gut wie vor 30 Jahren.

Seine Frau hatte der Tod schon vor sechs Jahren von seiner Seite gerissen, seine Kinder waren alle reich versorgt. Er ver- liess München nur noch ein paar Mal iy>d theilte seine Müsse unter Flötenspiel, Componiren , Studium classischer Compo- silionen und seine Schülern, alt und jung.

Wie wir wissen, war seine ganze Sorgfalt, mit welcher er anch seine Schüler in die Kunst einzuführen suchte, auf den Vortrag gerichtet, in welchem er die Vollendung aller musikalischen Kunst sah, und in dem Zauber des Vertrags war Böhm unerreicht. Daher, wie wir schon bemerkten , das Erstaunen der Milady Gresham — »es ist merkwürdig,» rief sie aus, »wenn Böhm dasselbe Stück bläst, es klingt ganz anders, als unter den Händen unserer Flölenvirtuosen.«

In seiner Schrift: »Die Flöte und das Flötenspiel in akustischer, technischer und artistischer Beziehung« (München 4 871), sagt er S. 10 unter der Ueberschrifl: »Der Vorlrag«: »Wer, wie ich, noch so glücklich war, seit mehr als 50 Jahren alle grossen Sänger und Sängerinnen dieser Zeit gehört zu haben, wird die Namen Brizzi, Sessi, Calalani, Velutti, Lablache, Tamburini , Rubini, Malibran, Pasta elc. nie vergessen und sich stets mit grosser Freude ihrer herrlichen Leistungen erinnern. Sie sind alle aus der guten italienischen Gesangsschule hervorgegangen , welche noch heute wie vor hundert Jahren die Grundlage einer guten Stimmbildung ist und zur Erkenntniss einer richtigen Vortragsweise führt, deren der Instrumentalisl ebenso sehr bedarf als der Sänger. Cm z. B. unter anderm

ein Adagio mit allen vorkommenden Coloraluren vorzutragen, muss der Spieler nicht nur Herr und Meister seines Instrumentes , sondern auch im Stande sein, seine Töne gleichsam in Worte zu verwandeln, durch welche er seine Gefühle deutlich auszusprechen fähig wird. Er muss auf seinem Instrumente singen lernen. Eine der effectvollsten, aber zugleich auch der schwierigsten Gesangsverzierungen ist der Triller, der leider heut zu Tage nur no~h selten vollkommen gut ausgeführt zu hören ist.«

Böbm fügte seinem Werke mehrere Gesangsstücke bei, wie diese gesungen und von der Flöte gespielt werden müssen, z. B. in der Zauberflöte die Arie »Dies Bildniss ist bezaubernd schön«. Aus Joseph Mehul »Nur meine Kinder lass glücklich stets sein«. Aus Schuberl's Liedern z. B. der Lindenbaum, Trockne Blumen, Ständchen: »Leise flehen meine Lieder«, das Fischermädchen. Zum Schluss giebt Böhm noch das Rondo Lorghetto der letzten Arie der Donna Anna aus Mozart's Don Juan (Nr. 16) an. Er sagt: Diese wenigen (53) Takte umfassen als das schönste Beispiel alles, was bisher über den Vortrag gesagt worden ist, indem das Cantabile, das Larghetto mit einfachen Lauf- und M ordent-Verzierungen endet, und im Al- legro Pralltriller, Rouladen und Schlusstriller, somit so ziemlich alle Coloraturen enthalten sind.

Arrangements und letzte Composilionen.

Das war mitunter die Veranlassung, dass er in seinen letzten Tagen vorzüglich originelle singende Sätze grosser Meisler wählte, sie der Flöte adaptirte und sie mit dem Pianoforte oder auch mil dem Orchester begleitete.

Dies führte Böhm weiter zu dem Entschlüsse, (8 seiner Compositionen für die All-Flöte in neun umzuarbeiten. Dabei correspondirten vier Duelle für zwei e-Flöten und drei Terzette für zwei c-Flölen und die Alt-Flöte.

In seinem 86. Jahre, im Jahre <880, beschenkte er uns noch mit einem Andante aus der Serenade Beethoven's Op. 15. Das einfache Thema von 4 6 Takten tritt uns hier in zwei Variationen entgegen. Die erste erinnert an brillante Triolen- figuren, die zweite bietet uns ein reizendes Cantabile, dem ein feuriges Coda allegrelto in sechs Takten folgt. Es giebt dem Virtuosen hinreichend Anlass, seine ganze Kunst und Macht des Vertrags zu zeigen.

Daran scbliesst sich das wunderschöne Andanle für Flöte C-dur von Mozart mil Begleitung von zwei Violinen, der Viola, Contrabass, zwei Oboen und zwei Hörnern. Böhm hat die Instrumentalbegleitung durch das Pianoforte ersetzt, und die Form dem gegenwärtigen freieren Geschmack angepasst. Jahn hält die Composition nicht für bedeutend, allein wer die Com- position auf der Böhm'scben Flöte und noch von Böhm selbst blasen gehört, der wird wohl ganz anderer Meinung werden. Das Andante ist mil Mozarl Op. 86 bezeicbnel, allein so findet es sich weder in dem von ihm selbst angelegten Verzeicbniss seiner Werke, noch bei Köchel. Die Musiker und Musikverleger kümmern sich natürlich um solche pedantische chronologische Angaben als völlig unbedeutend gar nicht und machen so dem musikalischen Geschichtsforscher seine Aufgabe zur wahren Pein. Im Köchel trägt es die Nummer 45. Das Autograph ist ohne Jabrzahl, es stammt jedoch wahrscheinlich aus dem Jahre 4778 und ist nach Köchel entweder zu München oder zu Paris componirt.

Ein zweites interessantes, von der Clarinette auf die Flöte übergetragenes Werk ist bei Schott unter dem Titel erschienen: Adagio aus dem Quartett für Clarinell von W. A. M >zart. Das Quartett trägt bei Köchel die Nr. 584. Das Adagio, dort mil Larghetto überschrieben, bat Böhm aus dem d ins g hinaufgerückt und es hat so an Schmelz und Lieblichkeit ausserordenl- lich gewonnen.

Sein ächwanengesang Irägt ebenso charakteristisch den Namen »Elegie«. Sie ist in As-dur geschrieben, eine süs«e Scliwermutli, die sich im iO. Takle zur billcrii Kluge erhebt, aber allmälig zur friedlichen Ergebung zurück sinkt, Es ist der Greis, der bereits kränkelnd in seinem 89. Jahre einmal sagte: Das 90. möchte ich auch noch erleben; doch wie Gült will!«

Die Elegie ist für volles Ürchesler componirt, das Ori'husltr erhebt die Composition zu einem wahren Prachtbau , sprich! hie und da rech! genial aus, was die singende Fliilcnsliimnc nur andeutet. Die Elegie ist als lelztes 47. Werk im vorigen Jahre bei Schot! in Mainz erschienen.

Bö'hm hatte sie seinem allen Freunde, dem vurhin erwähnten verdienten Arzte, ehemals im Dienste des Königs von Neapel, Dr. Friedrich Isenschmid, gewidmet, einem tüchtigen Klö'lislen, der sich später, von der alten Flöte wegwendend, in der neuesten Böhm'schen Flöte heimisch gemacht hatte. Dem einsamen Greise erblühlen in der liebenswürdigen Familie des Schweizer Arztes die schönen Erinnerungen an seine Jugend wieder, die er als Künstler in der Schweiz verlebte.

Immer thätig, helfend, wo zu helfen war, stieg >ler alle Mann auf einen Stuhl, um die Pendeluhr zu untersuchen. Der Stuhl zerbrach, und Böhm stürzte auf den Boden des Zimmers. Der noch im hohen Alter flinke Mann erhob sich rasch wieder und war heiteren Muthes, als ob nichts geschehen wäre. Allein von dieser Zeit an klagte er hie und da über Schwindel, der ihn oft auf der Strasse in Angst versetzte. Man schrieb diese Erscheinung der nervösen Reizbarkeit des Magens zu. Allein plötzlich trat heftiger Frost ein, seine Kräfte sanken so rasch, dass er seine Rechnung mit dem Himmel abschloss. Dazu gesellte sich plötzlich sich steigernder Kopfschmerz, der ihn endlich seiner Sinne beraubte. Man hatte alle Ilolfnung bereits sinken lassen; doch die kräftige Natur des 88jährigen Mannes überwand auch diesen Sturm des Todes, und der Greis erholte sich bald wieder zum allgemeinen Erstaunen der Aerzte.

Böhm machte nun wieder seine gewöhnlichen stundenlangen Spaziergänge, besuchte täglich des Nachmittags sein gewohntes Kaffeehaus oder auch das Museum, wo er durch seine Freunde mit den Vorkommnissen der Welt und des Lebens vertraut gemacht wurde, denn das Lesen verboten ihm seine dunkeln Augen. Dennoch wurde er als ausgezeichneter Schachspieler sehr häufig gedrängt, eine Partie Schach zu spielen, nur bat er seines verdunkelten Sehorgans halber um etwas mehr Zeit, sich zu orienliren. Trotz allem diesen blieb er gewöhnlich der Sieger.

Bthm's Tod, Familie und körperliche Constitution. Allein sein sonst so scharfes Gehör wurde immer schwächer, desgleichen die Augen, die schon durch seine Beschäftigung mit den Eisenhütten-Processen durch die Weissgltilh der Puddlingsöfen gelitten halten, so dass ihm zuletzt alles Lesen, Schreiben und Zeichnen unmöglich wurde. Die Lippen hallen noch überdies ihre alle Spannkraft verloren, die liefen Töne seiner Flöte wollten nicht mehr ansprechen — er schied traurigen Herzens von seinem ältesten liebsten Freunde, der Flöte, für immer. Dennoch unterrichtete er noch den letzten seiner Schüler bis zu seinem Ende. Au Technik fehlte es diesem Schüler keineswegs, aber es war wieder der Vortrug, durch welchen Böhm seinem Schüler die letzte Vollendung aufdrücken wollte. Wo seine Flöte nicht mehr ausreichte, half er durch Gesang nach. Einer Aufregung, in welche ihn ein junger ungerathener Mensch versetzte, vermochte seine ohnedies schon gebrochene physische Kraft den gewohnten Widerstand nichl mehr zu leisten. Er sah sein Leben rasch dahin llicssen. »Wenige Jahre älter zu werden, halle ich noch gewünscht — aber wie Golt will.« Er hauchle seinen Geist aus am Millwnch Abend den 25. November <88I.

Döhm hinterliess acht Kinder , darunter sieben Söhne , bis auf einen alle in hervorragender Stellung sich befindend ; die meisten hallen den scharfen Geist, die mechanischen Anlagen ihres Vaters geerbt, kein einziger aber seine musikalische Begabung. Zu diesen Kindern kommen noch 36 Enkel und zwei Urenkel.

Wir haben so, möchte ich sagen, ein schönes Bild menschlichen Lebens und Wirkens vor uns, das in steter Harmonie, in sieler Pflege der Kunst, und in der Entwicklung nur selten ge- sliirl, dahin Iloss. Aus einem der edelsten Handwerke hat ihn die Kunst in ihre Arme genommen und ihn glänzend durch die weile Well geführl. Die eigenlliche Almosphäre des sngenann- ten Virtuosen- und Musikanten-Lebens halle den charaktervollen jungen Mann nur obenhin berührt. Aus der glänzenden Welt eilte er in die Arme seiner blühenden Familie zurück , und es war eigentlich die Kunst, die sein reich verzweigtes Familienleben verklärte. Böhm war ein feiner Mann der Welt, dabei olfenherzig, gulmülhig, sich selbsi aufopfernd, so dass er mancher ernstlichen Warnung immer die Antwort entgegenhielt: »Ich will lieber betrogen werden, als an der Menschheit verzweifeln.«

Darum war auch sein Leichenbegängniss eines der merkwürdigsten. Alle Stände des Lebens bewegten sich im buntesten Durcheinander seiner Bahre folgend. Neben den Musikern vom Fach schrillen Dilettanten, Staatsdiener, Handwerker, liillardspieler. Böhm war nämlich ein allbekannter Billard- und Schachspieler — er spielte noch täglich, aufgefordert, seine Partie, als seine Augen kaum mehr die Schachfiguren unterscheiden konnten.

Böhm war schlank und halle alle Anlage in seiner Jugend zur Lungenschwindsucht. Als er in den ersten Tagen seiner Flötenstudien in München in der Unterhallungs-Gesellschafl des »Frohsinnsa blies, jammerle Alles: Der junge Mann mit dem beschränkten Alhem bläst die Flöte! Aber eben die Flöle hat ihn gerellet. Die Thätigkeit der Lungen beim Blasen der Flöte hat seine Brust erweitert und den phlhisischen Habitus vernichtet. Böhm warder schnellste Fussgängerund durch lagelange Touren nichl ausser Athem zu bringen, das Ideal des Dauer- laufes im natürlichen Turnen, und der geübteste Springer. Ein schlagender Beweis, wie gut der Rath unseres genialen Chirurgen Nussbaum ist, der in seinem classischen Aufsatze: »Hoch- und Wohlgeborem unter vielem Ändern ernstlich rälh, die unselige angeborne Anlage zur Schwindsucht durch unablässiges Arbeiten, das den Bruslkaslen crweilere, z. B. Blasen der Flöle, zu zerslören. Böhm lieferl auch hier ein Beispiel, dass die das Glück so vieler Existenzen vernichtende krankhafte Anlage ohne alle Medicin geheilt werden könne.

Bthm's Andenken in England und Amerika. Mangelnde Theilnahme in Deutschland.

Der Tod des merkwürdigen Mannes schien in der musikalischen Well Deutschlands kaum bemerkt zu werden, wie sich das *on selbst versieht. "; In Nordamerika wurde die Nach- richl von Böhm's Toile zu einer wahren Trauerkunde. Die meisten englischen Zeitungen in Nordamerika widmeten Böhm den wärmsten Nachruf, und die bedeutendsle Zeilung Amerikas, ja vielleicht der ganzen Welt, der New York Herald, gab eine der ausführlichsten Biographien des »berühmten Mannes«. Sogar aus Louisville, dem ccnlralen Staate von Kentucky, er-

  • , .ll'i'c j/c/i r"« nlM versteht!* Der würdige Herr Verfasser dal in 'Pim'm langen Leben ebenfalls nvhr von der Welt gesehen, als lilos s<-in Vaterland, und kiMinl daher die allcrschimpflicbste Schwach« iloi Deutschen, die Hemmung iler natürlichen Wirksamkeit lieili-utamler \Ioii»clien \\aliruml ihres l.clicns und die üleich- :_iilii"l,c'ii gegrn iliosclhcn im Momente wo sie diese Welt verlassen, dir.

schien in der belletristischen Beilage zu der deutschen Zeitung Amerikas »Omnibus, der Unterhaltung, Belehrung und dem Humor gewidmet«, ein »Nachruf aus Amerika an den berühmten Flötenvirtuosen» von einer Dame, Betly Willgenstein, unterm 25. December 1881, einer Dame, die unsern Böbra sehr oft besungen haben mussle, da das Gedicht beginnt: Einst sang ich Dir zur Wiegenfeier Mein lief gefühltes frohes Festgedicht.

In einem beiliegenden Briefe des berühmtesten Flölislen in Nordamerika, /:;,//;, Weiner, Hitglied des New York Husician Club, an die Tochter Böhm's beisst es unier anderem: »Seit einigen Tagen sind wobt über hundert Personen, darunter die renommirlesten Musiker und bedeutendsten Flötisten von New York bei mir gewesen, um sich in Betreff der Nachricht über den Tod des Herrn Böhm zu erkundigen.« Neben dem Banquier Prentiss führt er noch die Namen von ein Dutzend Musikern und Professoren an, die ihn beauftragten, »der Familie Böhm's ihr tiefstes Bedauern und Beileid zu übermitteln.« Der Briefschreiber sagt, er finde in der deutschen Presse kaum irgend Etwas über Böhm und schliesst: »Wie beschämend für uns Deutsche in fremdem Lande l»

Indessen von Künstlern und Dilettanten, die sich vollständig mit seiner Flöte vertraut gemacht haben , wurde Böbm immer gefeiert.

l' r eine Grund dieser Unbekanntschaft des musikalischen Deutschland mit dem Namen Böhm mag wohl darin liegen, dass Böbm nur in seiner Jugend als Virtuos reiste, einer Zeit, die für den grösslen Theil unserer musikalischen Schriftsteller und Kritiker bereits weit hinter ihnen in der Vergangenheit liegt. In späteren Jahren trat Böhm als Virtuose nur in England auf, und da mehr aus Gefälligkeit, für wohllhälige Zwecke wirkend oder in geschlossenen Cirkeln der Aristokratie Cirkel, in welche eine Einführung nur den ausgezeichnetsten Mitgliedern der Kunst gestaltet ist.

Die Böhm'sche Flöte mit ihrem Principe bat sich nun den Weg durch die ganze musikalische Welt gebrochen. Seit dem Jahre 4847 hat die Böhm'sche Flötenfabrik in München Flöten geliefert durch ganz Deutschland, Oesterreich, Holland, England, Schweden, Norwegen, Moldau, Walachei, Rumänien, Schweiz, Italien, Griechenland, Russland, Ostsibirien, Blago- weslscbensk (am Amur), Smyrna, Georgien, Madras, Ceylon, China, Japan, Luxemburg, Belgien, Frankreich, Spanien, Nordamerika, Canada, Mexiko, Peru, Paraguay etc. Zu diesem Resultate war die Arbeit, das Studium, die Genialität und die Ausdauer eines Mannes durch ein halbes Jahrhundert vonnöthen, um das ersehnte Ziel zu erreichen.

Wenn dem Menschen in seinem Wirken eine höhere Lebensaufgabe gestellt ist, als (wie Lessing meint)>j>j^r>win ganzes Leben lang seinen Athem in das Mundloch eiotc.-fföte zu blasen, so hat unser Böhm, obwohl er so ziemlich sein ganzes Leben laug mit seinem Odem die todte Flöte beseelte, gewiss mehr gethan, als selbst Lessing seinem Menschen als Lebensaufgabe stellt. Er war ein Denker, ein tüchtiger, genialer, nie ermüdender Handarbeiter, ein guter Mensch und braver Bürger, dabei auch ein Virtuose und schauender Künstler, der mit seinen ästhetischen Gebilden Tausende erfreute und noch Tausende erfreuen wird. — Böhm konnte am Schlüsse seines langen Lebens getrost auf die Mühen und Früchte seines sech- zigjährigen Wirkens zurückscbauen, und ich kann nun die Feder weglegen mit einer gewissen Befriedigung, eines merkwürdigen Mannes, dessen Name durch die ganze musikalische Well klingt, inneres geistiges Leben und Wirken, das dem Namen erst den rechten VVerlli verleiht, in einem treuen Lebensbilde dem Leser vor Augen geführt /.u haben. (Schlau folgt.)

Die Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins

vom 8. bis 12. Juli 1882.

(Schluss.)

Reichliche Entschädigung für die Langweilerei der kirchlichen Matinee gewährte das Abendconcert. Es wurde durch Joachim RafTs Dmoll-Quartelt Op. 77 eröffnet. Das poetische in allen Sätzen ziemlich gleichwertige Werk, durch das der kürzlich verstorbene Componist aufs ehrenvollste repräsentirt war, fand durch die bereits oben erwähnten Kölner Quartet- listen, zu denen sich wiederum Grützmacher gesellte, eine unübertreffliche Darstellung. Auch die Florentiner haben wir auf ihren Instrumenten nicht herzbewegender singen, nicht geistsprechender vortragen hören. Trotzdem, dass die Zuhörerschaft wohl gegen 2000 Köpfe zählte und durchaus nicht blos aus jenen musikalisch feiner gebildeten Elementen zusammengesetzt war, welche sonst das Publikum der Kammermusikconcerle repräsentiren, herrschte denn doch eine athemlose Stille im Saale, und wiederholter Hervorruf lohnle die Künstler für ihre meisterhafte Leistung. Als Nummer 2 (igurirten auf dem Programm sieben Gesänge aus »Lenz und Liebe« von Omar Chajjam (deutsch von BodenstedtJ für vier Solostimmen und Ciavierbegleitung zu vier Händen gesetzt von August Riedel in Leipzig. Das Werk flösst als Op. 4 Achtung vor dem Componislen ein, wenn sich auch eine gewisse Einförmigkeit, namentlich ein Mangel an rhythmischer Abwechslung wie Prägnanz der Themen nicht läugnen lässl. Die Ausführung der Quartette durch die Damen Fräulein Sara Odricb aus Aachen, Frau Müller- Swiatlowaky, Herrn Professor J o h a n n e s Müller aus Moskau und Herrn Jos. Burgmeier verdiente unbedingtes Lob. — Ein »Moderne Suite« für Piauoforte von E. A. Max Dovell aus Darmstadt vermochte uns nicht zu fesseln , obwohl sie der Componist selbst mit viel Bravour vortrug. Das Werk ermangelt ebenso sehr der formellen Klarheit, wie der tieferen musikalischen Empfindung. Ansprechender waren drei Lieder: In der Ferne« von Peter Cornelius, »Mein Herz schmückt sich mit dir« von Kniese und «Ständchen« von Liszt, durch deren warm empfundenen Vortrag der Tenorist Herr C. Dierich sich bis zu einem gewissen Grad rehabililirte. Namentlich das Liszt'sche Ständchen, welches den Serenadenton aufs an- mulhigsle Irifft, gelang ihm gut. Den beiden folgenden Streichquartettsätzen von Fitzenhagen (Andante mollo sostemtto und Un poco agitato) fehlte es keineswegs an geistvollen Zügen, wohl aber an jener Spontaneität und Folgerichtigkeit, die wir von einem organisch gestalteten Kunstwerk verlangen. Die Ausführung durch die mehrerwähnten Kammermusiker war wiederum über alles Lob erhaben. Als vorzügliche Liedersängerin bewährte sich Frl. Odrich durch den Vortrag dreier Gesänge von Umlauft, Piutti und Sucher, die uns als Compositionen nicht bedeutend erschienen, aber durch die wohllautvolle Stimme der genannten Künstlerin gewissermaassen geadelt wurden. Den Schluss des Concertes machten zwei Claviervor- träge des Herrn Fritz Blumer aus Glarus, der vor Jahresfrist der Nachfolger Hob. Freund's als erster Pianist an der Züricher Musikschule geworden. Die 43. Liszt'sche Rhapsodie sprach uns weniger an als die Elude Op. 23 von Rubinstein, ein präcbliges Virtuosenstück, das der Spieler mit unübertrefflicher Eleganz reproducirte.

Mittwoch den 12. Juli, Vormittags {t Uhr, folgte das zweite Kammermnsikconcert, das an künstlerischer Ausbeule noch reicher war als das erste. Es wurde durch Karl Goldmark's B dur-Quartett Op. 8 eingeleitet, ein Werk, in dem sich echt quarteltmässiger Factur ein Klangcolorit von bestrickendem Heiz gesellt. Im Andante troffen die Instrumente förmlich von Wohllaut, um dann im Scherzo den übermüthigsten Humor zu entfalten. Bei den Gesangsvorlrügen der Frau Müllcr- S\viatlowsky bedauerten wir blos die unglückliche Auswallt, welche die Künstlerin getroffen. D;is Licil »Zauber der Nacht« von Schulz-Beulhen ist eine geradezu triviale Compo- sition, und die »Drei Zigeuner« von Liszt mag man geistvoll declamirt, zigeunerhaft charakteristisch finden ; aber Lied wird man dies formlose Ding unmöglich betiteln können. Um so erquicklicher muthete nach diesen Wunderlichkeiten das Olavier- trio aus B-dur von Gust. Weber an. Hier weht uns urgesunde Luft an, eine Frische der musikalischen Erfindung und Empfindung, wie sie in unserer überreflectirten Zeit selten zu finden ist. Während sonst der zweite Sonaten-Salz das Adagio oder Andante gewöhnlich die Stelle bildet, wo es den neueren Com- ponisten am schwersten wird, mit den Meistern der classischen Form zu rivalisiren, die hymnische Breite und Empfindungstiefe eines Beethoven, die ruhige Klarheit und innere Sättigung eines Mozart auch nur annähernd zu erreichen, hat Weber gerade im Andante sein Bestes gegeben. Weitathmiger Gesang quillt durch den ganzen Satz, an dem wir keine schwache Stelle zu entdecken vermochten. Auch das Scherzo, ein Alleyro vivace, ist reizvoll, und das Hauplthema des letzten Satzes erinnert in seinem spontanen Aufblühen an keinen Geringern als Beethoven. Möge das Werk, das als Manuscript zur Aufführung gelangte, bald veröffentlicht werden und überallhin Freude bereiten. Dem Weber'schen Trio schlössen sich, die frisch angeregte Stimmung des Auditoriums noch erhöhend, drei Solovortr'äge unserer mit Bechl beliebtesten Sängerin Frau Anna Walther- Strauss aus Basel an. Schon die Wahl der SlofTe bekundete den künstlerischen Geschmack derselben. Sie sang zunächst die Serenade »Leise, um dich nicht zu wecken« aus Op. 58 von Job. Brahms, dann die »Schlüsselblumen«, Lied von Franz Liszt, endlich die »Musikanten« von Ed. Lassen. Gab ihr das letztere mit seinen das schwirrende Tambourin imitirenden Trillern Gelegenheil, ihre Kunst in der Coloralur zu zeigen, so bezauberle sie in den beiden ersten Liedern das Publikum durch die Grazie und sinnige Zartheit ihres Vertrags. — Die folgende Programm-Nummer, zwei Sätze für Streichquartett von Tschai- kowsky befriedigten trotz der musterhaften Ausführung weniger, wenn auch namentlich das Andante aus Op. 22 viel Schönes enthält. Ihren künstlerischen Höhepunkt erreichte die Matinee mit der Reproduction einiger Brahms'schen Vocalquar- telte Seitens der Frau Walther-Slrauss, Frl. Amalie Kling, der Herren Müller und Burgmeier, welche von Herrn Aug. W alt h er aus Basel vortrefflich begleitet wurden. Gleich das erste dieser Lieder Schiller's »Abend« (»Senke, strahlender Gott«) trifft den landschaftlichen Stirnmungslon der Dichtung überaus schön. Voll Anmuth ist das Goethe'sche »Wechsellied zum Tanzen, in welchem Brahms die Gegensäl/e der Gleichgültigen und der Zärtlichen mit schalkhaftem Humor wiedergegeben hat. Den Schluss machten die nach einem Mährischen Volkslied bearbeiteten »Neckereien« (»Fürwahr, mein Liebchen, ich will nun frein«), welche das Publikum trotz der bereits eingetretenen Erschöpfung eleklrisirten. Der mehrfache Hervorruf der Ausführenden-war ein wohlverdienter; denn selten dürften Quartette von vier schöneren Stimmen mit mehr künstlerischem Geschmack zu Gehör gebracht worden sein. Den Abschluss des Concertes bildete wiederum eine Claviervirtuosenleistung. Herr Bertrand Rolh, Professor am Hoch'schen Conservatorium zu Frankfurt, spielte Valse Caprice Op. 41 6 und Reverie-Noc- turne Op. l < 9 von Joachim Raff, ferner »Islameii, Orientalischer Tanz von Balakisew. Die enormen Schwierigkeiten, welche der letzterwähnte in seiner Composition aufgehäuft hat, stehen zum innern Werlh derselben in keinem Verhällniss. Das Werk hin terlässt den Eindruck des Dürftigen, ja wir möchten sagen Rohen. Dagegen sind die RafTschen Stücke geistvolle Emanationen dieses vielseitigen Talentes, dem nur mehrConcentration

und eine strengere Selbstkritik zu wünschen gewesen wären. Die Wiedergabe sUmmtlicher Nummern Seitens des Herrn Rolh war über alles Lob erhaben.

In die Lorbcern des sechsten und letzten Concerles, welches Mittwoch den 12. Juli, Abends 7 Uhr, stattfand und volle vier Stunden in Anspruch nahm, Iheilten sich Componisten und Virtuosen ziemlich glcichmässig. Eine Ouvertüre zu »Don Carlos« von Ludwig Deppe iu Berlin componirt und dirigirt stand an der Spitze des Programms. Das Werk bewegt sich in hergebrachten Formen, ist etwas kapellmeisterhaft nüchtern, aber hübsch instrumenlirt und fand daher warmen Beifall. Eine glänzende Virluosenleistung war die Hcproduction des zweiten Violinconcerles in D-rnoll von H. Wieniawsky Seitens des Herrn Eugen Ysaye aus LUttich. Mit schönem Ton und schlagfertigster Technik verbindet dieser Geiger ein Feuer und eine leidenschaftliche Energie des Vertrags, welche die Hörer unmittelbar mit sich forlreissen. Nach dem Finale alla Zingara mit den im rapidesten Tempo dahinstürmenden Doppelgriffen wollte der Jubel des Publikums nicht enden. Fräul. Amalie Kling wusste die Stimmung auf der Höhe zu erhalten, indem sie drei Lieder: »Auf dem See« von Joh. Brahms, Rob. Emme- rich's »Im Haine« und Atlenbofer's anmuthiges Wiegenlied echt künstlerisch wiedergab. Eine etwas kühlere Aufnahme fanden dagegen zwei Sätze aus der Nero-Symphonie von Edgar Mim - zinger in Berlin, welche dieser selbst leitete. Von den Titel- bezeicbnungen »Lebende Fackeln« und »Bachanale« hatte man auf eine realistisch keckere Darstellung, auf blendendere Farben- efTecle geschlossen. Gerade die maassvolle Haltung, der engere Anschluss an die symphonischen Meister that daher der Wirkung gewissermaasscn Abbruch. Die »lebenden Fackeln« sind ein in düsterm Ernst dahinschreitender Trauermarsch , dessen Millelsatz dann allerdings eine das Emporlodern der Flammen malende Figur bringt. Das Bachanale hat ausgeprägten Scherzocharakter, ohne dass es gerade dämonisch wild und üppig darin zuginge. Von besonderem Interesse waren eine Anzahl Nummern aus Saint-Saens' Canlale : »La Lijrc et la Harpe* für Solo- quarlett, Chor und Orchester. Der Componist dirigirte das nicht gerade sehr hervorragende, aber feinsinnige und klangschöne Werk selbst und erzielte grossen Erfolg damit. Am meisten sprachen uns der träumerische Eingangs-Chor »Schlaf, o Sohn von Apoll«, in welchem die Harfe höchst wirkungsvoll verwendet ist, dann der Quarlettsatz: »Der Bruder stütze ihn, den schwachen« und ein von Herrn Burgmeier vorgetragenes Baritonsolo an. — Den zweiten Theil des Concertes eröffneten Liszt und Saint-Saens, indem sie den zweiten Mephistowalzer Liszt's zu vier Händen spielten. Dass die Begeisterung der Menge schon durch den eigenartigen Anblick, den das Zusammenwirken der beiden Künstler gewährte, aufs höchste entzündet wurde, versteht sich von selbst. Die Composition machte keineswegs den Eindruck des Dämonischen auf uns, was freiließ theilweise auf Rechnung der die Entfesslung sub- jectiver Genialität von vornherein verunmöglichenden vierhän- digen Wiedergabe zu schreiben sein mochte. Verdienten Beifall erntete ein vom Tondichter wiederum persönlich geleitetes Werk Jean Louis Nicodo's aus Dresden »Inlroduction und Scherzo« Op. 11, das sich durch feurigen Schwung und geniale Instrumentation auszeichnet. Mit hinreissendem Pathos sang Fräul. Luise Schärmack Liszt's dramatische Scene »Jeanne d'Arc vor dem Scheiterhaufen« für Mezzosopran mit Orchesterbegleitung. Die Tondichtung gehört zum Gelungensten, was Liszt geschrieben, und IrifTl den Ton patriotischer Rhetorik, den die Alex. Dumas'sehen Verse alhmen, vorzüglich. Noch stürmischer gestalteten sich übrigens Applaus und Hervorruf, nachdem Frau Sophie Menler Liszt's Phantasie über ungarische Volkslieder mit Orchcslerbcgleilung vorgetragen. In dieser Vir- luosin vereinigen sich mit unfehlbarer Technik eine männliche Kraft und Grosse des Vertrags, die mit Bewunderung erfüllen. Die Composition selbst ist von untergeordneter Bedeutung, aber glänzend instrumenlirt. Nach dem Vorangegangenen und der natürlichen Ermattung, die sich infolge bereits mehr als dreistündigen Hörens der Masse zu bemächtigen begann, halte unser Landsmann Hans Huber in Basel, mit der von ihm selbst geleiteten Teil-Symphonie, der Schlussnummer des überreichen Programms einen keineswegs leichten Stand. Um so ehrenvoller war es für ihn, dass die Composition trotzdem durchschlug. Es puUirt echt symphonisches Blut darin, und die Orcheslratioo ist, wenn wir vielleicht ein die übrigen Instrumente hin und wieder allzu stark deckendes Hervortreten des Blechs in Abrechnung bringen, edel und stimmungsvoll. Am besten gefielen uns der erste Satz mit seinem markigen Hauptthema und das graziöse Allegretto.

Donnerstags den (3. Juli wurde das Fest durch einen gemeinschaftlichen Ausflug nach dem Uetliberg beschlossen, dem der endlich regenerschöpfte Himmel freundlich lächelte. Mögen die auswärtigen Künstler die Züricher Festtage, die des Schönen und Anregenden die Fülle brachten, in guter Erinnerung bewahren und bald wieder bei uns Schweizern einkehren !

A. Niggli.

Berichte.

Kopenhagen, 45. August.

In!. Her.. Als Friedrich ,VI von Dänemark seiner Zeit nach Altona kam, hatte die Behörde daselbst eine allgemeine Illumination angeordnet. Bekanntlich strebte dieser König danach, Oekonomie in die Staatsverwaltung einzuführen. Eingedenk dieses tugendlichen Vorsatzes, illuminirte ein Altonaischer sparsamer Bürger nur mit einem Lichte, und neben diesem war dann folgender Vers zu lesen: »Der König liebt die Verschwendung nicht, Deshalb illuminire ich nur mit einem Licht.«

Als man vor einigen Wochen den Concertsaal in Klampenborg besuchte, masste man unwillkürlich an dieses Anekdotchen denken; statt des vollen Orchesters musicirte nämlich nur ein Streichquartett, welches in dem grossen Local ziemlich dünn und wegen der starken Resonanz auch unklar klang. Der Grand dieses changement de decoralion war darin zu suchen, dass im Tbeatergebäude eine Vorstellung stattfand, bei welcher die Hauptkräfte des Orchesters verwendet wurden. Der Pächter des Orts scheint indess »seine Pappenheimer« zu kennen, denn die Oekonomie fiel der Mehrzahl der Anwesenden nicht auf. Da Klampenborg jedoch nicht nur von »Pappenheimern« besucht wird, dürfte eine Verkleinerung der dort wir

kenden Kräfte, wenn sie häufig vorkäme, nicht ratbum sein. Zur Ehre des Pächters sei hinzugefügt, dass die gerügte Veränderung nur selten stattfindet, und dass an bestimmten Abenden das Orchester sogar verstärkt wird. Es werden dann grössere Musikstücke als sonst vorgeführt; mit anderen Worten, die gewöhnliche Tanzmusik weicht den ernsteren und grösseren Kunstformen. In der vorigen Weise besuchte ich ein Concert dieser Art, die den Namen »Symphonie-Con- certe« tragen, und ich hörte denn n. A. die Bdur-Symphonie von Gade, einen Theil des Concerto romantiquc (die Romanze) von Benjamin Godard, die Militär-Symphonie von Ha yd n, einen Saltarello von Gounod, einen Rigaudon von Monsigny und einen Hochzeitsmarsch von Robert Henriquez. Die genannte Symphonie von Gade (Ludwig Spobr gewidmet) wird merkwürdigerweise nur selten hier gespielt, während sie in Deutschland die be- kanntesU) seiner acht Symphonien ist; reich an schönen und lieblichen Motiven, im höchsten Grade fliessend und sehr abgerundet in formaler Beziehung; daneben ausgezeichnet instrumentirt, dürfte diese Schöpfung des dänischen Tonmeisters wohl zu den gelungensten seiner instrumentalen Arbeiten gerechnet werden, und nicht ohne Grund könnte man sie als eine moderne Haydn'sche Erscheinung bezeichnen. Gar köstlich ist übrigens das Scherzo in G-moll mit seinen piquanten zwei Trios in G-dur u. s. w. Der Hüpfer (Saltarello) von Gounod, ein gänzlich unbekanntes Stück des genialen Franzosen, ist sehr interessant, wenigstens theilweise in Betreff der Instrumentalion , die an einigen Stellen angebrachten tiefliegenden Clari- uetten machen sich besonders gut.

Merkwürdig genug figurirt auch ein anderer Operncomponist in oben erwähntem Programme als Inslrumentalcomponist and zwar der fast verschollene Monsigny, dessen »Deserteur« einst die Runde derWelt machte. Gedient mit dieser Placirung ist dem Schöpfer der Opera comique eigentlich nicht. Jedoch frischt die Malplacirung einen Namen auf, der es wirklich verdient, noch erinnert zu werden. Nur in Paris, wo der »Deserteur« noch mitunter gegeben wird, kennt man denselben. Ein hohes Alter erreichte Monsigny (88 Jahre), aber in den letzten 40 Jahren componirte er nicht mehr. Noch älter wurde sein Zeitgenosse Gossec, der Lehrer Ca- lel's, der mehr als 96 Jahre alt wurde.

Im königlichen Theater herrscht noch die Rahe, die der Sommer und die Sommerwärme den Musentempeln zuführen. Am 4. September fangen die Vorstellungen an. Dem Vernehmen nach wird »Die Stumme«, mit theilweiser neuer Besetzung, zu Anfang der Saison gegeben werden; der Auber'schen Oper wird der Liebestrank« und »Mtgnon« folgen. Im December wird die bedeutende schwedische Sängerin Frl. Pyk hier Gastrollen geben; dieselbe wird in »Don Juan« (als Donna Anna) und im »Freischütz« (als Agathe) auftreten. Die Pyk hat eine ungewöhnliche Sopranstimme, vornehmlich was die Fülle betrifft, und sie singt mit vieler Innigkeit. Grund ist also vorhanden, sich über diese Acquisilion zu freuen.

Aar z Ki «e R.

[459] Soeben erschien in meinem Verlage:

Röminiscences iougo-slaves.

Grande Fantaisie de Bravoure

pour

flOLON

»yeo accompagnement d'Orchoatre ou de Piano

composee

par

Ad. fiöckert.

Op. 15.

Pour Violon et Piano l'i. 3 Jl 50 fy. Partilion et Parties d'Orcheitre en copie.

Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann.

Verlag von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

[460]

für

Pianoforte zu vier Händen

componirt von

Ernst Matthiae.

Op. 14.

frei* 80 Jp. Verlag Vod j. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

i,.,] TRIO

No. L', llilur für Pianoforte, Violine und Violonoell

von

Friedrich Gernsheim.

Op. 87.

Prtit yj M.

"'" Conservatoriuni für Musik in Stattgart.

Hit dem Anfang des Wintersemestern, den 16. Oclobci-, künncn in diese unter dem Prolcclorate Seiner Majestät des Königs stehende und von Seiner Majestät, sowie aus Mitteln des Staates und der Stadt Stuttgart subventionirlc Anstalt, welche für vollständige Ausbildung sowohl von Künstlern, als auch insbesondere von Lehrern und Lehrerinnen bestimmt ist, neue Schüler und Schülerinnen eintreten.

Der Unterricht erstreckt sich auf Elementar-, Chor-, Solo- und dramatischen Gesang, Clavicr-, Orgel-, Violin-, Violonccllspiel, Conlrabass, Flöte, Oboe, Clarinette, Hörn und Fagott; Tnnsatzlehrc (Harmonielehre, Contrapunkt, Formenlehre, Vocal-und Instrumenlal- composilion nebst Parlilurspiel , Orgelkunde, Geschichte der Musik, Acsthctik mit Kunst- und Literaturgeschichte, Declamation und italienische Sprache und wird erthcilt von den Professuren Alwens, Beron, Debnysere, Faisst, Keller, Koch, Krüger, Lebert, Levl, Linder, orstatt, Pruckntr, Scholl, Seyerlen, Singer, Stark, llofkapellmcistcr Doppier, Kammermusikern Wien, Cabliius und G. Herrmann; ferner den Herren Kammervirtuosen Ferling und C. Krüger und Herren Attinger, Bühl, Feinthel, Frey, GötscbJus, W. Herrmann, Hilsenbeck, Hummel, Rrauss, Lanröich, Meyer, Rein, Kanzler, Schneider, Schach, Schwab, Sittard, Spohr und Wünsch, sowie den Fraulein F Darr Cl. Faisst und A. Putz.

i Mi das Ensomblespiel auf dem Ciavier ohne und mit Begleitung anderer Instrumente sind regelmäßige Leclionen eingerichtet. Zur lebung im öffentlichen Vorlrag ist den dafiir befähigten Schulern ebenfalls Gelegenheit gegeben. Auch erhalten diejenigen Zöglinge, welche sich im Ciavier für das Lehrfach ausbilden wollen, praktische Anleitung und Uebung im Ertheilen von Unterricht innerhalb der Anstalt.

Das jährliche Honorar für die gewöhnliche Zahl von Unterrichtsstunden betragt für Schülerinnen 140 .*, für Schüler 260 .li, in der Kunstgesangschulo (mit Einschluss dos obligaten Clavicrunlcrricbts) lür Schüler und Schülerinnen 360 .U

Anmeldungen wollen spätestens am Tage vor der am Donnerstag den 44. October, Nachmittags i Uhr, stattfindenden Aufnahmeprüfung an das Sccretariat des Conscrvaloriums gerichtet werden, von welchem auch das ausführliche Programm der Anstalt zu beziehen ist.

Stuttgart, den 49. August 4882. ,,-,,.

Die Direction:

(H- 7'm-> Faisst. Scholl.

M631 Verlag von

J. Rieter-Biedernann in Leipzig und Wintcrthur.

Lieder und Gesänge

von

Johannes Braliins.

Für Pianoforte allein

von

Theodor Kirchner.

No. 4. »Wie bist du, meine Königin, durch sanfte Güte wonncvoll !< (Op. 32. No. ») l'r. Jt a. —.

- 1. EinSonnett: »Ach könnt'ich, könnte vergessen sie« (Op. 44.

No. 4) Pr. M 4. 50.

- 3. Die Mainacht: »Wann der silberne Mond durch die Gesträuche

blinkt. (Op. 48. No. l) Pr. Jt 4. 50.

- 4. Ständchen: »Gut Nacht, gut Nacht, mein liebster Schatz«

(Op. U. No. 7) Pr. U? 4. 50.

- 5. Von ewiger Liebe: »Dunkel, wie dunkel in Wald und in

Feld!« (Op. 48. No. 4) Pr. Jl 2. —.

- 6. »Sind es Schmerzen, sind es Freuden«, aus den Magclonc-

Romanzen (Op. »». No. 8) Pr. M t- —.

- 7. »Ruhe, Süssliebchen, im Schatten«, aus den Magclone-Ro-

manzen (Op. 88. No. 9) Pr. M i. —.

- 8. Auf dem See: »Blauer Himmel, blaue Wogen« (Op. 59. No. i)

Pr. Jl 1. —.

- 9. »So willst du des Armen dich gnädig erbarmen?« aus den

Magelone-Romanzen (Op. 33. No. 5) . . . Pr. UC4.50.

- 40. »Muss es eine Trennung geben«, aus den Magelone-Romanzen

(Op. 88. No. 4«) Pr. .*4. 50.

- 44. »Wie froh und frisch mein Sinn sich hebt«, aus den Mage

lone-Romanzen (Op. 88. No. U) Pr. M t.—.

- 42. »0 komme, holde Sommernacht« (Op. 58. No.4) Pr. Jl t. 50.

- 48. Serenade: »Leise, um dich nicht zu wecken« (Op. 58. No. 8)

Pr. Jfi. —.

- 44. »Dein blaues Auge hält so still« Op. 59. No. 8) Pr. Jt 4. 20.

- 45. »Wenn du nur zuweilen lächelst« (Op. 57. No. 2) Pr. JH. 20.

- 46. »Es träumte mir, ichseidirlhcuer« (Op. 57. No.8) Pr.,14. 50.

- 47. »Strahlt zuweilen auch ein mildes Licht« (Op. 57. No. 6}

i'i. ,/; 1. 20.

- 48. DieSpröde: »Ichsähe eineTig'rin« (Op. .18. No. 3) Pr. UM. 50.

- 49. Schwcrmuth: »Mir ist so weh um's Herz« (Op. 58. No. 5)

Pr. Jf 4. 20.

- 20. Agnes: »Rosenzeitwieschncllvorbei°(Op.59.No.5!Pr.uC 4. 50.

- 24. Sandmännchen: »Die Illumelein sie schlafen« (Volkskinder-

lied) Pr. Jl 4. 50.

H°4] Soeben erschienen in meinem Verlage:

Vier JLdecler

für

eine Singstimme

mil Begleitung des Pianoforte

componirl

von

Louis Bödecker.

Op. 17.

Preis 3 Mark.

Einzeln:

No. 4. Frühlingsanfang: »Es kommt so still der Frühlingstag«, von H. Lingg .......... . ' . . Pr. 50 Sf.

No. «. ieolsharfe: »GeheimnissvollerKlang«, von ff. Lingg Pr. ':,< y No. 3. Kummer: »0 holder Luflhaucb«, von Chr. Kirchhoff Pr. 50 %. No. 4. Wunsch und Grnss: »Wenn immer doch Mondschein bliebl« von Wilhelmiiic Mylius ........ Pr. 50 #.

Leipzig und Winterthor.

J. Rieter-Biedermann.

<S31 Verlag von

./. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

lircieiillcitnii

von

August Freudenthal in Musik gesetzt

für

Männerstimmen, Soli (Tenor und Bass) und Chor

mit Begleitung von Orchester oder Pianoforte

Emil Keller.

Op. 20.

Ciavierauszug Pr. 8 Jl. Chorslimmcn: Tenor I, II, Bass l, II ä 30 3f. Partitur und Orchesterslimmcn sind in Alnclirifl durili die Verlagi- bttnfilunfj stt beziehen.

Verleger: J. Rieler-Biedennunn in Leipzig und Winterthur. — Druck von Brcilkopf A Härtcl in Leipzig. Expedition : Leipzig, Am Rabensteinplatz 2. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg.

Di« Allgemein« Vnailwlische /eitunß

erioheint rege l m äs big an jedum Mittwoch

üml i« t durch, alle PosUmler und Uucli-

flftüdJungea xu beiienca.

Allgemeine

fn'u: Julirlicli IS Mk. Vi.'rMjÄhrliciu. i i -mhi l Mk.OOl'f. Aiiwitfvi.: dio ges^iil. tene Petitieile oder deren lUuu 30 PC Brief« und Gelder werden friaco erbeten.

Musitalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 6. September 1882.

Nr. 36.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen. (Schluss.) — Theobald Bohm. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Schluss.) — Anzeiger.

Franz von Holstein. Seine Liedereomposltionen.

I. Lieder für eine Singstimme

mit Begleitung des Pianoforte.

(Schluss.)

nln aller entzückenden Frische äusserle sich auch in dieser Zeit der Niedergeschlagenheit und des Leideos (im Winter 1877) *) sein Genius noch einmal: in den Liedern ans WoIfTs .Rattenfänger von Hameln', den besten vielleicht, die er geschrieben.« Mit diesen Worten leitet Bullhaupt (S. 93) eine kurze Uebersicbt des nun folgenden Werkes ein, des letzten, das v. Holstein selber veröffentlichte:

Op, 38. Lieder aus Julius WolfTs Batteifiager von Hameln. (Dem Dichter gewidmet.) Leipzig, 1877. E.W. Fritzsch. 3 Hefte ä Jl 3. —. ")

Es sind in der Thal seine schönsten Liederschöpfungeu, voll grossartigen Schwunges, voll bezaubernder Anmulh und scharf treffender Charaklerisirung. Das erste Heft derselben enthält Liebeslieder, und zwar unter Nr. 4 und 6 zwei von den Gesängen, welche Hunold Singuf der Spielmann in der Herberge dem ihn umdrängenden Volke zum Besten giebt***) : der liebliche »Morgengruss« (»An meiner Thüre, du blühender Zweig«) und das feurige hinreissende »Geständniss« (»Lass mich dir sagen, lass mich dir singen, dass ich dich liebe, du herrliche Maid«), ein Lied, das wegen seiner rhythmischen Verhältnisse sorgfältige Proben der beiden Partner erfordert. Nr. t bis 3 aber timfasst die Werbelieder, durch welche Hunold beim Verlobungsfest die schöne Bürgermeisterstochter umstrickt ****): die minnige Lobpreisung der holden Krauenwell (»Nun will ich mit dem reinsten Klang mein Saitenspiel wohl rühren«), bei welchem Lied durchgehende Arpeggien in sinn- und geschmackvoller Weise die Lauten- oder Harfenklänge des Spielmanns nachahmen ; ferner die aus tiefster Brust quellende Liebesklage (»Zwei Sterne machen mich jung und all«) und das mit stolzem Siegesjubel erbrausende Minnelied »Steige auf, du goldne Sonne,

  • ) d. h. in den ersten Monaten des Jahres 4877. ) Heft t, S. 5, letzte Molenzeile, Takt 3 fehlt ; vor <>, also:

. — Heft 3, S. 41 lies nicken (st. uiecken).

  • ) Rattenfänger IV. Cep., S. (l und «6. Wir ciliren nach der U. unveränderten Ausgabe von 4884 (Berlin, Gröle; mit llluslr.j. »») XV. Cap., S. 487. 489. 4»0. XVII.

aus der slurmdurcbrauscnlen Fluti. Die hohe Schönheit dieser Lieder lässt es lebhaft bedauern, dass Holstein nicht auch das liebeglühende berückende vierte Lied »Du rolhe Rose auf grüner Heid'i, welches die Katastrophe herbeiführt, in den Bereich seiner Kunst gezogen hat; er wie kaum ein Anderer halte den vollen Ton dafür zu finden gewusst. — In eine ganz andere Sphäre versetzt uns das zweite Heft »Wauder-, Trink- und Schelmenlieder«; mit der gleichen Meisterschaft und dabei stets in nobler Haltung hat Holstein hier das lustige Leben und Treiben der länderdurchwandernden Scholaren und Spielleule des Mittelalters gezeichnet, den Frohsinn in allen Abstufungen vom fein anspielenden Humor bis zur lollen Ausgelassenheil. Aus dem heimlichen Zechgelage, das der Ralhstuhlschreiber Ethe- lerus und der wohlbeleibte Kanonikus näclitlicher Weile mit Hunold Singuf im verborgnen Hinlerstübchen des Ralbskellers halten*), stammen die prächtigen Lieder Nr. S, 3, 6: das Wanderlied der fahrenden Schüler »Durch die Welt mit Sang und Klang ziehen wir in Schaaren« mit dem übermüthigen Chor-Refrain »Rillus Rallus, Prillus Prallus, hier herein und dort hinaus, schlagt dem Fass den Boden aus«; sodann die »Einkehr« der fröhlichen Gesellen : »Wirth , hast du nicht ein volles Fass? das wollen wir heut anstechen« und der von schalkhafter Zecherlaune übersprudelnde »Willekumm« (»Dnd habe ich gestern zu viel getrunken, so trinke ich heute noch mehr«). Dem Liederborn, der in der Herberge von den Lippen des kundigen Spiolmanns unerschöpflich fliesst**), sind hier abermals drei Gesänge entnommen (Nr. l, 4, S): das kernige Wanderlied »Die Schuhe geflickt und den Beutel gespickt«, die humoristische Litanei »Und wenn ich des Papstes Schlüssel trüg'« und das schelmische Liebeslied »Rothhaarig ist mein Schätzelein« mit seiner drastischen Schlusswendung. — Die Krone des Werkes aber ist das drille Heft mit seinem Empfin- dungsreichthum und seinen genialen Gestellungen. Zunächst das von täuschend nachgeahmten Schalmeiklängen umschlossene kraftvolle Bescbwörungslied des Rattenfängers, in Julius Wolfs Dichtung das drille und letzte, welches die unheimlichen graugeschwänzlen Gäsle sinnbetbörend in die tödllicben Was- serflulhen lockt: »Nun Mäuse und Ratten, ob alt oder jung«***). Dann »Wulf* s Schmiedelied« (»Mit Gunst zum Ersten l Eisen inNotht«), nach feierlichem Eingang energisch und wuchtig wie die dröhnenden Hammerschläge des ingrimmigen Schmiedes, dem das Lied in den Mund gelegt ist. ****) An dritter Stelle das wunderschöne »Gertruds Lied« (»Immer schaust du in die

») VIII. Cap., S. 40». 40«. «08. **) IX. Cap., S. 4»i.

  • ) IV. Cap., S. «0. «7. «8. X. Cap., 8. 447. 3«

Ferne«), weiche elegische Liebesklage, die sich der holdseligen Fischermaid, um deren Herz sich träumerisch-sehnsüchtig die Knospen der ersten Liebe ranken, so lief eingeprägt hat.* Endlich das grossartig aufgefassle Beschwöruogslied des dämonischen Rattenfängers (»Da hinter dem Berge da funkelt ein Schloss«), durch dessen bezaubernde Worte und Klinge er die Kinder- scbaaren zum Auszug aus der Stadt verlockt.**) Den phantastischen Märchenbildern der Poesie entspricht in der Musik die eigenthümliche kindlich - verführerische Melodie, wie sie die Situation nicht schöner treffen kann.

Wir kommen nun zu den nachgelassenen Liedern des Künstlers, die wohl grösstentheils vor den zuletzt besprochenen, einzelne sogar beträchtlich früher entstanden sind :

Op. 42. Secki Lieder fttr eine Soprans timine. (Frau Liss- mann-Gutschbach gewidmet.) Nr. 3 der nacbgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf & l Intel. Pr. Ut 2. 50. Op. 43. Füf Lieder für eine tiefere Stimme. Nr. i der nacbgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf & Härte). Preis Ji 2. 50. "*)

Op. 44. Vier Lieder. Nr. 5 der nachgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf & Harte). Pr. .« 2. 50.

Op. 4JentsprichtwiederumvorzüglichderEigeuartder Sängerin, der es gewidmet ist. Es beginnt mit »Mädchens Sehnsucht» (im altdeutschen Volkston, von F. Hirsch), einem prächtigen Liede, welches durch glückliche Nachahmung verschiedener Züge altdeutscher Volksweisen ein charakteristisches Gepräge erhalten hat: der weichen Klage folgt andachtsvolle Zuversicht zu dem Heister der Welt, welcher es auch fügen wird, dass die Maid den Herzallerliebsten wiedersieht — zur schönen Sommerszeit, mit deren freudiger Ausmalung der Gesang schliesgt. Nr. 2, »An die Vögeln von R. Hamerling (»Zwitschert nicht vor meinem Fenster«), enthält die sanft elegische Mahnung des Gefangenen an die gefiederten Lenzesboten, den Unglücklichen zu meiden. Hell aufjubelnde Klänge dagegen schlägt Nr. 3 an, »Glückliche Abkunft» (von W. Hertz : »Mein Vater war ein Gärtner»); das Lied birgt in sich eine Fülle jugendfrischer Anmuth , die von einem schalkhaften Temperament zu grosser Wirkung gebracht werden könnte. Einen ritterlichen Zug hat das sehnsuchtsvolle »Polnische Lied« (Nr. 4 : »Weisse Lilie, meine Lilie«); das fremdländische Colorit ist mit maassvoller Beschränkung angedeutet. Wie es sich mit dem fünften Lied (»0 lüge nicht«) verhält, haben wir bereits oben Sp. 534 auseinandergesetzt. Nr. 6 endlich (»0 selig, wem in stiller Nacht erscheint ein liebes Bild« von H. Hamerling) bietet der Sängerin reiche Gelegenheit, in vollen Tönen liefseelischen Ausdruck an den Tag zu legen, und eignet sich deshalb vortrefflich für den Concertsaal.

In Op. 43 gewährt das erste Lied, »Die Nachtigall« von Th. Slorm (»Das macht, es bat die Nachtigall die ganze Nacht gesungen«) eine interessante Parallele zu der bekannten Volk- mann'schen Composilion (Op. 51, Nr. 3); wer vergleicht, wird beide Auffassungen, die übrigens manche Aehnlichkeit besitzen, gleichwertig finden. Nr. 2, Seefahrt (»Die Wellen tragen vom Lande fort mein Schiff und schlagen um seinen Bord«) giebt ein kurzes charakteristisches »Seestück«, dessen Klang Holstein vorzüglich zu treffen und, wie uns bereits die dritte Romanze aus Op. 29 gelehrt hat, mannichfach auszugestalten wusste. Dagegen trägt das Volkslied »Ich hört' ein Sichlein rauschen« (Nr. 3), ähnlich wie das erste Lied aus Op. 42 , die Färbung vergangener Jahrhunderte, nur dass die Clavier- begleitung hier noch zurückhaltender auftritt als dort. Ein einfaches anmuthiges Liedchen ist Nr. 4 : »Vergebliche Mühe« von

) Vif. Cap., S. 78. ) XVIII. Cap., S. »»(.

      • ) Op. «S, S. 41, Takts muss über der Silbe -6er eine Sechs- zebnlel- statt einer Achtelnote stehen.

Tb. Sturm (»Ich hielt mein Herz verschlossen«), während das Schlusslied »Im Stürm« (»Wie sich Nebelzüge dräuend dort zu Wolken verdichten« von H. Bullhaupl) mit kühner trotziger Stirn, wie ein Held gegenüber den wilden Naturgewallcn, ein- herscb reitet.

Aus Op. 44 haben wir das »Wiegenlied« (Nr. 4) schon oben Sp. 534 besprochen. Die beiden ersten Gesänge (Gedichte von R. Hamerling), die sanflmelodische Warnung an das in seiner Beschränkung glückliche Kind der grünen Wälder »0 sehne dich nicht ans graue Meer« und das von den Gefühlen stillen Heimwehs und selbstbewußter Tröstung beherrschte »Einst träumt' ich im Waldgrün, nun träum' ich am Meer«, geben der Menschenstimme breiten Kaum, sich in schönen Klängen und ruhiger Bewegung reich und voll zu entfalten. Im Gegensatz zu ihnen steht das leidenschaftliche dritte Lied, »Geständnisse von H. llult- haupl (»Nun ist ein jeder Nerv in mir und jede Ader voll von dir«), welches mit mannhafter Begeisterung an die siegreiche Herzenskönigin gerichtet ist.

II. Duette.

4) a capella.

Wahrscheinlich angeregt durch Moritz Hauptmann's Zweistimmige Lieder ohne Begleitung Op. 46 (eine Vennuthung, welche durch die Dedication verstärkt wird), schrieb v. Holstein

Vierzehn Lieder für zwei weibliche Stimmen, im Freien zu singen. Op. 16. (Frau Susette Hauplmann gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann. 2 Hefte a uT4. —.

Die Texte dieser wohlklingenden und unschwer auszuführenden Lieder, die sich bereits ein weiteres Publikum erworben haben, wählte der Componist zum Tbeil aus Ed. Mörike's Dichtungen : »Der Gärtner« (»Auf ihrem Leibrösslein so weiss wie der Schnee«) und »Mausfallen-SprüchJein« (»Kleine Gäste, kleines Haus«), zum Theil aus Hoffmann von Fallersieben: »0 wie freun wir uns, wenn ein Frühlingstag«; zwei sind mit drei Sternchen unterzeichnet, d. h. vielleicht von ihm selbst gedichtet : »Lockung» (»Ich hört' ein Vöglein singen«) und »Abends am Strande« (»Das Mondlicht glättet die Wogen«). Die weitaus meisten aber (neun) entnahm er aus Aug. Becker's Gedichten: »Und war ich ein Vöglein und war ich ein Schwam, »Sonnenlicht, Sonnenschein«, »Sonntag ist's und hörbar kaum klingen ferne Glocken«, Liebesleid (»Ach Gott, wie hat es sich ge- wend't«), »Die Rheinischen Schiffsleut«, »Mägdlein am Brunnen«, Nixenteich (»Die Wasserlilien im Wald«), »Am See« (»Still lieg ich in des Berges Klee«) und »Nachtlied im Walde«. *{

2) Hit Begleitung des Pianoforte.

Während des Leipziger Studienjahrs widmete v. Holstein einem kunstbegeisterten Schwesternpaar , zu welchem er bald darauf in die nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen treten sollte, sein

Op. 7. Vier twehtimmigr Lieder für Sopran und Alt. (An Frau Elizabeth Seeburg und Fraulein IledwigSalomon.) Braunschweig, G. M. Meyer jun. (H. Litolff). Pr. Nr. 4 und 8 ä 75 4Jr, Nr. 3 und 4 ä 50 ty.

Es sind schlichte, höchst sangbare Duette, die wir häuslichen Kreisen auf das Wärmste empfehlen: das in D-iuoll sanft da- hinfliessende Rückert'sche «Aus der Jugendzeit«, der anmulhige schalkhafte »Abendreihn« (»Guten Abend, lieber Mondenschein«),

') Nachträglich erhalten wir die Mitlbeilung, dass demnächst im Verlage von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur als Nr. 10 der nachgelassenen Werke v. Holstein's erscheinen: Acht Lieder für zwei und drei Stimmen, ohne Begleitung, Op. (8. Wir werden seinerzeit auf dieses neue Werk zurückkommen. d;is melodische »Volkslied aus der Ukraine (»Sprach zum Mond die Aberidrölhe«), und das wirksamste von ihnen, das stimmungsvolle »Nachts« (lUeberm Lande die Sterne machen die Runde bei Nachl«). — Bedeutend mehr Anforderungen an die Technik der Sängerinnen macht

Op. 8. Drei iwelttlMÜge Lieder filr Sopran und Alt. (An Frllulein Emma und ThereseMaterne.) Braunschvveig, G.M.Meyer jun. (H.Litolff). Pr. Nr. 1 Jl \. —; Nr. 2 und 3 ä 75 ^f.

denn diese wirkungsvollen Duette legen der Ausführung allerband Schwierigkeiten in den Weg, und zwar Nr. <, das munter flatternde »Wandervöglein« ' , in Folge mannigfacher Durcli- schlingiuig der Singstimmen, Nr. \ das graziöse »Lied der Vöglein« (»Von Zweig zu Zweige hüpfen«) durch die Synkopen der Clavierbegleilung, das ruhige getragene dritte, das am wenigsten schwierige (»Trost der Nacht«) , durch einige eigeo- thümliche Zusammenklänge in der Stimmführung. Allein für einigermaassen geübte Kehlen bietet sich hier die dankbare Aufgabe, einen melodiösen Wettkampf mit dem Partner auszu- ferhlen und so die doppelle Virtuosität leuchten zu lassen.

Gewissermaassen zu einer dramatischen Scene hat der Componisl eine Romanze von Hermann Lingg umgeschaffen :

Op. 14. Tiukäiser. Duett fdr Sopran und Bass. (Seinem Freunde Emil Trefflz gewidmet.) Leipzig und Winter- thur, J. Rieter-Biedermann. Pr. Ji 1. 75. Das Gedicht, das Verweilen Tannhäuser's im Venusberg als Kernpunkt erfassend, ändert den Verlauf der Volkssage dabin ab, dass die Göttin die erwachende Sehnsucht des Ritters nach den Jafcdgründen der Oberwelt durch ihr süsses Schmeicheln einschläfert und ihn durch ihre zauberischen Reize auf ewig zu ihrem Gefangenen macht. Wie in der Dichtung Lingg's, so ist auch in Holslein's Musik nicht auf das Sinnliche, tondero auf die poetische Verklärung des alten SagenstoQes der Haupt- accent gelegt. Hit schönen, charakteristischen Harmonien und in edler Melodieführung lässl der Componist die beiden Stimmen in Rede und Gegenrede mit einander abwechseln, die kühne männliche mit der süss bestrickenden weiblichen, bis sie sich am Ende im kunstvollen Durcheinander vereinigen.

Die hervorragendsten Duettcompositionen Holstein's aber sind ohne Zweifel die folgenden:

Op. 26. Si-fhs Lieder und Robiiki für zwei Frauenstimmen. (Frau Clar.i von Colomb, geb. von Binzer gewidmet.) Leipzig, E. W. Fritzsch. 2 Hefte ä j§ 2.—. und Jl 1. 50.

sowohl was scharfe Ausprägung der Stimmung als was Lieblichkeit und Schmelz der Melodien und der Begleitung betrifll. In wie vollendeter Weise hat der Componist den mild elegischen Ton Mörike's (Nr. 1 bis S: »Ich hatt' ein Vöglein, acb, wie fein« und »Ein Slündlein wohl vor Tag«) in seine Kunst übertragen! Wie tief hat er sich in die Gebilde Geibel's (Nr. 3 bis 6) hineingelebt l Welches Feuer lodert uns aus dem national gefärbten »neapolitanischen Liedo (Nr. 6: »Du mit den schwarzen Augen«) entgegen, der sehulichen Klage des Südländers, dessen heisses Herz vergebens nach Gegenliebe ringt; und andererseits, wie leicht fliesst über die Lippen das sinnige träumerische »Weil, weit aus ferner Zeit, aus grüner Jugend- wildniss« (Nr. 5, »Schottisch«)! Ganz wundervoll ist die Wiedergabe des dritten Liedes »Am Mövenstein« mit seiner Märchenpracht, wie in blauer Nachl bei Vollmondschein singende Nixen die weissen Pässe baden und beim Nahen des blonden Schif-

  • ) Auf dem Titelblatt ist aus dem Wander- ein »Wundervüglein« geworden. — S. », vierte Nolenzeile, Takt 4 lies K statt Fit.

fersknaben als wilde Schwäne davonrauscben ; über dieser Musik lagert der volle Duft zarter romantischer Poesie. Die gleiche Bewunderung muss man der liebreizenden »Melusine« (Nr. 4) zollen, der holden Waldprinzess, welcher Vögel und Blumen, Rehe und Wölfe dienen, und die im Spiegel des klaren Quells ihr Goldbaar strählt und dazu lachend das lose Liedchen singt:

0 lustig Schweifen l

Mein Sinn ist wie der Wind, Wind, Wind,

Wer kann ihn greifen!

Und wie ein Schrein so ist mein Herz,

Nur fesler, feiner.

Wo liegt der Schlüssel? ich weiss es wohl,

Doch find't ihn Keiner.

Solch köstliche Duette erregen den lebhaftesten Wunsch, mehr ihres gleichen zu besitzen. Er bleibt in gewisser Beziehung unerfüllt, weil der Künstler späterhin seine Kraft und Begabung fast ausschliesslich der Bühne zuwandle, auf diesem Felde allerdings vortreffliche ein- und zweistimmige Gesänge schaffend.

Dies erinnert uns an eine Veröffentlichung aus dem Nach- lass, die leider nur eine Art Liederpublication geworden ist:

Op. 47. Aus Maria* ralicn». Unvollendete Oper. Nr. 9 der nachgelass. Werke. Ciavier-Auszug. Leipzig, Breit- kopf & Härtel. Pr. Jt 4. 75.

Ihren drei vorangegangenen Schwestern (Haideschacht« Op. J«, »Erbe von Morley« Op. 30, »Hochländer« :'[ 36) sollte sie sich nach des Künstlers Absicht als Op. 40 vollbürtig zur Seite stellen. Der Tod wollte es anders. *) Jene Opuszahl ist leer geblieben, die Bruchstücke erscheinen nun unter anderer Bezifferung. Es sind zwei Duette und zwei einstimmige Gesänge, welch letztere das Gemeinsame haben, dass sie zum Preise der fernen deutschen Heimalh erklingen: das wie eine Volksweise gestaltete hübsche Lied der Sibylle »Ich kenne ein Land so schön und so grün« (Sopran) und das anmulhige Arioso für (Sopran oder) Tenor »Am Bodensee«, dessen Sänger das väterliche Erbe, die trauliche Häuslichkeit inmitten der herrlichen Natur herbeisehnt. Die beiden Duette dagegen spielen zwischen Annunziala und Faliero (Sopran und Bass). Die Hauptsache in dem ersten bildet die ergreifend scnöne, gleichsam auf wiegenden Wellen dahingleitende »Romanze« (»Leise nur rauschen Adria's Fluthen«), welche der Dichter-Componist in ahnungsvoller Beleuchtung die Dogaressa dem in schwere Gedanken versunkenen Gemahl vorsingen lässt, — die geheimnissvolle Sage von dem alternden Dogen, welcher im Ungewitter der wüthenden See verschollen ist, weil er dem Meerweib die Treue gebrochen. Das zweite umfangreiche Duett vergegenwärtigt die Versöhnung des greisen Dogen Faliero mit seiner jungen Gemahlin, offenbar den Brennpunkt der dramatischen Verwicklung. Annunziata tritt ein in das Zimmer des durch ihre Schuld ihr enlfremdeteu Gatten, in höchster Entrüstung, dass der Hohe Rath von Venedig ihren Beleidiger, den Patricier Steno, freigesprochen. Auf des Dogen Frage erklärt sie sich unter Eidschwur bereit, einem Fremdling, dem sie geheime Neigung geschenkt, auf Nimmerwiedersehen zu entsagen. Und nun verspricht ihr Faliero unter glühenden Liebesbetheuerungen Rache an ihrem Beleidiger und an den insgeheim regierenden Palri- ciergeschlechtern, durch deren Sturz er die Macht im Staate an sich zu reissen und so seine scheinbare Krone zu einer wirk-

Bulthaupt berichtet über die letzten OpernentwUrfe v. Holstein's S. 93: »Den Freytag'schen ,Ingo' legte er sich im Geist als Libretto zurecht, zu einem .Ekkeoard' entwarf er die Disposition, einige Verse und einen unter den Gedichten (Bullhoupl's Ausgabe S. 486] abgedruckten Hunnencbor, ohne das schwierige Problem, einen Bühnenschluss für die kostlicpc Dichtung zu finden, lösen zu können, endlich verweilte er bei oem so oft behandelten . . . Stoff des .Marino Fallen*. Er skizzirle den Text, führte ihn allmBlig aus nnd componirle einige Nummern 'die oben besprochenen), nndrc blieben im Stadium der Skizze liegen.«

liehen zu machen gedenkt. Herrschsucht und Liebe schmieden ein neues starkes Band um die Wiedervereinten. Dem Verlaufe dieser Handlung entspricht genau die charakteristisch w<jch- selnde Musik, die mit einem feierlich bewegten Liebesduett endet. Wahrlich, diese Fragmente lassen ahnen, welch schweren Verlust die dramatische Kunst durch den frühzeitigen Tod des hochbegabten Dichter-Componislen erlitten hat!

Die übrigen Composilionen des Künstlers stellen wir anhangsweise in folgender kurzen Uebersicht zusammen :

III. Gesangsquartette a) für gemischten Chor.

Kirchliche Musik bat Franz von Holstein nur wenig geschrieben : Op. 19. Zwei Motetten nach Worten der Psalmen 4 unü 94 (Herrn Prof. Müller-Härtung freundschaftlichst zugeeignet. Leipzig, Fr. Kistner) und 0p. 24. Zwei Trauungslieder: »Das, waii der Himmel hat gefügt« und »Auf Buch wird Gottes Segen ruhn« (Frau Johanna von Zahn gewidmet. Leipzig, 1. Rieter-Biedermann).

Was dagegen weltliche Musik betrifft, so hat unser Componisl den Gesangvereinen manche duftige Blüthe geboten : Op. S 6. Sechs Lieder für S., A., T. und B. (Seinem Heben Freunde Albert von Zahn. Leipzig, B. W. Frilzsch. t Hefte) enthaltend : »Am alten Zwingergrabem von W. Hertz, In. Frühling« von Eichendorir (»Thür und Fenster hab ich offen«), »Schlaflied« von L. Tieck (»Ruhe, Herzliebchen, im Schatten der grünen dämmernden Nacht») , »Seefahrt« von i. V. Scheffel (»Heut wirft mich ans der Stube ein starker Sonnenschein«), »Still bei der Nacht fährt manches Schiff« von Eichendorir, »Abends im Wald« von Demselben (»Abendlich schon rauscht der Wald«). — Dem Kotzoldt'sehen Gesangverein zu Berlin, der jetzt leider nicht mehr besteht, ist gewidmet Op. 3 i. Zwei Frühlingslieder für vollen Chor (Ringellanz: »Nun ruft Juchhei mit Schalle«; Mailied aus Scheflel's Trompeter von Säckingen: «Es kommt ein wundersamer Knab'a. Leipzig, Breilkopf & HSrlel). Im gleichen Verlage erschien als Nr. 7 der nachgelassenen Werke Op. 46. Zwei Lieder für S., A., T. und B. (Marienlied : »Gegrüsst sei, Maria« und »Blülhenbaum, erst wenn sank die Sonne«).

b) für Männerchor.

Hierher gehört das oben Sp. 547 erwähnte Op. t. Sechs Gesänge (Herrn Musikdireclor Hanplmann hochachtungsvoll zugeeignet. Leipzig, Breitkopf & Härtel) mit folgendem Inhalt: »Lustig durchs Leben«, »Einkehr« von Dbland (»Bei einem Win l u- wundermild«), In der Ferne (»Will ruhen unter den Bäumen hier«), Mondaufgang (»Seht, der Mond steigt still herauf«), »Wanderers Nachtlied« von Goethe (»Der du von dem Himmel bist«) und »Heimweh nach Deutschland« (»Denk ich ans ferne Vaterland«). — Dem Leipziger Universiläls-Gesangverein »Paulus« widmete v. Holstein sein Op. 35. Sechs Lieder (Leipzig, Breilkopf & Härtel), enthaltend: Abschied von Heidelberg [»Es küsst der letzte Sonnenstrahl«), An den Wind (»Trauter Genoss, lustiger Wind«), Sommerregen (»Wer pocht so leis ans Fensterlein?«), Abends (»Der Tag beginnt zu dunkeln«), »Sechs Groschen urid drei Dreier« und »Kriegslied« von R. Gott- schall 4870 (»Die Fahnen wenn«).

IV. Kammermusik

im engeren Sinne besitzen wir nur aus des Künstlers mittleren Schaffensjahren, das prächtige Op. )8. Trio In G-moll für Pianoforle Violine und Violoncello (Herrn Kapellmeister Carl Reinecke zugeeignet. Leipzig, E. W. Fritzsch) mit drei Sätzen: I. Allegro non troppo, H. Andante sostenulo quas. Adagio,

I. AUegro con moto, - und für Pianoforte allem folgende

drei Compositionen: das reichbelebte wohllautsvolle Op. 4 S. Andante und Variationen [40] (Leipzig.uod Winlertliur, J. Rieter-Biedermaon), dasanmuthige, dem befreundeten Richard Schöne gewidmete Seherzo 0p. 47 (Wien, J. N. Dunkl; Pest, Rözsavölgyi), und die von Holstein erst'nach einer gründlichen Umarbeitung im Jahre 4874 veröffentlichte*) und »seinem Freunde und Lehrer Carl Richter in Braunschweig« dedicirte Cmoll-Sonate Op. S 8 (Leipzig, E. W. Frilzsch), welche ebenfalls drei Sätze enthält: I. Allegro con brio, un poco maestoso, II. Andante, III. Allegro appassionato.

V. Concertmusik.

Unter diese Rubrik stellen wir drei Orchester-Werke aus der lelzten Lebenszeit des Componisten, die sämmllich auch im Ciavierauszug vorliegen: Op. 38. Beatrice, Scene aus Schillers Braut von Messina (Monolog : »Er ist es nicht! Es war der Winde Spiel«), zum Concerlvortrag für Sopransolo mit Orchester (Leipzig, Breitkopf & Härtel) ; ihretwegen verweisen wir auf die klare Auseinandersetzung bei Bullhaupt S. 84. Aus dem Nachlass des Verewigten erschien unter Nr. 6 die tief empfundene Adonis-Klage : Frühlingsmythus 0 p. i 5, Gedicht von H. Heine, für Sopransolo, Frauenchor und Orchester (Leipzig und Winlerthur, J. Rieler-Biedermann), und indem nämlichen Verlage auch das erste nachgelassene Werk: Frau Avenliure, Ouvertüre für Orchester, Op. 44. Ueber Entstehung und Inhalt dieser von dem Künstler entworfenen, aber leider nicht mehr vollendeten Arbeit entnehmen wir aus Bullhaupt's Buch folgende interessante Stelle (S. 94), welche llolstein's Stil an einem concreten Beispiel gut charaklerisirt und die deshalb unserer Abhandlung den passenden Abschluss geben möge : »Alberl Dietrich unterzog sich, als Holstein schon nicht mehr war, der schönen Aufgabe, die Ouvertüre nach den (unterlassenen Skizzen des Freundes zu instrumentiren, und in dieser meisterhaften Einrichtung kam sie im Winter 4 879 in den Concerten der Oldenburger Hofkapelle unter Dietrich's Leitung zum ersten Mal zu Gehör. Der Eindruck war im höchsten Grade fesselnd, anregend und erfrischend. Das Werk ist ganz sein Schöpfer. Eine gesunde Romantik, weniger luftig wie die Mendelssohn'sche und die der Oberongeister, nicht nervös- sinnlich wie die Richard Wagner's, nicht tiefsinnig und grüblerisch wie die Schumann's; belle und sonnige Lichter mitten im schlanken Buchenwald , dazwischen verlorene Hornklänge, ein Flattern wie das grüssende Wehen weisser Schleier — jene holde Traumstimmung, in der man sich eins fühlt mit der umgebenden Natur und kaum mehr unterscheidet, was in uns, was ausser uns ist.«

Theobald Bohm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von Professor Dr. T. Schafhäntl.

(Schluss.)

BShm't Compositionen.

Um das Bild des Mannes, dessen Wirken und Schaffen, das wir in den verschiedensten Zweigen menschlicher Thätigkeit verfolgten, zu vollenden und abzurunden, müssen wir auch noch den Musiker, den Mann als Künstler in seinem Schaffen ins Auge fassen.

Von seiner ersten Composilion an, die aus dem Jahre 4818 herrührt, bis zu seiner letzten aus dem Jahre 4884 weht immer derselbe lebendige Geist, der auch unter den schwierig-

V Vgl. BuUhaupl's Biographie S. 64.

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Fig. IX. Regelmässige Griffe der chromatischen Tonleiter.

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Zur Erleichterung im Spiele können die beiden ^Mfei auch mit dem Griffe für H-Klaj>pe dur* den Hebel mit dem Daumen geschlossen wird.

genommen werden, wenn die

Triller-Griff-Tabelle. r-ft- — f- -t— h -t4- — *^ -t--- ->-J- fr -v^ fr fr 4p- fr fr T\] ~rfl Ö fr tf tf fr tfl i U J nj- ^ <J >*- v ' «K SE r» »V * * ^ — £- _

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Bei den mit bezeichneten Trillern wird die H-Klappe mit dem Daumenhebel (teschloaaen. s!en Aufgaben Tür den Virtuosen, den einen das Ganze durchwehenden lebendigen musikalischen Gedanken nie aus dem Auge verliert — wir rinden immer die ästhetische Einheit durch alle seine so mannigfaltigen Composilionen für die Flöte bewahrt und festgestellt, die ihnen einen dauernden Werth verleiht. Wir fügen hier ein Verzeichnis« seiner Composilionen an, von seiner ersten Schöpfung bis zur letzten.

I.

Compositionen von Theobald Böhm im Druck erschienen. Jthr 1 Compositionen Verleger 4811 4 Concert für Flute mit Orchester und Aibl

	1 1	La Sentinellc [Theme fav.) varie . . Andante und Polonaise. A-dur. . . V-l cor piü non m i sento. G-dur . . Potpourri (Melodiös suissesj. G-dur . Divertissement (air de Carafa), auch mit Orchester. G-dur Concertante für 1 Flöten u. Orchester. D-dur .	Diabelli Ai Co. Aibl Aibl & Peters
	4 5 <	Faller & Sohn
	7	Aibl Faller & Sohn
	8	Polonaise de Carafa. D-dur . . . . Varialions (Theme de Freyschutx). D-dur
	t	Aibl
	40 44	Divertissement (Theme de Rovelli). C-dur	 
	Divertissement (1 Themes fav. suisses) . C-dur	 
	4t 4« 4« 45	Rondo brillant mit Orchester. C-dur. Divertissement (Almenlied). C-dur . Boehm&0gden*),fantasieconc. D-dur (Konnte nicht mehr aufgefunden werden.) Grande Polonaise. D-dur . . . . Variationen. Aus dem Marsch von Rossini'* Moise. D-dur . . . . 81 Etudes propres a egaliser le doigle daus toutes les gammes . . . . Walzer und Potpourri , Walzer nach einer Melodie von Schubert. D-dur	Falter & Sohn
	46 47	 
	47'	Aibl
	48

4838 48S8 4840 4t 10 14 11 Variationen (Air tyrolien). C-moll Fantaisie (Sehnsuchlswalzer). As-moll Viitiiit. bril!. (Du , du liegst mir im SchoU

4845 11 Fanlaisie sur des themes suisses. v

	 	r-im.i i

4845 April 4851 Juli 4852 U Kantaisie sur des Airs ecossais. F-dur Fantaisie sur des Airs ecoss. C-dur . 14 Caprices-Etudes 15 1« Oct. 4 Kr. i 4858 16» 17 Andante von Mozart. C-dur . . . Souvenirs des Alpes. No. 4. Andante cantabile. Ks-dur . - i. Kondo Allegrelto. F-dur . - 8. Andantino. Romance. D-dur - 4. Rondo allegrello. D-dur . - 5. Andante pastorale. G-dur . - A. Rondo-Landler. E-dur . . Andante cantabile. G-dur .... A la Tarantella E-moll

	18 1»	 

4858 Juni 4858 Jan. 4859 März 4859 80 84 81 SS 14 15 16 (7 Rondo ä la Mazurka. C-dur . . . 14 Etudes, ISuilesavec Piano ou Flute Im"..' 88 l» 40 44 41 4S 4t * 4860—64

) Ogdm war ein englischer Gentleman, der sich zuerst mit der Bohm'schen Fidle verlraul machte und für sie als Proltctor auftrat.

Jahr

Compositionen

Fantasie Über Motive von Hummel. Flöte, Piano. C-dur

Andante der Serenade von L. van Beethoven, bearbeitet für die Fidle und Pianofortebegleitung. G-dur.

Elegie p. la Flute av. accomp. de Piano ou d'Orchestre.

Andante con variazioni. G-dur.

Hymne.

Verleger

Aibl

U.

Compositionen berühmter Heister für Flöte und Piano-

forte, oder hie und da auch Physharmonika.

(Böhm liess alle diese Werke, in denen er Werke berühmter Manner

blos für die Flöte umarbeitete, ohne Opuszahl, ohne sie den eigenen

Compositionen einzureihen.)

Jahr

4868

4871—76

4874—79

Nr.

Cuius animam gementem, Celebre Air aus dem Stabat mater von Rossini. Flöte und Piano ....

Compositionen

Adagio von L. van Beethoven. C-dur

Adagio von Mozart. Aus der Ciavier- Sonate Op. 4«. II-ilm ....

Rondo-Andanle von Mozart. A-moll .

Ständchen. Lied von Fr. Schubert. D-moll

Das Fischermadchen. Lied von Fr Schubert. D-dur

Tregiorni. Aria von Pergolese. C-moll

Cantabile von Vogler für Pianoforte oder Physharmonika u. Flöte. D-dur

Aria cantabile von J. S. Bach für Pianoforte oder Physharmonika n. Flöte D-dar

Serenade von Beethoven Op. 8. Daraus Adagio, Menuetlo, Polacca, Tema con variazioni fUr Flöte und Pianoforle eingerichtet. F-dur .

Romanze von Beethoven Op. 50. F-dur

Variation von Haydn Über das Thema Gott erhalte Franz den Kaiser« für Pianoforte oder Physbarmonika und Flöte

Fantasie Über Motive aus einer Sonate von F. H. Himmel

Aria aus Orpheus von Gluck »Che färb senza Euridice« für Pianoforte und Flöte

Verleger

Schuberth in Leipzig

Aibl

Schuberth in Leipzig

III.

Nicht gedruckte Compositionen Böhm's

für die All-Flöte oder als Duos und Trios für zwei C-FIöten

und eine Alt-Flöte eingerichtet.

Für Alt-Flöte und Piano.

4. Beethoven. Sonate Op. 47. Original für Piano und Hörn. F-dur. 1. Beethoven. Serenade Op. 14. Original ftir Flöte, Viola und Cello. 8. Beethoven. Adagio. Ans einem Clavier-Concert. As-dur.

4. Mozart. Sonate. Original für Piano und Violine. G-dur.

5. Mozart. Adagio. Original-Quintett für Clarinette. D-dur.

6. Mozart. Adagio. Original-Clavieraonate. B-dur.

7. Mozart. Rondo, Andante Op. 74. Original für Ciavier allein.

8. Haydn. Variationen (»Gott erhalte Franz den Kaiser). Original-

Violinquartett.

9. Schubert. Lied (Das Ständchen). D-moll.

40. Schubert. Lied (Das Fischermadchen). A-dur. 44. Schubert. Lied (Am Meer), C-dur.

41. Himmel. Rondo. Original-Sonate für die C-Flöte u. Piano. G-dar. 4l. Vogler. Adagio. Aus den Orgel-Präludien. D-moll.

Duos für eine C-Flöte und All-Flute

mit Pianobegleituii£.

4*. Rossini. Duo (Soirees musicales}. A-dur. 45. Rossini. Duo (Soirees musicales). D-dur. 48. C. M. v. Weber. Romanze. l-'-dur. 17. C. it. v. Weber. Andanlino. C-dur.

48. C. H. v. Weber. Allegretto. C-dur.

Trios »r zwei Flöten in C nnd Alt-FlSte.

49. Canlabile von Vogler (Orgel-Präludium). D-dur.

30. Beethoven. Grand Trio. Original für zwei Oboen u. Gor Anglais.

F-dur.

Für Sopranatimme nnd Alt-Flöte.

31. Graduale von Schiedermaier mit lateinischem Text für die Kirche

und mit deutschem Text mit Clavierbeglcitung. C-dur.

31. Graduale von Walter, für Alt-Flöte (Solo) mit Vocal-Quartelt und

zwei Violinen, Alto und Violoncello und Basso. E-dur.

Figrurentafel.

Figur I

stellt die Flöte des Obrislen Gordon dar, wie sie aus der Flötenfabrik BOhm's in HUnchen unier Gordon's Leitung hervorging. Die Grifflöcher bildete Gordon grösstentheils nach Böhm's Rath. Die ursprünglichen Grifflöcher Gordon's hatten viel Aehnlichkeit mit Figur III.

Figur II

giebl die Flöte Böhm's, mit welcher er zuerst in Paris und London auftrat.

Figur l H

zeigt die Grifflöcher von so verschiedener Grosse und ihre Stellung »n der Londoner achtklappigen Flöte nach Nicholson's System.

Figur IV

die symmetrische Locherstellung der Böhm'schen Flöte.

FignrV

die Böhm'sche Ringklappenflöte.

Figur VI

die letzte Böbm'sche Deckklappenflöte.

Figur Tu

das conoidische Kopfstück der Silberflöte mit der Embouchurr aus Gold.

Figur VIII die Böhm'sche Deckklappenflöte in der Hand des Spielers.

Böhm hat zwischen dem ct*-Griffhebel und der eigentlichen ci'j- Klappe sehr sinnreich an seiner Flöte eine Handstütze angebracht. Die Flöte ruht hier in der Gabel zwischen dem Daumen und ersten Finger sicher und lasst dem Daumen freies Spiel zur Behandlung seiner c-Klappe und dem o-Hebel. Ohne diesen Stützpunkt wird, so oft der Daumen die Klappe niederdrückt, die Flöte nach einwärts gedrängt und die Embouchure daher verrückt und unsicher.

Figur IX.

Das Griffsyslem der Böhm'schen Deckklappenllüte ist dasselbe wie das der Ringklappenflöte. Der kleine Kinger der rechten Hand hat dieselbe Function wie an der gewöhnlichen Flöte. Er hat für die Töne dt d des zu sorgen.

Die dtt-Klappe ist die einzige geschlossene Klappe, da sie immer geschlossen bleiben muss.

Die d- und c-Klappe bewegen sich in ihrem Scharnier um eine einzige Achse. Ihr Griffende besteht in zwei übereinander liegenden horizontalen sich um eine Achse rollenden Cylinderchcn in der Nähe des Hebels der Dis-Klappe, so dass der kleine Finger von dem untersten Cylinderchen, das der cü-Klappe angehört, auf das obere der d-Klappe angehörende Röllchen gleiten kann.

Beide Klappen, eis- und d-Klappe, sind durch einen Bügel mit einander verkuppelt, so dass jede Klappe einzeln oder beide durch einen Griff niedergedrückt werden können.

Der dritte Finger greift regelmgssig das r, der zweite Finger das f, der erste Finger das fts.

Zwischen der Klappe des zweiten und dritten Fingers befindet sich noch ein Hebel, dessen Achse bis zum höchsten Punkte der Flöte reicht. Da_aber steht am höchsten die dis-Klappc für Triller, über ihr ist die d-Klappe ebenfalls für Triller, und ihr Hebel liegt zwischen der Klappe des ersten und zweiten Fingers Fig. VI, in

Fig. VIII ist er durch den Finger verdeckt. Vom du-Hebel sieht man nur die Spitze.

Die (/-Klappe bleibt leer, für sie ist kein Finger vorhanden, dagegen ist die j-Klappe um seine bewegliche Achse mit der vorausgehenden Klappe fts, / Hin! : gekuppelt, so dass das g mit jeder dieser Kloppen niedergedrückt werden kann.

Die linke Hand greift mit ihrem vierten Finger das p»'». Ueber dieser gu-Klappe befindet sich aber noch der jij-Hebcl, der mit seinem gebogenen Griffende über die d-Klappe reicht, also, wenn erforderlich, mit der o-Klappe zugleich niedergedrückt werden kann. Das a greift der dritte Finger, das b der zweite Finger. Nur für das h ist wieder kein Finger vorhanden. Die A-Klappc wird also mit der 6- und /'-Klappe gekuppelt, die beiden fingcrfreien Klappen g und h schliessen sich deshalb mit der mit ihnen verbundenen Klappe und öffnen sich wieder mit ihrer Verbindungsklappe.

Die Klappe des c ist dem Daumen anvertraut und auf Fig. VI mit D bezeichnet.

Zur Rechten neben dieser c-Kl«ppe ist ein Hebel, der das h schliesst. Die c- und A-Klappe zusammen gedrückt, geben gleichfalls das 6, die A-Klappe ist ohne Finger und wird mit dem Finger der rechten Hand durch Kuppelung geschlossen; allein bei allem raschen Uebergang von a auf b und allen hieher bezüglichen Trillern ist der c- und der A-Hebel mit dem Daumen niedergedruckt, das Spiel ausserordenllich erleichternd.

Der erste Finger der linken Hand greift das cts. Das eigentliche Tonloch für das eis liegt jedoch viel zu hoch, als dass es mit dem ersten Finger gegriffen werden könnte, ohne die anderen Finger aus ihrer Lage zu verdrängen. Böhm hat deshalb an der Stelle, welche der erste Finger der linkeu Hand gernttss ihrer natürlichen Lage berühren kann, einen Klappen-Hebel angebracht, welcher, mit einer vcrlicalen Achse wie gewöhnlich verbunden, die wirkliche Klappe auf das Tonloch des eis niederdrückt. Die eigentlichen Klappen tragen in der Zeichnung einen Kreis in ihrer Mitte, während sich bei den blassen Hebel-Klappen kein solcher kleiner Kreis in der Mitte der Klappe findet.

Die letzten zwei kleinen Klappen sind blos Trillerklappen für d und dis und werden, wie schon bemerkt, von den Hebeln zwischen /ix und fand c und f\n Bewegung gesetzt. Beide Klappen schliessen die Grifflöcher, auch die untere di'i-Klappe bleibt geschlossen, während alle übrigen Klappen offen stehen.

So ist es leicht, auf eine ganz regelmassige Weise die ganze

chromatische Scala von c bis h in vollster Reinheit und verhaltniss- mfissig gleicher Stärke hervorzubringen.

Die Möglichkeit, die Klappen unserer Flöte in den verschiedensten Verhältnissen zu verbinden, erlaubt, dass auch sogenannt enhar- monische Töne hervorgebracht werden können, so dass man den Unterschied zwischen eis und de» recht gut hervorbringen kann, wie wir aus den Grifftabellen ersehen; denn an die regelmässige Grifftabelle schliesst sich deshalb auch eine sogenannte unregclmässige

^3 =. £=

GrifTtabelle an, gemäss welcher fs und ges, eis und des, eis und des,

fts und ges, gis und äs, ~ä sehr leicht hervorgebracht werden können. Ein weiteres schön ausgeführtes Griffsystem bildet die Triller- Tonleiter für alle Töne der chromatischen Scala von c bis k. Herr Fd. Spitzweg, kgl. bayerischer und herzog). Sachsen-Mciningischer Hofmusikalien-Verleger, Firma: Aibl, der die meisten Composilionen Böhm's publicirle, hat mir die Erlaubniss gegeben, die Griffslabelle der Böhm'schen Flöte, die in seinem Verlage erschien, der Biographie beigeben zu dürfen, die wir auf Tafel II. beifügen.

Böhm's Flötenfabrik besieht fort. Preise dieser Flott*. Herr Karl ilendler, dem Böbm schon im Jahre 4862 sein Fabricalionsgescha'Ct übertragen halle, führt die Fabrication Böhm'scher Fluten in ihrer ganzen Ausdehnung fort. Eine Hole in C von Cocos- oder Grenadillen-Holz liefert er

für 37B Jl

Sollte ein W-Fuss dazu verlangt werden, so erhöht sich der

Preis um 35 jt

Zu dieser Klöte kommt ein elegantes Etuis, welches nicht allein die Flöte aufnimmt, sondern auch die nölhigen Instrumente enthält, um die Flöte auseinander zu nehmen, wenn der Mechanismus der Reinigung bedürfte, ein KlappeopoUter verletzt würde oder irgend eine Störung in der Wirkung des Mechanismus einträte.

Diese Requisiten bestehen : aus einer Garnitur von Klappenpolstern zu 3 Jt

einem Schraubenzieher nebst Federbäkchen zu ', .H

ein Stöpselmaass, um den Stöpsel wieder an die rechte Stelle

zu setzen \ ,li

dazu kommt die Grifflabelle für '.', .H

und ein Holzkäslchen in Emballage l .U

Wir hallen also weitere \ l .U für das Etuis mit den Requisiten. Eine Silberflöte in c mit Emboucbure von Gold kommt auf

m.J

eine solche mit einem ff-Fuss 450 „tt

Dieselbe Flöte nach neuestem System mit weiterer Bohrung

und vollerem Tone mit C-Fuss 485 .ti

Dieselbe Flöte mit H-fass 515 .//

Eine All-Flöte von Silber mit Embouchure von Gold . 660 Jt Eine solche von Neusilber mit Holz-Embouchure kostet 450 uf

Dazu kommt noch nach Böhm's neuester Verbesserung die obige Silberflöle mit einem Kopfstück aus Grenadille-Holz

mit C-Fuss 475 uT

in //-Kuss :\\'\ .«

Durch dieses Kopfstück aus Holz erhält die Flöte bei allem Glanz des Tones ganz den Charakter einer Holzflöte. Nach Verlangen und namentlich nach französischer Manier, wird der Böhm'scheo offenen gis - Klappe noch eine geschlossene gis- Klappe hinzugefügt, ebenso der Triller-Hebel für das c, der mit dem ersten Finger der rechten Hand gegriffen werden kann. Mendler liefert ihn um 14 M-

Auch eine Schleifklappe fügt Hendler seiner Flöte hinzu,

wodurch die Töne dis-es, d du ei t a 4 auch im Pianissimo leicht und sicher gegriffen werden könnte, ihr Preis ist < 8 Jl, der gleiche Preis, wenn man, statt Federn aus Stahl, Federn aus Gold haben will.

Die Preise erscheinen hoch ; allein es ist nicht möglich, den complicirten zarten Mechanismus für die Dauer auf wohlfeilere Art sicher wirkend herzustellen. Die richtige Ausführung dieses complicirten Mechanismus erfordert die Kraft eines ausgezeichneten Mechanikers. Böhm hatte einen Mechaniker aus der berühmten Werkställe Ertel's erhalten; allein dieser arbeitete dennoch nicht genau genug; dasselbe war der Fall mit einem Mechaniker aus der berühmten Merz'scben optischen Anstalt.

Erst als Böhm im Jahre 1854 den gegenwärtigen Besitzer der Fabrik, den ausgezeichneten Klein-Ubrmacher Karl Mendler fand, war es möglich, den Mechanismus in der erforderlichen Vollendung herzustellen.

Es werden Flöten nach Böbm's System um niedrigere Preise in den Handel gebracht; aber man lasse sich ja nicht täuschen ; der Schluss der Klappen wird z. B. sehr bald mangelhaft, die Flöte unbrauchbar und sie befindet sich oft länger in den Händen des Reparators als des Virtuosen.

Nachtrag.

Soeben erhalte ich aus London durch den Autor ein eben erschienenes neues Werk über uosero Böbm mit einem höchst Shnlicben Portrail Böbm's, nach einer Photographie Hanfstängel's. Der Autor ist der bekannte englische Gentleman Waller Stewart Broadwood, Bruder des Chefs der berühmten gigantischen Pianofortefabrik Broadwood and Sons in London. Die Veranlassung zur Herausgabe dieses Werkchens gab eine Stelle im Londoner »Figaro«, welche Böbm beschuldigte, er habe den

Fingersalz zu seiner Flöte dem supponirten Landsmanne G o r d o n gestohlen, *) sich dadurch Ansehen und Ehre verschafft, während Gordon in Anquth und Wahnsinn gestorben. Walter Broadwood, der Böbm seit beinahe 40 Jahren kannte, unternahm es, die Ehre seines »alten und verebrlen Freundes«, wie er ihn nennt, zu retten, indem er eine Schrift Böhm's veröffentlichte, die von Böhm's Arbeiten und Studien, die ihn zu seiner Flöte führten, genaue Rechenschaft giebt.**J

Als nämlich Rudall & Rose 1847 ein Patenl auf Böhm's neue Flöte nahmen, übergab ihnen Böhm sein englisch geschriebenes Heft: »Ueber den Flötenbau und die neuesten Verbesserungen desselben.« Rudall legte dasselbe bei Seite, vielleicht weil er dessen Veröffentlichung nicht wünschte, und so kam die Schrift in Vergessenheit, bis der gegenwärtige Chef der Firma Rudall & Rose, der berühmte Flötenvirtuose Carle, von dem wir bereits gehört haben, das Schriftchen wieder auffand und es sogleich an Broadwood sandte. W. Broadwood, der deutsch ebenso gut spricht und schreibl als seine eigene Muttersprache , veröffentlichte vor wenigen Wochen Böhm's Werkchen, das wir indessen in Deutschland seit 37 Jahren kennen, und das bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen in Paris ins Französische übersetzt erschien.***)

Höchst interessant ist der in eben diesem Werke publicirle Briefwechsel zwischen Böbm und Broadwood, der selbst ein ausgezeichneter Flötenspieler ist und dem die Theorie eben so sehr am Herzen lag als die Praxis. Böhm's Briefe geben eine Menge Erläuterungen über höhere und liefere Slimmung seiner Flöten, über Emboacbure, wechselnden Charakter des Tones unter den Lippen verschiedener Bläser; über den Charakter und die Bedeutung der Holz- und Silberflöte. Inleressant sind ebenso die privaten Aeusserungen Böhm's in diesen Briefen über die verschiedenen damals (18. April 4866) berühmten Flötenvirtuosen. So schreibt er : »Ich halle Dorus und de Vroye für die grössten Flötenspieler in Hinsicht auf Vollendung nach allen Richtungen, namentlich ist ihr feiner Geschmack zu bewundern. Den scbönslen Ton jedoch besitzen meine Schüler Ölt und Krüger. Oll in Hannover besilzl den zartesten Ton auf seinerHolzflöle neben grösster Fertigkeit. Krüger, kgl. württem- bergiscber Kammervirtuose in Stullgarl, ist ein ausgezeichneter Virtuose, gleichfalls Herr Kesewilz zn Frankfurt; sie blasen alle meine Flöte. Alle meine Schüler in Karlsruhe, Mannheim und Coburg sind wenigstens ebenso gute Solospieler als die englischen, mit Ausnahme elwa des Mr. Prallen, den ich sehr verehre.« Drei Briefe an Mr. W. P. Mills sind ebenfalls von speciellem Interesse. Die Briefe Broadwood's und Mills' an Böhm sind leider verloren gegangen. Böhm binterliess ausser Geschäftsbriefen und was sich an diese reiht, nichts Schriftliches über sein Leben als ein paar Bogen, die er seinen Freunden zu Liebe niederschrieb. Schafhäutl

  • ) Bereits unterm 18. Januar dieses Jahres habe ich in der englischen Zeitschrift »Musical opinion and Music Trede Review« 4. May p. 116 diese Anschuldigungen widerlegt.
    • ) An Esssy on the constncclinn of Flutes, gtving a History and Description of Ihe mosl ircent Improvements, with an eiplicutiun of the principles of no.oustics applicable to the mnnifacturo of Wind- Instruments, orlginally written in )»»" by Theobakl Boehm of Munich and now Brst published. Edited, with addition of correspondence and olher Docuraenls by W. S. Broadwood. Rudall, Carle et Co. 18 Berners Street, Opford-Streel, London. W. 4881.
  • De laFabrication et des derniers Perfectionnements des Flute«. Notice traduite de l'Allemand de Tb. Boehm, premiere Flute de la cha- pclle de Munich. Paris chez M. Clair Godefroy aine, Rue Montmartre (I. 41(8.

[166] Im Verlage von Rot». Fortterg in Leipzig, Thal- strasse No. 9, erschienen soeben und sind durch alle Musik- und Buchhandlungen zu beziehen:

Reinecke, Carl, Op. 171. Er und Sie. Fünf Lieder von Hob. Büros, deutsch von Adolf Lann. Für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. No. 4. 0 schön war jener Rosenstrauch. «0 schön, o wunderschön war jener Rosenstrauch» 75.

No. 1. »Gesegnet sei der Wald bei Nacht« 75

No. 8. »0 ruf und ich kommea 50

No. t. »Sie ist ein holdes, liebes Ding« 50

No. 5. »Dein bin ich« 50

[467] Soeben erschienen in meinem Verlage:

für

JPianoforte und "Violine

componirl

und Herrn Prof. Joseph Joachim zugeeignet von

Heinrich von Herzogenberg.

Op. 32. Pr.SJI SO $f.

6 Stücke

für

Pianoforte zu vier Händen

(Frau Emma Engelmann-Brandes zugeeignet) von

Heinrich yon Herzogenberg.

Op. 83. Heft l. Pr. 3 Jl. Hell t. Pr. Z M.

Einzeln:

No. 4 in Adur . . . Pr. 4 uT — , No. l inFdur .

. - 4 .4T50.

. - — uT80.

. * 80 .

. - 4 Jl 80 .

No. 8 in H moll No. « in Cmoll. No. 5 in Gdur . No. r. in Cdur .

116.

Für vierstimmigen gemischten Chor

oomponirt

und dem Bach-Verein zu Leipzig zugeeignet von

Heinrich von Herzogenberg.

Op. 34.

Partitur 3 ,.tt. Stimmen a 50 3j[.

Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann.

Verlag von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

11881 SUITE

für Pianoforte und Violine

von

Woldemar Bargiel.

Op. 17. 4 Jl 50 &.

No. 4. Allemande . . Jl 4. 50. l No. ». Burleske . . .4M. 50.

No. t. Sicilienne . . - 4. 80. | No. 4. Menuett . ..-».—.

No. 5. Marsch . . . Jl t. 80.

[469]

Billige Prachtausgaben.

Verlag von J. Riet er - ßiedemnawn in Leipzig und Winterthur,

durch alle Buch- und Musikalienhandlungen zu beziehen :

G. F. Händel's Werke.

Ciavier-Auszüge, Chorstimmen und Textbücher.

l IVbmlnslhuniHid mit der Ausgabe der Deutsch« Hindfl-ttfsellsrlaft. Bis jetzt erschienen :

Acis and Galatea.*

Ciavier-Auszug t Jl 40 Sjl n. Chorstimmen a 50 3} n.

Alexander s Fest.*

Ciavier-Auszug i .* 4U .y/ n. Chorstimmen a 75 ^ n.

Athalia.*

Ciavier-Auszug :;.// n. Chorstimmen ä 75 fy n.

Belsazar."

Ciavier-Auszug k M n. Chorstimmcn ä 4 Jl n.

Cäcilien-Ode.

Ciavier-Auszug » -* n. Chorstimmen ä 50 3f n.

Deborah.

Chorslimmen a 4 Jl JO 9p n. (Der Clavier-ADBKQg erscheint spfcter.)

Dettinger Te Deiim.

Ciavier-Auszug t Jl n. Chorstimmen ä 50 3} n.

Herakles.*

Clavier-Auszng 4 Jl o. Chorstimmen a 4 A n.

Josua.

Ciavier-Auszug 8 M n. Chorstimmen ä 4 Jl n.

Israel in Aegypten.*

Ciavier-Auszug 8 Jl n. Chorstimmen a 4 Jl 50 3ji n.

Judas Maccabäns.*

Ciavier-Auszug 8 wf n. Chorstimmen a 90 ^ n.

Salomo.*

Ciavier-Auszug 4 Jl n. Chorstimmen ä 4 Jt 30 ty a.

Samson.*

Ciavier-Auszug 8 Jl n. Chorstimmen & 90 & n.

Saul.*

Ciavier-Auszug 8 uf n. Chorstimmen ä 75 ^ n.

Susanna.

Clavier-Ansiug * Jt n. Chorslimmen a 75 3} n.

Theodora.

Ciavier-Auszug .< . # n. Chorstimmen ä 75 3p n.

Tranerhymne.

Clavicr-Auszug .* n. Chorstimmen a 75 ty n.

Textbücher zu den mit * bezeichneten Werken ä 40 fy n.

Indem ich mir erlaube, aufdicse billige und correcte Prachtausgabe aufmerksam zu machen, bemerke ich, dass dieselbe die einzige Ausgabe ist, welche mit der Partitur der Deutschen Händel-Gesellschaft völlig Übereinstimmt, wesshalb ich sie ganz besonders auch zum Gebrauche bei Aufführungen empfehle.

[wj Verlag' von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

an Waldidyll

für

Pianoforte Friedrich von Wickede.

Op. 77.

Preis t A 50 .

Hierzu eine Beilage zn dem Artikel „Theobald Böhm".

Verleger: J. Kieler-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf d Uürtel in Leipzig. Expedition : Lelpslff, Am Rabensteinplalz S. — Redaction: Benredorf bei Hamburg1.

Die Allgemein« tfosikaliich« Zeitanff emcheiat regelmisBig an jed«m Mittwoch ud irt dnrcb «U« Postlmt«r uoii Buch-

Allgemeine

rreii: JUrlich 18 Mk. VierteljUrliene Prtnam. 4 Mk. 50 Pf. Anteilen: die fMptl- t«ne Petitieile oder deren Baum 30 K Briefe nnd Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung,

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 13. September 1882.

Nr. 37.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann. Gesammtausgabe von Breitkopf und HSrtel. (Sechs Fugen über den Namen Bach, für Orgel oder Pianoforte mit Pedal, Op. 60.) (Fortsetzung.) — Neue Gesänge von Felix Draseke. — Anzeigen und Beurlheilongen (Bernhard Scholz: Fünf Lieder, Op. H; Skizzen für Pianoforte, Op. 51; Ländler für Ciavier, Op. 50). — Anzeiger.

Robert Schumann'B Werke, herausgegeben von Clara Schumann.

(«BammtauBgabe von Breitkopf and Härtel.

Sff hs f Igel Über den Namen Bach, für Orgel oder Pianoforle mit Pedal, Op. 60. (Serie VIII: FOr Orgel. 29 Seiten Fol. Preis .M 2. 55. n.)

(Fortsetzung.)

Die fände Fuge ist vierstimmig, wie die zweite, nnd erinnert an diese auch in ihrer sonstigen Haitang. Sie steht aber in F-dur, obwohl das Thema in B-dur beginnt, wie bei den übrigen Stücken. Dieses Thema ist daher in besondrem Maasse merkwürdig:

Das ist ein Gedanke, dessen Hauptverdienst seiner ganzen Anlage nach nur darin bestehen kann, fliessend zu sein, einen lebhaften Vortrag zu erleichtern, auch möglichsten Wohlklang zu erzielen. Der Mangel an Wohlklang wird aber schon in den obigen Takten bemerkt sein, er tritt indes« im Verlauf noch mehr zu Tage, denn wir haben hier Stellen wie die folgende:

Mal.

< i |

Kl i L

fnnT

XVII.

Man denke sich «o etwas Allegro vorgetragen, mit Pedal, und letzteres noch obendrein staccatol Dieses Musterbeispiel gelehrter Kakophonie steht nicht allein, sondern wird hier eben deshalb mitgelheilt, weil es für den ganzen Satz charakteristisch ist. Woher nun dieses Gebilde auf Grund eines Themas, dessen drei letzte Takte doch höchst niessend und angenehm gestaltet sind? Die Ursache liegt lediglich in dem 6 a c h, d. h. in der Art, wie dieselben hier das Thema abgeben. Sie sind von Anfang an incorrect eingeführt und bilden dadurch in dem ganzen Satze den Störenfried. Die Tonart ist F-dur, das Thema beginnt in b, die Antwort erfolgt in der Quinte, also in f. Soll also die Tonart hier überall noch Bedeutung haben, so würde dieses heissen, dass das Thema in der Dnterdominante steht und in der Tonika beantwortet wird. Das ist aber nicht der Fall, denn B-dur kommt überbaupl nicht anders vor, als durchgangsweise. Das 6 a c h, so wie es hier steht, erscheint in seinem Anfangston als vorschlagende Note, in seinem Endion als chromatisches h statt 6, und sodann im Ganzen als missklingende Störung eines sonst ruhigen Verlaufes, die aber unvermeidlich war, weil man die betreffenden Töne haben musste ; wo wäre sonst wohl das Bach-Thema Numero V geblieben ? Dieses Thema, so wie es jetzt ist, verdankt daher lediglich einer äusserlichen Rücksicht sein Dasein, nicht einem wirklich musikalischen Impulse, und der Componist würde jene Rücksicht auf diese Art nicht genommen haben, wenn er in-der Fugencomposition wirklich zu Hause gewesen wäre Er betrachtet h und /b im Thema nicht als chromatische 6 und f, sondern als Terzen zu G-, respective D-dur, modulirt daher mit seinem vierten Ton in die Tonart der Dominante, um sie alsbald auf missklingenden Wegen wieder zu verlassen. Bin Debergang von der Anfangstonart in die der Dominante ist aber im Fngenlhema immer eine Sache von entscheidendem Gewicht, mit der sich nicht spassen lasst, da dieses zu den typischen Grnndwendnngen gehört. Wer solche Dinge ohne Ueberlegnng verpufft, der giebt die besten Hülfsmittel preis. Wir sehen daher das Thema, nach welchem dieser Satz gebildet ist, nicht als ein wirkliches Fogenthema,

17

sondern nur als eine Bachgrille an. Wie weit Schumann in der Ausgestaltung desselben die Wege guter Musik verlässl, möge hier noch an einem Beispiele deutlich gemacht werden. Takt 67 —74 lauten:

['l

S^TSf

etc.

Wer nun meint, dies könne ein zufälliger und insofern bedeutungsloser Einfalt sein, der betrachte die Takte 9)—95, welche dieselbe Musik sogar in erhöhter Potenz darbringen :

Indem wir ans Fuga VI und damit dem letzten dieser Con- trapunkte zuwenden, gelangen wir wohl zu einem noch grösse- ren, aber keineswegs zu einem anmuthigeren Stücke. Die letzte Fuge ist vielmehr diejenige, welche selbst von den speciellen Verehrern dieses Meisters mehr oder weniger preisgegeben wird Schumann selber dagegen hatte augenscheinlich die Absicht, mit derselben sein Opus zu krönen. Sie ist fünfstimmig und durchaus Im grossen Stil angelegt, noch mehr als die erste, hat auch lie doppelte Länge der übrigen. Der ersten ist sie gleich in der F»ctur, oder sagen wir in der Art der Auf- zeichuung .

Massig , nach und nach schneller (AUa brtot).

M«,

Hier gelten nun dieselben Ausstellungen wie bei dem ersten Satze; statt C hätte C vorgezeichnet werden müssen, weil die Bewegung der doppelganzen Takle nicht nach Vierteln, sondern nach Halben geschieht. Wir haben deshalb der Ueber- schrift nAlla breve* in Klammer beigefügt, was schon von der Herausgeberin hätte geschehen können.

Die Tniilori. welche Schumann beim Eintritt des Gefährten anbringt, sind charakteristisch für den ganzen Satz, denn sie lassen sich fast unaufhörlich vernehmen. Meist sind sie gegen Halbe, oft aber auch (wie schon oben aus dem Anfange zu ersehen ist) gegen zwei Viertel gesetzt. Der Componist gedachte in der Durchführung dieser doppelten Bewegung ein besonders schwieriges Problem zu lösen, würdig einer grossen pompösen Schlussfuge. Aber hier besonders, wo Schumann einer gewagten Spitze zuschreiten wollte, können wir erkennen, dass seine Natur nicht für dieses Fach geschaffen war oder doch der nölhi- gen Naturalisation ermangelte, denn die hervorgebrachte Wirkung steht zu den aufgewandten Mitteln im umgekehrten Verhältnisse. Man kann solches schon aus dem Anfange, aus den oben mitgetheillen sieben Takten errathen. Wer würde hiernach wohl ahnen, dass die so beiläufig eingeführten Triolen diejenige Figur sind, welche in dem ganzen grossen Satze die Hauptrolle spielt, der gegenüber selbst das Thema zur Nebensache, zur Begleitung herabsinkt? Sieht man indess dieses Thema und seine nächste Umgebung näher an, so kann eine solche Gestaltung nicht besonders überraschen. Wie lautet denn eigentlich das Thema? Nach Schumann's Aufzeichnung müsste man die beiden ersten Takle

r* ' — l 'i —

dafür halten, denn er verbindet diese consequent durch einen Bogen. Ein solches Thema wäre aber ein Unding, da es keinen Abschluss hat, es würde dann wenigstens noch das von uns in Klammer angedeutete e tfc? hinzuzufügen sein. Hin Bogen von

dem anfänglichen b bis zu diesem e hätte einigermaassen Sinn; aber Schumann's Bogensetzung ist entschieden vom Uebel, da sie das ohnehin schon unbestimmt gelassene Thema durch den Bogen noch mehr verunstaltet, ja nahezu unkenntlich macht. Das ist nicht die Art, Grundsteine zu legen , wenn ein Fugenbau von grossen Dimensionen aufgeführt werden soll. Das b a c A-Tbema hat überhaupt die Eigenlbümlicbkeit oder vielmehr den Mangel, dass es in Verbindung mit anderen Noten leicht unkenntlich wird. Diesem Uebelstande muss also zunächst vorgebeugt werden. Es kann geschehen durch Pausen, welche das Thema von dem Folgenden abscheiden, wie bei der ersten und zweiten Fuge; namentlich aber durch eine con- Iraslirende Behandlung der weiterführenden Zwischenharmonie, wofür ebenfalls die beiden ersten Fugen, die besten Stücke dieser Sammlung, als Beispiele angeführt werden können. Eine solche Gestalt auch der in Rede stehenden Schlussfuge zu geben, würde durchaus nicht schwer gewesen sein. Die Viertel- Triolen sind in diesem Satze an sich keineswegs so unvortheil- baft, wie einige Kritiker gemeint haben ; sie können vielmehr einen ganz passenden Conlrast abgeben , wenn sie nur an den rechten Ort gestellt werden. Wäre das Thema nebst seiner Zubehör etwa so

retc.

oder

=F**=i

oder ähnlich gestaltet (unser Beispiel soll nicht als Muster, soll nur als ungefähre Andeutung gelten), dann würden gute Grundelemente neben einander gestellt sein, die sich nicht ins Gehege kämen, sondern in wechselweiser Vorführung dem Tonstücke Leben und Reiz verleiben könnten. Hierbei wäre allerdings ausgeschlossen, zwei Viertel und drei Viertel gleichzeitig vorzubringen, wie Schumann thut, denn dergleichen Augenmusik, welche einen ohnehin confus angelegten Satz nur noch confuser macht, schreibt kein wirklicher Contrapunktist.

Ein zweites Thema tritt ein, nachdem das erste grössere Drittel absolvirt ist, und veranlasst eine etwas lebhaftere Be

wegung :

und weil der Componist beide Subjecle zusammen bringt, will er den Satz ohne Zweifel als eine Doppelfuge angesehen wissen. Die blos ünitirende Beantwortung dieses zweiten Themas zeigt aber, dass dasselbe nicht allzu ernst zu nehmen ist. Was sich daraus gestaltet, ist auch wenig behaglich. Warum Schumann in diesem Hittelsatze ebenfalls die Triolenbewegung beibehielt und denselben nicht vielmehr dazu benutzte, das lange Stück durch einen sehnlich herbei gewünschten rhythmischen Con- trast zu erfrischen, dürfte für Diejenigen ein RSthsel bleiben, welche in diesem Meisler einen profunden Contrapunktiker erblicken. Dass die Zahl derer, die so urlheilen, nicht sehr gering sein mag, können wir schon aus den Worten des Schumann- Biographen Wasielewski schliessen. Er schreibt: »Von den beiden Fugenwerken Op. 7S und 60 beansprucht das letztere, welches sechs Fugen auf den Namen Bach enthält, eine ausser- ordentliche Anerkennung. Namentlich die fünf ersten Fugen lassen eine so sichere und meisterliche Handhabung der strengsten Kunstformen erkennen, dass Schumann schon allein durch diese vollen Anspruch auf den Namen eines tiefsinnigen Conlra- punktisten [I] bat. Dabei offenbaren sie eine mannigfaltige Bildkraft auf [T] ein und dieselben vier Noten. Der Grundton ist in allen sechs Stücken von einander abweichend, und was im Verein mit formeller Beherrschung immer als Hauptsache gelten mnss, von poetischer Stimmung. Es sind eben ernste Charakterstücke. Die sechste Fuge scheint ein zu Gunsten [zu GunslenT] der Praxis vielleicht nicht ganz lösbares Problem zu bieten, weil die darin zur Anwendung gebrachte gemischte Bewegung auf der Orgel eine klare Darstellbarkeit in Frage stellen dürfte.« (Wasielewski, Schumann, l.Anfl. S. SOI.) Das ist gewiss Alles in gutem Glauben geschrieben, wie auch Tod Vielen ebenso vor- oder nachgesprochen. Ein wohlbeschlagener Biograph sollte allerdings etwas über die romantischen Zäune hinüber blicken können; und wir meinen, wenn Herr Wasielewski an seinem Helden Kritik üben wollte, so wäre hier eine

bessere Gelegenheit gewesen, als z. B. bei Scbumann's späteren Balladen-Compositionen, denn die letzteren bilden in ihrer Art neue Versuche, denen man schon deshalb einen gewissen Spielraum gewähren muss, diese Fugen dagegen haben ihr Correc- tiv in denjenigen Werken der Vergangenheit, welchen sie allein ihr Dasein verdankten. Wenn Schumann'* Fugen trotz ihres mangelhaften Gefüges uns doch hie und da anziehen und oft auf weitere Strecken sympathisch berühren, so ist die Ursache dieselbe, welche veranlasst, dass Schumann überhaupt unsere Tbeilnabme erregt. Es ist die innere Begeisterung, mit welcher dieser Meister arbeitet und die sich dem Hörer mitthailt. Dies erstreckt sich auch auf die Fugen ; ihr Pathos (oder was Wasielewski die «poetische Stimmung« nennt) ist es, was für sie einnimmt , aber sicherlich nicht ihr tiefsinniger Contrapunkt, denn ein solcher existirt nicht.

Uebrigens sind es nicht »ein und dieselben vier Noten«, bei denen Schumann seine Bildkraft bewährt, sondern ein und dieselben Intervalle, und das ist ein grosser Unterschied. Die Noten, die Töne sind natürlich bei jedem Thema anders, aber die Intervalle sind dieselben. Die alten Fugenmeister haben derartige Intervall-Typen, wie man sie wohl nennen kann, häufig, ja mit Vorliebe gebraucht und in ihrer Ausgestaltung eine ganz andere Bildkraft offenbart , als hier Schumann bei seinem b-a-c-h. Eben dies, dass er seine Intervalle nicht mannigfaltig genug ausgebildet, nicht ihren tonlichen Inhalt genügend erschöpft bat, ist wohl einer der Hauptvorwürfe, die man ihm machen kann. Von sämmtlichen Fugen haben wir oben die Führer und Gefährten in Noten mitgethsilt. Die Leser werden daraus ersehen, dass Schumann sein Thema stets in der Quinte beantwortet. Bei einer ganzen Serie von Fugen über dieselben Intervalle wird es doch vorteilhaft sein, diesen näcbstliegenden Weg mitunter zu verlassen . Steht der Satz in B-dur, so bietet sich

dar, denn die Quarte (oder Unterquinte) ist hier eigentlich natürlicher, als die Quinte. Unter allen Umständen wäre damit eine schöne Mannigfaltigkeit zu erzielen. Ist der Satz aber nach G-moll versetzt, wie bei Nr. 3, so ist die Beantwortung in der Quarte derjenigen in der Quinte vorzuziehen , weil bei dem sanften Stücke die Bewegung mehr in der Tonart bleibt. Man muss hauptsächlich bedenken, dass das Thema b-a-r-h eine reale oder canonische Beantwortung erfordert, nicht eine tonale nach den Regeln dar Quintenfuge. Deshalb kann das Thema auf jeder Stufe genau und treu nachgeahmt werden, und diese Freiheit wird sich derjenige zu Nutzen machen müssen , welcher dasselbe allseitig darzustellen bemüht ist.

Hiermit haben wir einige Bemerkungen gegeben , welche bei einer unbefangenen Prüfung dieser Bachfugen von Nutzen sein werden. Von einer weiteren Kritik der zum Fugiren benutzten Bestandteile wollen wir absehen , können aber nicht umbin, noch einmal auf den,. häufigen Gebranch zu deuten, welchen Schumann von den Orgelpunklen macht, weil dies ein echt moderner Gebrauch , das heisst Missbrauch ist. Zum Schluss dieser Besprechung müssen wir die Frage erörtern, ob Schumann in der Wahl seiner Tonarten tm Grossen und Ganzen das Richtige getroffen hat. Bei der F Jur-Fuge Nr. 5 ist solches schon verneint, und hinsichtlich der G moll-Fuge Nr. 3 verneinen wir es bedingungsweise ebenfalls. Man wird in der Sache klarer sehen, wenn wir einen Blick werfen auf das, was früher in dieser Sache geleistet ist, namentlich von Bach selber.

Die bekannteste und beliebteste der vorhandenen Bach- Fugen ist noch immer die mit einem kurzen Präludium versehene in B-dur, und sie hat auch alle Aussicht, es zu bleiben. Um so erfreulicher ist es, dass neuerdings Spin a ihren Bach'sehen Ursprung, den man früher allgemein annahm und späterhin ebenso allgemein bezweifelte, mit soliden Gründen ver- tbeidigt hat. Wir theilen die Stelle aus dem zweiten Bande seiner Bach-Biographie unten mit. *) Wenn auch die vorhandenen papiernen Beweise nicht ausreichen, die Bach'sche Autorschaft des Stückes sicher zu stellen, so trägt doch die Musik unverkennbar das Geprä'ge der Tongestaltung des Jahrzehnts 4710—4 720, und da muss man fragen, wer wohl ausser

) »Ein allbekanntes Präludium und Fuge über den Namen Bach, bei dem Sebaslian's Autorschaft lange Zeit als selbstverständlich galt, will man jetzt allgemein dem Meister absprechen. Handschriftlich beglaubigt ist das Stück freilich nicht; auch exisliren noch mehre andre Fugen über dasselbe Thema, für welche zu Zeiten Seb. Bach als Componist in Anspruch genommen wurde. Forkel fragte einmal Friedemann Bach, wie es sich hiermit in Wahrheit verhalte. Dieser antwortete, sein Vater sei kein Narr gewesen ; nur in der Kunst der Fuge habe er seinen Namen als Kugenthema benutzt (wie Forkel an Griepenkerl und dieser an Roitzsch Überlieferte). Das klingt sehr entschieden und ist doch in doppelter Beziehung falsch. Was die Kunst der Fuge betrifft, so wissen wir nunmehr, dass das von Friedemann gemeinte Stück garnicht hinein gehört. Dass aber Sebastian lange vorher schon eine Composition über seinen Namen geschrieben haben muss, verralh uns Wallher. Er sagt in dem kleinen Artikel seines Lexikons über Sebastian Bach: ,Die Bachische Familie soll aus Ungarn her stammen, und alle die diesen Namen geführct haben, sollen so viel man weiss der Musik zugethan gewesen sein; welches vielleicht daher kommt, dass sogar auch die Buchstaben fr a c A in ihrer Ordnung melodisch sind. (Diese Remarque hat den Leipziger Herrn Bach zum Erfinder).' Niemand wird glauben, Bach habe sich mit der blossen Beobachtung begnügt, und die so sehr brauchbare Tonreihe nicht auch sofort als Thema ausgenutzt. Walther's Lexikon erschien 4 78S; seine Kenntniss von Bach's Compo- sitionen stammt aber fast ausschliesslich aus der gemeinsam verleblebten weimarischen Zeit, und vorzugsweise wohl aus der ersten Hälfte derselben. Ihrer inneren Beschaffenheit nach muss die in Rede stehende Fuge in den ersten Jahrzehnten des 48. Jahrhunderts entstanden sein. Ware Bach nicht ihr Schöpfer, so standen wir vor der seltsamen Thalsachc, die Fuge eines unbekannten Musikers aus jener Zeit, und zwar eine vortreffliche, zu besitzen, während des berühmtesten Fugenmeisters eignes Werk verloren gegangen wäre. Stichhaltige innere Grunde gegen die Echtheit lassen sich meines Erach- teos nicht vorbringen, sobald man daran festhält, dass die Fuge nur ein Jugendwerk sei. Dem Praeludinm bat die franzosische Ouvertüre als Muster gedient, deren Form Bach schon in Weimar häufiger anwandte. Stellen wie Takt 8 ff. finden im Praeludium der grossen D dur-Orgelfuge Analogien. Das Fugenlhema in seiner Weiterbildung ist durchaus Bachisch : die Wendungen des zweiten Takts kehren im Thema der Hmoll-Fuge ans dem ersten Theil des Wohltemperirten Claviers wieder, im ,K)einen harmonischen Labyrinth' finden sie sich sogar mit derselben Contrapunktirung. (S. Band I, S. 054. Ich vergesse nicht, dass die Echtheit dieses Werkchens nicht hinreichend beglaubigt ist. Aber es Bach abzusprechen, fehlt es auch an Grund.) Terzengänge mit aufwärts steigender Wiederholung sind der Compo- sitionstecbnik jener Zeit, fUr die noch Kuhnau's Claviermnsik maass- gebend war, etwas ganz geläufiges; die virtuosenhafte Unterbrechung gegen den Scbluss ist eine Stileigenthttmlichkeit der nordländischen Meister, deren Einwirkung sich damals Bach noch nicht entzogen hatte. Das ganze jugendlich frische, wohlklingende und spielfreudige StUck passt zu dem Charakter von Bach's früheren weimarischen Compositionen. Von den Übrigen anonym cureirenden Fugen Über den Namen Bach tragen die meisten den nicht-Bachischen Ursprung deutlich anfgestempelt. Nur eine:

hat einen ältlichen Zug und erinnert an Buitehude's grOssere Cdur- Fuge. (No. XVII des ersten Bandes meiner Ausgabe der Buxtehude'- schen Orgelcompositionen. — Die cilirte, anonyme Fuge stammt aus Scheble's Nachlass; ich verdanke die Bekanntschaft mit ihr Herrn Roitzsch.) Sie könnte daher auch wohl von Seb. Bach sein, und musste noch früher als die andere, etwa um 4707 angesetzt werden. Hat aber Walther eine derselben gekannt, was ich annehme, so war es gewiss nicht diese, sondern jene, es darf darauf hingewiesen werden, dass er das Thema in der eingestrichenen Octave notirt, nicht in der kleinen.«

(Spilla, J. S. Bach U, «85—687.)

unserm Job. Sebastian In jener Zeit darauf kommen sollte, über den Namen eines Ändern so frisch fröhlich und frei zu fugiren, oder, falls der Ursprung der Composition in eine spätere Zeit gesetzt wird, wer denn nach 4750, wo so Vieles anders geworden war, noch mit solcher Natürlichkeit eine um iO Jahre zurück liegende Weise copiren konnte. Auch dass es eine CJatn'erfuge ist und nicht eine Orgelfuge, gilt mir als Beweis gegen die Autorschaft eines Ändern, denn ein Bachianer nach 17SO, der dem Meister zu Ehren eine wirklich meisterliche Fugencomposition zu Stande brachte, ist nur als Organist denkbar , und ein solcher würde sein Instrument nicht vergessen haben. Wir dürfen daher zu der früheren Annahme, welche das Werk Bach selber zuschrieb, getrost zurückkehren.

Das von Spitla angeführte Thema aus einer anderen Bachfuge ist besonders interessant durch die Tonart, und diese allein möchte schon genügen, das angenommene Alter des Stückes (um oder kurz vor 4740) zu rechtfertigen. Hier haben wir so zu sagen die Urvorstellung des b-o-c-h, nämlich die Stelle in der diatonischen Leiter, wo das Thema sich ganz natürlich ohne Beibülfe der Cbromatik bildet.

(Schluss folgt.)

Neue Gesänge von Felix Dräseke.

Op. 16. „WelkMtMden", sechs Gesänge für eine Baritonoder Mezzo-Sopranstimme.

Op. 17. „Burk des Krohmulhs", sechs Gesänge für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranstimme.

Op. 18. „lergldylle", für eine Bariton- oder Mezzo- Sopranstimme.

Op. 19. „Ritter Olaf", Ballade für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranstimme.

Op. 20. „Uudsrh»f1sblldcr", sechs Gesänge für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranslimme.

(SämmtHch aus dem Verlage von L. Hoffarth in Dresden.) Innerhalb Jahresfrist ist Felix Dräseke mit nicht weniger denn fünf Lieder- oder richtiger gesagt Gesangs-Werken für eine Solostimme hervorgetreten, deren eigenartige Physiognomie und unbestreitbarer Kunstwerth eine genauere Betrachtung hinlänglich rechtfertigen. Es hat sich ein auffälligerLSulerungs- process in dem Manne vollzogen l aus dem einstmaligen enfant terrible der jungdeutschen Schule, dem excentriscben Stürmer und Dränger ist ein maassvoll bildender Künstler geworden, dessen ideale Begeisterung nicht mehr in verzehrenden Flammen emporlodert, sondern in gleichmässigem Liebte brennt und eben deshalb zwiefache Helle und Wärme verbreitet. Schon der umstand, dass sich Dräseke in letzter Zeit mehr auf das Lied, auf die Wiedergabe lyrischer Stimmungen in concenlrir- tester Form geworfen hat, während ihm früher die grössten Mittel, aller Farbenreichthum des Orchesters kaum zur Offenbarung seines leidenschaftlich gäbrenden Innern genügten, beweist, dass der Componist ein anderer geworden , dass er die subjective Ueberschwänglichkeit seiner Jugend-Arbeiten überwunden bat. Die Liedcompösition verlangt vor Allem aus liebevolle Versenkung in den poetischen Stoff, also Objectivirung, sorgfältiges Eingeben auf Form und Inhalt, wie sie ein Anderer in der verwandten Kunst festgestellt bat. Dass Dräseke diese Künstlerpflicbt treu und mit Liebe übt, das beweisen seine neuen Lieder. — Treten wir näher auf die einzelnen Tondichtungen ein, so verhalten sich Op. 16 und 17 gewissermaassen gegensätzlich. Jenes führt den Titel: Weibestunden« und enthält sechs Gesänge, die sich sämmtlich mit einem ernsten Inhalt beschäftigen, theilweise sogar eine ausgesprochen religiöse Färbung an sich tragen. Dieses nennt Dräseke : »Buch des Froh- muths« und reicht uns damit einen Liederslrauss, worin sich die Stimmung von heiterer Grazie bis zu ausgelassenem Humor steigert. Beide Cyklen sind übrigens für eine Bariion- oder Mezzo-Sopranstimme geschrieben und bieten, was die formelle Gestaltung der Gesänge anbetrifft, mancherlei Parallelen dar. — Die »Weihestunden« werden durch EichendorfTs »Schiffer- gruss« (»Stolzes Schiff mit seidnen Schwingen«) eröffnet, dessen düsterphanlastischen Ton der Componist schön getroffen hat. Die strophische Gliederung wird musikalisch festgehalten, wodurch das Ganze an Concentration gewinnt, ohne an leidenschaftlicher Tiefe einzubüssen. Ergreifend wirkt der zögernde Pianlssimo-Ausgang nach Fis-dur zu den Worten »Denn der Botsmann ist der Todi. — Sehr zart behandelt Dräseke das Lied »Im Main von Jul. Sturm, dem sich der Blumenduft des Frühlings unwillkürlich in Weihrauch zur Ehre Gottes wandelt. Auch hier zeigt die Melodie anmuthigen Fluss, das Ac- compagnement bei aller Einfachheit ein die Farben weich in einander schmelzendes Colorit. Nummer 3 »Im Spätherbst« von Hoffmann von Fallersleben, gebt dem Stimmungston des Gedichtes gemäss aus C-moll und schauert uns kühl ao. — Aeusserst schlicht ist Nr. i »Am Wege steht ein Cbristus- bildi (von Moritz Hörn) gehalten. Die Cantilene folgt den Sprachaccenten sorgsam und athmet innige Empfindung. Auch das Experiment des 3/2'Taktes am Scbhiss darf als gelungen bezeichnet werden, da der vollere rhythmische Athem- zug hier dem Ausdruck bewegter Ueberzeugung (»Ich dachte : wer wie diese glaubt, dem ist sein Heil geschehen«) wohl entspricht. — Nr. 5 »Das Gespräch« von E. M. Arndt enthält gleichfalls viel Schönes, wobei uns freilich das Ganze weniger aus einem Gusse zu sein scheint. Für die Krone des Werkes halten wir Nr. 6 »Treue« von Novalis (»Wenn alle untreu wer- oiM>".. in welcher die herrlichen Verse eine ebenbürtige Um- dicbtung in Musik gefunden haben. Wiederum greift hier Dräseke bei der letzten Strophe zum :l, 2-T,ikt , um das tieferregte Gefühl rhythmisch freier ausströmen zu lassen. Der rührende Scbluss zeigt aufs beste, wie die Musik erst jene mystisch- religiöse Stimmung, in welcher der Dichter schwelgt, völlig auszutönen vermag.

Das »Buch des Frohmuths« Op. 47, welches Dr'ä- seke seinem Freunde, dem trefflichen Bassisten der Dresdener Hofoper Herrn D. Fritz Weiss zugeeignet hat, beginnt mit Wilhelm Müller's »Abendreibn» (»Guten Abend, lieber Mumien- schein«). Schon dies einfache Lied beweist, dass unser Componist trotz seiner durchschnittlich ernsten Grundstimmung auch für das schalkhaft Anmulhige, Zartsinnige die richtigen Tone zu finden weiss. Die Composition ist strophisch gegliedert, wird aber durch leichte Umgestaltung der Motive in den einzelnen Versen jeder Gefüblsnüance der Dichtung gerecht und schliessl überaus fein ab. — In Nr. l »Prinz Eugen, der edle Ritter« von F. Freiligrath legt Dräseke ähnlich, wie es vor ihm schon C. Löwe getban, seiner Tondichtung die Melodie des alten Soldatenliedes zu Grunde und entwickelt das letztere aus entfernten Anklängen bis zu seiner vollen Gestalt. Es entspricht dies Verfahren vorzüglich der Art und Weise , in welcher der Poet die Entstehung des Liedes erzählt, und der glückliche Gedanke wird von dem jüngeren Componisten vielleicht noch geistvoller durchgeführt, als es dem Meister der Ballade gelungen ist. Wie Dräseke die schon durch die Volksmelodie bedingte Combiaation des l/2- mit dem 2/2-Rhylhmus verwerthet und mit welcher Frische er den realistischen Locallon wieder- giebt, mögen die ersten Takte der Singstimme darthun :

tr,;ch belebt, keck.

Zel-te, Posten, Werda - ru-fer,

£

£

lost' - ge Nacht am Do - nau

u - fer,

-—* «—*—

Pfer-de steh'n im Kreis

«J=ü

tim -

her.

Von prächtiger Wirkung ist es dann, wie bei der Schilderung des bei seinem Schecken ruhenden Trompeters die Klänge Je» Soldatenliedes zuerst in der Begleitung ertönen, als höbe der poetische Traum des Reiters plötzlich zu klingen an, bis er das glücklich Gefundene den Kameraden miltheitt, und zuletzt der volle Chor die neue Weise anstimmt. Als Pendant zum ersten Lied des Heftes stellt sich Nr. 3 »Ja grüsse, Freund, mein Mädchen« von C. F. Gruppe dar. Entsprechend declamirt mnss das leichlbewegle, in schalkhaftem Flüsterton gehaltene Lied- eben zündend wirken. Auch die folgende Nummer »Des Glocken- tbürmers Töchterlein« (»Mein hocbgebornes Schätzelein«) von F. Rückert giebt die Mischung von Scherz und Liebesinnigkeil, welche das Gedicht kennzeichnet, musikalisch glücklich wieder. Wie sinnig Dräseke den Rhythmus zur Charakteristik verwendet, zeigt der J/4-TalU, dar sich bei den Worten »Die Uhr geht bald zurücke«, in den - 4-Hli\thmus einschiebt. — Das Bodenstedt'- sche »Es bat einmal ein Thor gesagt«, hat der Componist höchst gravitätisch behandelt. Der Humor liegt hier im Contrast der ernsten B moll-Weise zu der optimistischen Philosophie des Sängers, der auf die lustscheuen Thoren spöttisch herabblickt. Den Schluss und die umfänglichste Composition des Heftes bildet »Der grosse Krebs im Mohringer-See« von Aug. Kopisch. Trotz ihrer Länge wirkt dieselbe keineswegs ermüdend, da der drastisch erzählende Ton glücklich getroffen, die humoristischen Pointen sehr geschickt wiedergegeben sind. Indem Dräseke an einigen Hauptmotiven festhält und sie der jeweiligen poetischen Wendung entsprechend modificirt, erreicht er auch die nölbige Einheit des Ganzen. Mit dem Uebergang aus D-moll nach D-dur gegen den Scbluss hin löst sich der komische Ernst, der Dichtung wie Tondichtung beherrscht, in graziöse Heilerkeit auf.

Nähert sich schon der Mohringer-Krebs dem Balladenton, so begegnen wir Dräseke vollends auf diesem Boden in den zwei folgenden Werken: »Bergidylle« Op. l 8 und »Ritter Olaf« Op. < 9. Beide sind wiederum für mittlere Stimmlage geschrieben und behandeln Heine'sche Gedichte. Damit haben wir freilich auch die Analogien erschöpft; denn sowohl mit Rücksicht auf den Grundton als auf die Form weichen die Compositionen wesentlich von einander ab. Während die Bergidylle das phantastisch graziöse Poem in Einem weit ausgeführten Satze an uns vorüberziehen lässl, zerfällt Ritter Olaf der Heine'schen Dichtung entsprechend in drei gesonderte Abschnitte und kleidet sich von Anfang an in die Farben düsterer Tragik. In der B e r g i d y 11 e hat DrUseke mit grossem Geschick die < 1 Seiten umfassende Composition auf wenigen Motiven aufgebaut, die er so mannigfaltig umzugestalten weiss, dass sie mit der poetischen Darstellung stets im Einklang sind, und dass für den Hörer keinerlei Ermüdung eintritt. Gleich der Anfang malt die romantische Situation, in die uns der Poet versetzt, das mond- licbtumQossene Gemach, in welchem die Liebenden traulich bei einander sitzen, aufs stimmungsvollste. Mit drastischer Lebendigkeit werden uns dann die naschhaften Wichtelmännchen, die hexenhafte Katze, das verzauberte Scbloss vorgeführt, von denen das Mädchen plaudert, bis es zuletzt verstummt, und nur noch die Wanduhr weiterschwalzt. Mit phantastischer Farbenpracht wird die Wandlung geschildert, welche das erlösende Liebeswort in dem Schloss bewirkt, und mit der Hochzeitsmusik glanzvoll abgeschlossen. Die Ballade »Ritter Olaf«, welche Drüseke dem Kammersänger Eugen Gura gewidmet und deren eigenartiges Gemisch von frivoler Sinnenglulh und liebeseliger Todesverachtung sich kaum für den Hund einer Dame eignen dürfte, führt uns im ersten Abschnitt den König und den Henker vor, wie sie die Neuvermählten, Herrn Olaf und die Königstochter vor der Kirchenlhür erwarten, auf dass der strafbare Verführer gerichtet werde. Hit kräftigen Strichen sind die beiden düsteren Gestalten, sowie der Gegensatz zwischen der leicbenblassen Frau und dem heiter lächelnden Ritter gezeichnet. Olaf beschwört den König mit innig beredten Worten, ihn noch bis Mitternacht leben zu lassen, damit er die Hochzeit zu Ende feiern könne, und der letztere gewährt die Bitte. Hit Nummer 2 (A-moll 4/4) befinden wir uns am Schlüsse des Festes. Olaf tanzt den letzten Reigen, »Der Henker steht vor der Thüre«. Die Weise bat etwas düster Bewegtes, unheimlich Pochendes, das der Situation wohl entspricht. Aebnlich beginnt der dritte Abschnitt, mit dessen scharfeinschneidenden Klängen wir den Ritter todbereit in den Hof hinabsteigen sehen. Wie er dann seinen Hund zum letzten Hai öffnet und das Glück der genossenen Liebe zu preisen beginnt, klärt sich die Cismoll-Weise auf und in breitem melodischen Erguss strömt der Gesang zu Ende. — Wenn wir an den beiden Balladen Op. <6 und n etwas aussetzen sollten, wären es die allzu wechselvolle und complicirte Rhythmik, durch welche der Fluss der Composition hin und wieder ohne hinlängliche innere Hotivirung gestört und der Ausführung besondere Schwierigkeiten bereitet werden , ferner gewisse mo- dulalorische Wagnisse und Härten, die wir als Ueberbleibsel der früheren, vielfach bizarren Stilistik des Componisten bezeichnen möchten. Die erwähnten Hänge! verschwinden freilich gegenüber den Vorzügen beider Tondichtungen, unter denen die Verbindung frischer Melodik mit charaktervoller De- clamation und die echt musikalische Empfindung vor Allem hervorzuheben sind.

In den Landschaftsbildern Op. S 0 , welche Dräseke seinen Schwestern Sophie und Elisabeth zugeeignet hat, kehrt er zum eigentlichen Lied, d. h. zum specifisch lyrischen Stim- nuings- und Situationsbild zurück. Das Heft umschliesst sechs Gesänge, in denen warmes Gefühl mit vollendeter tonmalerischer Kunst Hand in Hand geht und die wir daher dem Bedeutendsten beizählen, was die neuere Zeit auf diesem vielgepflegten Gebiet hervorgebracht hat. Das Uhland'scbe »Schilllein« eröffnet das Werk würdig. Der melodische (Jmriss ist hier ebenso flüssig wie zart, die Steigerung, welche das allmälig sieb entwickelnde musikalische Leben unter den Fahrlgenossen bedingt, trefflich wiedergegeben. Die Klänge des Horns und der Flöte, der Taktschlag der Ruderer, das harte Aufstossen des Schiffleins am Strande, all dies wird mit Sorgfalt und doch nicht in kleinlicher, sondern durchaas poetischer Weise illu- slrirl. — Auf gleicher Höbe steht Nummer l »Deines Odems einen Haucht von 6. Fischer. Auch der sehnsüchtige Zug, der durch die warme H dur-Weise gebt, barmonirt mit der träumerischen Naturstimmung, wie sie in den Strophen des schwäbischen Dichters webt. Weniger eigenartig in der Helodie, aber voll Wohllaut ist Nummer 3 »Ich dachte nur an Leben« von Karl Hayer. — Die gebetartige Feierlichkeit des Kinkel'scben »Trost der Nacht« hat Dräseke in Nummer i zu tief empfundenem Ausdruck gebracht. Die Klangfarben sind in diesem Des dur-Gesang wie Abendwolken in einander geschmolzen, die elegische Steigerung in der Scblussstrophe unübertrefflich nachgedichtet, Das folgende Lied »Nacht in Rom« wiederum von Kinkel, hat musikalisch wie poetisch etwas Verdämmertes, Hondenstilles. Die Schlussnummer «Venezia« von Alfred Heissner beginnt mit einem ähnlichen melodischen Motiv wie Nummer 3, wobei freilich das Coloril ein anderes, weichgedämpftes ist. Das Ganze leidet vielleicht an allzu grosser Breite und Mono

tonie, trifft aber den Ton träumerischer Trauer über die versunkene Herrlichkeit der Lagunenstadt schön.

Sämmtliche besprochene Liederhefte , deren musikalischer Gehalt keineswegs auf der Oberfläche schwimmt, sondern perlengleich aus der Tiefe gehoben werden will, verdienen die Beachtung aller gebildeten Sänger und Sängerinnen in hohem Haassc und verbürgen uns weitere Früchte eines zur Abklärung gelangten Talentes, das seine eigenen Wege geht und in dem sich künstlerisches Wollen und freudiges Vollbringen die Wage hallen. ^ A,. ,._

Anzeigen und Beurtheilungen.

BiTiihanl Schell, Fünf Lieder für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte. Op. 44. Breslau, Hainauer. 2 Jt 50 ty.

SkltiM fUr Pianoforte. Op. 52. 8 Hefte. Leipzig,

Kistaer.

Liiidler für Ciavier. Op. 50. Leipzig, Kistner.

\ Jl 50 Sjt.

Wir haben von den obigen Arbeiten eines der geschätztesten unter den lebenden Componisten mit Interesse und wahrer innerer Befriedigung Kenntniss genommen. Schul/, durch grössere Arbeiten für Gesang und Instrumente längst vorteilhaft bekannt, bewegt sich auch in diesem kleineren Genre mit Geschmack und richtigem Takte. Wir gewahren überall eine leichte Erfindung abgerundeter und wohlklingender musikalischer Gedanken , welche, wenn sie auch da und dort an bekannte Muster anklingen, doch einen selbständigen Zug nicht verkennen lassen. Scholz weiss mit Bestimmtheit und ohne jede Unklarheit zu sagen, was er sagen will; was er aber sagt, ist immer etwas wahr und edel Empfundenes, und wendet es sich auch nicht gerade immer an die tiefsten Tiefen des Ge- mülbslebens, so regt es dasselbe überall in sympathischer Weise an und erquickt durch die Anschauung eines echt künstlerischen Wüllens. Die äusserc Technik ist überall eine musterhafte; in der Entwicklung der Motive, in der Gestaltung der Sätze, in der Hodulation bewährt der Componisl das volle Geschick und den gebildeten1 Takt des gereiften Künstlers und zeigt namentlich einen Vorzug, der gerade in unserer Zeit hervorgehoben zu werden verdient: die Haassbaltung in der Verwendung der Mittel, die Fähigkeit, auch mit geringem Aufwande die beabsichtigte Wirkung leicht und sicher zu erreichen. Diese Eigenschaften gewinnen gerade in den Stücken von kleinerem Umfange eine besondere Wirksamkeit; und so sind die obigen Stücke ganz geeignet, von der Eigenart des Künstlers ein zutreffendes und klares Bild zu geben.

In den fünf Liedern, zu denen Texte von Goethe, Lenau und Kl. Groth gewählt sind, ist eine Fülle wahrer und warmer Empfindung niedergelegt. Die Melodien sind einfach, ausdrucksvoll und den Worten sich wohl anschmiegend; die Begleitung maassvoll behandelt, doch überall den Ausdruck durch feine Züge hebend. »Das Mondlicht« (Nr. l, E-moll C] drückt eine voll dasGemüth beherrschende, doch sich zurückhaltende Sehnsucht glücklich aus; der Fortgang der Melodie gemahnt zuweilen an Brabms'sche Weise, namentlich in der geschickt angewendeten Transposition; die Rückführung aus der entfernten Tonart ist trefflich gelungen. Leidenschaftlicher, auch in der Modulation kühner ist das zweite Lied (»Zweifelnder Wunsch«, As-dur Cj, welches im festen Rahmen doch dem wechselnden Ausdrucke der Worte mit Glück gerecht wird. Einfach, doch sehr ansprechend, ist das Goethe'sehe »An Lina» (B-dur C) behandelt; den Zweifel, ob sich dieses Gedicht eigentlich zur Composition eigne, beschwichtigt der Componist durch eine sehr anmulhige einfache Helodie, die aber doch einer wohl vermittelten Steigerung bei dem »Zerreissen des Herzens« sich fähig zeigt. Der Ton naiver Anmuth gelingt dem Componisten noch besser in dem Klaus Groth'schen Liede »Der Bach« 'l-'-dnr 3/i . in welchem sich über der leise murmelnden und rollenden Begleitung eine Melodie erhebt, die den volkstümlichen Charakter mit Glück trifft. Ein ernstes, tief empfundenes Gegenstück, in welchem wiederum, wie uns dünkt, Brahms'scher Einfluss sichtbar wird, ist die Composition von Goethe's Lied »An Lilk (»Im holden Thal« u. s. w., As-durCj. Hier geht insbesondere die Begleitung in zarler, sinniger Weise ihren eigenen Gang.

Die Pianoforte-Skizzen Op. 51 tragen s'äramtlich besondere Ueberschriften und kündigen sich dadurch als Charakterstücke in der in neuerer Zeit beliebten Weise an. Sie gehören ohne Zweifel zu den besseren unter denselben; und indem die bereits angeführten Vorzüge in denselben wiederkehren, tritt hinzu das bewusste Geschick clavierroassiger Behandlung und die sichere Herrschaft über das Klangliche. Die einzelnen Titel lassen die feineren Beziehungen nur erralben; aber da wir es mit fest geformten und klar entwickelten Musikstücken zu lliun haben, sind wir der Versuchung enthoben, nach diesen tieferen Beziehungen zu fragen, da wir ihrer Kenn'- niss zum unbefangenen Genüsse der Musikstücke nicht bedürfen. Vielleicht geht ein lieferer Zusammenhang durch die einzelnen Stücke, wie in Schumann's Waldscenen oder Kirchner's Dorfgeschichten ; der »Nachklang« als Scblussslück scheint das anzudeuten. Die »Frühlingsglocken« (Nr. 4, A-durC, Allegretto) locken mit vollem, einschmeichelnden Klange hinaus, sie ertönen von allen Seiten ; während eine liefere Stimme die höhere ablöst, gesellen sich in der Höhe feinere und lebhaftere hinzu, man giebl sich dem anmuthigen Klingen, das der Componist fein in musikalische Form zu fassen weiss, gern gefangen. Es reift der »Enlschloss« (Nr. l, D-moll, <fc, Allegro ruotuto); in straffen (zweilaktigen) Rhythmen, mit Tempo rubato untermischt und keck durch mannigfache Tonarten schreitend, drückt das Stück eine entschlossene Stimmung glücklich aas. Ein sanfterer, doch immer noch entschieden auftretender Zwischensalz in D-dur giebt dem hoffenden und verlangenden Elemente Spielraum. Zu sanftem Wellenschläge wiegt uns eine anmulnige »Barcarole« träumend ein (Nr. 3, C-dur % , Allegretto non troppo); auch in diesem Stücke wirkt die Mittellage des Themas zu weichen Begleitungsfiguren in der Höbe sehr hübsch. »Die Schmiede« hat den Impuls zu einem kräftigen, aufstrebenden Thema gegeben, welches, ohne Malerei zu sein, den Eindruck unmittelbar wiedergiebt; daraus ist das vierte Stück (Des-dur %, Vivace auai) kunstvoll gestaltet. Der kernige Grundton

dieses Stückes klingt noch nach in dem folgenden Scherzo (D-moll /,, Allegro con brio), welches in den weichen, sanft aufsteigenden Figuren des Trios (D-dur) einen hübschen Gegensalz erhält. In diesem Stücke zeigt sich besonders das Geschick des Componisten, mit einfachen Mitteln zu wirken ; mehrfach ist reine Zweistimmigkeit verwendet. An der Deutung des folgenden Stückes »Margaret!» (C-dur C, Andante] mag sich der Spieler abmühen ; von zarteren Sebnsuchtsempfindungen wird er in demselben nichts finden; in breiten behaglichen Figuren und vollen Harmonien strömt ein volles Genügen , wie ruhiger Genuss des Daseins an uns vorüber. Das Stück wird dem Spieler , je öfter er sich mit demselben beschäftigt, um so werther werden. Als Gegenstück empfängt uns eine Elegie (D-moll 2/«, ilesto, ma non troppo lento), ausdrucksvoll klagend, wie bei einem unabweislichen Abschiede; die Klagen steigern sich, gehen aber schließlich in eine ergebene Stimmung über, die in ihrem anmuthigen Ausdrucke, in dem öfteren Anhalten, gleichsam einer Hoffnung des Wiedersehens Ausdruck zu geben scheinen. Der bereits erwähnte Nachklang (B-durC, Adagio) lässl in der vorzugsweise synkopirten riestallung der Motive die Bewegung des Innern noch nachwirken, doch allmälig zur Ruhe kommen. Wir hoffen, dass diese Stücke, welche zwar geübte und geschmackvolle Spieler verlangen, aber doch nicht übermässige technische Schwierigkeiten bieten, recht Viele erfreuen mögen.

Die Ländler sind sechs kürzere Stücke in dem bekannten Rhythmus, einfache liedmässig geformte Sätze in zwei Theilen, zwei davon etwas ausgeführter mit Zwischen- resp. Gegensätzen ; meist in raschem Tempo, der eine der grösseren (Nr. i) langsam und nur mit einem raschen Zwischensatze. Auch diesen Stücken fehlt es nicht an feinen Zügen des Satzes und der Erfindung, insbesondere auch der echt claviermässigen Schreibart ; im Ganzen aber stehen sie den vorher besprochenen Stücken an Gehalt bei weitem nicht gleich, sondern machen durchaus den Eindruck rascher, leicht hingeworfener Eingebungen , bei denen dann Kunst und feine Gestaltung nicht seilen ersetzen muss, was der Lebendigkeit der Phantasie ermangelt. Den behaglich wiegenden, oft pikanten Ländlerton weiss er stellenweise ganz gut zu treffen. Musikalisch hat uns das fünfte Stück am meisten angesprochen ; die Einfachheit im ersten und dritten erscheint uns nicht ganz natürlicb und ungesucht; in Nr. 6 verstehen wir nicht, warum nach dem Gegensatze, der gewis- sermaassen als Trio erscheint, nicht der Hauptsatz vor der Coda

wiederkehrt. n_ D n

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Beinecke, Carl, Op. 454>>. Zehn Kinderlieder für eine Singstimme mit leichter Ciavierbegleitung. Siebentes Heft der Kinderlieder. Jt 1,15.

Rnblnstein, A., Op. 14. Troll Caprlee» pour le Piano. Nouvelle Edition revue par l'Auteur. Jl 3,—.

Schumann, Robert, Op. lt. Zigeunerleben, Gedicht von Emanuel Geibel für kleinen Chor mit Begleitung des Pianoforte. Arrange- ment für das Pianoforte zu vier HBnden mit Begleitung von Violine and Violoncell von C. Burchard. Jt 4,50.

Mendelssohn's Werke.

Kritisch durchgesehene Gesammtansgabe.

(Cdur) i-oeses Orchester

componirt von

Albert Dietrich,

Op. 35.

Partitur netto Jt 7,50. Orchester-Stimmen nello .M (8,75.

(Violine 4, i, Brauche, Violoocell, Contrabass ä netto .* 1,10.) Ciavier-Auszug zu vier Händen vom Componisteo .// 3, — .

Symphonie

(No. 2 Esdurj für grosses Orchester

componirt von

Friedr. Oernsheim.

Op. 46.

Partitur netto Jt 48, —. Orchester-Stimmen netto .M 36,—.

(Violine 4, l, Bratsche, Violoncell, Conlrabass ä netto .* 8,—.) Ciavier-Auszug zu vier Händen vom Componisten Jl 40,—.

Leipzig und Winterf^rar,

Mitte September 4ggi. J. Rieter-Biedermann.

[474] Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Sechs Lieder

für

mit 'I t < jr l *-i t-u n »r des Pianoforte

componirt von

Heinrich Michelis.

(Auswahl ans dem Nachlasse.) Complet Pr. 3 Jt.

E inzeln: No. 4. Untreue: »Dir ist die Herrschaft längst gegeben«, von Ludwig

Vhland Pr. Ji 0,80.

No. 1. Maienthan: »Auf den Wald und auf die Wiese«, von Ludwig

Uhland Pr. Jl 0,50.

No. I. Jagers Abendlied: »Im Felde schleich' ich still and wild«, von

1. W. von Goethe Pr. Jl 0,50.

No. 4. »01 bist du, wie ich träume«, von Augutt Wolf . Pr. .« 0,50. No. 5. Der Schmied: »Ich bar' meinen Schatz, den Bammer er

schwinget«, von Ludwig Uhland Pr. Jl 0,50.

No. 6. Abschied: »Was klinget und singet die Strasse berauf?« Ro- manze von Ludwig Vhland Pr. .«4,80.

[475] Im Verlage von ,J. Rtettr-Biedermann in Leipzig und Winterthur ist erschienen und kann durch jede Buch- oder Musikalienhandlung bezogen werden:

Nottebohm, Gustav, Beethoven's Studien. Erster Band.

Beethoven's Unterricht bei J. Haydn, Albrechlsberger und Salieri. Preis netto 41 Jl.

Beethoveniana. Aufsätze und Mittheilangen. Preis

netto 7 Jt.

Serie l. Symphonien für Orchester.

No. 1. Zweite Symphonie (aus dem Lobgesang Op.51) in Bdur. Partitur .H 5,55. Stimmen Jt 7,80.

Mozart's Werke.

Kritisch durchgesehene Oesammtansgabe.

8erlenAuSiTa.be. — Partitur.

Serie XIV. ttnartette für Streichinstrumente. No. 14—10. M 4,50. Serie XIV. Quartette für Streichinstrumente. Complet. Brosch. in einem Bande. .« 15,50.

Dieselben eleg. geb. Jt 17,50. Serie XXIV, No. 17. Supplement, zu Serie V. Opern.

L'Oca del Cairo. Komische Oper. [Koch. Verz. No.411.) .«4,10.

Klnzelniisg-fitoo. — Partitur.

Serie VI. Arien, Duette, Terzette und Qnartette mit Begleitung des

Orchesters. Erster Band. No. 4l—48. Jt 8,75.

No. 41. Arie für Sopran. »Voi avete un cor fedele«. (K. Nr. 147.)

Jl 4,05. — 44. Recitativ und Arie (Rondo) für AU. »Ombra

felice«. (K. No. 155.) Jl 4,05. — 45. Arie für Tenor. »Clarice,

cara mia sposa«. (K. Nr. 156.) 75 3f. — 46. Scene für Sopran.

»Ah lo previdi«. (K. No. 171.) .n 4,85. — 47. Recitativ und

Arie fUr Sopran »Alcandro lo confesso«. (K. No. 1(4.) .114,10.

— 48. Arie fUr Tenor >Se al.labbro mia non credi«. (K.

No. 1B5.) .«4,15.

ElnzelauSjffibe. — Stimmen. Serie VIII. Symphonien.

No. 15. Symphonie. Gmoll C. (Koch.-Verz. 48S.) Jt 8,75. No. lt. Symphonie. Adur C. (Kdch.-Verz. 104.) .«8,45.

Palestrina's Werke.

Kritisch durchgesehene Gesammtansgabe.

Partitur. Band XIII. Hessen. Viertes Buch. .* 45,—.

Robert Schumann's Werke.

Kritisch durchgesehene Oesammtansgabe.

Herausgegeben von Clara Schumann.

lOlnzelausorabe.

Serie IX. Grössere Gesangwerke mit Orchester oder mit mehreren Instrumenten.

No. 80. Op. 74. Adventlied für Sopran-Solo und Chor mit Or- cbesterbegleitung.

Partitur MI,—. Stimmen Jl44,50. Ciavierauszug .«9,75.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Expedition : Leipzig, Am Rabensteinplalz 1. — Redaclion: Bergedorf bei Hamburg.

D10 Allgemeine MmiikaUiche Z«itang

erscheint reg«lmi»*iR an jedem Mittwoch

und ist durch alle Pobttroter und Bucb-

j.di'iCui./i'U za beziehou.

Allgemeine

Preii: Jährlich 18 Mk. Vierteljährlich.. Pränum. 4 MV. 50 Pf. Anteigen : die gespaltene Petitieile oder deren Raum 30 F£ Briefo und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 20. September 1882,

Nr. 38.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Neue Composilionen Theodor Kirchner's. — Farsi Tal-Literatur (4. Rieh. Wagner's Parsifal. Erst« Aufführung am 26. Juli 1883 zu Bayreuth. Besprochen von Max Kalbeck). — Anzeiger.

Aufforderung zur Subscription.

Mit nächster Nummer schliesst das dritte Quartal der Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Ich ersuche die geehrten Abonnenten, die nicht schon auf den ganzen Jahrgang abonnirt haben, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal rechtzeitig aufgeben zu wollen. j Rieter-Biedermann.

Neue Compositionen Theodor Kirchner's.

Theodor Kirchner hat, nachdem wir vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift seiner ausführlich gedachten, wiederum eine Fülle duftiger Blüthen über uns ausgeschüttet. Jeder, der wahre Empfindung, sinnige und feine Gestaltung, endlich sichere Beherrschung des Klanges und des Colorits zu schätzen weiss, wird sich dieser neuen Gaben wieder recht erfreuen. Mag auch in der grossen Külle nicht jedes einzelne Stück wieder etwas Neues und Ungesagtes bringen, so lässl man sich doch auch das Bekannte in etwas verändertem Gewände gern wieder vorführen ; wer einmal in irgend einem Stücke der Kirchner'schen Muse näher getreten ist, wird wissen, dass man nie ohne poetische Anregung von ihr scheidet, und jedenfalls nie den echten Künstler verkennen kann, der mit Besonnenheit und Geschmack seine Weisen gestaltet und dem Ciavier seine reizendsten Wirkungen zu entlocken weiss. Wir möchten daher von neuem Anlass nehmen, auf den feinsinnigen und liebenswürdigen Meister hinzuweisen, der in der Stille, seinem Berufe treu, erfreuende Gaben zu bielen fortfährt, welche der Beachtung mehr wertb sein dürften wie Vieles von dem, was sich heutzutage mit Oslenlalion in den Vordergrund drängt. Wir geben in Kürze eine Uebersicht der uns vorliegenden neueren Compositionen Kirchner's.

Vier Hlcfilcn für Pianoforte von Theodor Kirchner. Op. 37.

Breslau, Julius Hainauer. 3 . <C.

Wir haben es, was schon der Titel andeutet, mit sanft bewegten Stücken von klagendem Ausdrucke zu thun. Sie haben durchaus den Zuschaut, den wir auch bei ähnlichen Arbeiten der früheren Zeit wahrnahmen; auch ist die Grundstimmung keine wesentlich andere, als die schon mehrfach zum Ausdruck gebrachte; aber durch den Reiz einer innigen Melodik, durch Feinheit der Modulation und der thematischen Arbeit, in welcher die Verwendung der Imitation zuweilen ungezwungen auftritt und überrascht, sowie durch den bei Kirchner selbstverständlichen Wohlklang des instrumentalen Salzes erfreuen auch diese Stücke wieder in hohem Grade; man ist bei den ersten Tönen der Alltagssphäre entrückt und von dem anmuthigen XVII.

Zauber dieser Gebilde, die ganz in romantischer Färbung glänzen, angezogen. Nr. ( (F-moll 3/4» poco Andante), ein leise klagendes, einheitlich empfundenes Stück, klingt stellenweise ein wenig an Brahms an, ohne dass darum von Nachahmung zu sprechen wäre. Durch den Vorhalt in der Mittelstimme beim verminderten Septimenaccorde wird auch hier wieder, wie auch sonst schon, ein eigenartiger Reiz hervorgebracht. Durch Vereinigung reizender Melodik und kunstvoller Mehrstimmigkeit zeichnet sich das zweite Stück aus (F-dur 2 4 , ruhig, singend). Nr. 3 (A-moll % , poco lento, espressivo) schlägt einen mehr wehmüthigen Ton an, ergeht sich in chromatischem Melodienzuge, zeigt dabei in der bewegleren Entwicklung ein paar kleine, wenn auch vorbereitete harmonische Härten. Sehr zart und anmulhig bewegt, im Fortgange von glücklich steigendem Ausdrucke ist das vierte Stück (F-dur Vj, Andantino), in der Modulation geschickt, zuweilen nicht ohne eine gewisse Kühnheit, aber dabei den Ausdruck einer resignirten Ruhe bis zu Ende glücklich bewahrend.

Auf diese Elegien folgen in der Reihe der Werke

Zwölf Etidei fUr Pianoforte von The«d«r Klrehier. Op. 38.

i Hefte ä 2 Jt 50 3p. Breslau, Hainauer. Bei diesen Etüden wiegt, wie man bei Kirchner erwarten wird, der musikalische Zweck gegenüber dem blos instructiven bei weitem vor. Auf Ausbildung besonderer virtuoser Künste, ausgesuchter technischer Schwierigkeiten ist es hier in keiner Weise abgesehen; die Stücke namentlich der beiden ersten Hefte wird ein einigermaassen geübter Spieler kaum technisch schwer nennen können. Dass sie aber die Hand im gleich- massigen Vortrage, im sicheren Treffen, in der Herrschaft über die feineren Nuancen des Ausdrucks, Bindung und Slaccalo, Vollgriffigkeit und gesangvollem Spiele zu üben reichlichen Stoff gewähren, zeigt jeder Ueberblick über diese reiche Sammlung, und der musikalische Gehalt der Stücke bietet für den Geschmack, für die Fähigkeit, den musikalischen Faden zu erkennen, den Ausdruck zu treffen, das Wichtige hervorzuheben und die Stimmen in gutes Verhiillniss zu einander zu setzen, die vielfachste Veranlassung. So sind die Stücke belehrend, ohne dass sich dieser Zweck ausschließlich in den Vordergrund

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drängt; wir wissen nicht, ob dieselben alle ursprünglich dazu bestimmt waren, Etüden zu sein.

Der Form nach kommen sie im Ganzen den übrigen Stücken gleich ; es sind Einzelgebilde mit bestimmten Themen, die sich in der bei Kirchner beinahe feststehenden Form liedmässig entwickeln, und in abgerundeter, durch Gegensätze belebter Gestaltung ; grosse ausgeführte Sütze, etwa gleich den Cliopin'- schen Etüden, hat er nicht geben wollen. Der Natur der Sache nach überwiegen die Stücke in bewegterem Tempo ; doch haben auch mehrere Stücke getragenen Charakters technisch interessante Aufgaben zu erfüllen. Im Ganzen wird, wer diese Kirchner'sehen Etüden beherrscht, für das Spiel der Kirchner'- schen Ciaviermusik überhaupt sehr gut vorgebildet sein, daneben aber auch für den Vertrag anderer moderner Meisler, wie Schumann, Schubert, sehr wesentlich gewonnen haben.

Die grosse Zalil der in dieser Sammlung vereinigten Stücke verbietet uns, auf alle im Einzelnen einzugehen. Das erste Heft bietet namentlich in Nr. l und 3 Slücke von echt Kirch- ner'scher Anmuth und Reinheit; nur ist der Millelsatz des im Uebrigen so stimmungsvoll concipirlen dritten Stückes durch folgende harmonische Härte unterbrochen

die uns von neuem den Wunsch nahelegt , dass der verehrte Componist möglichst in den Grenzen des natürlich Angemessenen, in den er sich ja mit so viel Anmuth bewegt, bleiben und sich gewagter Combinationen enthalten möge. Im zweiten Hefte hat uns das dritte Stück (Nr. 6 der Sammlung) besonders angesprochen, in welchem ein naiv- herzlicher Ton uns gefangen nimmt ; die beiden vorhergehenden lassen das technische Moment überwiegen. Auch das sanft wiegende Stück Nr. 7 (das erste des dritten Heftes, H-dur '/.,: ist ausserordentlich anmulhig, und voll feiner Züge auch das Schlussslück der Sammlung (C-dur 4/«j> wo der Wechsel der Tonlage der Melodie mit grossem Gsschicke , auch für den Vortrag sehr anregend, behandelt ist. An die Technik stellen die Slücke der beiden letzten Hefte grössere Anforderungen. Kine weitere Sammlung betitelt er

4 4 Clavierstttcke von Theodor Kirrh- er. Op. 39. 2 Hefte ä .« 3,50. Breslan, Hainauer. Die poetischen Hinweisungen zur Förderung des Verständnisses werden seit Schumann's Vorgange immer noch vielfach angewandt, und es ist ja nicht zu la'ugoen, dass die Anregung zu einer bestimmteren Auffassung, zu einer deutlicheren Ahnung des poetischen Inhaltes in weiten Kreisen der Musik treibenden Welt von gutem Erfolge gewesen ist. Die Schumann'- schen Waldscenen, an welche wir bei diesen Dorfgeschichten erinnert wurden, haben eben durch diese Hinweisungen einen grossen Theil der liefen Wirkung erlangt, den ihr unvergleich

licher Zauber auch ohne dieselben hätte ausüben können. Zi einer Vergleichung wollen wir aber damit nicht auffordern, und würden damit auch sicher der Absicht unseres Compo- nisten nicht entsprechen; die volle Anspruchslosigkeit dieser kleinen und zarten Gebilde widerstrebt durchaus dem Versuche, kühnere poetische Interlionen In dieselben hineinlegen zu wollen. Wie naiv nimmt sich gleich das erste Stück aus: »Grossvaler erzählt von der guten alten Zeit« (Es-dur C); in die harmlose treuherzige Melodie mischt sich die Erinnerung an eine fremde Volksweise, die in früher Jugend aufgenommen war, niedlich ein. «Unter der Eiche« nennt sich ein Stück von ruhig beschaulicher Stimmung, in wohlklingenden Figuren und Harmonien behaglich sich wiegend (Es-dur C . Auch der Humor soll sein Recht haben, und so verliert sich ein «verdriess- licher Fagottist«, der vielleicht Besseres kennt als auf dem Dorfe zu spielen, in diese Umgebung (Es-moll J/4, etwas langsam). Zur musikalischen Darstellung des »schlechten Weilers« (C-moll C, Allegro) ist Kirchner's zarte und harmonische Muse nicht geschaffen ; der Anblick des »Regenbogens« jedoch (F-dur 3/t) entlockt ihr wieder wanne anmuthvolle Weisen, und »Im Mondenschein« (F-dur C) träumt sie im Dorfe eben so selig und mit den gleichen Gedanken und Weisen wie im Walde oder wo es auch sei. Denn überhaupt werden wir in dieser Sammlung nicht etwa in das volle ländliche Leben des Dorfes versetzt; es ist immer der fein gebildete , in poetisch romantischen Vorstellungen aufgewachsene Städter, der auch einmal aus dieser an sich fremdartigen Sphäre Anregung entnimmt. So sind denn die eingeflochtenen Tänze (6. Menuett, F-dnr:';,, 10. Ländler, G-dur '/4. selbst M. Bauernlanz, G-dur -',) zwar alle lebendig und sauber ausgeführt und stellenweise ganz originell, geben aber keineswegs das naive Behagen des Landbewohners wieder, sondern behalten alle die Züge subjectiver Empfindung des fremden Zuschauers. Von manchen Stücken weiss man nicht recht, wie sie hieher kommen, z. B. dem Gondelliede (Nr. < l, G-moll */8) so hübsch und sinnig dasselbe an sich ist, oder dem Zwiegesange (No. 9, D-dur '/g), der viel zu sehr moderne Romantik enthält, als dass er im Munde fröhlicher Dorfschönen gedacht werden könnte ; übrigens ein überaus hübsch erfundenes, in seiner klaren Gestaltung und Rundung höchst erfreuliches Stück. Die Ingredienzien , welche zu Jagdliedern (vgl. Nr. 8, F-dur l2/8) zu verwenden sind, sind wohl allgemein recipirt; das Kirchner'sche wird neben vielem Aehnlichen seinen Platz mit Ehren behaupten. Einen ganz originellen Gedanken giebt er in dem l <. Stücke »Bruder Eduard rnuss läuten geh'n« (G-dur 2/41 Ausdruck; vielleicht irgend einem persönlichen Erlebnisse entsprungen, wird das Stück mit seiner freundlich ermunternden Hauplmelodie

und den mit derselben sich verbindenden Klängen des Glöck- chens, mit dem sich noch der aus der Ferne herüberklingende Orgelklang mit Bruchstücken getragener Choralmelodie sich mischt, jedem verständlich und lieb werden. Die Sammlung beschliesst ein ernst getragenes Stück »Zum Abschied« (C-dur J/4J. ähnlich wie Schumann seine Waldscenen mit einem solchen schoss; dem Inhalte nach sind freilich beide Stücke ganz verschieden.

Eine fernere Sammlung nennt der Componist

Blumen (um Strang,«. 42 Clavicrstücke von Thp»d»r

Kirchner. Op. 44. 4 Hefte ä 2 Jl. Breslau, Hainauer.

Wir dürfen uns über dieselben kürzer fassen. Die Form

der Stücke, die Entwicklung des Salzes, Modulation und Ciavier icrluiik. weist wenig Verschiedenes im Vergleich mit den früheren Sammlungen auf; manche Themen und Gedanken sind im Charakter und der harmonischen Entwicklung früheren so ähnlich, dass man sie fast als Variationen derselben ansehen möchte. Lassen uns also diese Stücke den Componislen in keiner Weise von einer neuen Seile erkennen, so wird man doch kaum ein Stück finden, in dem nicht irgend ein feiner Zug der Modulation und Klangwirkung überraschte, und wie jedes einzelne der Ausdruck in sich geschlossener Künstlerpersönlichkeit ist, die alles Triviale und am Wege Liegende verschmäht, so werden sie auch den Geschmack des Spielers und Hörers ans Gute gewöhnen helfen. Mag sich denn jeder von den Tonblumen, die er hier in Fülle wachsen findet, diejenigen zum Winden des Slrausses wählen, die in seinem Gemüthe den lebhaftesten Wiederhall finden; uns ist Kirchner immer in den getragenen und gesangvollen Stücken am liebsten, er scheint uns in diesen mehr gleichsam aus dem Vollen zu schöpfen. So ziehen wir im ersten Hefte das zweite (G-diir */4) ""l seiner hübschen Klangwirkung und anmuthigen Canlilene vor; im zweiten Hefte das sinnige Esdur-Stück (Nr. t), mit den weit ausgespannten Griffen, während das ebenfalls anmuthige Nr. 5 (ebenfalls Es-dur, tloderato) doch in ähnlicher Form schon zu häufig da gewesen ist. Die Stücke des dritten Heftes ragen sämmtlich nach Conceplion und Ausarbeitung hervor; in dem letzten (Nr. 9), welches das Schumann'sche Vorbild nicht verkennen lässt, bat uns eine überraschende enharmonische Verwechslung nicht recht munden wollen. Nr. 10 hat folgendes einfache Thema

wir wissen nicht, ob bei folgender Wiederkehr desgelben in

der Miltelstimme

nicht vielleicht an der bezeichneten Stelle ein Stichfehler vorliegt. Die beiden letzten Stücke der Sammlung stehen nicht auf gleicher Höbe wie die meisten der übrigan.

Einen etwas höheren Flug nimmt er in der folgenden Sammlung:

Secki CI»Tlentäeke von The»dor Hlrchner. Op. 45. Leipzig, Kistner 3 .ff.

Die Stücke haben sämmtlich noch besondere Aufschriften: Ballade (As-dur s/4. Einfach, ruhig), Mazurka (As-dur 3/4, etwas gemessen), Novellelte (Des-dur 3/4, sanft bewegt), Mazurka .(A-dur >/4, Tempo giutte), Intermezzo (F-dur ,, sehr riibig, doch nicht schleppend), Romanze (B-dur J/4 , Andante etpresnvo). Es ist bei Kirchner überflüssig, hervorzuheben, dass alle Stücke geschmackvoll erfunden und mit Geist und Geschick, namentlich io der Harmonik und dem claviermässigen Salze ausgearbeitet sind ; wir sind bei jedem Stücke sofort über lies Alltägliche hinweggeboDeu und in den Ideenkreis einer durchaus eigenartigen Künstlernatur gebannt. Insbesondere sind die beiden Mazurken, zumal bei ihnen einheitlicher Grund-

charakter vorgezeicbnet ist, charakteristisch und wirkungsvoll. Bei den übrigen Stücken scheinen zum Theil besondere Ideen und Impulse wirksam zu sein, welche die Gestaltung derselben bestimmen, die aber nicht gleich verständlich werden; so beginnen z. B. Ballade und Intermezzo mit sehr einfachen, an- muthig wiegenden Motiven und gehen dann allmälig in unruhige Bewegung und entlegene Tonarien über, ohne dass man sogleich ahnt, was damit bezweckl sei. Im Ganzen aber darf man den Stücken dieser Sammlung anderen gegenüber eine hervorragende Bedeutung beilegen. Die folgende Sammlung:

3t Minier- und Kultier - Taue von Theodor Kirrhut r.

Op. 16. 3 Serien (zus. 17 .// Breslau, Hainauer. wenden sich an ein grösseres Publikum und sind auch ganz geeignet, in weiteren Kreisen, in welche sie hoffentlich Eingang finden werden, Interesse und Verslündniss für die Intentionen unseres Künstlern zu wecken. Die Aufschrift will nicht etwa sagen, dass die Stücke leichter und auch von weniger Entwickellen spielbar seien ; sie verlangen alle die gleichmässig und sauber ausgebildete Technik des Kircbner'schen Clavier- sliles. Die Bezeichnung will vielmehr wohl sagen, dass eine grosse Zahl dieser Slücke leichler concipirt und an das Ver- sländnissauch solcher sich wendend zu belrachten seien, welche noch im Lernen begriffen sind; auch zeigen die Stucke selbst, dass das Absehen hierauf gerichtet gewesen ist. Kirchner be- handell die Tanzformen sehr glücklich, er weiss den pikanten Reiz der rhythmischen Bewegung durch reizvolle Harmonik und schöne Klangwirkung zu veredeln ; seine musikalisch-vornehme Natur hindert ihn dabei, jemals ins Triviale zu fallen. Nicht alle Stücke dieser Sammlung stehen auf gleicher Höhe der Erfindung; es ist nicht möglich, in einer und derselben Gattung forlgesetzt neu zu erscheinen, und manche Stücke könnte man als Träumereien, Studien, Phantasien am Claviere bezeichnen. .Aber wo uns auch ein Stück begegnet, wie z. B. das in H-dur Nr. S8, wo über der wiegenden dreitheiligen Bewegung eine träumende melodische Figur im Tempo rubato sich ausbreitet, weiss man, dass man es mit einem Meister des Salzes und der Technik zu thun hat. Auch kleidet ihn mitunter ein Ton naiver Herzlichkeil, wie in Nr. 6 des erslen Heftes, sehr gut. Im Allgemeinen wird sich jeder, der sich dieser reichen Sammlung nähert, an derselben erfreuen und das ihm Sympathische herausfinden. Weiter liegen uns- vor:

Merieichmgei. Neun Glavierstttcke, componirt von Th.odor hirrhoer. Op. i7. 3 Hefte ä 2uT. Leipzig, Forberg. (Jul. Schulhoff gewidmet.) Der anspruchslose Titel lässt nicht ahnen, was diese Slücke bieten ; auch ist er insofern nicht hinlänglich bezeichnend , als es ihnen neben der im Ganzen einfachen uud leicht verständlichen Conception an feiner harmonischer Ausarbeitung, also an demColoril zur Zeichnung, durchaus nicht fehlt. Es zeichnen sich diese Stücke aber vorzugsweise in melodischer Hinsicht aus und lassen eine ganz besondere Sicherheit und feste Gestaltung der Themen erkennen, die naiv und sinnig erfunden, in natürlicher Einfachheit und Maasshaltung sich entwickeln und zu ihrer Wirkung keines grosseo Apparates von Durcharbeitung und Schmuck der Technik bedürfen. Die Anklänge an diejenigen Meister, nach denen Kirchner in früher Zeit vorzugsweise seinen Stil gebildet hat, namentlich Schumann, treten noch mitunter hervor; daneben aber erscheint mehrfach ein frischer naiver Ton, und dann wieder jene zarten sinpigen Weisen, welche so recht das Eigenthum des Componisteo sind und durch die er am unmittelbarsten wirkt. Wir wüsslen kaum ein einzelnes der Slücke als vor den ändern hervorragend zu nennen ; sie sind sämmtlich , und namentlich der Erfindung nach, uoler den Erzeugnissen seiner Muse hervorragend. Die folgende Sammlung will ein Grass an einen Freund sein :

Ai Mephen Heller. 42 Clavierstttcke von Theodor Kirchler. Op. 51. 3 Hefte ä 4 Jl. Leipzig, Hofmeister. Es ist natürlich, dass der Freundesgruss, der die Individualität und Empfindungsweise des Abwesenden im Geiste vor Augen hat, nach Sprache und Ausdruck sich dieser zu nähern und den gemeinsamen Boden zu finden such), auf welchem das gegenseitige Verständniss um so sicherer erwächst. Wenn Kirchner daher einer Sammlung von Stücken jene Aufschrift nicht allein als Widmung, sondern als charakteristische Bezeichnung der Stücke giebl, so muss daraus geschlossen werden, dass er sich in denselben an den Stil Slephen Heller's zu erinnern beabsichtigte. In gewissen Einzelheiten Hessen sich ja auch vielleicht verwandtschaftliche Züge finden , jene Töne weicher Melodik (die nun freilich bei Heller vielfach in Weichlichkeit ausartet), dabei die leicht messenden, auf beide Hiinde gleichmässig vertheilten Ciavierpassagen stehen auch Kirchner zu Gebote, und wenn Heller auch da, wo der instructive oder virtuose Zweck vorwiegt, doch immer die Darstellung eines ansprechenden musikalischen Gehaltes erstrebt, so ist das bei Kirchner ebenso sehr der Fall, dessen Muse allerdings tiefer, reicher, wärmer, kräftiger ist. So tritt denn in den Stücken dieser Sammlung vor allem eine leicht fassliche Melodik, und zwar meist in zarten, gebundenen Güngen von ruhigem Ausdrucke hervor, und daneben Verzierung derselben durch bewegtere Figuren, Verlegung in unlere Stimmlage u. s. w. Da nun Kirchner's Eigenart ihn auch hier nicht verlässt, so üben die Stücke durch das theilweise Eingehen in eine andere Weise eine ganz besondere Anziehungskraft; die brillanten Passagen, die ab und zu begegnen, stehen ihm in diesem Zusammenhange besonders gut; und so gehören diese Stücke unzweifelhaft zu dem Anziehendsten, was er geschrieben. Es gilt dies gleichmassig von allen Stücken ; es erscheint nicht erforderlich, einzelne besonders hervorzuheben. Wer das erste , einfach und herzlich beginnende Stück (E-moll */4) welches sich weiter zu einer warmen Fülle entwickelt, mit innerem Behagen in sich aufgenommen, wird gewiss nicht ruhen, bis er auch die übrigen sich angeeignet hat.

Als letzte Sammlung liegt uns diesmal vor.

Eil neues Clavlerbich von Theodor Kirchner. Op. 52.

3 Hefte ä l Jt 50 ty. Leipzig, Forberg. Auch dies ist, gleich allen anderen, eine Sammlung einzelner selbständiger Stücke, im Ganzen <t. Dieselben sind ersichtlich einfacher concipirl und rascher ausgearbeitet wie die früheren und stehen namentlich den letztgenannten Sammlungen an Bedeutung entschieden nach; Einzelnes hülle vielleicht zurückbehalten werden dürfen. Doch scheint uns, dass der Com- ponist in diesen Stücken, die auch technisch weit geringere Schwierigkeiten bieten, dem Bedürfnisse Lernender hat dienen wollen, denen denn allerdings für Technik und Geschmack hier eine bei weitem bessere Kost geboten wird, wie in zahlreichen anderen zu diesem Zwecke geschriebenen Sachen. Dass auch diese Stücke mit Feinheit gesetzt sind und übcnill durch Wohlklang und Ebenmaass erfreuen, bedarf keines Wortes. Wir ziehen die Stücke des mittleren Heftes den übrigen vor ; doch zeichnet sich auch das letzte durch naiv scherzenden Ton vor- theilhaft aus.

Zum Schlüsse haben wir bei allen Publicationen Kirchner'- scher Werke noch die sehr geschmackvolle Ausstattung seitens der Herren Verleger zu rühmen.

(Scbluss folgt.)

Parsifal-Literatur.

1. tick. Wagiert Parslfal. Erste Aufführung am 26. Juli 1882 zu Bayreutb. Besprochen von lai Kalbeck. Breslau,

Schletter. 1883. 76 Seiten gr. 8.

Der Verfasser veröffenllichte 1876 auch über die Nibelungenaufführung einen Bericht, welcher jetzl in dritter Auflage erscheint; derselbe erhält nun hiermit eine Forlselzung. F.s sind Artikel, die für die »Wiener Allgemeine Zeitung« geschrieben wurden.

»Niemals empfand ich das Traurige meiner kritischen Lage, kein Wagnerianer zu sein, tiefer und schmerzlicher, als in diesen der Erlösung der Menschheit gewidmeten Hundstagen.» (S. x.) Weil also, wie wir hiernach vermuthen dürfen, Herr Kalbeck seine 76 Seiten nicht mit enthusiastischem Bombast füllen wird, so müssen wir fragen, womit er sie denn in Wirklichkeit füllt. Der soeben angeführte Satz lässl schliessen, dass Witze und geistreiche Bemerkungen in der Broschüre dieselbe Rolle spielen, wie in den Berichten der Vollblut-Wagnerianer der Bombast. Der Verfasser ist gewandt im Ausdruck, geschickt im Auffinden von Vergleichungen und beherzt im Urllieil, besitzt also hinreichende Gaben, um die grosse Menge der Leser wenigstens vorübergehend für sich zu gewinnen.

Im »Prolog« spricht er seine Ansicht im Allgemeinen .ins. und weil diese zur Kennzeichnung des Standpunktes, welchen er bei der Beurlheilung des einzelnen Werkes einnimmt, wichtig ist, theilen wir die Hauptsätze daraus mit. Das Bühnen- " ri'.-/.'.,'-|ii.:i will er, heisst es S. 3, bei Seite lassen und als nüchterner Beurlheiler einfach das Bühnenspiel als solches aufs Korn nehmen. »An dieses allein muss ich mich hallen, und ich gedenke dies ehrlich und besonnen zu tbun, denn ich habe meinen Platz bezahlt als gewöhnlicher Sterblicher und besitze nicht das feine Unterscheidungsvermögen der Auserwäbllen, welche zwischen überzeugungstreuem und gesinnungslosem Golde die verhängnissvolle Grenze ziehen, nachdem sie es genommen haben. Da wir also zwar nicht auserwählt, aber berufen sind, die Kosten dieser nationalen, wenn auch unpopulären Spiele mittragen zu helfen, darf es uns kein Narr verwehren, unsere eigene Meinung über dieselben unverhohlen .auszusprechen. Als vor sechs Jahren die Fürsten und Völker Deutschlands der Einladung Wagner's folgten und in Bay- reuth zusammenkamen, um zu sehen, wie beschaffen das endlich verwirklichte »Kunstwerk der Zukunft« wäre, welches bestimmt sein sollte, der deutschen Nation eine ihrem Wesen angemessene Kunst zu geben, würdig einer fortdauernden, die grossen materiellen Opfer lohnenden Pflege, und erkoren, den tonangebenden Vorsitz im Reiche der Idee zu führen, entsprach das Resultat in keiner Beziehung und nach keiner Richtung hin den gehofflen Erwartungen. Enttäuscht war das Publikum, enttäuscht waren die Künstler, enttäuscht war der Schöpfer des Werkes. Das Publikum, soweit es nicht Partei bildete oder nur aus leerer Zerslreuungssucht dabei sein wollte, kam zu der Ueberzeugung, dass »Der Ring des Nibelungen« zwar ein aussergewöhnlich interessantes, an mannigfachen Schönheiten reiches, im Grunde aber unverständliches, widerspruchsvolles und ungesundes Product eines in theoretische Irrthümer verstrickten Geistes sei, welches schon vermöge seines unglaublich com- plicirten Apparates und seiner übertriebenen Prätensionen unmöglich zu einer Volksangelegenheit gemacht werden könne, gar nicht zu reden von der niederdrückend pessimistischen Tendenz, die im engsten Zusammenhange mit einer weltfeindlichen Philosophie nur auf die Sympathie weniger Gesellschaftsklassen zählen dürfe. Die Künstler — und hiemitsind nicht allein die bei der Aufführung unmittelbar Betheiliglen gemeint — konnten sich der auffälligen Wahrnehmung nicht ver- schliessen, dass der crasse Realismus des ihnen Vorgeführten nicht den Weg zur Höhe, sondern zur Tiefe bezeichne. Nicht ml die sorgsame, gleichmüssig geförderte Ausbildung der natürlichen Mittel kam es dem reproducirenden Künstler gegenüber hier an, sondern fast einzig auf die letzteren selbst. Der Naturalist, welcher binnen weniger Monate die elementaren HandwerksgrifTe sich angeeignet halte, erschien, sofern er nur eine imposante Gestalt und eine kräftige Lunge besass, dem gründlich und allseilig ausgebildeten Sänger in allen Stücken überlegen — allerdings nur so lange, als er im Vollbesitz seiner Mittel sich befand. Den übergrossen, jeder gebotenen Rücksicht spottenden Zumulhungen dieser Heldenpartien würden aber auch die geschultesten Stimmen auf die Dauer nicht Widerstand leisten können; wie wir es oft erleben, dass die sogenannten »Wagnersängera für ihre allzu ausschließliche Beschäftigung mit den Opern des Dichter-Componislen den völligen Ruin oder eine ihm nahekommende fortwährende Indisposition ihres Organs davontragen. Was hingegen den vielgepriesenen »Slilci der neuen Kunst anbetrifft, so fanden ihn die schaffenden Künstler entweder gar nicht, oder wo sie ihn schlechterdings finden wollten, tiefes doch nur darauf hinaus, dass Wagner und seine Anhänger für Stil ausgegeben hatten , was Manier war, und zwar die einem einzigen, von ganz bestimmten, kaum jemals sich wiederholenden Verhältnissen und Voraussetzungen abhängigen Geiste eigenlhüniliche Manier. Ein blendendes Genie für das Theatralische mit seinem Complex von decoraliven, scenischen und anderen äusseren Mitteln, ein grosses musikalisches Talent ohne eigentliche Originalität der Erfindung, aber voll Leidenschaft, Gluth und Wahrheit im beschreibenden Ausdruck bis zur realistischen Ueberlreibung, eine bescheidene, vom Theatralischen und Musikalischen wesentlich bedingte und hervorgerufene poetische Begabung und endlich eine von philosophischen, ästhetischen, politischen und krilischen Elementen erregte und verworrene, dabei schlagfertige und gewandte publicistische Kraft — wo käme ein Zweiter her, der so viele und heterogene Fähigkeiten in derselben Mischung besässe und es obendrein verstände, sie in derselben Weise geltend zu machen? Nur Wagner kann von Wagner lernen, und von ihm hat er auch sehr viel gelernt. Was er jedoch niemals von sich lernen wird, ist die Selbsterkenntniss und die aus ihr hervorgehende Selbstbescbeidung. Und darum ist er auch Derjenige, welcher an seinem eigenen Werke die grösste Enttäuschung erfahren sollte. Anstalt von dem ungeheuren Erfolge beschämt zu sein, den er den grössten Künstlern aller Zeiten voraus gehabt hat, klagt er die Welt der Undankbarkeit an und macht sie für die Gebrechen verantwortlich , die nirgends anders als im Inneren seiner künstlerischen Individualität zu suchen sind. Nicht genug, dass das Unerhörte geschah, dass der Berg einmal ausnahmsweise zum Propheten kam, der Berg sollte sich auch nach Belieben des Propheten im Kreise drehen und die wunderlichen Sprünge machen, die er ihm vorschrieb. Und da ihm keiner seiner Getreuen sagen konnte oder wollte, was er sich selbst bei einiger Aufrichtigkeit hätte sagen müssen, 'nämlich, dass weder seine Tetralogie das ersehnte nationale Kunstwerk, noch das eigens für sie aufgeführte Theater die Natiooalbübne, noch seine in der Luft hängen gebliebene Stilschule eine Musteranslalt vorstellen oder werden könne, so verwünschte er das Publikum, die Kritik, die Kunst, die Wissenschaft, die Industrie, das Vaterland, den Staat, die moderne Cultur. Sie alle laugen sammt und sonders keinen Pfifferling und sind werlh, vom Teufel geholt oder in einem Racenkriege vernichtet zu werden; nur er mit seinem Messias-Gedanken und seine gläubigen Aposlel sollen übrig bleiben, um die Chinesen, Russen oder Moslemin zu Wagnerianern zu bekehren. »Wir sind religionslos,! jammert Wagner, »und wie sollten wir es anders sein, da wir das Grosse nicht mehr zu ehren, ja nur zu erkennen fähig sind.« Was er unter diesem Grossen verslebt,

wissen wir, da es aus einer Reihe uns wohlbekannter Kleinigkeiten sich zusammensetzt, als da sind: Das Abonnement der »Bayreuther Blätter«, eine möglichst splendide Mitgliedschaft des Patronatsverems, die Erhaltung des Festspielhauses und der dazu gehörigen Feste und Weihefesle, die Gründung der Bayreulher praktischen Missionsschule als Ergänzung zu den

mehr theoretisch sich betätigenden Wagnervereinen

Wer diese Ueberzeugung nicht theilt, wer die nach Wagner dürstende allgemeine »Noth» des Volkes nicht kennt, der ehrt das Grosse nicht und besitzt keine Religion, mag er im Uebrigen die erhabensten Erscheinungen »Her Zeiten und Völker noch so genau kennen, noch so hoch verehren, mag er ein noch so guier Patriot, Mensch und Christ, ein noch so eifriger Apostel der Wahrheit, ein noch so getreuer Jünger der Schönheit, ein noch so begeisterter Kämpfer der Freiheil sein. Bei dem Meister allein ist das Schöne, das Wahre und das Gute, bei ihm ist die Kunst, die Wissenschaft und die Religion, er ist der Weg und das Leben, Niemand kommt zum Frieden, denn durch ihn. Das ist das bis zum Ueberdruss in ewigen Variationen unermüdlich wiederholte Evangelium Wagner's und seiner Genossen, und wenn sie zwischendurch einmal etwas Anderes predigen , so geschieht es nur, weil sie, da sie unter civilisirten Menschen leben, auf welche sie doch immer wieder angewiesen sind, auch einige nothgedrungene Concessionen machen müssen. Ein grosser Künstler aber, meinen wir, zu dem Ausgang unserer Betrachtung zurückkehrend, ist kein Vereinsmeier, Reclameheld , Ränkeschmied, Scandalmacher und Sec- tirer; er stellt .sein Kunstwerk hin und darf es Anderen getrost überlassen, den Werth desselben zu beurlheilen. Sollte die Gegenwart mit der lebenden Generalion noch nicht reif sein, seine Gedanken zu begreifen, so ist er Seher und Idealist genug, um auf die Zukunft zu bauen ; denn er wirkt Dicht auf die Zeit, sondern auf die Ewigkeit. Die Befriedigung persönlicher Eitelkeit und ehrgeiziger Ruhmsucht wird er Kleineren vergönnen, seinen wahren Stolz anderswo suchend ; unvermeidliche Enttäuschungen reichen nicht an das grossartige . Alles überwältigende Gefühl des unsterblichen Werthes, der seinem Geist und dessen Werken innewohnt. Wäre die WeH so fertig und so schnell im Begreifen, so willig und bereit im Anerkennen, wie sie es nicht ist und nichl sein darf, so verschwänden die Himmelsfernen zwischen dem Auserwählten und der Masse, und die Menschheit würde aus lauter Capaciläten bestehen — wie etwa ein Wagner-Verein; sie brauchte alsdann nicht überwunden und nicht erlösl zu werden. Ueberwinden und erlösen aber wird sie immer nur, wer sich selbst überwunden und erlöst hat, und die Liebe, nicht der Hass wird auf seiner Seile stehen. Ich kann mich nicht erlösen lassen von einem Bühnenweihfestspiel, welches Andersgläubige in jedem Sinne von sich ausschliesst oder sie, der anfänglich ausgegebenen Parole zuwider, welche lautete: »Unier uns!« nur aus materiellen Bedenken im letzten Augenblicke wieder zu sich zurückruft. Darum glaube ich nicht an das Weihefest, sondern sehe nur das Bühnenspiel, ein Spiel wie jedes andere. Und wenn ich auch an Fest und Weihe glaubte, so würde ich mich doch auch da nach dem Geschmacke des reinen Weines richten, der uns von unseren Unsterblichen ohne besondere Cere- monien allerorten eingeschänkl wird. Zu einem Trunke aus dieser unversieglichen Quelle bedarf es keiner anderen Vorbereitung und Stimmung als derjenigen, die ein empfängliches Menscbenherz immer in sich trägt.* (S. 3—8.)

Mit den letzten Worten documentirt der Herr Verfasser sich als ein Anhänger der sogen, classischen Werke, wie sie jetzt namentlich in unseren philharmonischen Concerlen vorgetragen werden. Das klingt nun zwar recht schön von den »Auserwähl- ten«, die nicht sofort begriffen werden können, sondern erst wenn sie todt sind — und doch läuft diese Auseinandersetzung, wenn man ihr auf den Grund blickt, auf eine Frivolität hinaus. Da sollen die «Auscrwiihllen« z. B. keine «Vereinsineier« gewesen sein, das heisst für die Aufführung ihrer Werke keine besonderen Vereinigungen benutzt haben. Aber was ist Sub- scription und dergleichen im Grunde anders, als ein solcher Verein? Und welche Hübe bat es die Auserwählten gekostet, welche Erniedrigung ist oft nötbig gewesen, um für ihre Musik eine Hörerschaar zusammen tu bringen oder aus ihren Arbeiten das tägliche Brot heraus zu schlagen? Ein Verein unterscheidet sieb von Subscription oder Abonnement nur dadurch, dass er sich nicht auf eine einzelne Stadt beschränkt, entspricht also durchaus dem erweiterten Verkehr unserer Zeit. Man begreift somit nicht, weshalb ein Vorwurf darin liegen soll, dass Wagner dieses Mittel, welches seine Zeit ihm gleichsam entgegen brachte, benutzt bat. So etwas macht den grossen Mann nicht kleiner und den Kleinen nicht grösser, es ist ganz harmlos 'und muss Jedem ohne Ausnahme gestaltet sein ; für Wagner lag es um so näher, weil sein Theater nun einmal auf die Besucher aus allen Ländern angewiesen ist. Auch an dem Bay- reuluer Thealerbau reibt sich der Witz ohne Berechtigung. Es ist ja möglich , dass diesem Institut keine längere Dauec be- scbieden ist, als Basedow's Pädagogium in Dessau aus dem vorigen Jahrhundert; aber immerhin hat es seinen Zweck erfüllt, wenn es das versucht, was auf andere Weise dein Autor unmöglich schien. Der Künstler ist niemals Philosoph, der sich beschaulich hinsetzt und die Well laufen lässt; er arbeitet für das Leben und strebt nach der praktischen Verwirklichung seiner Ideale. Die »Auserwähllen« haben uns dies auf recht handgreifliche Weise unter anderm auch dadurch illustrirt, dass sie einen grossen Theil ihrer Unsterblichkeiten auf directe Bestellung schrieben. Die fortgehende Zeit erleichtert allerdings die Unterscheidung des Dauernden von dem Vergänglichen, des Wabren von dem Falschen, aber sie erzeugt auch wieder Missverständnisse anderer Art, und es ist eine Irrlehre , die »Aus- erwählten« an die Zukunft zu verweisen. Was würde daraus folgen? Dass der ganze Tross der Feuillelonisten Tag um Tag witzeln, spötteln, eine missliebig gewordene Persönlichkeit nach Gefallen verleumden und mit Sticheleien herum heizen kann, ohne sich ernstlich Gedanken darüber zu machen , noch eine wirkliche Verantwortlichkeit zu tragen, weil überhaupt nicht die Gegenwart, sondern erst eine viel spätere Zeit über die Angelegenheil ein richtiges Urtheil haben könne. Und diese absurde Ansicht ist, durch die Tageszeitungen praktisch und theoretisch gelehrt, nahezu die allgemeine Meinung geworden. Den alleinigen Nutzen davon haben die Schlauköpfe unter den Künstlern, die sorgsam den Philosophenmantel zu tragen und nach dem Winde zu kehren wissen, dabei aber die Bekanntschaft mit den Lileratlein sorglichst cultiviren, entweder selber In die Blatter schreiben, oder durch studirle Zurückhaltung die Freunde dazu anfeuern. Wer diese Geschicklichkeit zur Kunst ausgebildet hat, der ist wohl gebettet; er kann sogar, wenn er 'es Wünscht, schon bei lebendigem Leibe den »Ausemähllen« zugezählt werden, denn diese Inconsequenz begeht der »Kritiker« zu Gunsten seiner Lieblinge unbedenklich, wenn ihm dafür nur verslallet wird, die Missliebigen entweder durch Stillschweigen zu tödleri oder durch öffentliche Erklärung um ihre Unsterblichkeit zu bringen.

Der Leser steht also Wohl ein, dass das Raisonnemenl des Herrn Kalbeci seine Mähgel und Gefahren hat. Der »Parsifal« wird hierauf von Ihm ziemlich ausführlich durohgenommen, wobei er ein Hauptgewicht leg) auf die Prüfung der einzelnen Personen dieser neuen Oper. In dieser Hinsicht bietet er auch manche Auseinandersetzung, die Beachtung verdient. Wir Ihei- heh als Beispiel dag mit, was er' über die seilsame Zauberin Kundry sagt. Dieses merkwürdige Geschöpf Wagner's wird von dern Herrn Verfasser folgendermiaassen afnarysirl:

»Ehe der kranke König, von seinem Leidensmolive vorher verkündigt, auf der Scene erscheint, deutet die wilde Sechzehntelbewegung im Orchester auf ein neues unvorhergesehenes Ereignis* hin; der kurze, gehämmerte Galopp einer musikalischen Figur, welche die Ausrufungen der Killer und Knappen unterstützt, zeigt das Naben einer wilden Reiterin an. Mit einer durch vier Oclaven abwärts rasenden Passage schwingt sie sich vom Pferde und slürzt aus dem Gebüsch hervor, ein Fläschcben in der Hand hallend, das sie Gurnemanz aufdringt. Kuniiri/ ist es, die mit köstlichem, in Arabien gehollem Balsam durch die Luft geritten kam, Kundry, die Ungerufene, Allgegenwärtige, Dienstferlige, Freundlich-Rauhe, Dankverweigernde, Teuflisch - Lachende , Schmerzlich - Schreiende , Schlafver— langende, Wachenwolleode. Aus diesen vielen, schnell auf einander sich bethäligenden Eigenschaften und Zuständen gehl hervor, dass Kundry für etwas ganz Besonderes, keineswegs für ein gewöhnliches hässliches Weib angesehen werden muss, als welches sie dem harmlos hinblickenden Zuschauer erscheint. Wer oder was ist diese Kundry? fragt der Leser. Fragte er lieber: iWas ist sie nicht?« Die Antwort wäre dann leichter. Um diese arme, von so vielen dunklen Beziehungen geplagte Person einigermaassen zu legilimiren . müssen wir den Tbal- sachen vorgreifen. Bei Wolfram bilden die Gralsbolin Kondrie la Sorziere und ihr BruderMalkrealüre ein seltsames Menschen- paar von ausgesuchter Garstigkeit, welches die Gemahlin des llalbmohren Feiretiz, des Stiefbruders Parzival's, Seknndille, dem König Amfortas zum Geschenk gemacht halte. Zwerge, Krüppel und missgebildete Menschen, auch aus fernen Ländern imporlirle Farbige (sie Alle führt Wolfram als »Denkmäler weiblicher Gelüste« in einer köstlich naiven Auseinandersetzung den Frauen zur Abschreckung vor) standen im Mitlelalter hoch im Preise und waren als Narren oder Läufer bei den Hofhaltungen der Grossen gern gesehen. Die morgenländische Königin konnte daher dem Beherrscher der Gralsburg kein kostbareres Geschenk machen als dieses missgeslaltele farbige Zigeuner-Pärchen. Amforlas gab Malkrealüre an die schöne Orgeluse, die er lieble, weiler, während Kondrie bei dem Gral Botendienste verrichten mussle. Sie war, nach Wolfram's Versicherung, in vielen Künslen erfahren, verstand »Französisch, Heidnisch und Latein; hatte erlernt obendrein Dialektik und Geometrie; auch von Astronomie war ihr Alles wohlbekannt.« Aber sie sah Denen »wenig gleich, die man gerne bcau gern nennt,« hatte Schweinshaare, Eberzähne, Löwenklauen, Bären- ohren und trug die Augenbrauen in Zöpfe geQocblen. Ihr modischer , außerordentlich reicher Anzug erhöhte noch den scheusslichen Eindruck, den sie hervorbrachte. Da sie meistens Hiobsposlen zu bestellen halle, wird sie von dem Dichter »der Freuden Schltind und Hagelschauen genau nX Der Tafelrunde und dem bei ihr weilenden Parzival verkündet sie die schreckliche Unterlassungssünde des Helden, dass er nicht nach dem Gral gefragt habe, und sagt ihm, dass er dafür verdamml sei. Dass jedoch Kondrie la Sorziere nicht allein die »Unsüsse«, sondern auch die »Fiere«, die Treue, genannt zu werden verdient, zeigt sich am Schlüsse des Gedichtes; da bringt sie dem in die Tafelrunde des Königs Artus wieder aufgenommenen Parzival die Freudenbotschaft, dass er zum Herrscher des Grals ernannt worden sei. Mit dieser Figur wussle Wagner nichts Besseres anzufangen als sie zu »verliefen«. Zu diesem Behufe that er sie in die Retorte seines Witzes, wo allerlei Schmelzzeug beisammen lag, und überzog sie mit einer mythologisch-symbolischen Glasur, die dorn unglücklichen Wesen den Odem auspressle und es-in ein vieldeutiges Petrefacl verwandeile. Dank den Bemühungen eines Herrn H. Lölfler, welcher versichert, Ludwig Uhland würde seine grössle Freude an dieser neuesten germanistischen Errungenschaft Wagner's gehabt haben — vielleicht eine eben solche, wie sie Arthur Schopenhauer an den philo-

soplii.sclien und ästhetischen Versucbeo des Heisters gefunden — und auf Grund eigener Untersuchungen sind wir über Wagner's Kundry zu folgendem Kesultat gelangt: das tiefsinnig etymologisch - symbolisch - mythisch- mystisch - al legorisch - metaphysisch erfasste Geschöpf ist demnach : <. Die Gralsbotin , Kon- ilrie la Sorzierc; ». die Gundryggin, eine der kiimpfrüstenden YValkyren ; 3. die nordische Göllin Idiin, die denBInlterschmuck der Erde bedeutet und daher auch mit der auf dem Kelsen schlafenden Briinhilde, sowie dem in der Dornenhecke verzauberten Dornröschen identisch ist; 4. die Herodias, wt'lche Johannes den Täufer so hciss geliebt hat, dass sie sein llnupt auf eine Schüssel legen licss, um es bequemer küssen zu können; 5. auch wieder nicht die Herodias, sondern eine aus der Art geschlagene Tochter Jerusalems, welche den kreuzlrageoden Christus auf dem Gange nach Golgatha verlachte und dafür zum ruhelosen Wandern auf der Erde verflucht worden ist, also der weibliche ewige Jude; 6. Maria von Oelhanien, die Schwester der Harlha und des Lazarus, welche die Küsse des Heilands mit köstlichen Narden salbte und mit ihren Haaren abtrocknete; 7. auch wieder nicht die Maria von Bethanien, sondern die schöne Sünderin Maria Magdalena, die, der höllischen Lust verfallen, durch Busse zur Seligkeit kommt; 8. der Inbegriff der Erbsünde, die im Weibe verkörpert erscheint. wie auch das Weibliche überhaupt, mit seinen guten und schlechten Eigenschaften ; 9. ein drangsalirler Mezzosopran, und endlich 10. alles Mögliche. Auch bei den übrigen Figuren werden wir später eine Menge von symbolischen und allegorischen Beziehungen finden, durch welche sie sämmllich aus der sinnlichen Sphäre in das Abslracle binausgestossen und um ihre dramatische Glaubwürdigkeil gebracht werden. Nur Gurnemanz steht auf eigenen Küssen, während die Anderen auf Stelzen gehen, und auch er kann es sich nicht nehmen lassen, einmal vorübergehend Johannes den Täufer zu spielen.« (S. (7—10.J

Als allgemeine Regel ist bei diesem Spiel überhaupt zu merken, dass die Personen das sind, was sie bedeuten. Sein kann man in der Welt nicht viel, wohl aber bedeuten, namentlich beim Theaterspielen ; daher die Chamäleon-Gestalten. Mit diesem Kaden kommt man in dem Parsifal - Labyrinth schon ziemlich weit. Und wohin kommt man? Was zeigt uns das neueste Musikdrama T Die ganz alle Bübnenweisheil, dass man hauptsächlich für drastische Scenen zu sorgen bat, worauf Einem Sinn und Versland, planvoller Zusammenhang und liefsinnige Harmonie mit Hülfe der Erklärer von selber zufallen. Von dieser Seile, durch Aufdecken von Widersprüchen oder Zusammenhangslosigkeiten im Charakter der Personen, kann man daher einem Bühnenstück wenig anhaben, falls dir einzelnen Scenen etwas besitzen, was ihnen dauernde Anziehungskraft gewährt. Käme es auf Sinn oder Unsinn an , dann wäre schon manche Oper in die Grube gefahren, die doch noch ganz lustig lebt. Die Kunstgestalten, welche der Mensch schafft, sind ohne Ausnahme Werke der Composition; damit ist im Grunde Alles gesagt.

Der Zusammenbang von Schopenhauers Moraltheorie mit Wagner's Spiel wird S. IS erörtert, wobei eine schärfere Kritik der Milleids-Theorie des genannten Philosophen erwünscht gewesen wäre. Wenn die gegnerische Kritik auf diesen Philosophen zu sprechen kommt, so vergisst sie nie, Wagner damit zu necken , dass seine Verehrung Schopenhauer's von diesem mit Spott gelohnt sei ; auch Herr Kalbeck äusserte oben etwas Aehnliches. Die Gerechtigkeit erfordert aber, daran zu erinnern, dass Scbopenhauer's Abneigung gegen Wagner nicht aus einer sehr lauteren Quelle floss, wenigstens nicht aus seinem System, denn sie war ihm von Aussen eingeblasen. Unter seinen Leibjüngcrn, mit welchen er sich in den letzten Lebensjahren gütlich tbat, befand sich auch der Literat 0. Liiidner in Berlin, ein betriebsamer, kleinlicher, engherziger MeiiMch, der

in weiten Kreisen als musikalische Autorität galt. Dieser (damals Redncleur der Vossischen Zeitung) war in der Oper vorgeblich ein Verehrer des Classischen, im Grunde aber ein Anhänger der Meyerbeer'schen Richtung und trug dem Alten in Krankfurt am Mnin »lies brühwarm zu ^ was die Musikweiscn der Vossischen und N^tionnlzeitung mit ebenso grosscr Unfehlbarkeit als Erfolglosigkeit gegen Wagner vorbrachten. Schopenhauer respondirle dann getreulich und beifällig, nur von einer höheren Warte aus, etwa wie Goethe seinem Zeller; aber dass diese Abweisung der Musik Wagner's nothwendig aus seinem philosophischen System erfolgen musste, wird Niemand beweisen können. Wer nicht kleinlich verfahren will, sollte also Wagner mit dergleichen verschonen. Von Wagner als Philosophen kann man trotzdem denken, was man will. AU reiner Philosoph sieht ein Mann in unseren Augen nicht hoch, der <850 das in Feuerbach erblickte, was er später, als Schopenhauer aufkam, in diesem zu finden glaubte; er zeigt sich dadurch nur als ein im Geistigen sinnlicher Mensch, der den stärksten Impulsen seiner Zeit mit einer solchen Lebendigkeit folgte, dass die unklaren Köpfe versucht wurden, ihn, der doch nur ein Geführter ist, als Führer anzusehen.

Ueber das Verderben, welches Wagner's Opern unter den Stimmen der Sänger anrichten, äusserle Herr Kalbeck sich vorhin sehr entschieden; ja er sagte sogar, »der Naturalist, welcher binnen weniger Monate die elementaren Handwerksgriffe sich angeeignet halte«, erscheine, »sofern er nur eine imposante Gestall und eine kräftige Lunge« besiUe, dem gründlich und allseitig ausgebildeten Sänger in allen Stücken überlegen, allerdings nur so lange, als er im Vollbesitze seiner Mittel« sich befinde (S. ij. Das sieht in der Einleitung, man hält es also für das Thema, nach welchem die Kritik der Sängerleislungen erfolgen soll. Nun lesen wir aber S. 75 : »Herr Scaria, dem mil Gurnemaoz die dankbarste, aber anstrengendste Partie zufiel, hat ein Meisterstück musikalisch-declamalorischcr Charakteristik geliefert; auch die Herren Winkelmann (Parsifal} und Reicbmaan (Amfortas), sowie Frau Materna (Kundry) sind ihren wenig verlockenden Aufgaben vollkommen gerecht geworden .... und für den Klingsor Hill's wird wohl ein anderer Vertreter der anständigen Mittelmässigkeit sich finden lassen.« Das ist die ganze Kritik. Wie nun T Will Herr Kalbeck, der Wiener Feuille- lonisl, damit seine Wiener Hofopernmitglieder, denen «der Löwenantheil an den Lorberen« der Pnrsifal-Solisten gebühre, hinstellen als Naturalisten von imposanter Gestall und kräftiger Lunge mit schnell angeeigneten Handwerksgriffen? und den Bassisten Hill dagegen als 'gründlich und allseilig ausgebildeten Sänger«, weil jene ihm »in allen Slücken überlegen« waren? Zu dieser Folgerung müsslen wir um so mehr gelangen, du Herr Scaria als der Meistbelobte wirklich ein solcher handwerksgriffiger Naturmensch isl, und Hill dagegen seil 20 Jahren bewiesen hnt, dass er noch etwas anderes kann, als mil Aus- ruferstimme in Zukunftsopern declatniren. Aber trotzdem meint Herr Kalbeck dieses nichl, er ist himmelweit davon entfernt; Dicht Tadel, sondern Schmeichelei bietet er seinen Landsleu- len. Seile i wollte er lediglich Wagner elwas Unangenehmes, Seite 75 dagegen den befreundeten Sängern, die er jeden Tag auf der Sirasse trifft, elwas recht Verbindliches sagen. Ob Seile i und Seite 75 nun zusammen passen, wer kümmert sich darum? Genug, wenn jede Seite für sich ihren Zweck erreicht. Wir meinen aber doch, dass Jemand, der sich selber in so an- mulhige Widersprüche verwickelt, im Aufstöbern von Ungereimtheiten bei Ändern wohl elwas massiger sein könnte. (Forlselzung folgt.) [m]

Neue Musikalien

(TVovaaendung 1880 ISo. 2)

im Verlage von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur

Bödecker, Louis, Op. 47. Tier Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforle, l .H

Einzeln: No. 4. Frühlingsanfang: »Es kommt so still der Frühlingstag»,

von H. Lingg. 50 :f/.

No. 1. Aeolsbarfe: »GeheimnissvollerKlang*, von H.Lingg. 50, No. S. Kummer: «0 holder Lufthauch«, von Chr. Kirchhoff. No. 4. Wunsch und Gruss: »Wenn immer doch Hondscbe'in

blieb l« von Wilhelmine ttytiut. SO ./.

Dietrich, Albert, Op. 95. Onvertnre (Cdur) für grosses Orchester. Partitur netto 7 Jl 50 Sp. Orchester-Stimmen netto 48 Jt 78 Ä. (Violine 4,i, Bratsche, Violoncell, Conlrabass a netto 4 Jl SO y.) Vierhandiger Ciavierauszug vom Componisten 8 Jt. (iernshelm, Friedr., Op. 4«. Symphonie (No. ». Esdur) f. grosses Orchester. Partitur netto 48 Jt. Orchester-Stimmen netto 16 Jl. (Violine 4,1, Bratsche, Violoncell, Conlrabass a netto S Jl.} Vier- händiger Clavlerauszog vom Componlslen 40 Jt. Orädener, C. 6. F. Zehn Reise- und Wanderlleder von Wilhelm Mütter [Ur eine mittlere Stimme mit Begleitung des Pianoforte.

Daraus einzeln:

No. 40. Heimkehr: »Vor der ThUre meiner Lieben«. Mi j/ Heljden, P. J. Tu der, Op. 49. Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. l Jt. Einzeln:

No. 4. »Wie kannst du ruhig schlafen«, von H. Beine. 4 Jt. No. 1. »Wie jauchzt meine Seele«, von /. von Eichendorff. r,n .^. No. l. Des Müden Abenlied: »Verglommen ist das Abendroth«,

von E. Geibel. 4 Jl.

Henogenberg, Heinrich Tod, Op. 39. Sonate für Pianoforte und Violine. 6 Jl 50 3jf.

Op. 83. Allotria. Sechs Stucke für Pianoforte zu vier Hflnden.

Heft 4. »Jt. Heftl. :..//

Einzeln:

No. 4 in Adnr 4 Jt. No. l in Fdur 80 .f. No. S in Hmoll 4 Jl SO M. No. 4 In Cmoll 80 S*. No. S in Gdur 80 .//. No. « in Cdur 4 Jl 80 Ä.

Op. 14. Psalm 116. Kur vierstimmigen gemischten Chor a Ca-

pella. Partitur l .U Stimmen a 50 .ff

Hejblom, Alex. W. A., Op.»». Recaeil de Compoiltions pour Piano. 'No. 4. Idylle. 80 ./ No. 1. Caprice. -..«'>.</ No. S. Romance. 4 Jt. No. 4. Ballade. 4 Jt W ». No. S. Nocturne. 4 Jt. No. 6. Etüde caracteristique. 80 :r/.

Holstein, Frans von, Op. 48. Acht Lieder fttr zwei und drei Sing- slimmen (ohne Begleitung). (No. 40 der nachgelassenen Werke.)

Keller, Emil, Op. »4. Sechs kleine Lieder aus Wald und Well von Joieph Ludwig Boote für eine Singstimme mit leichter Clavier- begleitung. l Jl SO 3j>.

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taisie de Bravoure pour Violon avec accompagnement d'Orchestre

ou de Piano. Pour Violon et Piano :< .# :.« .y (Partition et Parties

d'Orchestre en copie.)

Matthlae, Krnxt, Op. 4t. Friedenimartch für Pianoforle zu vier

Händen. 80 !f/. Merkel, Ountay, Op. 460. Zwanzig Praelndien für die Orgel:

Heft 4. 'l .H :.'-.(/. Heft 1. l Jl 80 $r.

WUUner, Franz, Op. S. Sechs Lieder für eine Singslimme mit Begleitung des Pianoforte.

Daraus einzeln:

No. S. Um Mitternacht: »Nnn ruht und schlummert Alles«, von Jul. von Kodenberg. 80 ^.

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Die Allgemein* Mnpik»)iBcbs Ztitnnf erscheint regelmissijr an jedem Mittwoch und ist durch alle Foattmter und Bnch-

Allgemeine

Pr«is: Jährlich 18 Mk. Prinum. 4 Ml. M) Pf. Anzeigen : die gespal- tene Petitzeüe oder deren Kaum 30 PC Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 27. September 1882.

Nr. 39.

XVn. Jahrgang.

Inhalt: Mozart's Werke. (Leipzig, Breilkopf und Hürlel.) (Serie V, Opern, Nr. 9: La finta Giardiniera. Serie VI: Arien, Duette, Terzette und Quartette.) — Neue Compositionen Theodor Kirchner'«. (Schluss ) — Theodor Kirchners neueste Composilionen. — Parsifal- Lileratur (i. Thematischer Leitfaden durch die Musik des Parsifal nebst einem Vorwort von Hans von Wolzogen; B. Parsifal. Einführung in die Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Richard Wagner's, nebst einer Zusammenstellung der hauptsachlichsten Motive in Wagner's Parsifal, von 0. Eichberg). (Fortsetzung.) — Anzeiger.

Aufforderung zur Subscription.

Mit dieser Nummer schliesst das dritte Quartal der Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Ich ersuche die geehrten Abonnenten, die nicht schon auf den ganzen Jahrgang abonnirt haben, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal rechtzeitig aufgeben zu wollen. j_ Rieter-Biedermann.

Mozart's Werke.

(Leipzig, Breitkopf und Härtel.j

Serie V, Opern, Nr. 9: La fiitt Giudlilert. Opera buffa in 3 Acten. Partitur. 277 Seiten Pol. fr. Jt 21. —.

Im Jahre l "7 i für München geschrieben und dort zuerst am 13. Januar 1775 mit vielem Beifall aufgeführt, gehört dieses Werk zu den letzten Erzeugnissen der mittelfrühen Periode des Meisters. Auf die Giardiniera folgten »II Re Pastore«, Zaide, Musik zu Thamos, und sodann kam der Idomeneo.

Die Musik ist zwar durchweg schön , man kann aber doch wohl sagen mehr reich als schön, denn sie ist nicht immer sachgemäss, sondern schwimmt jugendlich übermütbig in der Fülle der Gedanken, ohne sich um die exacle Bühnenwirkung und um das rein Gesangliche viel zu kümmern. Den Text nennt Jahn »elend«, docb möge man sich dadurch nicht bange machen lassen, denn er ist genau so gut, wie hundert andere Texte, die erfolgreich in Musik gesetzt wurden. Für mannigfaltige Scenen und possirliche Zusamrnenstösse ist gesorgt; und ob man die agirenden Personen als »Charaktere« oder blos als Theaterpuppen ansehen will, ist für die Sache ziemlich unerheblich, da die Personen gut mit einander contrasliren. Es gab allerdings weit bessere Texte der Opera buffa in jener Zeil, aber Mozart's Musik zu der Giardiniera ist ebenfalls kein Musterwerk dieser Gattung geworden . denn wer , wie Jahn , meint, seine Composition habe »selbst über die vortrefflichsten gleichzeitigen komischen Opern em entschiedenes Uebergewicht behauptet« (Mozart U1, 214), der muss jene »gleichzeitigen komischen Opern« von vornherein über die Achsel angesehen haben. Mozart sollte etwas Anderes leisten, als Piccinni, Paisiello u. A., aber Anno 1774 hatte er sie wahrlich noch nicht übertroffen.

Auch die Musik dieser Oper ist, wie so manches andere herrliche Product Mozart's , nie recht in die Well gekommen. Nicht einmal die Partitur ist in ihrer Integrität erhallen. Von dem Autograpb sind nur die beiden letzten Acle (II und III) erhallen, welche Andri i-.--.i-- (oder noch besitzt?). Der erste Act muss früh verzettelt sein, wahrscheinlich hat Mozart ihn aus der Hand gegeben, als eine deutsche Bearbeitung des Stückes vorgenommen wurde. Von einer erweiterten deutschen Be- XVII.

arbeitung hat sich der erste Act erhalten in einer Abschrift, die Hauser in München besass; dieselbe geht bis zum Anfange des Finales und sind mn der Musik mancherlei Veränderungen vorgenommen«, namentlich ist »die Instrumentation nach Maassgabe des modernen Orchesters verstärkt worden». So berichtet Jahn II, 2t3 und fügt hinzu : »Wer diese Arbeit unternommen hat, ist nicht bekannt«. Aus den Worten , die Begleitung sei »nach Maassgabe des modernen Orchesters verstärkt worden« muss man schliessen, dass diese deutsche Abschrift aus einer erheblich späteren Zeit herrührt, doch findet sich darüber weder bei Jahn noch bei Köche) eine Andeutung. Dies ist aber nicht die Verdeutschung, an welcher Mozart selber sich betheiligte, denn diese wurde wahrscheinlich bald nach der Münchener Aufführung in Salzburg unternommen. Der deutsche Text ist nämlich von Vater Mozart's Hand in die Original- partilur eingetragen , wobei der Declamalion wegen die Noten hie und da etwas geändert sind. »Dass Wolfgaog dieser Bearbeitung nicht fremd geblieben war, erkennt man daraus, dass auf besonderen Blätlern die begleiteten Recilative, welche in der deutschen Oper beibehalten wurden, von seiner Hand umgeschrieben beiliegen. An die Stelle des Seccorecitativ trat gesprochener Dialog, die deutschen Stichwörter sind von einer dritten Hand eingetragen. In Reinhardt's Theaterkalender ist seit (781 unter Mozart's Werken die Operette Da» verstellte Gärtnermüdcktn aufgeführt und unter diesem Titel wurde sie 1789 in Frankfurt aufgeführt. Wahrscheinlich bat Mozart die Bearbeitung nach seiner Rückkehr aus Paris in Salzburg vorgenommen, wo er sich mit mancherlei Arbeiten für die deutsche Oper beschäftigte. Die üebersetzung kann man Schacbtner zutrauen. Die Partitur ist in Abschriften erhalten und unter dem Titel Die Gärtnerin aus Liebe wurde bei Andre eine Auswahl der Arien, neuerdings in Mannheim [bei Heckel] ein vollständiger Ciavierauszug gedruckt.« (Jahn, Mozart II, 213.) Hier haben wir nun die wirkliche Partitur, die aber ein etwas buntscheckiges Ansehen erhalten hat. Der erste Act hat nur deutschen Text und hier fehlen die Recitative. Im zweiten und dritten Act haben wir Recitalive mit italienischem Text und Arien mit italienischem und deutschem Text; auch die mehrstimmigen Gesangstücke sind übersetzt.

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Wir theileo diese Notizen mit, weil io der Ausgabe ein orientirendes Vorwort fehlt. Um das Werk noch vollständiger erscheinen zu lassen, halle wohl passend der vollständige italienische Text des ersten Actes entweder zwischen der deutschen Musik, ojder auf einem besonderen Blatte, milgelbeill werden können, Doch ailcli ohne eine derarlige-Beigabe heissen wir die schone Edition herzlich willkommen.

Serie VI: iricn. kette, Tenette ud («utctte mit Begleitung des Orchesters. Erster Band, Nr. 4 bis 23. Partitur. 222 Seiten Fol. Pr. Jt 16. 80.

Der vorliegende erste Band enthält von den in dieser Serie vereinigten Arien, Duetten, Terzellen und Quartetten zunächst die Arien. Neun von diesen werden durch tio Recilativ eingeleitet, eine der Arien steht in einer »Scene«, und Nr. 46 ist lediglich als »Scene« bezeichnet. Die übrigen zwölf Stücke sind einfache, für sich bestehende Arien ohne weiteren musikalischen Zusammenhang. Die 43 Nummern stehen in folgender Reihe. f Arie für Tenor «Ka, daLfurot portata«.. C-dur. Text aus Metastasio's Ezio. 4765 in London componirl, also der frühesle Versuch dieser Art. Das Orchester ist vollstimmig, Hörner, Oboeq, Fagotte nebsl den Streichern, und arbeitet lustig darauf los.

2. Arie für Sopran »Contervati fedelet. A-dur. Text aus Metaslasio's Arlaserse. 4766 im Haag componirt, also bald nach der ersten. Ist nur von Saiten begleitet.

3. Becitativ und Arie für Tenor lUcenza) »Or ehe il dover — /'//. i' eotanti tono*. D-dur. Hit grossem Orchester.

i. Recitativ und Arie (Ltcenza) vA Bermice e Vologeso — So( nascente in qtutto giorno'. G-dur. Recilativ und Arie haben dasselbe Orchester, denn beide werden ausser den Streichern von Oboen und Hörnern begleitet, was als ein Mangel gesanglicher Oekonomie bemerkt zu werden verdient.

5. Recitativ und Arie für Sopran tMisero me — Misero par- goletta Es-dur. Text aus Metastasio's Demofoonte. 4 770 in Mailand componirt. Was von dem vorigen Stücke hinsichtlich der Begleitung gesagt wurde, gilt auch von hier — sogar in verstärktem Maasse, da das Recitativ ein grösseres Orchester (Oboen, Fagotte, Hörner, Violine I und II, Viola I und II und Bässe) hat, als die Arie, welche letztere sich ohne ausgeschriebene Fagotte und mit &ner Violastimme behelfen muss. Die Absicht, das lange Recitativ sehr reich zu illustriren , liegt klar zu Tage: aber ebenso klar ist auch , dass der < 4jährige Tonsetzer sich in den Mitteln vergriff. Jedoch Musik ist darin von Anfang bis zu Ende, und dies war es , was die Hörer einnahm. Das Stück bildete nämlich mit den beiden folgenden zusammen gleichsam eine Probearbeil, welche der junge Mozart machen musste, als er in Mailand anwesend war, und deren Gelingen durch eine derartige Aufführung bei dem Grafen Firmian bestätigt wurde, worauf er die Oper Mitridale für das nächste Jahr zur Composition erhielt.

6. Arie für Sopran »Per pietä, bell' idol mio«. Es-dur. Text aus Metastasio's Artaserse. Gleichzeitig mit der vorigen 4770 in Mailand geschrieben und aufgeführt, wie auch die folgende Nummer:

7. Recitativ und Arie für Sopran »0 temerario Arbace — Per ii<tel paterno amplesso«. Das Recitativ beginnt in Es- dur, die Arie steht in B-dur. Dies war das letzte und ist wohl das schwächste der drei Mailänder Probestücke. Für Quintenjäger liefert die Arie eine reiche Ausbeule. Text ebenfalls aus Artaserse.

8. Arie für Sopran »Sc tutti i malt miei*. Es-dur. Text aus Metastasio's Demofoonte. 4770 in Rom componirl.

9. Arie für Sopran »Fro cento affantiit. C-dur. Text aus Metastasio's Artaserse. Ein aufgeführtes Stück für volle» Orchester, ebenfalls 4770 in Mailand und wahrscheinlich auch für eine Aufführung bei dem Grafen Kirmian geschrieben, aber augenscheinlich zu Ende dieses Jahres, da es eine reifere Gestalt zeigt, als die vorigen Arien. Köcbel führt es deshalb wohl mit Recht als Nr. 88 nach der Oper Mitridale auf. Er fand das Stück 1860 in der Münchener Bibliothek in Mozart's Handschrift: bei Jahn ist es nicht erwähnt.

40. Arie für Sopran (Passionsliedj »Kommet her , ihr frechen Sünder«. B-dur. Liedarlig und kurz, ein wenig colorirl

4 4. Arie für Tenor »St mostra la iorte>. D-dur. Am 49. Mai 4775 in Salzburg componirt. _

4 z. Arie für Tenor »Con osseqvio, con rispetto*. C-dur. Entstand mit der vorigen gleichzeitig, nämlich ebenfalls im Mai 4775 zu Salzburg.

13. Arie für Sopran «Toi avele un cor fedtle*. G-dur. Am 26. Oclober 4775 in Salzburg geschrieben. Eid sceoi- sches Slück, für »Donna»; lang und wechselreich.

4 i. Recilaliv und Arie (Rondo) für Alt »Ombra felice — Io ti lutcio«. F-dur. Der Text isl der von Morlellari compo- nirten Oper »Didone abbandonata« entnommen und im September 4776 in Salzburg geschrieben. Es ist als «Rondo« angelegt, eine Form der Arie, die damals allgemein beliebt war; Mozart's Stück ist aber mehr ein Instrumental- als ein Gesang-Rondo.

45. Arie für Tenor »Clarice cara mia iposa«. D-dur. Ebenfalls im September 4776 in Salzburg componirt. Das Stück ist »Arie« betitelt, muss aber mehr als eine mit Recitaliven durchwehte kleine Scene angesehen werden. Der Hauplsänger ist »Capitano« (Tenor) , dieser singt die komische Arie und wird von »Don Timoteo« recilativisch unterbrochen.

46. Scene für Sopran i>Ah, h previdi«. Anfang E-dur. Schlus- B-dur. Der Text ist der von Paisiello componirten Oper Andromeda enlnommen und im August 4777 [Jahnl, 234 hat »4776« als.Schreib- oder Druckfehler] in Salzburg geschrieben. Zwei längere Recilative und eine Arie laufen in eine »Cavatina« in B-dur aus, die, in Rondoform gehallen, zu den besten cantablen Sologesängen von Mozart gehört. Man nimmt an, dass diese ebenso gross angelegte wie ausgeführte Scene für die damals besuchsweise in Salzburg anwesende Sängerin Josepha Duschet componirt wurde. Es isl eine der bekanntesten der von Mozart geschriebenen Solo-Scenen , die sich auch fortdauernd als die wirksamste derselben erweisen dürfte. Die Recilative sind blos von Saiteninstrumenten begleitet, wodurch sich die Arien bedeutend heben.

47. Recilaliv und Arie für Sopran »Alcandro, Io confesto — .Von jö tfonde t-iene«. Das Recilativ beginnt B-dur, die lange Arie stellt in Es-dur. Der Text isl Metaslasio's Olimpiade enlnommen.

18. Arie für Tenor »,Sc al labhro mio non redi«. B-dur. Text aus Hasse's Oper Artaserse« steht in der Ueberschrift S. 448; es wäre deutlicher gewesen zu sagen: D Der Text ist von Melaslasio, aus Hasse's Oper Arlasersec. Die Composilion entstand in Mannheim am 27. Febr. 1778: sie ist sehr lang.

49. Reeitativ und Arie für Sopran "Popoli di Trstaylia — Io non chifdo«. Das lange Recilaliv steht in C-moll, die noch breiter ausgeführte Arie in C-dur. Die Composition entstand in München am 8. Januar 4779 und nimmt schon dadurch unsere besondere Aufmerksamkeil in Anspruch, dass der Text aus Gluck's Oper Alceste stammt. Mozarl trat also hier mit seinem grossen Vorgänger inConcurrenz. doch können wir für jelzt nicht naher darauf eingeben ; vgl. Jahn I, 517—20, wo hiervon ausführlich die Rede ist. Es war zum Bravourstück bestimmt für die Aloysia Weber, Mozart's alte Flamme.

JO. Recitativ und Arie für Sopran »Ma ehe oi fece — Sperai ricino«. F-dur. Text aus Metaslasio s Demoloonle. Angeblich 1731 componirt. Die Arie ist sehr lang. 3 l. Scene und Arie für Sopran »Miscra, dot-e so« — Ah! non ton W-. Es-dur. Te\l aus Melastasio's Ezio, und am 8. März 1781 in München geschrieben. Weil Melastasio's allbewunderte Texte damals schon 50 Jahre lang von den grösslen Meistern um die Wette componirt waren, hat man ein sehr reiches Material, um Mozart's Anen vergleichen zu können. In dieser Hinsicht ist bisher noch wenig geschehen.

lä. Recitaliv und Arie »JA i/uesfo >«io — Or ehe il cielo«. Recitativ B-dur, Arie Es-dur. 1781 in Wien geschrieben. Die Arie ist ein Rondo. 13. Arie für Sopran ».VeAmef meinen Dank«. G-dur. Am

10. April 178! in Wien componirt.

Diese 23 Stücke enthält der erste Band . der dadurch sowohl äusserlich gewichtig, wie innerlich gehaltvoll geworden ist. Bei weitem das meiste davon war bisher ungedruckt, also der Welt gänzlich unbekannt.

Wie man aus der Aufzählung ersehen hat, sind hier Gesänge für Sopran, Alt und Tenor durcheinander gestellt. Die Herausgeber habcii, wie es scheint, die chronologische Reihenfolge gewählt, wobei eine andere Anordnung allerdings nicht wohl möglich war. Eine Zusammenstellung nach den Stimmen Sopran — Alt — Tenor — Bass würde für die Besitzer der Ausgabe freilich auch seine Annehmlichkeilen gehabt haben.

Mozart hat etwa fünfzig Sologesänge dieser Art geschrieben. Von denselben liegt in diesem ersten Bunde also ungefähr die Hälfte vor.

Neue Compositionen Theodor Kirclmer's,

(Schluss.i

Lieder von Theodor Kirchner.

1. Drei dcilii-liic von Franz von Holstein für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte componirt von Tlu-uiliir hirrliniT. Op. 10. Leipzig, Leuckart. 2 Jt.

2. Serkt Lieder von Victor Bltuhgen fUr eine Singstimme mit Clavierbegleilung componirt von Thcmlnr Kirchler. Op. 50. Leipzig, Hofmeister. "> .#.

Eioe früher ausgesprochene Hoffnung, Kirchner auch wieder auf anderen Gebieten , als dem der kürzeren Claviercom- position, zu begegnen, sehen wir in den beiden obigen Heften erfüllt, und zwar in der erfreulichsten Weise. Während wir alle Vorzüge seiner Ciaviermusik, einfache und ungesucht schöne, vom Zauber der Romantik angehauchte Melodik, Herrschaft über die feinsten Züge der Harmonik und Ebenmaass der Gestaltung hier wiederfinden, gesellt sich dazu eine Wahrheit und Tiefe der Empfindung, eine ergreifende Innigkeit des Ausdrucks, ein glückliches Geschick der Behandlung des Wortes und der Stimme, welche diese Lieder zweifellos dem Besten gesellen, was die neuere Zeit in dieser Galtung hervorgebracht hat.

Die erste Samml u ng ist ein rührendes Erinnernngsopfer an einen zu früh geschiedenen Freund ; die Texte sind Dichtungen des am ää. Mai 1878 verstorbenen Componisten Franz v. Holstein, die er in seinen letzten Lebenslagen und im Vorgefühle des nahenden Todes schrieb. Daher der lief lastende Druck, der grossarlige Ernst, dem auch der Componisl Ausdruck gegeben hat. In dem düstern As-moll - 4 bewegt sich .he Melodie des ersten Liedes »Und i«t es ein Traum gewesen«)

»langsam und schwermütbig«, dabei in den einfachsten, schmucklosesten Weisen ; das Vertrauen auf den Heiland hebt den Ausdruck, die Hoffnung des künftigen Lebens, durch enharmoniscbe Verwechslung der Accorde ahnungsvoll eingeleitet, wird mit ebenso einfachen Zügen wiedergegeben, der am Schlüsse gehobenen Hoffnungsslimmung giebt das Nachspiel eine schöne Bestätigung , wenn auch die unheimlichen Klänge , die an das Ende mahnen, nicht sanz verstummen. Noch glücklicher gelingt ihm dieser Ausdruck frommer, hochernster Ahnung indem zweiten Liede (»Hoffnungsstern«, Es-moll <t/4), wo in der Thal Visionen, von unheimlichen Schauern umrauscht, uns gespannt hallen, bis zum Schlüsse die hoffende Ergebung siegt. Das dritte Lied '»In der Nacht«, C-moll /„ , Andante] lässt in dem Miltelsalze noch einmal die Erinnerung an das Wohlgefübl besserer Tage erklingen, und das Ganze hat bewegtere Stimmung. Vielleicht könnte der durchweg trübe Inhalt die Lieder manchen Kreisen, in denen Gesang gepflegt wird, ferner halten; wir würden das bedauern; sie sind echte Meisterwerke sowohl der Erfindung als der Charakteristik und formellen Gestaltung.

Die z wei l e Sa mml ung ist von leichterem, mehr heilerem Charakter; die Lieder von Blüthgen sind sämmtlich in verschiedener Weise erotischen Inhalts. Die ganze Anmuth des Ausdrucks, die Kirchner zu Gebote steht, ist über dieselben ausgegossen. Auch sie sind einfach erfunden, natürlich sangbar und werden jeden, der Geschmack und richtige Empfindung hat, sofort anmuthen. Das erste Lied (»Schweigende Liebe«, A-dur 2/4 , nicht schnell) hat eine einfache, doch belebte und sich hübsch entwickelnde Melodie, die bei aller Zurückhaltung doch eine feste Gesinnung glücklich ausdrückt. Das Transponiren der Motive um einen Halbton, wodurch in kurzem Schritte entlegene Tonarten gestreift werden — dieses von Brabms so meisterhaft angewandte Ausdrucksmittel — weiss auch Kirchner geschickt anzubringen. »Glücks genug« heisst das zweite Lied (A-rnoll %, »im Tempo wie das Gedicht gesprochen werden müsste«) ; eine wenig bedeutende Poesie wird hier durch die ansprechende Weise, die sich den Strophen leicht anbequemt (das Lied ist volkslhümlich gehalten und nicht durcbcomponirl), zu einiger Bedeutung erhoben. Dasselbe lässt sich auch von dem folgenden Liede sagen (»Mein Herz, nun lass das Weinen«, D-moll C), welches einen trüberen Ton anschlägt ; das rechte Glück, meint der Dichter, müsse immer erst noch kommen, daher solle man das Verlorene nicht beweinen. Der subjecliven Stimmung hat die leicht zugängliche ausdrucksvolle Melodie, die zu sehr ernstem Abschlüsse führt, erst den allgemein gülligen Charakter gegeben. Nun, ein neues Glück erscheint ja; »Verwandelt« (A-dur C, bewegt) zeigt das Folgende den Dichter; die Liebe hat1 ihn alles Frühere vergessen machen. Der Componist deutet die Bewegung in der Begleitung an, über welcher sich die charakteristische Melodie in einfacher natürlicher Declamation erhebt. Folgende Modulation (aus F-dur)

Singst.

=r- -

ko- sen die LUf-te

dürfte Bedenken erregen. Warum der Dichter in seinem Glücke gerade »des Aspliodelos Duft« athmet, ist uns nicht klar, zumal ihm auch die (juantitäl dieses Homerischen Gewächses undeutlich geblieben ist; der Componist müsste ihm freilich darin folgen. Das fünfte Lied (»Woher?« D-dur C, ziemlich langsam, lriiumeri*ch klingt in den Wendungen der Melodie, namentlich

  • »

den Abschlüssen, vielfach »n Schumann an, mit dessen Empfindung« weise verwandt zu sein, von Anbeginn als charakteristisch bei Kirchner bezeichnet worden ist. Die Modulation ist hier wieder von besonderem Reize und bebt den wonnig-träumerischen Ausdruck. »Durch den Tanz der Abendschatten* ist das letzte der Lieder (H-dnr */8, zart, in massiger Bewegung); das Bild des Kahnes, der zu Lande führt, und den Schiffer seinem Glücke zuführt, hat den Componisten zu einer sehr anmuth- vollen Behandlung des Textes geführt; sowohl die selig sich wiegende Melodie der Singstimme, als auch die in glücklicher Malerei hinfliesseode Begleitung geben dem Stück eine besonders einschmeichelnde Wirkung.

Der Beruf Kirchner's zum Liedercomponisten war schon durch die Arbeiten seiner ersten Zeit ausser Zweifel gestellt und wird durch diese, nach langer Unterbrechung Folgenden Gaben von neuem bestätigt. Wir geben dem Wunsche Ausdruck, ihm auf dem Gebiete des Liedes und der Gesangscom- position auch in Zukunft noch häufig zu begegnen.

Dr. H. Deiten.

Theodor Kirchner's neueste Compositionen.

Op. 57. 12 riglulecapttitlMei für Pianoforte zu vier Händen. Leipzig, C. F. Peters.

Op. 58. hindcrtrios für Ciavier, Violine und Violoncell. Berlin, N. Simrock.

Op. 59. >ovellfttcn für Ciavier, Violine und Violoncell. Berlin, N. Simrock.

Op. 60. PUiderelei am Ciavier. Berlin, N. Simrock.

Op. 64. Charakterstück« für Ciavier. Leipzig, Friedrich

Hofmeister.

Wie es bedeutende Maler giebt, die ein höchst beschränktes Kunstgebiet pflegen, welche in knappen Dimensionen stets denselben landschaftlichen Stimmungston, den nämlichen wolkenbedeckten Himmel oder dasselbe Wald und Flur verklärende Sonnenlicht wiedergeben und nur durch die liebevolle Sorgfalt, mit der sie sich in ihr Darstelluogsobject versenken , den Beschauer immer neu zu fesseln verstehen, so finden wir auch hochbegabte Musiker, denen eine bestimmte Kunstform, ein einzelnes Instrument genügt, um ihr inneres Leben daraus zurücktönen zu lassen. Chopin, dessen feinorganisirte, nervös leidenschaftliche Natur jeder Lufthauch gleich einer Aeolsharfe zu wundersamen Klängen bewegte, hat, abgesehen von einzelnen Liedern und wenigen Kammermusikarbeiten, nur Für Pianoforte geschrieben. Von Stephen Heller , einem der geistreichsten jener Davidsbündler, die sich dereinst um Robert Schumann's Fahne geschaart, besitzen wjr blos Ciavierwerke. Beschränkte sich doch Schumann selbst längere Zeit, d. h. bis zu Op. Ji , auf dies Eine Instrument und ging erst, nachdem er dem jugendlich phantastischen Sturm und Drang entwachsen und namentlich Mendelssohn's Einfluss erfahren, zum Lied und dann zu den grösseren Chor- und Inslrumentalformen über l — Theodor Kirchner, wohl der talentvollste, dem Meisler geistig verwandteste unter Schumann's Jüngern, ist gewis- sermaassen bei dessen erster Periode stehen geblieben. Sein Instrument ist wiederum das Ciavier, seine Darstellungsform das sogen. Charakterstück , d. h. jenes bald liedartig gegliederte, bald dem Scherzo oder Rondo sich annähernde Gebilde, das zur Wiedergabe subjectiver Stimmungen, poetischer Bilder, wie sie wolkengleich durch die Seele des Tondichters ziehen, besonders geeignet erscheint. Rechnen wir einige hauptsächlich in des Künstlers Jugend fallende Lieder, ein Streichquartett und einige kleinere Sachen Für Ciavier, Geige und Cello ab, so sind es bis auf die neueste Zeit nur Compositionen für Pianoforte, welche Kirchner veröffentlicht hat. So mannigfaltig er nun auch den lyrischen Ausdruck zu nüanciren, so meisterlich

er dasColorit dem jeweiligen Empfindungsion anzupassen weiss, eine gewisse Gleichartigkeit in Form und Farbe dürfte sich auf die Dauer unmöglich vermeiden lassen, wenn der Componisl am zweibändigen Ciaviersatz und seiner kurzalbmigen Kleinkunst unverrückl festhalten würde. Cm so mehr freut es uns. beute anfeine Anzahl Tondichtungen Kirchoer's hinweisen zu können, m denen er keineswegs die gewohnten Pfade wandelt und wobei er sich Iheilweise nicht mit seinem geliebten Ciavier begnügt, sondern Streichinstrumente zur Darstellung heranzieht. Die Compositiooen Op. 57 — 64, alle innerhalb Jahresfrist ans Tageslicht getreten, werden durch eine Arbeit zu vier Händen eröffnet, mit welcher Kirchner dies Gebiet anmutbig geselliger Kunst besonders glücklich betritt. Sie umfassen des Fernern zwei reichhaltige Werke für Pianoforte, Geige und Violoncell und schliessen in Op. 60 und 6l mit Claviercompo- sitionen zu zwei Händen ab, in denen sieb der Künstler abermals als ein wesentlich verschiedenartiger zeigt.

Fassen wir zunächst die als Op. 57 bei C. F. Peters in Leipzig erschienenen < t Originalcompositionen zu vier Händen ins Auge, so vereinigt sich hier mit blühender Frische der Erfindung eine Sorgsamkeit der Factur, die dem schlichtesten Gebilde den Stempel künstlerischer Vollendung aufdrückt. Gleich Nr. 4 (Moderato, E-dur '/4J "> ein Stück voll Wohllaut, jeder Ton gleichsam von mildem Sonnenlicht bestrahlt. Ihm folgt in knappem Zweiviertelrhytbmus ein Scherzosatz aus E-moll, dessen Humor etwas kurz Angebundenes hat. Breitere Form zeigt Nr. 3, ein marscharliges Allegro ma non troppo (E-dur 4/4). Dem scharf markirten Hauptsatz tritt ein Cdur- Trio gegenüber, das ebenso zarten wie eindringlichen Gesang entfaltet. In Nummer i {poco vivace, - 4 G-dur) puisirt kecke Lebenslust. Nur im Mittelsatz gewinnt tieferes Empfinden folgende melodische Gestalt (wir ziehen der Kürze halber in Ein Svstem zusammen)

^r

Nummer 5 und 6 verhalten sich gegensätzlich. Dort ist alles gleichmässig gebunden, von ruhigem Ernst erfüllt; hier hüpfen die Noten dahin wie emporgeschnellt von unbezwinglichem Uebermutb. Das zweite Heft wird von einer Liedweise (Andante eipretsivo, D-dur */t) eröffnet, die in ihrer gesättigten Empfindung unmittelbar an Aehnliches bei Rob. Schumann gemahnt. Nr. 8 und 40 sind Scherzosätze, der erslere aus H-moll, der letztere aus G-dur, beide fast durchgängig staccato gehallen, voll prickelnden Lebens. Ein wiederum liedförmig gegliederter Hmoll-Satz von schönem Ausdruck tritt als Nr. 9 dazwischen. Ueber dem ersten Theil der Nummer t) (E-moll, poco lento 2/4) liegt ein Hauch wehmülhiger Trauer, die auch der Edur- Mittelsalz nicht völlig zu schwierigen vermag. Capriciös gelaunt ist Nr. <1, ein Geplauder, dem die herben Accente und dynamischen Steigerungen etwas Streitsüchtiges geben. Um so unmittelbarer wendet sich der Schlusssatz an des Hörers Herz, ein Abschiedslied, das wiederum Schumann geschrieben haben könnte.

Eine originelle Idee war es, die Form des sogen. Clavier- Irios, d. h. die Combinalion der drei Instrumente: Pianoforte, Violine und Cello auf das Kinderstück anzuwenden und somit »Kinderlrios« zu schreiben, wie es Kirchner in seinem Op. 58 gethan hat. Die l 5 Skizzen, welche die beiden Hefte um- schliessen, sind Fräulein Eise Simrock, wie wir vermuthen einer Tochter des Herausgebers N. Simrock in Berlin dedicirt. Dass Kirchner an eine Ausführung der Trios durch jugendliche Spieler gedacht hat, beweisen die Einfachheit des Ausdrucks, wie die leichte Spielbarkeil sämmtlicher Stücke. Mögen sich die feineren Schönheiten des Werkes, die poetische Grazie mancher Wendungen erst dem gereifleren Geschmack enthüllen , anregend werden diese anmulhsvollen Tongedichte auch auf die Jugend, auf Lernende jeder Altersstufe wirken. Besonderes Gewicht legen wir darauf, dass die Kirchner'schen Stücke dem Schüler Gelegenheil bielen, sich schon früh im Zusam- menspiel mit anderen Instrumenten zn versuchen, gleichsam die ersten Stufen jenes geweihten Tempels zu belrelen, welchen unsere classische Kammermusik auf dem Boden der Tonkunst darstellt. Werweiss, wie schwer es oft selbst geübten Clavierspielern falll, sich zu den Streichinstrumenten beim Trio, Quartett oder Quintett ins richtige Verhältniss zu setzen, den leinen Conversationslon zu treffen, der sich in solcher Gesellschaft gezieml, der vermag auch den Werth frühzeitiger Uebung auf diesem Gebiet zu schützen, und wir sind daher überzeugt, dass sich gerade die Musikschulen, zu deren schönsten Aufgaben die Pflege der Kammermusik gehört, die Kirchner'schen Trios als werlhvollen Lehrsloff nicht werden entgehen lassen. Dass der Salz ein musterhafter, die Stimmführung gewählt, das Klangcolorit bei aller Sbhlichtheit der Harmonisation wirkungsvoll und schön abgestuft ist, das bedarf Kirchner gegenüber keiner besonderen Versicherung. — Wir können auf all die einzelnen Nummern nicht eintreten und wollen blos auf einiges besonders Anmnthige hinweisen. Iq Nummer J steht dem Cdur-Scherzo ein Trio aus A-moll gegenüber, dessen zweitheiliger Rhythmus und ruhigere, mehr in sich gekehrte Haltung mit dem kecken Ungestüm des Hauptsatzes schön contrasliren. Köstlich isl Nummer 7, welche die V'ortragsbezeichnung »Etwas betrübt« an der Slirne trägt und deren klagende Gmoll-Weise das rasch verflüchtigte Leid einer Kinderseele wiederspiegelt. Das zweite Heft wird durch einen warmempfundenen Liedsalz aus As-dur eröffnel. In Nummer (3 beginnen die Streichinstrumente eine Art Reigen von schalkhafter Zärtlichkeil. Das Ciavier imitirt zunächst echoartig und kommt erst später zum selbständigen Wort. Das Ganze ist voll Humor und schliesst mit einem viermaligen Sechszehntelgang der Streicher, der wie muthwilliges Gelächter tönt. Vielleicht das graziöseste Tonstück des Werkes bildet Nummer <i, eine Art Ländler aus G-dur. Das Melodische des Hauptsatzes bestreuen hier Geige und Cello ziemlich gleichmässig, während das Pianoforte mehr nur accompagnirt. Erst im Mittelsalz aus Es verlheill sich der überslrömend innige Gesang auf sämml- liche Inslrumenle.

Grösser geformt, inhaltlich vielseitiger und bedeutsamer sind die wiederum für Pianoforle, Violine und Violoncell geschriebenen Novelletten Op. 59, welche in zwei Heften < 2 Nummern enthalten und die Kirchner dem als Componisten vortheil- haft bekannten Heinrich von Herzogenberg und seiner Gemahlin Elisabeth geb. von Stockhausen, einer vorzüglichen Clavier- spielerin, zugeeignet hat. Gleich als erste Nummer Iritl uns ein ziemlich weil ausgeführtes Tonstück (Allegro con fuoco, G- moll 3/4J entgegen, das alle drei Instrumente gleichmässig beschäftigt. Mit der Herbigkeit des Ausdrucks, dem leidenschaftlich feurigen, das sämmtliche Motive dieses Satzes kennzeichnet,

tritt die ruhige Haltung der zweiten Nummer in Gegensalz. Das Cello stimmt hier folgenden Gesang an :

Cantabilr

tspressivo.

der dann von der Geige aufgenommen wird, bis er sämmtlicbe Instrumente gleichmässig beherrscht. Ein eigenartig düslerer Zug gehl durch Nr. 3 (Es-moll 2/4) . in welcher der Componisl

mit dem Motiv — J-J-.JIjr: sein phantaslisches Spiel Ireibl.

Der Irioarlige Millelsalz aus Ges-dur bringt übrigens auch schönen Gesang, der freilich die Irübe GrundstimmuDg keineswegs verleugnet. Aehnlich gefügt, aber trotz der Moll-Tonart heiterer und kräfliger anmulbend isl Nummer i. Die zarle Haltung der Nummer 5 cbaraklerisiren die erslen Takle, deren Gesang sich für das Cello trefflich eignel: NicM ichnell, doch nicht schleppend.

Cello.

dolce. P-

Ein kurzer Dmoll-Satz, in welchem die Streichinstrumente das Worl führen und der in seiner keuschen Zurückhaltung an Brahms gemahnt, schliesst das erste Heft ab. Im zweiten stehen wiederum die rasch beschwingten . capriciösen und die getragenen , liedartigen Salze ziemlich im Gleichgewicht. Der ersteren Kategorie gehört Nummer l an, ein kraft- und schwungvoller A dur-Satz, dessen Fis moll-Trio in weilalhmi- gem Gesang dahinslrömt, ferner die pikante Nummer 10, in welcher der Pizzicalo-EBecl der Streichinstrumente geistreich verwerthel isl, endlich die keck-humoristische Nummer l l, deren Motive wie von Federn emporgeschnellt werden. Unter den langsamen Stücken mgt Nummer 9 hervor, eine Art Romanze, die von verrauschter Zeit erzählt. Still und mild klingt Nummer 41 aus, mit welcher Kirchner in der ihm eigenen zarlsinnigen Weise vom Hörer Abschied nimmt.

Mit Op. 60 kehrt der Componist von den Ausflügen ins Gebiet der Kammermusik bezw. des Trios zu seiner eigentlichen Domäne, dem zweihändigen Ciavierstück, zurück, am in dem genannten und dem nächstfolgenden Werk wiederum eine Fülle frischduftender Tonblumen vor uns auszubreiten. Die 25 Nummern, aus denen Op. 60 besteht und welche Frau Amalie Wunderly geb. Muralt zugeeignet sind, nennt der Componist »Plaudereien am Ciavier«. Der Titel drückt das Wesen der Tonstücke treffend aus; es sind zwanglose Gespräche, wie man sie in gdter, geistig angeregter Gesellschaft führt, nichl gerade lief geltend, meist kurz abgebrochen, den Kern der Dinge mehr streifend als erschöpfend, Iheilweise humoristisch angebauchl, aber niemals gewöhnlich oder schablonenhaft, sondern durchwegs mit dem Stempel einer eigenarligen Subjeclivilät gezeichnet und voll Feinheit in der Form. Wir gehen auch hier auf die einzelnen Nummern, die öfters aus wenigen Takten bestehen, nicht ein und machen nur Einiges vom Reizvollsten namhaft. In den beiden ersten l 5 Stücke umfassenden Heften überwiegt das graziöse Element, der Ton heiterer Schalkhafligkeil oder zarter Anmuth. Gleich die Gdur-Weise Nr. l schlägt letzleren schön an. Von bestrickendem Wohllaut ist Nr. l 2 aus Des-dur, deren Melodie sich im 3/8~Rhythmus gleich der Blume im Lenz- haucb wiegt. Während durch Nr. 44 (H-dur) ein Zug liebender Sehnsucht geht, erscheint die folgende (A-dur 2/A) als eine Verkörperung unbewussler Grazie, der selbst das leise Schmollen im Mitlelsalz reizend zu Gesicbl sieht. Durchschnilt- lich etwas breiter behandeil und kecker auflrelend sind die neun Slücke der beiden letzten Hefte. Nummer l 6 aus G-moll hat in ihrem Hauplsalz etwas energisch Vordringendes, und die beiden D dur- Gavotten 2l und ä i gemahnen in ihrem rüstigen Dahinschreiten unwillkürlich an ähnliche Gebilde von Sebastian Bach. Dis Fismoll-Weise in Nummer 2ä charakte- risirl sogar ein entschieden pathetischer Zug. Doch fehlt es auch hier keineswegs an dem Gegensatz des Weichen, Zartsinnigen. Ein köstliches Tonstück dieser Art bildet die schmetterlingsleicht dahinschwebende Nummer l 6 aus As, und in der Schlussnummer ;Es-dur3/4) wird die Melodie von einer überaus schönen Begleitungsfigur wie von zarten Schleiern umwoben.

Anders geartet als die »Plaudereien« sind die »Charakterstücke für Ciavier« welche als Op. 61 in drei Heften mit je zwei Nummern bei Friedrich Hofmeister in Leipzig erschienen. Kirchner hat sie der treulichen Pianistin Frl. Mary Krebs gewidmet, deren sinnige Vortragsweise sich für derartige, weniger virtuosenbafte aber durch und durch poesievolle Musik vorzüglich eignet. Wohl die bedeutendste Nummer des Werkes, in ihrem leidenschaftlichen Charakter an die Allegrosätze aus Schumann's Novelletten gemahnend, ist gleich die erste. Der Hauptsatz aus F-moll drängt rastlos vorwärts; unausgesetzte Secbszehntelfiguren umbrausen die Melodie gleich schUumenüen Wellen. Um so zarler klingt dann der Desdur-Mittelsatz, dessen träumerischen Gesang Kirchner bei der Repetition in ein Arabeskengewand von Cbopin'scher Zartheit hüllt. — Im Andan- tino Nr. i fesselt besonders die harmonische Ausgestaltung, welche wiederum den feinen Klangsinn des Componisten bezeugt. Nummer 3 (Lento, Cis-moll) ist eine Art Trauermarsch, ernst und still. Der Millelsatz aus Des hätte vielleicht etwas kürzer und mit dem Grundgedanken stärker contrastirend gehalten werden dürfen. Auch die Viertelstriolen der Begleitung vermögen bei dem langsamen Tempo einer gewissen Monotonie nicht zu wehren. — In Nummer i (Allegro, E-dur 4/4) steigt der Gesang unter einer leise schwingenden SechszehnlelQgur der rechten Hand aus der Tiefe auf, um, nachdem er sich einen Moment im Sonnenglanz gewiegt, wieder niederzutauchen. Es webt ein eigener Zauber durch das Tonstück, der uns unwillkürlich an die Geschichte von der schönen Melusine erinnert. Auch Nummer 5 (D-dur J/4 Poco vivace) ruft ähnlichen Vorstellungen , nur dass wir hier statt des Wellengeräusches das Summen eines Spinnrads vernehmen, welches eine träumerisch holde Liedvveise begleitet. Eine Art Recitativ von melancholischem Ausdruck tritt dazwischen, worauf das Lied von neuem beginnt. Den Schluss des Werkes macht ein A dur-Allegro, dessen Hauptmotiven wir schon in früheren Kirchner'schen Composilionen begegnet sind. Der Mittelsatz bat etwas Stillfeierliches, das man fast fromm nennen möchte.

Die besprochenen Werke Kirchner's zeigen uns den Tondichter im Vollbesitz seiner productiven Kraft und geben uns die freudige Gewissheit, dass noch zahlreiche künstlerische Thaten von ihm zu erwarten stehen. . vi

Farsifal-Literatur.

(Fortsetzung.)

Unter den Broschüren über diese neue Oper, welche auf dem Markte erschienen sind, fehlt es nicht an Abwechslung. Die Gegensätze sind genügend zur Geltung gekommen. Auf Kalbeck's Schrift lassen wir zwei Bücher folgen, welche schon vor der Aufführung herauskamen und ihrem Inhalte nach hät- len zuerst genannt werden können :

2. TbemUbeher Leltfata durch die Musik des Parsifal nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wag- ner'schen Dramas von Im* T«b WvlMgen. Leipzig, Gebrüder Senf. 1882. 82 Seiten in kl. 8.

3. l'arsif;il. Einführung in die Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Richard Wagner's. Nebst einer Zusammenstellung der hauptsächlichsten musikalischen

Motive in Wagner's Parsifal, von l. Eichberg. Leipzig, E. Schtoemp. 1882. 48 Seiten und 8 Seilen Musikbeilage in kl. 8. Pr. M 1. 50.,

Dies sind also gewissermaassen Schulbücher, welche Mündigen und Unmündigen zur Unterstützung dienen sollen. Bei den Nibelungen war Wolzogen alleiniger Interpret und Fremdenführer , jetzt hat er in Herrn Eichberg einen Genossen oder Concurrenten gefunden ; doch setzen wir voraus, dass sie sich friedlich vertragen werden. Max Kalbeck, unsere Nr. 4, sagt über diese Nr. J und 3 in seiner Art: «Hans v. Wolzogen, der Erretter der deutschen Sprache und autorisirte Bädeker der Zukunftsmusik, hat neuerdings in einem Herrn 0. Eichbergs [Eichberg], dem .kleinen Meyer' der Zukunftsmusik, einen Concurrenten gefunden, welcher nur die eines oder zweier Sterne würdigen, besonders empfehlenswertben Leitmotive, dreiundzwanzig an der Zahl, in sein Handbuch aufgenommen hat. Für Reisende, die sich nicht länger als einen Tag im »Parsifal* aufhalten können, genügt die bescheidene Auslese ; diese aber ist, wie Meyer versichert, .geradezu zum Auswendiglernen bestimmt'. Man werde also gut tbun, vor der Reise die nützliche und stärkende Gedäclitnissübung vorzunehmen, denn sonst könnte es dem Fremden passiren, dass er sich gründlich verläuft und möglicherweise wieder abreist, ohne auch nur die hervorragendsten Schönheiten des Werkes gesehen oder gehört zu haben. Wäre es wirklich so schlecht um Wagner und seine Kunst bestellt, wie seine Erklärer uns glauben machen wollen, dann müsste sich Mancher das Lehr- und Reisegeld wiedergeben lassen. Gott schütze unsvorunserenFreunden.<i (S. SS.) Wir glauben nicht, dass dieser letzte Salz hier gut angebracht ist. Die genannten Freunde führen doch nur aus, was ihr Herr und Meister ihnen aufgetragen, oder wenigstens durch Winke deutlich gemacht hat. Wir sehen dies namentlich bei Herrn v. Wolzogen, der wie ein Mond ohne Eigenbewegung seiner Sonne folgt, wohin sie nun auch steuern möge. Die offizielle Bedeutung, welche er hierdurch besitzt, giebt ihm allerdings auch eine gewisse persönliche Wichtigkeit, aber diese hält doch nur vor, so lange er das Amt führt, bezieht sich daher mehr auf den Rock, als auf das was der Rock umscbliesst. Es ist wie bei den Federn, welche Tag um Tag die Regierungsmaassregeln vertheidigen müssen; wie gescheut und talentvoll die Leute auch von Haus aus sein mögen, Individualität und geistige Spannkraft gehen ihnen mit der Zeit verloren. Es sind die Opferlämmer der «Idee« (oder wie mans nennen will), welche ihre innere Leere erst recht empfinden werden , wenn einmal die Impuls gebende Macht verschwunden ist. Herr v. Wolzogen wird auch eines Tages die Folgen bemerken, welche daraus entstehen, dass man unter Preisgabe aller Selbständigkeit den Geist abrichtet, lediglich das zu erklären und zu verherrlichen, was von einem superioren Dritten vorgesetzt wird. Derartige »Freunde« möchten wir daher mehr beklagen als tadeln. Man kann einen grossen Künstler verehren, ohne ihm geradeswegs die geislige Existenz zum Opfer zu bringen. Als Beispiel aus dem Wagnerkreise wollen wir nur Herrn W. Tappert anführen. Dieser macht ebenfalls die Zukunftstänze mit und reibt sich, wenn er hitzig geworden ist, scharf an den Gegnern ; aber er besitzt Gebiete der Wissenschaft, in welche er sich wie in seine Heimath jederzeit zurückziehen und in denen er, wie wir glauben, mit voller Befriedigung schaffen kann, wenn auch Nibelungenzauber und Gralwunder einmal nicht mehr wirksam sein sollten. Sich so zu stellen, ist einfach die Pflicht der Männlichkeit; denen, die uns so viel von »deutschem« Wesen zu erzählen wissen, kann man nur bemerken, dass das willenlose officielle Affenlhum, welches in Wagnerkreisen gepflegt wird, so undeutscb wie möglich ist.

Wolzogen's »Leitfaden« beginnt mit einem »Vorwort' über den Stoff des in Rede stehenden musikalischen Drama, und eben dieses Vorwort ist, am besten geeignet, das, was wir soeben im Allgemeinen bemerkten, im Einzelnen noch etwas deutlicher zu machen. Wir (heilen zunächst seine Worte im Wesentlichen mit. Er sagt:

»Die Beurtheiler der Dramen Richard Wagner's haben meistens den Irrthmn begangen, dieselben, weil sie altgermanische oder mittelalterliche Sagenstoffe behandelten, nach dem Maassstabe bereits vorhandener altdeutscher Dichtungen aus jenen StofJkreisen zu messen. Für den »TrislarK- lag das Epos Gott- fried's von Strassburg vor; für den »Ring des Nibelungen« das Nibelungenlied. Solche, die eingesehen halten, dass die Nibe- lungendichlung Wagner's mit dem Nibelungenliede nur wenig gemein hat, zogen statt dessen die Edda-Lieder hervor und behandelten das neue Drama wie eine Dramatisirung jener alten Skaldenpoesien; was unserem Dichter den Vorwurf eintrug, er habe den deutschen Boden verlassen, um seine Stoffe sich aus dem fremden Island herzuholen.

»Alles dies ist unrichtig und sehr thöricht. Die »Stoffe« Wagner's, um sie einmal in Kürze so zu bezeicbnen, sind weil älter als die nur verworren und zerstückt auf uns gekommenen skaldischen Fassungen alter Glaubeos- und Sagen-Erinnerung im Nordlande; gar nicht zu reden von den epischen Bearbeitungen durch die ritterlichen und bürgerlichen Singer des 13.-Jahrhunderts in Deutschland. Ihre Grundzüge sind schon mit den arischen Wandervölkern aus Asien herübergekommen und seitdem in immer neuen Wandelungen und Zusammenfassungen der recht eigentlich erworbene Besitz des germanischen, insbesondere des deutschen Volkes geworden. Denn während die Eddalieder, soweit sie die Siegfriedsage behandeln, nachweislich auf Einführungen aus Deutschland selbst beruhen, so sind andererseits keltisch-französische Sagenbildungen, wie die des Tristan und des Parsifal, erst in deutscher Dichtung zur vollendeten, ethischen Verwerthung des in ihnen geborgenen allgemein-menschlichen Stoffes, und so zu unserem Nationalgute geworden. Ursprünglich aber war der ganze an die Völker des westlichen Europas vertheille Sagensloff bereits wesentlich arisch-germanitchet Gut. und jeder deutsche Dichter, der wieder danach, als nach einem unserem Volksgeiste eigentümlichen Grundgebilde poetischer Phantasie griff, suchte dieses Gut nur von Neuem und um so inniger uns zu eigen zu geben. Was er damit, wenn es ihm wirklich bedeutend gelang, uns geschaffen hat, war dann nicht nur eine neue in sich abgeschlossene form des alten Stoffes, sondern zugleich eine neue Erweiterung und Ausdeutung des geistigen und sittlichen Gehaltes. Beides hing aber ab von den speciellen Tendenzen des Neudichlers . von der Eigenart seiner Kunstrichtung und Kunstform, und diese wiederum ward bestimmt von der Zeit, in welcher er dichtete. Der mittelalterliche Singer schuf auch nur mittelalterliche Epen ; und keine andere Zeit hatte sich einfallen lassen dürfen, an diesen fertigen Kunstwerken, als dem Ausdrucke einer anderen Epoche, modificirend zu rühren. Daher war es Thorbeit zu wähnen: wenn man den In jenen Epen eigenartig gestalteten Stoff nun schlichtweg in eine dramatische Korm umgiesse, dann habe man dem modernen Sinne genug gethan und ein wirkliches Tristan- oder Nibelungen-Drama für das heutige Publikum geschaffen. Mit Recht durfte dieses Publikum sich solchen literarischen Kunststücken gegenüber theil- nahmlos verhalten.

»Nicht in der äusseren Veränderung der Form, cocn in der einfachen Aufnahme des in bester dichterischer Fassung gestalteten Gehaltes, hat eine Neu\erwerthung des alten Stoffes zu bestehen. In der Thal will er »lüglich« neu »erobert« sein ; und eine solche Eroberung ist es, welche Wagner vollzogen hat, als er die Stoffe für die Form des neuen musikalischen Dramas und für die Theilnahme einer durch diese Kunstart begeisterten Zeit neudichtete. Der allgemein-menschliche Grundinhalt

dieser vielfach umgestalteten Sagenwelt war, wie von jedem wahren Dichter, zunächst wieder rein herauszuheben. Danach aber war er in derjenigen Weise zu formen und auszubilden, wie es erstens dem inzwischen eigenartig fortentwickelten nationalen Geiste, seinem Wissen und seiner Weltanschauung ge- mäss war, — und wie es zweitens gerade dieser Kunstform entsprach, welche, aus demselben Geiste erzeugt, ihm einen wahrhaftigen und itilvollen Ausdruck zu verschaffen bestimmt war.

»In diesem Sinne dichtete einst der Sänger des »Nibelungenliedes« jenen alten Sagensloff, soviel damaliges Sängerwissen ihm davon zugeführt hatte, nach den Bedürfnissen des damaligen Epos, und mit der Kraft und Eigenart des damaligen christlich-deutschen Geistes, in eine ganz bestimmte neue Form. Je weiter der nationale Geist sich aber aus seinen früheren historischen Dmschalungen entwickelt, um so näher vermag er wieder den» «llgefnein-raftnscblichen Kern» des Stoffes und damit der Möglichkeit einer wahrhaft stilvollen Kumt zu kommen. Was in diesem Geiste heutzutage zuvörderst als wirklich dtut- sclu'.t Wesen, dann als dem Allgemein-menschlichen sympamisch zugewandte Daseinsempfindung, endlich als künstlerisch-idealistische Anlage lebt, das concentfirle sich in der einzelnen künstlerischen Persönlichkeit eines tragischen Dichters , dessen Schaffensathem die Musik war; — und diese Persönlichkeit legte nun wieder den derart forlgebildeten Gehall des nationalen Geistes in die dementsprechend neugestaltete Form der alten nationalen Stoffe.

»Eben dadurch, dass die ÜHSilt. als die .neue und höchstentwickelte künstlerische Ausdruokswvise des echtdeutschen Gemülhes, ihm zur eigentlichen Muttersprache mitgegeben ward, vermochte es Wagner, diese Stoffe auch unserer modernsten Zeit noch in jener ergreifenden Weise wieder lebendig werden zu lassen, welche wir bei jeder guten Aufführung seiner Werke an dem Publikum derselben erleben. Die hohe Idealität dieser Stoffe erlaubte ihnen nicht n«, jene heidnische Gölterwelt, der sie ursprünglich angehörten, nämlich die heroischen Abbilder des dichtenden Volksgeistes der alten Germanen selbst, sondern auch Has Reich des höchsten christlich-religiösen Ideales, wie es im Gral symbolisirt erscheint, zur Basis ihrer Phantasiebildungen tu nehmen. Die Realisirbarkeit dieser Idealität aber müssle uns versagt bleiben, wie sie zum Theil schon dem nur mit dem Worte dichtenden Nibelungensinger der Hohenstaufenzeit versagt blieb, wenn «<r die .W»-//, nicht hätten, die Musik von Bach bis Beethoven. Diese deutsche Musik verwirklicht in ihrer Sphäre auch das uns entfremdetste Ideale zu.neuere vertraalich-erhabener Wahrhaftigkeit, Im musikalischen Drama werden die Götter der Vorzeit lebendig, als grossartige Typen derjenigen Leidenschaften und Gedanken, welche die Grundträger des ganzen poetischen Stoffes selber sind; und lebendig wird in ihm auch die-himmlisch entrückte Erhabenheit der chrisllichen Gottesidee, wie sie in der Gral- Sage niedergelegt ist .... Ein ».«-u Wolfram'.-. Zeit dichtender Neubildner des allen Stoffe« durfte Pdrstfal und den Gral nicht mehr trennen; auch er musste in dem Gral den Inbegriff tiefster Religiosität darstellen, — aber nunmehr derjenigen tiefsten Religiosität, wie sie in einem wahrhaftigen Christengemülhe unserer Zeit bei erleuchteter Geisteskraft zur vollen Entwickelung zu kommen vermag.« (S. l—4.)

Diese Einleitungsworte, die in dem gleichen Redestrome ebenmassig hinfliessen, bieten schon einen reichen Anlass zu Bemerkungen dar, mag man nun die Prüfung beim ersten oder beim letzten Salze beginnen. Wir wollen den Schlusssatz zuerst ins Auge fassen und näher betrachten, was Wagnnr fi>- das Cbristenthum geleistet hat.

(Fortsetzung folgt.)

t'oiwrvat«rium IVir Musik in Stuttgart

In der Anzeige vom * ' Augusl 4881 sollte es heissen:

Mittwoch den 11. October, Nachmittags 2 Uhr,

stall Donnerstag den 41. October, Aufnahmeprüfung etc.

[485] (H. 7*974.) Die Direction.

[484] Im Verlage von Rot>. Forberg in Leipiig, Thal- strasse No. 9, sind soeben erschienen und durch alle Musik- und Buchhandlungen zu beziehen:

Bart h, 6., Op. 19. Drei GUtlMlttcka. * 9

No. 4. Impromptu (H-mollj 4 —

- S. Polonaise r is-moll — 75

- 8. Serenade ;A-dnr) 4 —

Hajdn, Jos., Serenade celebre, jouee par lequatnorflorentin

Jean Becker. Arrangee pour Violon et Piano par G. Hol-

laender 1 —

Rhelnberger, Jos., Op. 410. „ill Weitphalen"- Sieben Gesänge für vierstimmigen MSnnerchor nach Gedichten von F. W. Weber.

No. 4. Nennphar. Partitur und Stimmen — 75

- f. Du sonnige, wonnige Welt. Partitur und Stimmen 4 —

- 8. Die Hunnen. Partitur und Stimmen 4 75

- 4. Kreuzfahrers Abendlied. Partitur und Stimmen . 4 —

- 5. Lied der Schmiedegesellen. Partitur und Summen 4 —

- «. Im Juni. Partitur und Stimmen 4 —

- 7. Verschmäht. Partitur und Stimmen 4 —

[48»J Neuer Verlag Vod

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

(Cdur) für g-roeses Orchester

compoDirt

von

Albert Dietrich.

Op. 85.

Partitur netto Jt 7,50. Orchester-Stimmen netto .H 48,78.

(Violine 4, i. Bratsche, Violoncell, Contrabass a netto M 4,10.) Clavier-Aaszug zu vier Händen vom Componisten Jl 3,—.

[481] Im Verlage von A. Bflhm & Sohn m Augsburg erscheinen dem- flichst:

Job. Mich. Keller'* treffliche Klrehencompoaltionen, unter welchen sein »CanticumZacbariae*als ein Meisterwerk bezeichnet wird. Ausführlicher Prospeclus sieht gratis und frenco zu Diensten.

M 8*] Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

für

vier w«-i l>I i <-l»<- Stimme n

(ohne Begleitung)

componirt

und Frau Anna Regan-Schimon zugeeignet von

Ferdinand Hiller.

Op. 199.

No. 4. Marienlied: »0 du beiligste, o du frommeste«, nach dem Lateinischen von Folien. Partitur 50 3p. Stimmen B 45 3)1.

No. 1. LledeigTVI8: »Liedergrusse sind die Glocken«, von Karl SleUtr. Partitur «0 3jf. Stimmen a 15 3)1.

No. 8. Wiegenlied: »Die BlUmelein sie schlafen«, aus Kretzichmtr's Volkslieder«. Partitur 50 3} Stimmen ä 15 3)1.

No. i Borgengeiug: »Horch, horch, die Lerch«, nach Shakeipear«. Partitur 60 /. Stimmen a 15 .y

No. 5. Abend Im Thal: »Tiefblau ist das Thal«, von Marin Greif.

Partitur 80 Sp. Stimmen a 45 3jf.

[4 8«] Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

für

eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte

von

Franz von Holstein.

geb. zu Braunschwelg, <6. Februar 4826.

gest. zu Leipzig, 11. Mai 4878.

Op. 43. Belt«rlleder aus August Becker's «Jung Friede!,

der Spielmann« für eine tiefe Stimme mit Begleitung des

Pianoforte. (Herrn Direclor Heinrich Sehr zugeeignet. . .

No. 4. Auszug: «Blas, blas, blas und blas, Trompeter, blas

das Lied«

No. 1. Vom langen Jörg: »Der lange Jörg stund immer

vorn«

No. 8. Lustiges Reiterlebeo: »Holiah, hei l welch lustig Reiterleben bat der Herrgott unsdereinst gegeben l« No.«. Der Trompeter bei Mühlberg: »Bei Mühlberg hat- ten wir harten Stand

No. 5. Das gefeite Hemd: »Am Christnachtabend sass mein jüngstes Scbwesterlein«

Op. 46. Fünf Lieder für eine mittlere Stimme mit Begleitung des Pianoforte. (Fräulein Paulin« Nowack gewidmet.} . .

No. 4. Am Bach: »Rausche, rausche, froher Bach« von Fr. Oser

No. 1. Jttgerlied: »Zierlich ist dea Vogels Tritt im Schnee« von E. Mörike

No. 8. Winterlied: »Geduld, du kleine Knospe« von E. von Platen

No. 4. Als ich weg ging: »Du bracht'st mich noch bis auf den Berg« von Klaus G rot h

No. 5. Komme bald l: »Immer leiser wird mein Schlummer» von H. Lingg

Op. 10. Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. (Herrn Joseph Schild, Königl. lacht. Hofopen-

tänger freundschaftlichst gewidmet.)

No. 4. Waldfraulein: »Am rauschenden Waldessaume da

steht ein finsterer Thurm« von W. Hertz . . .

No. 1. »Wenn etwas leise in dir spricht« von H. Lingg .

No. 3. Im Frühling: »Blüthenschnee weht durch die

Lande* vom Componisten

No. *. »Ich wohn' in meiner Liebsten Brust« von Fr.

Ruckert

No. S. »Sagt mir nichts vom Paradiese« von Fr.Rückert No. 6. »Gieb den Kuss mir nur heute« von Fr. RUckert

Op. 88. r'il'if" Lieder für eine SJngstimme mit Begleitung des Pianoforte. (Herrn Eugen Gvra in Freundichaft und Ver-

ehrung gewidmet.)

No. 4. Zur Mandoline: »Schüchtern bricht das nacht'ge

Schweigen diese Mandolinenweise« von A. Seh «l l

No. 1. Trennung: »Wild saust der Winter durch die

Nacht« von W. Osterwald

No. 8. Abends: »Leise sinktauf Berg und Thal Abendduft

hernieder« von Julius AItman n

No. 4. Wandergrüsse: »Gott grüss' dich, ruft die Lerche«

von Julius Altmann

No. 5. Auf Ponte molle: »0 Ponte molle, du treffliche Brück« aus J. V. Scheffel's Trompeter von SUkkingen

Jl 9

l 50

— 5»

— SO 4 80

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— 80

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3 —

— 80

— 80

— 50

— 80 DiO Allgemein« Musikalisch« Xrilimc

Verleger: J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Expedition: Lelpslf, Rabensteinplatz 1. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg'.

<rscheint regelm&4itfr an jedem Mittwoch

und ist durch alle Postämter und Ituch-

baodlungoii Zd he ziehe D.

Allgemeine

Freie: Jährlich 18 Mk. Prinnm. 4 Mk. M) Ff Anzeigen: di* gespal- tene PetiUeile oder deren Raum 3g Pi. Brief« und Gelder werden fra&co erboten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 4. October 1882.

Nr. 40.

XVn. Jahrgang.

lobalt: Anzeigen und Beurteilungen (Wilhelm Speidel: Ouvertüre und Intermezzo zu »König Helge«, Op. 50 ; Zwei Sonaten für Ciavier. Op. 46; Sonate für Pianoforte und Violine, Op. 61. Philipp Scharwenka : Serenade für Orchester, Op. 19 ; Wald-und Berggeister, ein Intermezzo für Orchester, Op. 37; Polnische Tanzweisen, Op. 38; Liebesnacht, Fantasiestück für Orchester, Op. 40. Edmond Weber: Derceuse für Violoncell oder Violine mit Clavierbegleilung, Op. 17 ; Suite für Violoncell und Ciavier, Op. 48; Sonate für Violine und Ciavier, Op. 19. Carlowilz Ames: Musikalische Skizzen für das Ciavier. Reinhold Seyerlen : Choralflgurationen für die Orgel. Anton Krause: Instructive Sonaten für das Pianoforte zu vier Händen. Emil Krause : 240 Aufgaben zum Studium der Harmonielehre, Op. 43 ; Ein Beitrag zum Studium der Technik des Clavierspiels, Op. 38. E. Th. Weimerhaus: Theoretisch-praktische Flötenschule. W.A. Mozart: Ouvertüren zu den Jugcndopern, fiir das Pianoforle zu zwei Hunden bearbeitet von Paul Graf Waldersee. L.van Beethoven : Triumph-Marsch zu dem Trauerspiel »Tarpeja«, Arrangement für zwei Pianoforle zu acht Händen von Carl Burchard. Franz Liszt: Tasso, symphonische Uichlung, für Pianoforle zu zwei Händen von Th. Forchhammer. Edmond von Mihalovich: Eine Faust- Phantasie für grosses Orchester). — lieber die junge Nonne von Schubert und la religieuse von Diderot. — Anzeiger.

Anzeigen und Beurtheilungen.

Wilhelm Speidel, lirertüre und Internem» zu »König Helge«. Op. 50. Partitur zur Ouvertüre Jl 10. —., zum Intermezzo .ff 'i. —. Hamburg, Hugo Pöble.

Iwel Sonaten für Ciavier. Op. 46. Nr. 1. C-moll.

Jl 3. —., Nr. 2. A-dur. Ji 4. 50. Wien, J. P. Gott- hard.

8m*te in E-moll fllr Pianoforte und Violine. Op. 61.

Ji 8. —. Leipzig, F. E. C. Leuckart.

A. Wilhelm Speidel besitzt schon längst einen wohlaccre- ditirten Namen in der musikalischen Well, und seine verdienstvolle Thäligkeit namentlich auf dem Gebiete des Männergesangs, welcher wir eine stattliche Zahl gediegener Chorwerke, welche zum Besten der Gattung zählen, verdanken, ist bekannt genug, als dass wir hier näher darauf einzugehen brauchten. In fast allen musikalischen Formen hat sich Speidel und zwar mit Glück und Erfolg versuch!, und seine Werke documenliren nicht nur den gründlich gebildeten Musiker, sondern dieselben legen auch Zeugniss von tüchtiger und gewissenhafter Arbeit ab. Hie und da vergrübelt er sich zwar in Absonderlichkeiten, die oft an das Bizarre und Gesuchte streifen und die Grenzen der Schönheil manchmal überschreiten, aber im Ganzen machen seine Werke einen durchaus wohlthuenden Eindruck. Frische und Ursprünglichkeit der Erfindung, durchsichtige, klare Form und melodischer Gehalt sind Vorzüge, welche die meisten seiner Compositionen auszeichnen ; man fühlt es aus ihnen heraus, dass sie dem innersten Born echt künstlerischen Fühlens und Empfindens entsprungen sind, und dies giebt denselben ihren positiven musikalischen und ästhetischen Werth.

Die Ouvertüre zu »König Helge« von Oehlenschla'ger, Kapellmeister Carl Reinecke gewidmet, ist ein wirksames und dankbares Orchesterstück, dessen Hauptsatz mit dem frischen Kampfmotiv den kühnen nordischen Recken schildert, »dessen Ruhm schallte weit und weiter«, der kämpft »ein Aar, der hoch in Lüften kreist, und wirft zum Sturm seine leichte Leiter». Doch die Minne folgt auf der Fahrt dem Streiter, und der Seitensair, mit seinem süssen Liebessang unter Harfenklang führt uns zur Königin «Olaf« :

»Und oft küsst' er die Hand ihr, er war so roth und mild, Die Augen nicht verliess^n das schöne Frauenbild.« XVII.

Sehr interessant, namentlich auch in harmonischer Beziehung, ist der Durchführungssalz, in welchem das kriegerische Motiv des Hauptsatzes vortrefflich verarbeitet ist. Die ganze Ouvertüre als solche ist überhaupt eine schöne und gediegene Arbeit, und die Instrumentation bekundet den ästhetisch fühlenden Musiker, dem die Instrumente nur die Mittel sind , der musikalischen Idee Ausdruck zu geben und welche niemals Selbstzweck sein sollen.

»Helge's Liebestraum« ist das Intermezzo betitelt, und es ist in der That eine liebliche musikalische Idylle, die sich hier vor uns abspielt. König Helge schlummert und lächelt im Keldentraume. Drei Walkyren scheinen ihm vom Regenbogen zu steigen, sie singen ihm ein Heldenlied und küssen ihm alle die Wange, und er streckt die Arme so glühend aus, er will um den Leib sie fassen. Mit einem reizenden Liebesgesang beginnt das Violoncell, von gehaltenen syncopirten Accorden des Streichquartetts gleichsam umwiegt; bald gesellt sich als zweite Stimme die Clarinette dazu und nunmehr beginnt ein holdes Zwiegespräch vom Dufte echter Poesie umwoben, bis unter Harfenklang sich beide Stimmen vereinen und die anderen Instrumente in süsser Liebeslust mitjubeln ; nach und nach verschwindet der seligsüsse Traum, und im Pianissimo erstirbt der verklingende Liebesseufzer des Cellos.

Von den beiden Sonaten geben wir jener in C-moll entschieden den Vorzug, die in A-dur, namentlich das Scherz > und Adagio finden wir gesucht, sie tragen zu sehr den Stempel einseitiger Verstandesarbeit, den letzten Satz ausgenommen, welcher glücklich erfunden und voll Kraft und Feuer ist. Hingegen ist die C moll-Sonale ein prächtiges Werk, ein Werk aus einem Gusse ; die charakleristischen und rhythmisch energischen Themas der einzelnen Sätze — den zweiten Salz, Cavatine, mit seiner warm empfundenen Cantilene ausgenommen — stehen in engem geistigen Conlact zu einander und verleihen dadurch dem Ganzen den Stempel innerer organischer Einheit. Den Höhepunkt bildet der letzte Satz, welcher zum Besten gehört, was wir von Speidel kennen. Dieser Satz bestätigt von neuem wiederum in eclatantester Weise unsere schon oft ver- fochtene Ansicht, dass die höchste Schönheit des Kunstwerks nur im einfach und natürlich Erfundenen und Empfundenen beruht. Der Künstler bedarf freilich beim Schaffen der Ver- standesthäligkeit, aber sie darf sich niemals in den Vordergrund

«0 drängen, und die tüchtigste Arbeit kann niemals den Hangel an ursprünglicher Erfindung, niemals den Mangel lebenswarmer Empfindung ersetzen.

Ein bedeutendes und schönes Werk ist die dem trefflichen Geiger Concertmeister Eduard Singer gewidmete Sonate in E-moll fürPiaooforte arid Viah'ne. Träumerisch setzt die Violine, von den syncopirlen Accorden des Claviers gelragen, mit dem Thema des Hauptsatzes ein, nach und nach leidenschaftlich sich steigernd, um alsdann abwechselnd dasselbe arabeskenbaft umspielend oder wieder aufgreifend zum Seitensalze mit seinem innigen Gegensang überzuleiten; die schaukelnde Trioionbewegung der Begleitung verleiht demselben noch besonderen Reiz und Amuutli.' Endlich übernimmt das Ciavier mit wuchtigen Accorden das Thema des Seitensalzes, während die Violine dasselbe kosend umspielt, um nach holdem Wechselspiel zum Hauptsatz wieder hinüber zu leiten. Der Durchführungssatz , in welchem zum Motiv des Hauptsatzes sich noch ein zweites in Gegenbewegung gesellt, ist eine sehr interessante Arbeit, aber so recht behagt bat uns derselbe nicht, der musikalische Verstand schaut zu sehr daraus hervor; desto geistreicher und wirkungsvoller ist der Rückgang und die schöne effectvolle Steigerung nach der Reprise. Im zweiten Satze .-!(- legro vivace geht es etwas toll zu, ein Bachanale in Scberzo- furui; für die Orgien, welche hier gefeiert Werden, lehnen wir jede Verantwortung ab, das mögen die Grazien unter sich ausmachen. Das Adagio ist ein Satz voll tiefster und wärmster Empfindung; gerade hier kann def Componist zeigen , ob ursprüngliche Erfindung ihm eigen ist, denn bekanntlich gehört es zum schwersten, einen getragenen Satz zu schreiben, ohne langweilig zu werden ; es isl dies eine Klippe, an welcher gar viele moderne Componisten Schiffbruch leiden, denn hier helfen alle sogenannten motivischen Verarbeitungen und Combina- tionen nicht, hie Rhodos, hie salta. Ihren brillanten Abschluss findet die Sonate im letzten Satz Allegro molto, in welchem ein Motiv des Thema« das ersten Satzes mit richtigem künstlerischen Instinkte wieder aufgenommen und in ebenso tüchtiger und interessanter Weis« durchgeführt, als durch das reizende Thema des Seitensatzes cootrastirt wird.

Alles in Allem genommen, ist diese Sonate ein schönes Werk, welches von der grossen Begabung des Componisten Zeugniss ablegt, und so sei dasselbe wie auch die übrigen von uns besprochenen Compositionen den Freunden echter und gediegener Musik bestens empfohlen.

Philipp Srharwcnka, Serenade für Orchester. Op. 49. Partitur Jl 7. —. Bremen, Praeger 4 Meier.

Wild- und Berggeister. Ein Intermezzo für Orchester.

Op. 37. Partitur Jl 6. —. Leipzig, Breitkopf dHärtel.

reinliche Tuiwebei. Op. 38. Heft 1. Partitur

.H 5. —. Bremen, Praeger & Meier.

Llebe«n»eht. Fantasiestuck für Orchester. Op. 40.

Partitur .* i. —. Bremen, Praeger & Heier.

In Philipp Scbarwenka begegnen wir keinem unbedeutenden Talente. Derselbe ist, so viel wir wissen, Lehrer am Kullack'- schen Institute in Berlin und bat sich durch eine bereits stattliche Anzahl von Werken sowohl für Orchester als für Ciavier und Violine, in kurzer Zeit einen geachteten Namen erworben. Was seile Compositionen uns namentlich anziehend macht, ist deren klare, durchsichtige Factur, die Art und Weise, wie er auch aus dem anscheinend unscheinbarsten Motiv etwas zu machen weiss. Scbarwenka besitzt eine nicht unbedeutende Gestaltungskraft, das beweisen die meisten seiner Werke, ohne dass dieselben eines tieferen musikalischen Gehalts entbehrten. Hie und da finden wir freilich die Mache etwas dominirend, namentlich wird er in seinen Werken für Ciavier, für welches er übrigens Gutes und Schönes geschrieben hat und auf wel

chem Gebiete immerhin seine Hauptbedeutung liegt, mitunter abstrus und gesucht. Auch wagt er sich nirgends zu weit vor in die geheimnissvolleo Tiefen des Seelenlebens ; zu ernsten, tragischen Confliclen kommt es bei ihm nicht, er liebt mehr die heiteren, sonnigen Höhen. Was wir weiter bei Scharwenka zu loben haben, ist, dass er «s nicht verschmäht, auch die kleineren Formen des Tanzes in den Bereich seiner künsl- lerischen Tha'tigkeit xu ziehen und denselben durch interessante rhythmische und harmonische Behandlung einen erhöhten Kunstwerth zu geben. Vor allen Dingen rechnen wir hierzu die »Polnischen Tanzweisen« Op. 38, welche ursprünglich vierbändig für Ciavier erschienen sind.

Die Serenade Op. < 9 ist eine hübsche Composilion, ohne sich gerade durch besonderen Gebalt auszuzeichnen. Von den vier Sätzen: ISarcia, Andante, Minuctto und Rondo pastorale, hat uns der zweite mit seiner lebenswarmen Stimmung am besten gefallen. In dem »Intermezzo« Op. 37 ist das geschäftige Tbun und Treiben der geheimnissvollen Gnomen , welche Wald und Berg bevölkern, reizend illuslrirt. Dem Fantasie- Stück Op. iO liegt als Motto der Vers aus Wagner's Trislan und Isolde : »0 sink hernieder, Nacht der Liebet u. s. w. zu Grunde. Von Wagner'scher Liebesbrunsl isl jedoch nichts darin zu finden, und wenn es auch nicht an sehnsuchtsvollen chromatischen Forlschreilungen fehll, denn Liebesbangen und Liebespein werden ja nur noch durch chromatische Seufzer ausgedrückt, so pulsirl doch echte Stimmung und Leidenschaft in diesem Werke.

Ki)n«id Weher, BerceMC für Violoncell oder Violine mit Ciavierbegleitung. Op. 47. Stuttgart, Eduard Ebner. uM.50.

Snit« für Violoncell und Ciavier. Op. l H, Stuttgart,

Eduard Ebner. Jt 3. —.

Smute für Violine und Ciavier. Op. 49. Stuttgart, Eduard Ebner. uT 6. —.

In vorliegenden Werken tritt uns ein begabter junger Künstler entgegen, welcher freilich noch ausreifen muss , um wirklich Bleibendes zu schaffen. Nicht als ob seine Compo— silionen den Stempel unreifen Schaffens an sich trügen; wir haben uns im Gegentheil gefreut, abermals einem jungen Coui ponisten zu begegnen, welcher die Phrase verschmäht und sich bemüht, wirklich Gehallvolles zu schaffen, aber es fehlt ihm noch die geistige Vertiefung. Die Gedanken sind noch etwas leicht hingeworfen, es fehlt denselben noch die eigentlich überzeugende Kraft, aber Gedanken sind es doch wenigstens und zwar Gedanken, die gerade durch ihre anspruchslose Naivetät uns für den Autor Interesse einflössen; dabei erfreul uns in Allem die tüchtige Arbeit und die saubere Factur.

Die Berceuse Op. 47 ist ein kleines anmuthiges musikalisches Genrebildcben, die Suite Op. l 8 frisch ausgearbeitet; am besten haben uns der erste und der letzte Satz gefallen. Die Sonate ist ein tüchtiges Werk, welches von dem Talente des Coinponislen schönes Zeugniss ablegt. Die Gedanken sind gerade nicht tief, aber ganz hübsch erfunden; es fliessl alles glalt und natürlich, nirgends ein Haschen nach Effect oder ein Vordrängen theoretischer Mache. Und so hoffen wir, dem Autor noch oft zu begegnen.

In demselben Verlage erschienen als Opus { ,,alkalische Skluei" für das Ciavier von CarUwItl Aales. Nur Skizzen sind es freilich und zum Theil recht dürflige Skizzen, wenn auch immerhin vom Talent des Debütanten Zeugniss ablegend. Gefallen haben uns Nr. l »Allegretto«, Nr. J tSchersando*, Nr. i tAllegrctto*. Nr. S und 6 verdienen nicht einmal den Namen Skizzen, das sind noch ganz embryonale Gebilde. Helfen wir, dass Herr Ames bald durch grössere Arbeiten belhätigen möge, dass er nicht nur Skizziren, sondern auch ausführen kann.

Ri'inh.ld Seyerlep, Ch«ralfig«ratl«nei für die Orgel. 3 Hefte ä.^ri.50, uf2.—, ufl.30. Stuttgart,G. A. Zumsteeg.

Ein Werk ganz und ohne Rückhalt lobeo zu können, ist eine ebenso angenehme als dankbare Aufgabe. R. Seyerlen bietet uns in obigen Choralfigurationen eine ganz gediegene Arbeit, welche nicht verfehlen wird, die Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich zu lenken. Es pulsirt Bach'scher Geist in diesen Figurationen, und in welch meisterhafter Weise Seyerlen auch die complicirteslen contrapunklischen Formen beherrscht, beweist jede Seite.

Das erste Heft enthält acht kleine Figurationen über verschiedene Kirchenweisen und führt in die schlichteste Form der Choralfiguration mit ganz einfachen Motiven ein, welche die von der Oberstimme ununterbrochen vorgetragene Melodie in drei Unierstimmen nachahmend umspielen. Dabei hat der Componisl den instructiven Zweck nicht aus dem Auge gelassen, indem diese Figurationen nicht nur angehenden Compo- sitionsschülern und Organisten einen klaren Blick in die verschiedenen Arten der Choralfiguration geben, sondern des weiteren auch, wie Nr. l, S, 5 und 6 die Aneignung einer fliessenden und gebundenen Manualtechnik mit der des obligaten Pedalspiels in verschiedenen Schwierigkeitsgraden bezwecken, während Nr. i den Vortrag der Melodie durch das Pedal mit wirklichem Oberstimmenklang demonstrirl, Nr. 7 (Cantus firmus im Canon auf dem ersten Manual) zu jener Form der Figuralion überleitet, welche den Vertrag des Canlus firmus auf eigenem Manuale fordert, und Nr. 8 als Erweiterung der Pedaltechnik die Vorführung des canonischen Cantus firmus mit doppeltem Pedal neben den auf zwei Manualen beschäftigten Händen sich anreiht. Das zweite Heft enthält sechs Variationen über die Melodie »Herzlich dm! mich verlangen«. Hier will der Componist die Mittel aufzeigen, durch welche die nolhwendige Abwechslung wie Wechsel der Stimmenlage des Cantus firmus, der Slimmenzahl, der Tonstärke und Klangfarben, der Motivbildung und Durchführung, der Taklart und Tonart (jonisch und phrygisch), erzielt werden kann; zugleich bieten diese Variationen einen Ueberblick über fast alle Arten von Choralfiguration, soweit sie nicht schon im ersten Hefte enthalten sind. Das dritte Heft enthält eine Choralphanl.isie über die Melodie »Wenn ich ihn nur habe«, in welcher eine nach Stimmung und Stilart contrastirende Verarbeitung des aus dem Choralanfang durch Verkehrung gebildeten, und eines zweiten frei erfundenen Subjectes in doppeltem Contrapunkt als Mittelsatz in organischen Zusammenhang mit einer .sanft einleitenden und einer kräftig abschliessenden Choralfiguration gebracht ist.

Aus Vorstehendem dürfte schon hervorgehen, welche reiche und interessante Arbeit das Werk des Herrn Seyerlen enthält. Ueberall gewahren wir den erfahrenen und in allen polyphonen Formen fest im Sattel sitzenden Conlrapunktiker und Harmoniker, der seinen Bach gründlich studirt und in dessen Geist sich vollständig hineingelebl hat. Da ist auch kein Nötchen, das nicht im engsten Zusammenhang mit dem Ganzen stände; mit einer eisernen Consequenz sind die Motive und Themen durchgeführt, ohne gemacht und sludirt zu sein. Das fliesst Alles so natürlich und ungezwungen, dass der nicht Eingeweihte gar nicht merkt und empfindet, welch reicher Schatz von musikalischem Wissen und Können in diesen drei Heften niedergelegt ist. Wenn wir Einzelnes herausheben dürfen, so möchten wir namentlich auf die zweite, vierte und sechste Variation im zweiten, sowie ganz besonders auf die Canzone funebre im dritten Hefte aufmerksam machen.

Und so seien diese Choralßguralionen namentlich den Herren Organisten, d. h. jenen Organisten, die etwas verstehen und etwas gelernt haben, auf das Wärmste empfohlen. Möge Herr Seyerlen uns recht bald wieder mit einer solchen Gabe erfreuen.

lastnctive Sonaten für das Pianoforte zu vier Händen von tiilon kraust«. Volksausgabe. Leipzig, Breilkopf& Härte). 2 Bünde.

Die früher einzeln angezeigten und wegen ihrer pädagogischen Bedeutung mit Recht gelobten Sonaten von A. Krause sind hier in zwei hübschen Bändchen von 403 und 405 Seiten zusammen gedruckt. »Nach aufsteigender Schwierigkeit geordnet vom Compomsten» steht auf dem Titel, womit gesagt sein soll, dass die Stücke nach dieser Rücksicht, und nicht etwa nach der früheren Opuszahl, an einander gereiht sind. Die Folge ist also diese — Erster Band: Op. 18. 20. 17. 30 — Zweiter Band: Op. 3. 6. 11. 26.

Die alte Bezeichnung Primo und Secondo für den ersten und zweiten Spieler scheint abhanden zu kommen , denn wir finden sie nirgends mehr in den Vierhändern der grossen Verlagshandlung gebraucht. Sollte das wirklich ein Forlschritt sein?

240 Aufgabe* zum Studium der Harmonielehre von Emu Kraue. Op. *3. Dritte vermehrte Auflage. Hamburg, C. fioysen. (1882.) 57 Seiten gr. 8. Pr. Jl 1. 80.

Der Vorbemerkung zufolge werden diese bereits ziemlich verbreiteten Harmonieaufgaben in den Conservalorien und Musikschulen von Berlin, Stuttgart, Wiirzbnrg, Darmstadt, Augsburg, Hamburg , Leipzig, New-York und anderswo als Unterrichtsmaterial verwandt und verdienen es auch vollständig, denn sie enthalten nicht nur ein für jeden Harmonieschüler nothwendiges Material, sondern dasselbe ist auch so geordnet, dass es bei sämmtlichen Harmonielehren gebraucht werden kann. Letzteres nämlich, dass die Uebungen nicht an ein bestimmtes System oder an ein einzelnes gedrucktes Lehrbuch gebunden sind — gefällt uns besonders, weil sie nun ohne Ausnahme von Jedem zu benutzen sind. Die erste Abtheilung lehrt die Verbindung der Accorde, die zweite giebt accordliche Analysen. Von Nr. 491 an sind die vierstimmigen Uebungen auf vier Linien mit den C-Schlüsseln ausgeschrieben , um die Schüler im Parliturlesen zu üben. Solche Uebungen sind ebenfalls unerlässlich für Alle, wess musikalischen oder musiktheoretischen Glaubens sie nun auch sein mögen. Das Büchlein kann daher systemlos genannt werden, und zwar im guten Sinne.

Ein Gleiches lässt sich einem ändern, aber bedeutend grösseren Lehrwerke nachrühmen, welches der Verfasser vor einiger Zeit erscheinen Hess. Wir meinen das Werk :

Ein Beitrag zum Studium der Techilk it» CUvIenpleb in 400 Uebungen von Emil krause. Op. 38. Hamburg, Job. Aug. Böhme. 4882. - In sechs Heften:

4. Heft: Hebungen mit festliegender Hand. Preis M 4,50. 1. - Uebungen zum Studium des leichten und ruhigen

Passagenspiels. Jl 1.

Uebungen zum Studium der Tonleitern, uf 4,50. l fliungen in Terzen etc. .M 0,50. Uebungen zurEinfiibrung in den gebundenen Styl.

ur»,*0. 6 - Uebungen zum Studium der gebrochenen Accorde.

UM. Complet 85 Seiten Folio, Preis 10 Jl.

Den Inhalt und die Ordnung des recht umfänglichen Opus haben wir hiermit genügend angedeutet. Dasselbe hat schon durch den Titel »ein Beitrag' etc. dem Irrlhum vorgebeugt, als ob hier ein vollständiger Cursus der Ciaviertechnik vorgelegt werden solle. Es sind vielmehr Hebungen, die dem fortgeschrittenen Ciavierspieler passendes Material zur Weilerbildung darbieten. Die verschiedenen Hefte oder Abtheilungen, in welche das Ganze zerlegt ist, sind nicht geradeswegs als eine Stufenfolge beabsichtigt, sondern können, wie der Autor in der »Vorbemerkung! »ngiebt, fast noch zweckmägsiger neben

  • o*

als nach einander geübt werden. Es ist eben Uebungsmaterial, was hier vorliegt, kein zusammenhängendes System; niu-.li in dieser Hinsicht ist-der Titel richtig gewählt. Der Werlh des Gebotenen, welches durchaus gediegen und planvoll gearbeitet ist, wird durch eine sojcbe Freiheit in der Benutzung wesentlich erhöht, weshalb wir auch mit einiger Zuversicht hoffen dürfen, dass Krause's »<00 Uebungen» eine weite Verbreitung finden werden. — Unter den der Musik vorgedrucklen Empfehlungen macht sich die des Herrn v. Bülow nicht nur durch hohes Lob, sondern auch durch einige Ausdrücke bemerklich, die dem Werke leicht schaden können. Derselbe meint, die »Collegen« werden* Krause's Werk nicht sehr willkommen beissen, da ihre »Bestrebungen auf diesem Gebieten durch dasselbe »in den Schalten gestellt, vermulhlich wohl auch verdrängt werden dürften' . Selbst wenn ein solcher Fall eintreten könnte, würde es thöricht sein , denselben anzukündigen und die »Collegen« dadurch sofort in Gegner zu verwandeln, denn von diesen Collegen and nicht etwa von der »clavierspielenden Welle im Allgemeinen hängt des Schicksal des Buches, soweit es sich um ein geschäftliches Unternehmen handelt, ausschliess- lich ab, da die »clavierspielende Welt« in pädagogischen Dingen urtheilslos ist und lediglich das übt, was die »Collegeot ihr vorsetzen. Die Annahme, dass die vorhandene gute pädagogische Ciavierliteratur der Collegen durch diese »Uebungen« ohne weiteres übertreffen werde und zu verdrängen sei, ist aber auch an sich unrichtig, was die Leser schon aus dem blossen Inhaltsverzeichnisse errathen können und hier durch ein kritisches Eingehen auf das vorhandene Material leicht xu «weisen wäre. Nicht an die Stelle des vorhandenen Guten, sondern .m die Seite desselben setzen sich Krause's Uebungea als eine vielfach wünscbenswerthe Ergänzung. Dies ist die Position, welche sie einzunehmen berechtigt sind. Es sollte uns freuen, wenn diese Zeilen etwas dazu beitrügen, dass Krause's 4 00 Uebungen eine ihrem inneren Wertlie entsprechende Verbreitung erlangen.

Theoretisch-praktische Flöteuehile nebst drei.Grifftabellen von K. Th. WehMrkau. Köln, P. J. Tonger. 2 Hefte ft> JF,

Eine neue Flolenscbule von dem Flötisten am Kölner Stadttheater, welche den Schüler von den ersten Elementen stufenweise bis zur ausgebildeten Meisterschaft hinanführt. Die Belebrungen und technischen Uebungen, welche löblicherweise den grössten Raum einnehmen, wechseln ab mit »Unterhaltungsstücken«, Liedern, Uperngesängen etc. Die letzteren entsprechen den eigentlichen Deoungen in den letzten Stadien nicht recht, da sie zu leicht sind ; man wünscht Musikstücke zu haben, in welchen die eingeübten technischen Schwierigkeiten eine praktisch-künstlerische Verwendung finden. Diese Lücke ist allerdings durcb die vorhandene Flöten-Literatur leicht auszufüllen. An sich, d. h. in ihrem unterrichtlicben Theile bietet die vorliegende Flötenschule einen vollständigen Lehrgang, der allen Schulbedürfnissen genügt und daher auch Jedem empfohlen werden kann.

vertuet zu den Jugendopern von W. A. nrt, für das Pianoforte zu zwei Händen bearbeitet von faul traf WtUenee. Nr. 1 —9. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Fol. Die neun früheslen Opern von der »Schuldigkeit des ersten Gebotes« an bis zur »Finta Giardiniera« sind hier als die eigentlichen Jugendopern bezeichnet. Wer dieselben kennt, weiss, dass sie voll sind von hübschen, wenn auch ungereiften musikalischen Gedanken. Die Gesänge werden dem grossen Publikum im Ganzen und in ihrer Originalgestalt verschlossen bleiben, denn sie sind in dem damaligen ausgearteten Virtuosenstil geschrieben, und dabei nicht immer gesangmässig gehalten. Aber dies hindert nicht, dass uns die Musik derselben zum

Theil in Arrangements für Ciavier oder andere Instrumente zugänglich gemacht wird, wozu sie sich meistens sehr gut eignet. Besonders sind auch die Ouvertüren ansprechend. Es war daher ein guter Gedanke, dieselben der weiten clavierspielenden Welt in einer angemessenen Bearbeitung zu übergeben, was Herr Paul Graf Waldersee mit Geschick ausgeführt bat.

Tri*mpii~3»rsch zu dem Trauerspiel »Tarpeja« von Kuffner von L. Tu BeeÜMTei, Arrangement für zwei Pianoforte zu acht Banden von Carl Burrhard. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. 2 uT.

Ein neues Arrangement von Herrn Burchard. Die blosse Anzeige wird denen, welche seine Geschicklichkeit aus den zahlreichen bisherigen Arbeiten kennen, genügen.

Tut», symphonische Dichtung für grosses Orchester von Frau Liut, für Piauoforte zu zwei Bänden von Tb, r»rrhhammiT. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. .M 3. 50.

Ob dieses das einzige zweihändige Arrangement des »Tasso« ist, welches bisher gedruckt wurde, können wir nicht sagen. Sollte das der Fall sein, so müssle man sich billig darüber wundern, weil das Opus schon etwa 30 Jahre all ist. Andererseits ist auch nicht wohl anzunehmen, dass die Verlagshandlung sich mit Duplicaten dieser Art selber Concurrenz machen werde. Wir lassen dies also auf sich beruhen' und sagen nur, was der Fall ist, nämlich dass die Forchbammer'sche Bearbeitung als sehr gelungen bezeichnet werden muss. Dieselbe ist-in der Thal nach dem Motto gearbeitet »Was gemacht werden kann, wird gemacht«. Sie bringt uns vielfach wieder zur Anschauung, dass Liszt kein echter Symphoniker ist, sondern nur ein Clavier- spieler, der das, was er auf diesem Instrumente zusammen pbantasirt, in die verschiedenen Orcheslerorgane hineinsteckt. Daher der vielfach ungenügende und oft unangenehme. Orchesterklang selbst an «olchen Stellen, von denen man nach dem Vortrage auf dem Ciavier etwas Besseres erwartet. Dieser neue Forchhammer'sche Ciavierauszug wird ohne Zweifel zur Verbreitung des Werkes beitragen. Aber eine wirkliche Einbürgerung desselben wird auch er nicht bewirken können, weil dem Original der musikalische Vollgehalt mangelt.

Dass die Ideenrichtung, welcher die moderne »symphonische Dichtung« ihren Ursprung verdankt, noch immer activ ist, beweist ein Opus, welches mit dem Tasso-Clavierauszug gleichzeitig die Presse verliess:

Elle faist-Fhaitaile fdr grosses Orchester componirt von KdauDd T*b Mlhaltrich. Leipzig, Breitkopf & Härtel. (1882.)

Partitur 53 Seiten Fol. Preis .H 8. 50. Vierhandiger Ciavierauszug vom Componisten Preis

iuT.

Nicht »symphonische Diclilung«, sondern Phantasie hat der Componist sein Werk betitelt. Es wird wohl daher kommen, dass dasselbe nur aus einem Satze besteht (wenn man es so nennen will), während jene »Dichtungen« in der Mehrsälzig- keit mit der alten Symphonieform im wesentlichen noch übereinstimmen. Nach dem Motto hat Mihalovich (in welchem man dem Namen nach einen Serben vermulhen möchte) sich das Unbefriedigtsein in Fausl's Wesen herausgesuchl und dieses durch sein musikalisches Phanlasiren auch insofern IretTend dargestellt, als der Hörer dadurch in eine Stimmung versetzt wird, welche ebenfalls bis zur Trostlosigkeit unbefriedigend ist. Um eine Ahnung von dem Ohrenschmaus zu erwecken, der hier auf die grosse Orchester-Tafel gebracht wird, wählen wir den kürzesten Weg und tbeilen die Anfangslakle (nach dem vierhändigen Ciavierauszug) mit. Die Phantasie beginnt fol- gendermaassen:

Heftig btwegt.

Prima.

Secondo.

(tb bassa,

0er Componist wiederholl die Anfangstakte sofort, um uns die Süssigkeit derselben so recht aus dem Vollen kosten zu lassen. Es wäre allerdings zu beklagen, wenn ein Tropfen davon ungenossen verloren ginge, was aber auch nicht zu befürchten ist, denn die hier zu Anfang vorgebrachten Figuren machen sich mit merkwürdiger Dreistigkeit immer aufs neue wieder geltend. Quinlengenuss in vollen Accorden, Dur wie Moll, ist hier also bereitet, wie wahrscheinlich in keinem zweiten musikalischen Scherze von ähnlichem Umfange. Wir sind deshalb auch ganz wohl damit einverstanden, wenn man daraas Veranlassung nimmt, dieser Faust-Phantasie einen hohen Rang anzuweisen, denn es will uns nicht wahrscheinlich vorkommen, dass ein Anderer auf die steilen und zerklüfteten Felgen der Kakophonie noch viel höber hinauf klimmen sollte. Unmöglich ist es allerdings nicht. Der Componist fängt, wie man gesehen hat, in irgend einer Nicht-Tonart an, aber er schliesst seine Phantasie doch noch in einer wirklichen Tonart, nämlich in C-dur. Es geschieh! dies zwar auf eine Weise, die des Anfangs würdig ist, mit vollständiger Verhunzung des Do- minanten-Accordes; aber immerhin wird in C-dur geschlossen. Warum überhaupt in einer bestimmten hergebrachten Tonart aufhören* Verdient das Ende so etwas vielleicht mehr, als der Anfang? Ist es nicht sogar direct gegen die poetische Idee, die eben das »JVicAtbefrindiglsein der tiefbewegten Brust« zum Inhalte hat? — Wie kann der Musiker es wagen, einen Solchen schliesslich mit dem Simpeln altfränkischen Accord abzuspeisen? würde dies doch bedeuten, dass Faost, wenn auch mit nichts in der Welt, so doch wenigstens mit Mihalovich's Cdur-Accord zufrieden zu stellen sei l was aber, wie gesagt, der poetischen Idee schnurstracks widerspricht. Auf diese schwache Stelle machen wir daher reformlustige Musikjünglinge aufmerksam; bier können sie mit neuen Faust-Phantasien erfolgreich einsetzen. Geläuterte musikalische Gedanken und schöne Melodien werden nicht erfordert. Es ist nur nölhig, dass man mit

der Dreistigkeit eines Knaben von demjenigen , was die Jahrhunderte an musikalischer Lehr- und Kunslweisheit aufgespeichert haben, eben das Werthvollste über Bord wirft und sich dann die Manieren.einer Tagesricblung aneignet. Nur keine Halbheiten l Tabula rasa gemacht, aber vollständig l Dies möchten wir schliesslich auch Herrn E. von Mihalovich noch zurufen.

lieber die junge Nonne von Schubert und la religieuse von Diderot.

(Nach dem Französischen des Herrn Blase de Bury.)

Man bat behauptet, der wahre Künstler gleiche jenem Hausvater im Evangelium , der seine Tafel bereitet, ohne darnach zu fragen, welche Gäste er haben, ja selbst ohne zu wissen, ob er welche haben werde, und ohne auf ihre Dankbarkeit zu rechnen. Hat er nicht bei sich selbst und in sich- seine vorausgesehene Entschädigung, den Gedanken, der über alles tröstet? Der eine schwärmt für Verse, der andere für die Malerei; ich kenne welche, die die Musik verrückt machen könnte und die an den Sonntagen im Winter zu Pasdeloup oder zu Colonne laufen, wie zur Frühlingszeit die Verliebten in die Wälder gehen, um dort zu träumen. Träumen ist wohl das richtige Wort; alle jene Programme können uns in der That nichts Neues lehren, alle jene Meisterwerke haben wir schon so oft gehört, dass wir sie nur noch sehr oberflächlich hören , wie man etwa Naturlaute vernimmt. Dabei setzt sich unsere Phantasie in Bewegung, sie arbeitet und es entstehen Luftbilder. Wie oft habe ich mir so beim Anhören von Mendelssohn's Ouvertüre die alte Fabel der »Melusine« vocerzählt! Erinnern wir uns am Anfang dieses Werkes jener leidenschaftlichen, gleich dem Geiuurmel einer Quelle empor sprudelnden Phrase, denken wir an die schaurig feuchten Klangeffecte, an jenes bis zur Wiederkehr des Hauptmotivs überall lautwerdende Rieseln, mit welchem die Oboe ihren schmerzlich zarten und ge- heimnissverkündenden Ton verbindet; die Nymphe ist Weib geworden, die Göttin hat von nun an ein Herz, um menschlich zu lieben und zu leiden. Wenn aber auch Mendelssobn's Repertoire an derartigen Themen — »Melusine«, »Sommernachls- traum«, »Walpurgisnacht» —, welche jeder nach seiner Phantasie variiren kann, überreich ist, so giebt es doch andere Meister, welche ihre Ideen in einem solchen Stil formuliren, dass man sich daran halten muss. Beethoven schreibt niemals über den Wolken ; er sagt uns die Empfindung, die ihn erfüllt, und auf eine Art, die man nicht missverstehen kann. Steht es auch jedem frei, ihn zu übersetzen oder zu commentiren, so wäre es doch verlorene Liebesmühe, weit von seinem Gegenstände abzuschweifen l Aeslhetisches bietet er so viel man will, Psychologisches bis zu unergründlichen Tiefen, doch nichts Phantastisches ! Bei Schubert ist das Gegenlheil der Fall: er lässt zahllose Auslegungen zu; Beethoven wendet sich nur an unseren Verstand, unsere Seele; Schubert lauert auf unsere Sinne und verlockt uns. Jedes seiner Gemälde offenbart unseren Augen neue Perspcctiven. Kein Componist hat in seine Kunst so verschiedene, wechselvolle Dinge hineingelegt; seine Musik ist gelriinkt mit Malerei und Belesenbeit. Er ist der modernste der Modernen. Aber das Alles bedarf des Nachweises.

I.

Victor Hugo hat die Ballade nicht erfunden, eben so wenig Schubert, und gleichwie wir in Frankreich unsere Dichter des 46. Jahrhunderts hatten, so halten auch die Deutschen ihre musikalische Plejade, welche von 4793 datirt, der Zeit, wo Bürger's »Leonore« entstand. Ich spreche hier von der Ballade, wie sie Schubert versteht, das heisst, von einer Art homogener Composition, welche mit dem wörtlichen Text ein organisches und architektonisches Ganze bildet, das in das Herz der Situalion eindringt und dieselbe illastrirt, glatt ganz einfach Befrains, Strophen und Couplets nach Art der früheren Lieder in einander zu reihen. Man ist stets irgend Jemands Sohn, und in jener speciellen Gattung, welche Schubert so hoch emporheben sollte, hatte auch er aeine Vorgänger. Johann Andre, Zumsleg, Tomaschek , Zelter (der Correspondent Goethe's), Reicbardt gingen ihm nicht ohne Ruhm voran , Andere sind ihm nachgefolgt. Lange glaubten wir, dass eine solche Aufgabe zu denjenigen gehöre, vor denen man sich hüten solle; indessen fordern uns doch manche Gründe dazu auf: zunächst unsere Lectüre, ferner so ^iele in Deutschland von Schriftstellern, welche mehr Aestheliker als Musikverständige sind, veröffentlichte Werke; Ambras, Rieb), Otto Jahn haben in uns den Geschmack an der Forschung erweckt. Wir wollten jene Vorgänger, deren Versuche uns berichtet worden waren , kennen lernen, und wenn wir unsererseits nun davon sprechen, so geschieht es erst, nachdem wir nichts versäumt haben, mit ihnen direct vertraut zu werden. Die Jetztzeit verlegt sich auf das Studium der Analogien: unsere verfeinertere und erregbarere Einbildungskraft träumt von Transpositionen einer Kunst in die ander«. Wir wollen allerdings etwas hören, aber vor Allem wollen wir etwas zum Nachdenken und zur Besprechung des für und wider, so wie nach allen Seiten; ich denke an einen Diderot, wie er sich mit seinem eindrucksvollen Naturell und mit seiner gebrochenen, zerstückelten Logik, der Coaversalion bemächtigt. Welche neuen Themen böte ihm diese musikalische Kunst, wenn er uns durch die Ideen in die harmonische Con- lextur einführend , davon spräche , wie er seine Zeitgenossen in das Gebiet der Farben eingeführt hat. Wenn die Musik ihre Grenzen gehabt hat, so dehnt sich gegenwärtig ihr Reich überall hin aus ; nichts was den Verstand berührt, nichts Menschliches bleibt ihr fremd. Sie, früher mit Haydn und Mozart die reine Stimme der Seelena Beete, wird mit Beethoven das Organ des Denkens, und, indem sie aufhört, in uns mehr oder weniger unbestimmte Empfindungen zu erwecken , concenlrirt sie jetzt das Streben ihrer Meditation auf bestimmte Gegenstände, welche sie sich aneignet und systematisch entwickelt. Lassen wir nur den Horizont sich erweitern, so wird bald die Musik dasjenige ausdrücken wollen, was das Wort wiederzugeben allein berufen schien ; man denke an Berlioz und die Symphonie »Romeo und Julien, eine von der Bühne in das Orchester herab- gesliegene Tragödie. Es möchte noch angeben, wenn es sich nur darum handelte, uns den Seelenzustand der beiden Liebenden, ihre Leidenschaft, ihren Liebesrausch und ihr Unglück zu malen. Doch nein, es ist das ganz vollständige Drama, das sieb vor unseren Augen Scene für Scene ohne Worte entrollt; der Streit der Domestiken beim Aufziehen des Vorhanges, das friedliche Dazwischentreten des Fürsten, der Ball bei den Ca- pulets, und das alles prachtvoll, imposant, hinreissend und von gleichzeitig musikalischem wie dramatischem Interesse, ein Delacroix für grosses Orchester, wozu einfach irgend ein Shakespeare das Programm geschrieben habe. Versuche man nun noch diese Transpositionen von einer Kunst in die andere, die eines Tages die Signatur unserer Epoche sein werden und worüber die Zukunft mit uns abrechnen wird, zu tadeln. Ich argwöhne einigermaassen, mit welchem Namen die Pedanten der gegenwärtigen Stunde diese Kunst bezeichnen werden; sie werden uns beweisen, dass es Alexaodrinismus sei. Nun wohl! was weiter? Hat man uns nicht auch erzählt, dass Goethe ein Alexandriner war? Desto besser für die Alexandriner l

Die Maler stellen uns die Musen nicht'einzeln dar, sondern sich göttlich umschlingend in Gruppen. So wollen die Künste verstanden sein, jede ihre individuelle Form, ihren Parlicularis- mus bewahrend und alle sich zu vereinig«n.und zu 'Verschmel

zen strebend in der Idee mittels einer Atmwphfere, für welche die Poesie den leuchtenden Aelher bietet, was, ich wiederhole es, die Poesie nicht hindert, im recfctea Moment eine rein persönliche Kunst zu sein, gleichwie die Philosophie zu einer geschlossenen Wissenschaft wird und ihre Selbständigkeit wieder findet, nachdem sie allen Wissenscliaflp.il als fundamentale Basis gedient hat.

In Hinsicht auf Analogie, Relation, Gegenseitigkeit haben die Romantiker, ich gebe es zu, des Paradoxen oft zu viel geleistet ; aber derjenige, der einst die Architektur eine in den Zustand der Erstarrung geralhene Musik, und die Musik eine flüssig gewordene Architektur nannte, Schlegel, hat in diesem Falle sicherlich nicht blos mit Antithesen Jongleurkünste getrieben.

Können wir die Beziehungen laagnen, welche zwischen den tiefsinnigen und phantastischen Combinalionen, der Symmetrie, den Ranken und Verschlingungen des Stils von Sebastian Bach und einer golhischen Kathedrale bestehen? Eine Symphonie von Mozart hat allerdings weder Thüren noch Fenster; man sucht in ihr vergebens nach Triglyphen oder Metopen, und was auch Auber sagen mag, welcher wollte, dass das Paradies aus C-dur gehl, so hat uns doch bisher niemand enthn'IK, in welcher Tonart die Kathedrale von Paris steht. Studire man aber nur genau das unabänderliche Gesetz einer Symphonie bei Haydn, Mozart und Beethoven; gebe man sich Rechenschaft von den Theilen, betrachte man die abstracte Form : Andante, Scherzo, Rondo und sehe man zu, ob nicht das alles den Prin- cipien einer gewissen monumentalen Canslruction entspricht. Wenn ich einem Musiker von der Inlroduction , vom Neben- thema spreche, so weiss er sofort, auf welches Stadium dtf Stückes ich anspiele, gleich einem Architekten, zu dem ich vom Vestibül, vom Giebel oder von den Arcbitraven rede. Man würde sich täuschen, wenn man glaubte, dass die Musik eine Kunst zu,m blossen Vergnügen sei und dass sie ihren Beruf erfüllt habe, wenn sie uns während ein paar Stunden eine Reihe ebenso reizender als -willkürlich an einander gefügter Xakte vorführte. Vervielfältigte Arabesken geben kein Gemälde ; die Ouvertüren zur »Stummen«, zu <iZ»mpa« sind schöne Stücke; warum aber sehen wir sie nicht unier den Meisterwerken auf den Programmen des Conservatoires figuriren ? Weil ihnen da« architektonische Element, die organische Kraft der Symmetrie und Harmonie fehlt, deren Stempel die Ouvertüren von Beethoven an sich tragen. Bei Sebastian Bach eine rein architektonische Kunst, hei Haydn und Mozart die Kunst des sentimentalen Ausdrucks, wird die Musik später, Dank dem von Rousseau, Shakespeare und Goethe auf den Autor des Fidel io, der Sonaten und Symphonien geübten Einflüsse zu ainer Kunst des reinen Denkens, die sich bei Franz Schubert zum Pittoresken wendete. Ut pictura poesis, sagt Horaz ; ut pictura ei poesis musica , sagt Schubert, Musik der Seele , Musik des Geistes, Musik des geschriebenen und gesungenen Wortes.

Ich habe die »Leonore« von Bürger eil n l ; Goetbe's Lieder tragen gleichfalls dazu bei, die Atmosphäre von der Arielta, der Canzone und all den ewigen Gemeinplätzen des italienischen Rococo zu reinigen. So lange die Periode des Contrapunktes des »niedlichen Waldvögeleins« dauerte, hat niemand daran gedacht, von der Musik etwas anderes zu verlangen, als Musik. Die ersten, noch im Stil Haydn's und Mozart's geschriebenen Werke Beelhoven's zeigen uns dieselbe Absichlalosigkeil in Hinsicht auf irgend ein aussermusikalisches Element. Wir schreiten darin von Melodie zu Melodie, vi« in einem Gatten; wir bewundern die Schönheit der Blumen, wir athmen mit Wonne deren Duft, und das ist alles. Allein Beethoven hatte seine bestimmte Idee im Kopfe, welche schon in der Sonate palhettque durchzubrechen beginnt und die uns die Sonate in C-rdur offen «enthüllt, welche, wie der Musiker selbst sagt, daau bestimmt ist, uns den Seelenzusland eine» Melaacboltkcn ror- zufübren, der kein anderer als Beethoven seihst ist. Wien war gegen Ende des (g. Jahrhunderts für die Musik das, was Weimar für die Literatur war, und das Interessante dieser Gegenüberstellung wird noch erhöht, wenn man sich die Einigung dieser beiden Musen vorstellt, welche sich unter den Auspicien Goethe's und Beelhoven's vollzog. Die Parole war gegeben, die Stunde der musikalischen Poeten, nenne man sie wie man wolle, hatte geschlagen: Mendelssohn, Chopin, Schumann, Schubert etc. Sie bilden einen originellen, ganz modernen Cy- klus, durch sie ist die Literatur in die Tonkunst eingedrungen, die Note und das Wort verbrüdern sich. An die Stelle der blumenreichen Idyllen tritt das Drama und die Leidenschaft: »Der Erlkönig«, »Gretchen am Spinnrade«, »Die junge Nonne«. Ich versprach die Anfänge zu studiren; sehen wir nach den Vorläufern.

Was Bürger anlangt, so kennt man ihn eben so gut in Frankreich wie in Deutschland, wäre es auch nur wegen seiner »Leonore«, diesem ewigen Typus aller phantastischen Balladen, ohne welche vielleicht Victor Hugo seine Fiancee du timbalier, und Dumas den Sire de Giac nicht geschrieben hätte. Was die Componisten anlangt, deren Genie zu allen Zeilen sich an der Ballade von Bürger versucht bat, so sind dieselben nicht zu zählen. Zumsteeg war der «rst«, welcher den populären Poesien dramatische Färbung gab, nachdem sie bis dahin Strophe für Strophe in der Spinnstube wie eine Litanei mit Begleitung der schnurrenden Räder und der sich drehenden Spindeln gesungen worden waren. Seine »Leonore« behauptet in diesem Sinne ein historisches Interesse, während diejenige von Tomaschek, obwohl bedeutender, vergessen ist. Als Zumsteeg starb, hatten die Herausgeber nichts Eiligeres zu thun, als seine Werke zu veröffentlichen, und es giebt deren viele von sehr verschiedenem Werthe, Mittelmäsiiges und Schlechtes neben Ausgezeichnetem. Man durchgeht ein Stück und bedauert die fünf Minuten, die man darauf verwendet hat; man dreht das Blatt um und ist überrascht, einen wahrhaft glücklichen Fund zu machen l Zumsteeg und Tomaschek hatten zu Nachfolgern [1] in dieser Composilionsgatlung Zelter und Reicbardt, zwei Namen, welche durch das Patronat Goethe's und seine Correspondenz in einiges Renomm£ gekommen sind. Allerdings beweist Goethe's Ansicht in diesem Punkte nicht viel. Schrieb ja doch der Autor des »Faust« an Zeller, als er ihn beglückwünschen wollte: »Ich hätte nie gedacht, dass die Musik fähig wäre, so leidenschaftliche Accente auszudrücken,« und Goethe sagte das zu der Zeit, als Mozart eben die »Entführung aus dem Serail«, »Don Juan« und die »Zauberflöte« schuf l Welche Autorität kann man Urlheilen solcher Art beimessen? Es wäre richtiger gewesen, Zelter wegen seiner Schriften ein Compliment zu machen. Seine Briefe an Goethe enthalten in der Thal mehr interessante Betrachtungen, Kritiken und sinnreiche Punkte, als seine Partituren gute Musik. Ich verweise in dieser Hinsicht auf eine Stelle dieser Correspondenz, wo Zelter, indem er verschiedene pittoreske Eindrücke aufzählt, dem Dichter die Analogien auseinander setzt, welche sich einem Musiker zwischen der römischen Campagna mit dem ruhigen Horizonte des Sa- binergebirges und dem Stil von Palestrina sowie seiner Zeitgenossen aufdringen , gleichwie Alessandro Scarlatli und Per- golese an die Sonne und die Gärten von Neapel, die Musik der Venetianer dagegen an die marmorne Architektur und die Romantik der Lagunen gemahnen, (n gleicher Weise würde die Musik von Zeller in uns den Gedanken an eine jener sandigen Ebnen erwecken, welche Berlin umgeben, die nie durch eine muntere Quelle oder durch den Gesang einer Nachtigall belebt werden. Aber Goethe, der sich überhaupt nicht darauf verstand, hatte ohne Zweifel seinen guten Grund , vor Allem an Zelters Musik Geschmack zu finden und diesen Musiker, der

seiner Poesie nur ein unbedeutendes musikalisches Minimum hinzugefügt hat, einem Mozart vorzuziehen. *)

Die »Leonore« von Zumsteeg erschien im Jabre 4793, si« folgte unmittelbar auf jeue vou Johann Andre und ging «ler von Tomaschek voraus. Die erste war noch nach der Manier der guten allen Zeit behandelt und erinnert um an deo Stil von Graun. Die zweite trägt die Physiognomie der Mozart'schen Epoche; und die letzte nähert sich schon Beethoven; sie ist eine Opernparlitur m der ganzen Bedeutung dus Wortes, o4er vielmehr eine derjenigen Opernmetastasen, wie sie heutzutage solche Musiker lieben, denen weder ein Librettist noch eine Bühne zu Gebote steht. Man muss sich ein» Ballade mit Arien, Ensemblestücken und Finales vorstellen. Die »Leonore« von Zumsteeg hat weniger Tiefa und Pathetisches, aber dagegen mehr Charakter. Es handelt sich dabei nicht um eine Oper in parti- bus. Der Ton der Gattung ist festgehalten, die nächtliche und phantastische Seite des Gegenstandes ist so gut wiedergegeben, dass das Entsetzen uns nicht lostässt; wir fühlen, dass der Componist an seine Gespenster glaubt, sie vom Grund aus kennt und mit ihnen auf vertrautem Fusse lebt. Der tolle Ritt der Liebenden während des entfesselten Gewitters mit den sie begleitenden Scbreckblldern : der unheimliche Leichenzug, der Tanz um den Galgen,'das Hurra, Hurra, Hussa, Hop, Hop, Hop, die Stimmen in der Höhe und in der Tiefe, die unter dem sausenden Galopp donnernden Brücken, das in seinen Angeln knirschende Gitterthor, das Versinken des Reiters mit seinem Rosse, alles das ist bilderreich, leidenschaftlich und voll übernatürlichem Grauen dargestellt. Alle haben übrigens gewissenhaft den Sinn und die Farbe des Textes sich angeeignet, und wenn je irgend eine Treulosigkeit untergelaufen ist, so kann man diese nicht der Musik, sondern nur der Maler«) vorwtr- fen. Wie lässt sich, nun Beispiel, begreifen, dass Ary Scheffer diesen Gegenstand in die Zelt der Krenzzüge verlegt und dabei dem Luxus der CoslGme, dar Entfaltung der mlse en seine die Grundidee und die bewunderungswürdige Originalität der Con- ception des Dichters geopfert bat? Heine hat sich diesfalls nicht getäuscht: »Das Heer der Kreuzfahrer liebt vorüber, und die arme Leonore findet unter demselben ihren Bräutigam nicht, es herrscht in diesem ganzen Gemälde >*ine süsse und beinahe heitere Melancholie; nichts lässl die schreckliche Erscheinung der kommenden Nacht voraussehen.« Bürger's Leooore lebt in der Periode des Protestantismus und der kritischen Forschung; ihr Geliebter ist ausgezogen, um für Voltaires Freund ein Stück von Schlesien zu erobern ; es war die Zeit des Zweifeins und der Gotteslästerungen. Scbeßer's Leonore lebt Im Gegentbeil in einer ganz katholischen Keil; sie lästert nicht die Gottheit, und der abgeschiedene Reiter kommt nicht, sie zu entführen. Ihr Haupt senkt sich auf die Schulter ihrer Mutler, wie der Kelch einer kranken Blume, während ein Ritter von seinem Schlachlross« ihr mitleidvolle Blicke zusendet. Die Blume wird verwelken, aber sie wird nicht fluchen. Es ist eine sanfte Com- position, welche die Geister des Hasses und der Rache verscheucht und ferne hält, ein ganz harmonisches Gemälde , bei dem in der Musik der Farben die beruhigendste Einheit herrscht, was indessen zu gleicher Zeil der blilhendsle Unsinn ist. (Forlselzung folgt.)

  • ) Auf den Autor laset sich dasselbe anwenden, was er von Goethe sagt: »Welche AutoriUt kann man Urtbeilen solcher Art beimessen'.'« Wie schief und unrichtig diese leider weit verbreiteten Ansichten über Goethe's musikalisches Urtbeil sind, werden wir in einem besonderen Artikel auseinander selzeu. l> Red.

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No. 4. Die Schuldigkeit des ersten Gebotes. 75 ty. — 1. Apollo et Hyacintbus. 75 .>/ — ». Baslien und Bastienne. 50 tijr. — 4. La linla semplice. .* 4,15. — 7. II Sogno di Scipione. Jl 4,—. — t. La linta Giardiniera. Jt 4,50. Rainecke, Carl, Op. 469. Suite (Preludio, Andante con Variation!,

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3. Tristan und Isolde's Liebesduett. 0 sink* hernieder, Nacht der Liebe. 75 .>"</.

- 4. Tristan't Frage an Isolde. 0 König, das kann ich J

dir nicht sagen. l -- j>

- S. Isolde's Antwort an Trittan. Als für ein fremdes l '"T-

Land der Freund sie einstens warb. l

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 11. October 1882.

Nr. 41.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Musikalische Schriften von Franz Liszt. — Compositionen für Violoncell von JuKus Klengel (Op. 4: Suite, Op. l: Drei Stucke, Op. 3: Capriccio, Op. 4: Concert). — Heber >d(e junge Nonne» von Schubert und »la religieuse« von Diderot. (Fortsetzung.) — Aus Rotterdam. — berichte (Leipzig). — Aufruf, verlorene Autographen von Mozart betreffend. — Berichtigung. — Anzeiger.

Musikalische Schriften von Franz Liszt.

M Bobfinii-ns tt 4« leir Mulqie tu Honiric. Nouvelle editioD. Leipzig, Breitkopf et Haertel. 4884. gr. 8. 538 Seiten.

t. Chtpi» par Fr. Llut Nouvetle edition. Leipzig, Breitkopf et Haertel. 1879. gr. 8. 312 Seiten.

Fr. l'htpin von Fr. Llut. Frei ins Deutsche übertragen von La lara. Leipzig, Bfeitkopf & Harte!. 4880. gr. 8. 215 Seiten. (Gesammelte Schriften, erster Rand.)

Eswjn und ReUebriefe eiies BaeeaJaireas 4er TmkiMt von Fr. Llut In das Deutsche übertragen von L. Kimm*. Leipzig, Breitkopf & Hartel. 1881. gr. 8. 261 Seiten. (Gesammelte Schriften, zweiter Band.)

Dramaturgische Blätter. Erste Abtheilung: Esujs über uikalisehe Bnhieiwerke »4 Bihieifragei, (onponi^tcn nd BinteUer von Frau Lisjt. In das Deutsche übertragen von L. Rimann. Leipzig, Breitkopf & Hartel. 4884. gr.8. 166 Seiten. (Gesammelte Schriften, erste Hälfte des dritten Bandes.)

Die genannte grosse Verlagshandlung publicirle unlängst den ersten Band einer Biographie von Liszt, welcher hier auch bereits ausführlicher zur Anzeige gekommen ist. Diesem biographischen , von einer Dame und auch durchgehends nach Damenart zusammen geschriebenen Werke*) folgt zugleich als

  • ) Eine kleine Probe davon möge hier noch stehen, Man höre die Gründe, warum Liszt wesensverwandt ist mit Beethoven, aber sich eigentlich noch hoher hebt: »Seine Individualität tragt nicht die Grundziige der französischen Romantiker, aber die wesentlichen Momente, welche Beethoven zu einer Erscheinung modernen Geistes stempeln, zeigen sich untrüglich schon in seinen Jünglingsjahren. Listl's Wesen wurzelt wie das Beethoven's im Gefühl; von Kindheit an gleicht es einer lyrischen, höher and höher steigenden Flamme. Sodann bei Liat schon in den ersten Jttnglingsjabren jener grosso nach dem Universellen strebende Zug der Ideenwelt, wie er bei Betthoren erst in dessen Reifezeit auftrat — man denke an den Entwarf der Juli-Symphonie des neunzehnjährigen Junglings und vergleiche ihn mit dem Inhalt der neunten Symphonie l — ; bei Lisit ferner dis tiefe der Menschheit zugewendete Gefühl, das auch den deutschen Meisler so gewaltig ergriffen ; bei !.:t endlich, aber ausgeprägter und entschiedener als bei Beethoven, die Hingabe an das religiöse Element, dieser weite, nach Objecliviut über Erde und Weit hinausslrebende Flug des Gedankens und der Empfindung l Das sind Geisteseigenschaften« u. s. w. (S. 10«.) Beethoven muss viele Verwandle besitzen, wenn alle dazu gehören, deren Wesen im Gefühl« wurzelt. Beethoven strebte zur Höhe in der »Reifezeit*, Liszt erklomm dieselbe Höhe schon mit 4t Jahren. Offenbar ist das ein Vorzug vor Beethoven, aber doch nnr ein solcher, wie ihn jeder Con- servatorist besitzt. Schreibt der Letztere eine SmoU-Symphonie — XVII.

zweite Serie eine Ausgabe der von dem vielseitigen Autor ver- fassten Schriften, thells im Neudruck des französischen Originals, Iheils in deutscher Debersetzung. Bei der letzteren ist dieselbe Dame thätig, welche die soeben erwähnte Biographie unternommen bat (Luise Ramano), und ein anderes, ähnlich conslituirtes weibliches Wesen (La Mars) unterstützt sie. Diese deutsche Ausgabe soll sämmtliche literarische Hervorbringungen des berühmten Musikers vereinigen, deshalb erscheint dieselbe als Gesammelte Schriften in einer Reibe von Bänden. Das bereits Veröffentlichte gebt bis in den dritten Band. Die ganze Sammlung ist der Ankündigung zufolge auf sec h s Bände berechnet, von denen Band IV die Schriften über oder für Wagner's Opern, Band V verschiedene Aufsätze aus der Wei- mar'schen Zeit (I8ig—1X60) , und Band VI als der Schluss die oben verzeichnete, in neuer französischer Edition erschienene Abhandlung über die Musik der Zigeuner enthalten soll.

Das ziemlich umfängliche Werk über die Zigeuner in Ungarn wurde ebenfalls in Weimar geschrieben und dort am 1. April l 859 beendet, wie denn während Liszt's Kapellmeisterthälig- keit zu Weimar die meisten dieser Schriften verfasst sind. lieber jedes Werk, welches er neu einüble, über bedeutende Künstler, welche dort auftraten oder sonstwie mit ihm in Berührung kamen, schrieb er unmittelbar darauf seine Gedanken nieder. Die Frische des unmittelbaren Eindruckes ist deshalb allen diesen Kundgebungen unverkennbar aufgeprägt. Die bis jetzt publicirle erste Hälfte des dritten Bandes enthält folgende' Autsatze: Orpheus von Gluok (ISSi). Beethoven's Fidelio (1854). Weber'« Buryanthe (<8Si). Ueber Beelhoven's Musik zu Egmont (<854). Ueber Mendelssohn'» Musik zum Sommernachtstraum (1854). Scribe's und Meyerbeer's Robert der Teufel (1864). Schubert's Alton* und Bslrella (1854). Die Stumme von Portici von Auber (1854). Bellini's Monlecchi e Capuletti (1854). Boieldieu's Weisse Dame (1864). Donizelti's Favoritin (4 864). Pauline Viardot-Garcia (1859). Keine Zwischen- acts-Musik! (1855). Mozart; bei Gelegenheil seiner lOOjüh- rigen Feier in Wien (1856). Die beschriebenen Zahle» bezeichnen das Jahr der Entstehung der Aufsalze. Man ersieht hieraus die ganz besondere Fruchtbarkeit des Jahres l 854. — Am Schlüsse der Erörterung über Mendelssohn'* Musik zum Sommeraachlstraum S. 46 polemisirt er auch ein wenig gegen Gervinus, welcher in seinem Werke über Shakespeare von dieser modernen musikalischen Zulhat nicht viel wissen will. Liszt meint aber, der verdiente Beifall, welcher dieser Musik

(soeben hörten wir noch wieder von einer solchen) — una plante Liszt neunzehnjährig eine Juli-Symphonie, so waren bei Beide« die langen Haare das Einzige, was sie dazu berechtigte.

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überall zu Theil werde, möge »»1s ein schlagender Gegenbeweis« gegen einen solchen Tadel dienen, und ferner habe Mendelssohn's Musik das Verdienst, »eine der schönsten Blüten aus dem Strauss, welcher Shakespeare'* Scepter uuibliüu«, dem Publikum erst so zugänglich gemacht zu haben, »um sie als stehende Vorstellung des Repertoires fön und fort frisch zu erhalten.i (S. 11.) Aber wenn »Beifall» und dergleichen schon ein genügender, sogar ein niederschlagender Gegenbeweis wäre, so verlohnte es sich überhaupt nicht der Hübe, sachliche Erörterungen anzustellen. In Zeiten, wo die musikalische Bewegung die dramatisch-poetische überwiegt — und zu diesen Zeiten darf man unzweifelhaft auch unsere Gegenwart rechnen — sind die Erzeugnisse grosser Bühnendichter stets der Gefahr ausgesetzt, von Musik überfluthet zu werden, namentlich solche Prodncte ihrer Muse, die nach der einen oder ändern Seite bin den Bühnenraum überspringen, wie Sommernachtstraum, Faust, Wintermärchen Und ähnliche dramatische oder dramaliscb- epiache Dichtungen. Die Musik ist unzweifelhaft in ihren Recht, wenn sie das, was ihr an poetischen Werken in der einen oder anderen Beziehung passt, zu behandeln, also für ihre Zwecke lediglich als Material zu benutzen sucht. Hält man diesen Standpunkt fest, so ist ihr niuhl heizukommen, denn jede Kunst sorgt zunächst für sich selber und betrachtet alles Vorliegende lediglich als Stoff. So hat Shakespeare in Troilus und Cressida Homer's Gedichte, so im Cäsar römische Autoren bebandelt; ebenso sind zwei grosse Werke von Handel (Samson und Al- legro) dadurch um nichts kleiner oder kurzlebiger geworden, dass sie ihre Texte nur durch die Zerstörung von zwei herrlichen Dichtungen Milton's gewonnen haben. Aber wenn man, wie Liszt hier thut, die Berechtigung darin sucht, dass unsere Zeü immer mehr darauf ausgehe, »hervorragende Musik und hervorragende Dichtung zu vereinigen«, so wird eben damit der Kritik die allerschwächsle Seite zugekehrt,-denn dann prüft man die angeblich pietätvolle Behandlung, welche die vorhandene Dichtung durch die neue Musik erfahren-haben soll, und hierbei muss die Musik stets verlieren. Ein wahrhaft grosses Gedicht kann niemals zwei Seelen haben, kann nicht poetisch und zugleich poetisch-musikalisch sein; jt bedeutender es ist, destomehr wird es in der Darstellung rein poetischer Tendenzen Sinn und Zusammenbang haben. Hierüber wird unter allen einsichtigen Erklärern nur eine Meinung herrschen. Insofern bleibt die Kritik von Gervinus bestehen; er versah es nur darin, dass er heftig gegen eine bestimmte einzelne Musik polemisirte, und dadurch die Meinung veranlasste, als ob eine andere, mehr einfache Composition zur Begleitung dieser Dichtung passender sein würde, — während er ruhig als allgemeinen Grundsalz hätte aussprechen sollen, dass eine »pietätvolle« Musik ein Unding und deshalb auch eine solche Vereidigung »hervorragender Musik und hervorragender Dichtung« eine Unmöglichkeit ist. Es bringt durchweg mehr Schaden als Nutzen, wenn die Kritik mit dem Besen in der Hand vorgeht. Producle wie Mendels- sohn's Elfenmusik und ähnliche sind viel zu sehr aus einer allgemein herrschenden Stimmung der Zeit geschöpft, als dass man sie durch einige tadelnde Bemerkungen beseitigen könnte, oder sie dadurch zu beseitigen nur den Wunsch hegen dürfte. Denn es treten durch sie neue Seiten der Kunst hervor, die, wie geringwertig sie auch im Vergleiche mit anderer Musik sein mögen, doch unzweifelhaft neben derselben vollberechtigt erscheinen. Dagegen kann ihre Berechtigung niemals darin liegen, dass sie ein bestimmtes Werk der Dichtung — in diesem Falle den Sommernachtstraum — für uns »fort und fort frisch« erbalten, denn diese Frische wird aufhören und diese Verbindung wird sich lösen, sobald die betreffende musikalische Richtung an ihren Wendepunkt gelangt. Man muss nur nicht glauben, dass so etwas in einem Zeitraum von sechs Monaten vor sich gehen könne. Liszt's feines Gefühl für die in

der Gegenwart tonangebende Musikweise zeigt sich vielmehr auch darin , dass er Mendelssohn's Sommemachtslraum-Musik »den immer grössere Bedeutung gewinnenden Versuchen« dieser Art anreiht. Haben wir doch seither eine ganze Reihe solcher Versuche zu verzeichnen gehabt, bei denen man allerdings mit dem- blossen guten Willen, zu einer hervorragenden Dichtung auch eine hervorragende Musik zuschreiben, vorlieb nehmen musste; und macht doch eben jetzt wieder eine sogenannte Paust-Trilogie mit Musik die deutschen Lande unsicher. Diese Faust-Trilogie bestätigt abermals, dass solche Verbindungen von Dichtung und Musik keine wirkliche Ehe zu Stande bringen , denn wie vor fünfzig Jahren eine andere Musik dem »Faust« zu entsprechen schien, so wird die Zukunft ihren veränderten Neigungen und Auffassungsweisen ebenfalls wieder in neuen Compositionen zu genügen suchen, ohne dass zu einer dauernden Vereinigung der grossen Dichtung mit einer bestimmtet Musik jemals Aussicht wäre. Deber diesen Punkt. sollte rna* eigentlich nicht mehr streiten.

Der zweite Band der gesammelten Schriften enthält Jugendwerke, Aufsätze und Briefe von 4834—1840. Warum diese Jahre als »Sturm- und Drangperiode« roll) angestrichen sind, ist uns nicht klar geworden, denn die betreffenden Schriftstücke finden wir ziemlich zahm und ohne einen weiteren Ge- sammtinhalt als den, der sich bei den Kundgebungen eines bestimmten Autors von selbst versteht. Liszt hatte in seinen jüngeren Jahren schon jenes vielseitige geistige Interesse und Aufmerken auf Alles, was die Gegenwart bewegt, welches ihm lebenslang eigen geblieben ist; aber grosse geistige Klarbeil ist ihm als Schriftsteller nicht nachzurühmen. Das bilderreiche Helldunkel seiner Sprache muss für Frauen anziehender sein, als für Männer, denn es gestattet dem Leser sich alles Mögliche dabei zu denken, indem es ihn zugleich von dem Zwange befreit , sich mit unerbittlicher Consequenz etwas Bestimmtes denken zu müssen, Daraus erklärt sich auch wohl, dass es Damen sind, die wir in der nächsten Umgebung des Schriftstellers Liszt erblicken. Der genannte zweite Band enthält folgende Aufsätze: Zur Stellung der Künstler (6 Artikel). Ueber zukünftige Kirchenmusik (nur ein kurzes Fragment, doch ist auch schon gegen Ende der vorigen Artikel von Kirchenmusik, ihrem Verfall und ihrer Hebung, die Rede ; siehe unten. Ueber Volksausgaben bedeutender Werke. Ueber die Hugenotten von Meyerbeer. (Ein Fragment, mit welchem der spätere Artikel über Robert den Teufel im dritten Bande lehrreich zu vergleichen ist.) Herrn Tbalberg's »Grandes Fantaisies« Op. SS und »Caprices« Op. 15 und 19. An Herrn Professor Fätis. (Beide Artikel gehören zusammen, und der Vollständigkeit wegen ist auch die Antwort von Fetis auf Liset's Thalberg-Krilik beigegeben, auf welche dann Liszt's Gegenantwort erfolgte. Hiermit hat man die wesentlichen Documente zusammen über einen Streit, der damals als ein Kampf der beiden bedeutendsten Pianisten besonderes Aufsehen erregte.) Compositionen für Ciavier von Robert Schumann. Paganini. (Ein kleiner Nekrolog.) — Die zweite und grössere Hälfte des Bandes nehmen die Briefe ein, die gerichtet sind Nr. l—3 an George Sand, Nr. 4 an A. Piclet, Nr. 5—6 an L. de Bonchaud, Nr. 7 und 40 an M. Schlesinger, Nr. 8 an Lambert Massart, Nr. 9 an Heinr. Heine, Nr. 44 an d'Ortigue, Nr. 4S an H. Berlioz. Die Aufsätze beschäftigen sich vielfach mit Reformfragen in der Musik. Das Julikönigthum zerstörte zwar manches Besiebende, erweckte aber zugleich Hoffnungen und nahm auch mancherlei Anläufe zur Abstellung alter Missbräuche. Die Ansprüche der Künstler in der damaligen hochromantischen Zeit waren bedeutend gestiegen und machten sich in abenteuerlichen l'ro- jecten Luft. Vieles davon hat nur noch als Curiosilät Werth, Einiges dagegen ist von grösserer Bedeutung, weil es mit der späteren Entwicklung zusammenhängt.

Dahin gehört auch wohl das, was Liszt in jenen Jahren über Kirchenmusik äusserte. Am Schluss des S.Artikels »Zur Stellung der Künstler» kommt er auf diesen Gegenstand, um ihn mit den düstersten Farben zu zeichnen. »Kirchenmusik ! ... Doch wir wissen nicht mehr was das ist: die grossen Offenbarungen eines Palestrina, eines Händel, eines Murcello, Haydn, Mozart leben kaum in Bibliotheken. Nirgends erheben sich diese Meisterwerke, um den Staub abzuschütteln , der sie begräbt, nirgends wird ihr Wort Fleuch, sei es, um Schrecken und Staunen zu erwecken, sei es, um die vor dem Allerheiligsten sich beugende Schaar mit göttlichem Zauber zu tränken. Nicht, dass sie vergessen, dass sie verachtet wären — nein ' Ihr Schweigen hat einen ernsteren, tieferen Grund. Wir wissen nicht mehr, wen es um eine Kirchenmusik ist — und wie könnte es anders sein?« (S. 48 — 49.) Die Bestimmung der »katholischen Kirche« (von einer ändern ist nicht die Rede) scheint denn auch zu sein , »erschöpft und verlassen unterzugehen». Der Autor ist über diesen Punkt inzwischen gewiss anderer Meinung geworden, sonst würde er wohl nicht selber die Weihen nachgesucht haben. Seine Hoffnung, eine neue Musik entstehen zu sehen, deutet ebenfalls darauf hin. Hören wir nun mit Liszt's eignen Worten, wie er sich die Neubelebung der Musik und damit namentlich die Verjüngung der Kirchenmusik vorstellt. Der Kernpunkt dieses überaus merkwürdigen Programmes lautet: »Wie sonst, ja mehr als sonst muss die Musik Volk und Gott als ihre Lebensquelle erkennen, muss sie von einem zum ändern eilen, den Menschen veredeln, trösten, läutern und die Gottheit segnen und preisen. Um dieses zu erreichen, ist das Hervorrufen einer neuen Musik unumgänglich. Die Musik, die wir in Ermangelungeiner anderen Bezeichnung die humanistische (humanitaire) taufen möchten, sei weihevoll, stark und wirksam, sie vereinige in colossalen Verhältnissen Theater und Kirche, sie sei zugleich dramatisch und beilig, prachlenlfaltend und einfach, feierlich und ernst, feurig und ungezügelt, stürmisch und ruhevoll, klar und innig. Die Marseillaise, dia uns mehr als alle sagenhaften Erzählungen der Hindus, Chinesen und Griechen die Macht der Musik bewiesen, die Marseillaise und die schönen Freiheitsgesänge sind die furchtbar prächtigen Vorläufer dieser Musik.« (S. 56.) Mehr wollen wir hiervon nicht ciliren , um den Leser nicht schwindelig zu machen. Sollte aber Jemand Verlangen tragen, durch solchen verwegenen und, wie die spätere musikalische Entwicklung gelehrt hat, gefährlichen Bombast sich ein Mühlrad im Kopf herumgehen zu lassen, der lese das Ganze im Zusammenhange; es sind nur wenige Blätter. Auf Widersprüche kann es bei diesen Kxpec- torationen nicht ankommen, denn wo Alles seltsam ist, wird man doch das Einzelne nicht nach dem Maasse der gemeinen Vernunft beurtheilen wollen. Seite 49 war der »ernstere tiefere Grund« von dem Vergessensein so grosser Meister wie Palestrina, Händel etc. der, dass wir »nicht mehr wissen, was es um eine Kirchenmusik ist«. Glaubt man dagegen, was Seite 56 steht, so war der »ernstere tiefere Grund« ein ganz anderer, nämlich der, dass jene alte Kirchenmusik für unsere Zeit überhaupt nicht mehr genügt, sondern dass für die neue Zeit, auch für die kirchlichen Bedürfnisse derselben, eine neue Musik unumgänglich« geworden ist, eine Musik, die mit der »furchtbar prächtigen« französischen Marseillaise ihren Anfang genommen hat. Vieles von dieser neuen Musik — nach unserer Ansicht sogar die ganze Hauptmacht derselben — ist auch bereits über uns herein gebrochen, und hierbei haben die als allberühmt gefeierten Meisler ein bemerkenswert!! verschiedenes Schicksal gehabt. Während ein Palestrina bei der »neuen« Musik ausser- ordentlich gut fährt, ein Bach ans dem bisherigen Dunkel glänzend hervortritt, ist es dagegen Händel, der (äst allein die Zeche

dieser Musikorgien bezahlen muss; von diesem Händel fand Liszt, als er zu reiferen Jahren gekommen war, dass jener alte Meister nicht Menschen-, sondern »Elephanten-Musik« geschrieben habe, und Wagner bezeichnete dieselbe fast noch treffender als »dummes Zeug«. Wer wird sich aber mit solchem Zeug noch abgeben? Die »neue« Musik nicht mehr.

Liszt ist namentlich als Schriftstel'er durch und durch französischer Romantiker. Wer den jetzt sehr in den Hintergrund getretenen und den meisten Zeitgenossen kaum noch dem Namen nach bekannten Lamartine kennt, der weiss auch so ziemlich wie Liszt's Schriften beschaffen sind ; iSentiment's« könnte die Gesammt-Ueberschrift derselben lauten. Um das bilderreiche Helldunkel derselben und zugleich die Art der Verdeutschung an einem angenehmen Beispiele zu veranschaulichen, wählen wir eine der besten Stellen aus dem »Chopin«. Hier phantasirl er über das grosse Räthsel der Romanliker, über Genie und Weib, wie folgl: »Aber vermag das Genie immerdar, sich zur Seelengrösse der Demuth, zu einer Opferfreudigkeit aufzuschwingen, die Vergangenheil und Zukunft, ja sich selber in zeitloser Treue zum Opfer darbringt und die der Liebe erst ein Anrecht auf den Namen »Hingebung« verleiht? Glaubt das Genie, selbst wenn es sich seiner göttlichen Kräfte begiebt, nicht auch seine gerechten Ansprüche geltend machen zu dürfen, wogegen die Macht des Weibes doch gerade darin besteht, jeder persönlichen und egoistischen Forderung zu entsagen? Kann der Königspurpur und die Flammenkrone des Genies unverletzt über dem azurnen Grund eines Frauenlebens schweben, das nur mit den Freuden dieser Erde rechnet und auf keine höheren hofft, das, vom Glauben an sich selber erfüllt, nicht an die Liebe glaubt, die »stärker als der Tod« ist? Muss man, um die Forderungen des Genius mit den Entbehrungen der Liebe zu einem nahezu überirdischen Ganzen zu vereinen, nicht in kämpf- und kummervollen Tagen und Nächten dem Chor der Engel manch übermenschliches Geheimniss abgelauscht haben? — Unter seinen köstlichsten Gaben verlieh Goll dem Menschen die Macht, nach seiner Weise — nämlich nicht wie er als Schöpfer und Urheber alles Guten, des Urstofis und der Substanz, sondern wie er als Bildner und Urheber alles Schönen — Gestalten und Harmonien aus dem Nichts hervorzubringen ; um in denselben seinen Gedanken darzustellen und ein unkörperliches Gefühl in körperlichen Umrissen zu verlebendigen, welche seine Einbildungskraft schafft, und die entweder durch das Gesicht — den Sinn, der Erkennen und Denken lehrt — oder durch das Gehör — den Sinn, der Fühlen und Lieben nähit — erfasst werden. Es ist dies die wahre Schöpfung in der schönsten Bedeulung des Wortes, insofern die Kunst Ausdruck und Miltheilang einer Empfindung mittelst eines Eindruckes, ohne Vermittlung des zur Darlegung von Thalsachen und Beweisgründen notwendigen Wortes ist. Weiter verlieh Gott dem Künstler (und hier wird auch der Dichter zum Künstler, denn der Form der Sprache, sei's Prosa, sei es Poesie, verdankt er seine Macht) eine andere Gabe, die der ersten entspricht wie das ewige Leben dem zeillichen, wie die Auferstehung dem Tode entspricht: die der Verklärung; die Gabe , eine unvollkommene, schmerzzerrissene Vergangenheil in eine Zukunft unvergänglicher Herrlichkeit zu verwandeln, die so lange währt, als die Menschheit selber.« (Chopin, S. 4 85 —<86.)

Compositionen fax Violoncell von Jul. Elcngcl.

Unter den neuen Componisten, welche für dieses beliebte und lonreiche Inslrumenl geschrieben haben, hebt sich ein junger Musiker durch ein ganz besonderes Talent hervor. Herr Jul. Klengel ist Violoncellist im Gewandbausorchester um! ein

Spieler allerersten Ranges. Derselbe veröffentlichte bisher vier Werke, auf welche wir die Liebhaber hiermit aufmerksam machen. Sein

Opus t : Suite fttr Violoncell und Pianoforte (Leipzig,

Breitkopf & Härtel. Preis Jl 2. 75)

ist ein Schulstück und als solches passend dem Lehrer Jadas- sohn gewidmet. Eine »Suite« ist dem Namen nach etwas Alter- Ihümliches, Yioloncell-Suiten waren nun eigentlich in der alten Zeit eine Seltenheit, dbnn das Aufkommen des Violoncells bangt mit der Ausbildung der »Sona^ta« oder der neueren Musikformen zusammen^, pie Früheren benutzten das Instrument fleissig zum Solospiel, wie auch concerlirend mit der Singstimme, doch in beiden Fällen hauptsächlich als Rührstück, fanden es dagegen nicht besonders passend zum Vortrage von tanzartigen Charakterslitzen. Bei der grossen Ausbildung, welche in unserer Zeit die Virtuosität nacb der technischen Seile hin erlangt bat, kann uns dies zwar nicht abhalten, lu versuchen, wie weit wir mit unseren Mitteln und mit unserer heutigen Kunst auch nach dieser Seite hin gelangen können, doch wird es immerhin ge- ralhen sein, das eigentliche Naturell des Instrumentes sorglich im Auge zu behalten. Vorliegende Suite besteht aus fünf Sätzen : Largo, Allemande, Gavotte, Sarabande, Gigue. Es sind sämml- lich musikalische Gebilde, an denen man Freude haben wird. Allemande und Gigue sind sehr lebhaft geführt und bilden ein treffliches Exercilium für den Spieler. Die Sarabande ist klein, wohl zu klein in dieser Umgebung. Die vorangehende Gavotte — in B-moll, wie alle übrigen Stücke — bat einen Mit- teltbeil in E-dur, den man als Musette bezeichnen könnte. Dem schönen Hauptgedanken (a), der mit Händel'scher Klarheit und Bestimmtheit auftritt, entspricht der chromatisch sich verkrümelnde Nebengedanke (bj nicht recht:

Wir wissen zwar, dass es als neuester Fortschritt gilt , dergleichen chromatische Tifteleien an die Stelle der früher gebräuchlichen einfach diatonischen Gänge zu setzen und dass dies als eine Bereicherung der Harmonie angesehen wird. Es igt aber nicht blos eine Schädigung der melodischen Verständlichkeit, sondern auch des harmonischen Reichlhums. Dnser Autor hat sieb dieses selber bewiesen, denn seine harmonische Begleitung ist hier hart und dürftig. An sich wollen wir dieselbe nicht anfechten; der Uebelstand liegt lediglich in der Violoncell-Helodie.

Op. 2 : Drei Stücke fUr Violoncell und Pianoforte. (Leipzig,

Breitkopf & Härtel. Pr. Jl 3. 25.)

Die drei, Stücke heissen : Berceuse , Mazurka und Tarantella; sie bewegen sich also in festen Formen. Es sind ziemlich breit ausgeführte, gehaltvolle, auf virtuosen Vertrag berechnete Stücke, die sich in jedem Concerl sehen lassen können. Die Tarantella ist besonders schwer. Die Berceuse beginnt :

Andante cm moto.

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die Begleitnng bat den Dominantseplimen-Accord, wie beigeschrieben ; die reine und so lief melodische Quinte ist in dem

Hauptgedanken also wieder einer modernen Unart zum Opfer gefallen. Dem jungen Componisten ist es sicherlich beschie- den, noch manchen belangreichen Fortschritt in seiner Kunst zu machen. Wir hoffen, die Erkenntniss von den melodisch wie harmonisch reichen Schätzen, welche die alte Diatonik in sich schliesst, wird ebenfalls dazu gehören. Hätte er das gesangreiche a statt des blasirten au gewählt, so würde es ihm möglich gewesen sein, auf diesem Intervall einen Triller und sonstige feine Verzierungen anzubringen, die wir jetzt allzusehr bei ihm vermissen.

Op. 3: l'aprirrio für Violoncell und Pianoforte. (Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. ..« 3. 25.)

Ein grosses Virtuosenslück; die Seclizehnlel gehen Allegra molto vivace, verschnaufen sich zwar in der Milte etwas, legen dann aber in doppelter Breite noch einmal los und halten bis zu Ende aus. Wer dies in der vorgeschriebenen Weise durchführen will, muss einen stählernen Arm haben. Die Haupl- oder Kasefigur ist übrigens sehr charakteristisch,, weniger bedeutsam ist der langsamere (d. h. in Vierteln sich bewegende) Miltellheil, wie denn überhaupt die cantabeln Gänge die Stücke unseres Autors nicht sind, oder — wie wir uns lieber ausdrücken möchten — noch nicht sind.

Op. i: Cneert (A-moll) ftlr Violoncell und Orchester. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Partitur: 170 Seiten gr. 8. Preis,* 13. 50. Stimmen: Pr. 12 .*. Violoncell mit Ciavierauszug : Pr. 6. 25.

Dies ist das jüngste Product des außerordentlichen Virtuosen und zugleich hochbegabten Componisten. Nach den vorhergehenden Versuchen und Studien hat derselbe nun hiermit einen Anlauf genommen zu einem grossen Concert und dabei die Formen desselben ebenso gut bewältigt, wie die der voraufgegangenen kleineren Sätze. Wir machen ConcertaUstalten auf dieses Opus aufmerksam, um so mehr, da Herr Klengel vermuthlich bald eine Virtuosenreise antreten und sein Concert an vielen Orten selber spielen wird. Er wird dann hoffentlich überall beweisen, dass es ein effectvolles Musikstück ist. Von den drei Sätzen dieses Concertes interessirt uns der zweite, ein Andante con moto, besonders deshalb, weil derselbe offenbar mit Vorliebe ausgearbeitet ist und wir nun hieraus das Stadium kennen lernen, welches der Componist in der Darstellung einer getragenen gesanglichen Melodie bis jetzt erreicht hat. Seine Andante-Melodie passt schön in das Instrument, zeigt auch meistens gesunde ausdrucksvolle Züge, ist aber nicht ganz frei von Phrase und moderner antimelodischer Sentimentalität. Als solche nolireu wir besonders die frei in der Luft schwebende None a

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zu einer harmonisch unreinen Begleitung. Wenn der Autor älter und reifer geworden ist, bringt er das, was man »gölt- lichc Melodie« nennen kann, wohl noch voller zu seinem Rechl. Auf dem Wege dahin verschmähe er nicht, Händel zu sludiren, denn von diesem sind hinsichtlich der Natur der Melodie Dinge zu lernen, von denen sich unsere gegenwärtigen Musikweisen nichts (räumen lassen.

Ueber „die junge Nonne" von Schubert und „la religieuse" von Diderot.

(Fortsetzung.)

Her Name Zumsloeg's ist nichtsdestoweniger in Vergessenheit geralhen und die meisten derjenigen . wclclie von iiiiu sprechen, kennen ihn nur vom Hörensagen ; er hat jedoch, wie Tomaschek , sein Zeitgenosse, und wie Schubert, Schumann und Löwe, seine Nachfolger, sehr zahlreiche und sehr verschiedene Werke producirt: Opern, ('.antaten für grosses Orchester, Solos für Saiteninstrumente, dramatische Erzählungen nach Schiller und Klopslook , ossianische Gesäiige, ja selbst Epigramme und Fabeln ; die Kabel vom Kukuk, der Nachteule und den beiden Käiizchen. Es sind ihrer vier, die einen häss- licher als die anderen, verachtet yon der ganzen Welt, sich aber unter einander Complimenle sagend : »Wer wird unser Lob singen? Niemand, thun wir es also selbst.« Und um die Unendlichkeit des Panegyrikus anzudeuten, schliessl der Com- ponist sein Stück mit einem Seplimenaccord ohne Auflösung.

In Deutschland war man stels Tür diese Sorte von Hehus eingenommen. Lang* bevor man in der Musik darauf \erliel. brachte man sie in Geuiiilden und Kupferstichen an. Wem Dürer's Werke auch noch >o wenig im Geiste gegenwärtig sind, der erinnert sich doch eines Druckes von 1804: Adam und Eva neben dem Baume des Wissens, um welchen sich die Schlange ringelt. Das Paradies ist voll von Thieren, eine Katze kauert zu Küssen Eva's ; zur Seite der Katze ist eine Maus ganz zutraulich, ein Hase ruhig dasitzend ; die Unschuld und der Friede herrschen noch. Bis liieher zeigt sich nichts Uäihsel- hafles, doch sehen wir näher zu. Hinter dem verhängnissvollen Baume, an einen Strunk gelehnt, steht ein Einhorn. Man kann zwanzig Hai dieses Blatt betrachten , ohne /u ahnen , dass in demselben eine von jenen Charaden sich birgt, in welche vor drei oder vier Jahren die Pariser MaulaUen vernarrt waren. Das Einhorn beisst im Deutschen Elend (?), was gleichbedeutend mit Unglück ist. Nun aber steht ja geschrieben, dass hinter dem Falle das Unglück lauert. Verstehe es, wer da kann. Ein ander Mal war es Sleinle, der, um den Gedanken wiederzugeben : autln fides, eine zerbrochene Geige zu Füssen eines Kindes malle, denn Geige lässl sich auch mit Fidel übersetzen. So ist uns ein Gemälde geboten, das man ad libitum betiteln könole: »Keine Treue oder keine Geige auf Erden«. Ist es nicht sonderbar, diese bizarre nationale Symbolik, welche von den alten Componisten in die musikalische Kunst übertragen wurde, auch in Gebrauch zu sehen bei mehreren der geschätztesten Modernen, bei Karl Löwe, den wir oben angeführt haben, und der seinen Scharfsinn anstrengte, um sie überall anzuwenden. So beginnt und endet das Oratorium »Die Siebenschläfer« mit sieben, von eben so vielen Blasinstrumenten festgehaltenen Septimenaccorden als Anspielung auf die sieben Brüder. Das heisst sich doch viel Mühe geben, um ein kleinliches Resultat*) zu erzielen. Dasselbe gilt auch von einem seiner besten Stücke: »Der Zauberlehrling«. Man kennt die Ballade von Goethe: der Lehrling befiehlt dem Besen, Wasser zu schöpfen, und der Musiker schildert uns in einer tonmalenden Phrase den sich in Bewegung setzenden Besen. Als aber der Lehrling die unkluger Weise entfesselte mascbinenmässig wirkende Gewalt hemmen will, merkt er, dass er die Formel vergessen hat. Ausser sich und von Schrecken erfasst, baut er mit dem Beil nach dem Besen; der Besen geht entzwei, die

  • } Wer wird in der Tbat daran denken, nachzuzahlen, wie oft finAccord sich wiederholt, und wer wird, ohne in der Partitur nachzusehen , es den Blasinstrumenten danken , dass sie den seltsamen Einfalt hatten, gerade ihrer sieben, anstatt aohl oder nur sechs zu sein?

melodische Kigur lliul dasselbe und wird zu einem Canon für zwei Stimmen.

Schubert verschmäht diese Künsteleien, er singt aus freier llnisl. Hin .Musiker kann Maler und Dichter sein, ohne einen Kingritr in die Domäne der Dichtkunst und der Malerei anzustreben und ohne sich anzumaassen, dieselben überflüssig zu machen. Die Dichtkunst ist die Kunst der Worte, die Musik ist die Kunst der Töne, aber es giebt manche Situation, wo beide in einander verschmelzen müssen, wo die in dem Wort enthaltene Idee im Ton untergehl , um dann doppell wieder aufzuleben. Die Musik wäre weder im Stande, den Monolog von Hamlet nachzudenken, noch würde es ihr gelingen, gewisse Spracheigentümlichkeiten wieder zu geben, was auch Schumann sagen mag, der in einer Sonate von Schubert den melancholischen Seelenzustand eines wackeren Jünglings entdeckt zu haben glaubt, welcher seine Schneiderrechnung nicht bezahlen kann. Aber gebe man der Musik Gemüthsalfccte /.u malen, so wird man sie selbst für das Unaussprechliche Accenle linden sehen, z. B. das in dem Duett aus »Fidelio« angebrachte Verstummen in dem Augenblicke, wo die beiden Galten sich erkennen : »Du!« ruft Florestan, »Ich ' antwortet Leonore, und beide fallen sich stumm in die Arme. Sei man Beethoven, sei man Shakespeare, so wird man, wenn der Ausdruck oder das Wort fehlt, doch die Hieroglyphe linden: in dem Kidelio- Duelle jene Pause, und im »Othello« den halb unterdrückten Schrei grenzenloser Verzweiflung: »Wie Schade, Jago, wie Schade !« Aber wenn die Musik im Gefiihlsbereiche unbegrenzt ist, so besitzt sie überdies ihr Pittoreskes, und es wird sich manche Gelegenheil darbieten, wo sie auf diesem Terrain ihre edle Schwester, die Poesie, besiegt. Ich lese den »Sommer- nachlslraurn« und linde darin, dass Puck den Kaum durcheilt »wie ein Pfeil, abgesandt von dem Bogen eines Tataren«. Suche man auf der Bühne einen Schauspieler zur Darstellung dieser Persönlichkeit und zugleich mit ihm Elfen , welche so organi- sirl sind, dass sie sich in einer Nussschale verslecken können. Hier kommt Mendelssohn dem Shakespeare zu Hülfe. Höre man das hüpfende, mulhwillige, kichernde Scherzo, und alles, was uns der Dichter von seinem Kobold erzählt, wird uns sofort wahrscheinlich. Wir sehen Puck hinter der Coulissc seine Sprünge machen . unser Ohr, noch mehr als unser Auge, zeigt ihn uns, die Lüfte durchschneidend wie der Pfeil eines Talaren. Die Poesie liefert das Wort, die Musik wendet es hin und her, beulet es aus, erfasst die Idee und nimmt davon den Ausgangspunkt für eine neue Conception.

Das Geschäft der Philister, Accorde einfach einem Texte unterzulegen, wurde sehr fein eines Tages von Goethe im Zwiegespräche mit Eckermann bespöttelt, wobei er erklärte, dass die Ballade »Der Fischer« nicht gemalt werden könne, weil die Malerei nicht die Macht besitze »die Empfindung, dieses Verlangens nach dem Wasser, das an einem Sommertag uns zum Baden einlade!« und das der Dichter in seinen Versen wiedergeben wollte, auszudrücken. Und doch, zu wie vielen Gemälden und zu wie vielen Liedern hat nicht dieses Gedicht inspi- rirl ! Es ist eben im Ganzen nichts leichter, als sich an diesem Spiele der Transposilion zu üben. Bleiben wir bei der Musik: sind wir Componist, so verführt uns dieses Motiv ; das ist die einfachste Sache von der Welt, und wir brauchen uns nur gehen zu lassen. »Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll«, hiefür ergiebl sich eine Figur in der Begleitung von selbst. »Aus dem bewegten Wasser rauscht ein feuchtes Weib hervor«, Tremolo, kleiner Nonenaccord. »Sie saug zu ihm, sie sprach zu ihm«, Cantabile < la Gounod für die Stimme der Sirene, und als Schlussbetrachtung etwas Elegisches, eine sanfte Klage um das I.oos des unglücklichen unter der feuchten Decke verschwundenen Fischers. Die Geschichte ist fertig, jedes Wort des Gedichts übersetzt, nichts mangelt zur Illustration, als etwa der von Goetbe hinein gelegte charakteristische Grundgedanke: der Reiz, die Anziehung, das Empfinden des Wassers in seinem Ideal von Frische, Tiefe, Durchsichtigkeit und verderblichem Zauber.

Ist das auch Schubert'« Verfahren? Bei Leibe nicht l Was immer für ein Thema es sei, er zieht alles aus demselben, was es an psychologischem und pittoreskem Ausdrucke in sich birgt und liisst es unter einer Fülle von Melodien, die uns überwältigt, im Lieble glänzen.

»Was für Geheimnisse besitzt dieser Teufelskerl f« sagte Müsset zu mir, als wir Nachts auf dem Boulevard des Italiens auf- und abschritten und von Musik -sprachen. *j »Kennen Sie einen einzigen Naturlaut, dessen higenlhümlichkeit er nicht ausgespürt hätte? Niemand versteht sich so wie er darauf, das Wisser zu malen, und welche Verschiedenheit der Tusche, welche Nuancen des Pinsels! Das Wasser, das die Mühle der »schönen Müllerin« treibt, ist nicht dasselbe, wie das Wasser des hellen Bächleins, in welchem sich über Kieseln die flüchtige Forelle herum tummelt. Er hat, was wir in der Rhetorik Onomatopöen nannten, von denen kein Musiker vor ihm eine Ahnung besass, er bat Bewegungen, Rhythmen, Zuckungen, die in uns die Erinnerung an tausend wirklich vernommene Geräusche wachrufen — mit einem Worte: er ist ein unvergleichlicher Landschaftler l«

»Sagen Sie vielmehr, ein Romantiker, ein Erzähler, ein Fabeldichter, denn um sich über die Formen, welche er anwendet, vollständig Rechenschaft zu geben, und um seine Rhythmen nach ihrem ganzen Werthe zu schätzen, muss man vor allem in das Herz des Gegenstandes eindringen. In dem Liede »Die Forelle« unterhält sich das Wasser, es tanzt und lacht im Sonnenschein, es ist ein fortgesetztes Singen, Plätschern und Blinken; kaum dass im letzten Takte, in dem Augenblick, wo die arme Kleine an der Angel zappelt, ein Schalten über den Krystall hingleitet, der sogleich wieder klar und schillernd wird. Das Wasser, welches in dem Roman «Die schöne Müllerin« fliesst, ist weniger ausgelassen ; es plaudert mit der Mühle, die ihm die Liebesgeschicbte der Müllerin mit dem Jäger erzählt; es vernimmt auch die Klage des armen verlassenen Burschen, den es jeden Abend im Mondschein am Ufer sitzen und über Selbstmordgedanken brüten sieht. Dieses Wasser rechnet darauf, bald in einem tragischen Ereignisse eine Rolle zu spielen und wälzt Vorahnungen vor sich hin. Man sucht nach Sujets für ein Ballet; Was gäbe es wohl Romantischeres und Rührenderes für eine Vorstellung in der grossen Oper, als dieses von Schubert in kleine Acte abge- theille Gedicht von Wilhelm Müller: Die Abreise, Die Mühle, Die schöne Müllerin , Der Jäger, Die verralbene Liebe, Die Klage am Bache, Die Befreiung; wäre das nicht ein wahres Fest?«

»Ja, für Sie, für mich, für unsere Freunde; aber wenn Sie glauben , das wäre etwas für das Publikum, so irren Sie sieb uogemein. Das Publikum liebt nur Abklatsche und ISsst Sie im Stiche, sobald es merkt, dass Sie es zur Poesie verleiten wollen. Sie citiren mir Schubert, ich will Mendelssohn an-

  • ) Die Dichter im Allgemeinen lieben die Musik nur wenig und haben keinen Geschmack an der Malerei. Musset machte seiner Zeit eine Ausnahme von der allgemeinen Regel; doch darf man daraus nicht schliessen, dass er etwas davon verstand. Alles beschränkte sich auf Eindrucke, auf üusseres Gchahren nach der Fashion, und sein Italianismus für Bellini, so wie sein Germinismus für Schubert Überkamen ihm vielmehr durch weibliche Einflüsse. Immerhin ist gewiss, dass er in sehr hohem Grade die Gabe der Auffassung be- sais und sich derselben zu gewissen Stunden bediente: »Ich halle nichts für angenehmer, wenn man gut gefrühstückt hat, als sich im Freien mit gelstreichen Leuten hinzusetzen und zwanglos In aosUn- digem Tone von den Krauen zu plaudern.« So war Mussei's Dilettantismus: zwanglos in anständigem Tone von Musik zu plaudern.

rufen. Was würden Sie zum Beispiel zu folgendem Zettel sagen: »Der Sommernacbtstraum«, Oper in zwei Aden. Worte von Shakespeare mit Musik von Mendelssohn? Nun wohl, ich, der ich hier mit Ihnen spreche, habe Vtiron den Vorschlag gemacht.«

»Und er hat Ihnen geantwortet: »Der Sommernachtstraum! Mondschein - Phantasie mit einem hübschen Scherzo, das würde aufzuführen ungemein viel kosten , aber Habeaeck sehr unterhallen.«

Mit anderen Worten: der Bffect würde nicht über die Rampe hinausgehen ; im Ganzen genommen, hatte er Recht, und wir sind es, die sich irren, wenn wir unsere Gelüste dem grossen Publikum aufdringen wollen. Die Leute, welche die Ballele besuchen, sind nicht so anspruchsvoll; wenn nur die Tänzerin in der Mode und der Pas gut rhythmisirt ist, so kümmern sie sich wenig darum, ob die Musik von Schubert, Mendelssohn oder Beethoven herrührt, was sie übrigens keineswegs hindert, sich sofort des Sonntags in das Conservatoire zu begeben , um dort ihre Andacht zu verrichten. Sie sehen , dass ich liberal bin und die Trennung der Kirche von der Bühne zugebe.«

Wir plauderten so bis gegen Morgen, einer so enthusiastisch wie der andere und nicht minder für den Gegenstand eingenommen. Mussei hatte zu jener Zeit eine Freundin, welche ihm die Transcriptionen von Liszt vorspielte. Er wussle deshalb seinen Schubert auswendig und glaubte ihn ergründet zu haben. Das Pittoreske setze ihn in Erstaunen; er wurde nicht müde darauf zurück zu kommen, indem er das bewunderte, was er »Specialeflecte« nannte.

Bemerken Sie nicht,« fügte er hinzu, »dass Schubert das Pittoreske mehr in der Breite besitzt, als in der Höhe oder in der Tiefe und dass er, um sich zu entfalten, wie Lamartine einen grossen Raum braucht, während Schumann, wie La Fontaine in einem Nu operirt.«

Und darauf cilirte er mir »l! reichen am Spinnrade«, »Das Ständchen«, »Der Wanderen, »Das junge Mädchen und der Tod«, »Mater dolorosa«, und dann sich plötzlich unterbrechend :

»Und der , Erlkönig'«, rief er im Paroxismus seines Entzückens.

»Und ,Die junge Nonne'«, antwortete ich in demselben Tone.

»,Die junge Nonne',« erwiederle er : »doch hall l das ist ein reservirter Gegenstand ; schweigen wir davon.«

»Reservirt für wen?«

»Ach Gott, mein Lieber, für den einzigen Mann, der befähigt ist, davon zu sprechen.«

»Und der Mann, wie heisst er?«

»Diderot. Monsieur Denis Diderot. Glauben Sie, dass er in Paris ist? In diesem Falle wollen wir sofort gehen, ihn aufzuwecken , und Sie werden über die musikalische Conception seines Mitarbeiters schöne Sachen zu hören bekommen.« (Fortsetzung folgt.)

Aus Rotterdam.

Oclober 4882.

Es dürfte für Ihre Leser von Interesse sein, von einem Institute etwas Näheres zu erfahren, das demnächst auf ein 40- jäbriges Bestehen zurückblicken kann, in seiner Organisation seines Gleichen sucht und die erfreulichsten Resultate liefert. Wir meinen das hiesige Cooservatorium, oder um die Bezeichnung des Instituts streng zu übersetzen, die Musikschule der hiesigen Abiheilung der niederländischen Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst. (Der Holländer vermeidet mit Aengstlichkeil alle Fremdwörter.) Die Anstalt zählt über 600 Schüler und ist eingelheilt in Elementar- und Kunstclassen. In jenen wird die musikalische Jugend herangebildet, bis sie, wenn Talent und Fähigkeiten in genügendem Haasse vorhanden , übergehen kann in die eigentliche Hochschule, in die Kunstclassen. — Ein Zweig des Musikunterrichts, der an so manchen Conservatorien ganz fehlt, das Solfeggiren, wird mit grossein Eifer hier betrieben und es ist eine Lust zu sehen, zu welcher Fertigkeit darin es selbst die Schüler der Elementar- classen bringen. Ganz schwierige Aufgaben singen diese <2- bis \ 6jährigen Knaben und Mädchen a visla von der Tafel ab, die schwierigsten Intervallensprünge treffen sie ohne Fehl, und die Vortrefflichkeit des hiesigen Concertchores liegt nicht zum geringsten Theil daran , dass schon die Jugend an richtiges Treffen und vom Blatlsingen gewöhnt und mit der Lehre der Intervalle gewissermaassen auferzogen wird. Die Elementar- classen für Ciavier und Violine bereiten die Schüler durch Gründlichkeit des Unterrichts aufs Beste vor, und Handhaltung der clavierspielenden, Bogenführung der geigenden angehenden Kunstjünger lässt nichts zu wünschen übrig, wenn sie übergehen in die Kunstclassen. Diese umfassen den Unterricht in Orgel-, Clavicr-, Violin- Violoncellspiel, Sologesang, Theorie and Composition. Dnser jetziger Direclor, Prof. Kr. Gerns- heim, hat neben diesen Lehrfächern noch Classen für Oboe und Hörn eingerichtet, denen wohl bald Classen für die übrigen Blasinstrumente folgen werden, denn die in den letzten Jahren ausgebildeten Bläser fanden, um mich eines etwas vulgären Ausdrucks zu bedienen, reissenden Absatz. Sie erhielten sofort gute Anstellungen in verschiedenen Concertkapellen unseres Landes. Ganz Hervorragendes leistet die Orgelclasse, die unter ihren Schülern schon manchen trefflichen Organisten zählt. Die öffentlichen Orgelvorträge , welche die Orgelclasse (sie steht unter Leitung des Herrn S. de Lange sen., dem Stifter einer Musikerfamilie per excellence) von Zeit zu Zeit in der grossen (St. Laurentius-) Kirche, die ihre herrliche Orgel auch zum Unterricht zur Verfügung stellt, veranstaltet, geben davon beredtes Zeugniss. Wir hörten da vor Kurzem u. A. die grosse Phantasie und Fuge in G-moll von Bach mit einer Vollendung vortragen, die eines Meisters würdig war. — Eine nachahmens- werthe Einrichtung besteht hier auch darin , dass die Schüler derStreichinstrumentalclassen nicht nur für das Streichquartett, sondern auch für den Part der Streichinstrumente in den En- semblespielclassen mit Ciavier, die unter specieller Leitung des Directors stehen, herangezogen werden. Ferner, dass der Analyse bedeutender Compositionen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet und der Begriff der Form, die Entwickelung derselben nicht nur den Besuchern der Theorieclasseo, sondern auch denjenigen Schülern fassbar gemacht wird, die sich einem Instrument oder dem Lehrfach widmen. Und sind es nicht die letzleren, die das Verständniss für musikalische Architektur, wenn ich mich so ausdrücken darf, in die weitesten Kreise zu tragen berufen sind?

Dass die grossen Prüfungsconcerte, die gewöhnlich im Laufe der Concertsaison stattfinden, das Interesse unseres Publikums in hohem Grade in Anspruch nehmen, versteht sich von selbst. Hier hatten wir auch Gelegenheit so manchen Composilionsver- sucb kennen zu lernen, der bei wirklicher Erfindungsgabe eine erfreuliche Beherrschung der Form zeigte. Ich werde in meinen Concertberichten einmal näher darauf zurückkommen. — Unsere Concertsaison verspricht lebhaft und interessant zu werden. Die »Jahreszeiten« werden sie eröffnen.

Berichte. Leipzig.

Wahrend unsere Stadt noch von dem lärmenden Treiben der Michaelismesse belebt und beherrscht ist, hält bereits Frau Musica ihren Einzug in die altgewohnten Räume, um ihr Winterkunigthum anzutreten. Wie alljährlich, ist et wieder dürrste Gewand-

hausconcert (s. October), welches die Winlersaison eröffnet, und zwar, menschlicher Berechnung nach, die letzte Saison in dem bisherigen weltbekannten Saal im Innern der Stadt; denn auf der Grenze des ehemaligen Botanischen Gartens (auf dessen Areal das neue deutsche Reichsgerichtsgebäude erstehen soll), im Anblick schöner Wälder und Auen, die hier im Sudwesten sich wie ein Keil zwischen die Vorstädte schieben, beginnt sich bereits inmitten mächtiger Gerüste das neue grosse Concerthaus zu erheben, das künftige Heim der Gewandhausconcerte. Ein conservatives Programir seitens der Direction, untadelhafle Ausführung seitens der Musiker, das ist bei diesen Concerten etwas Selbstverständliches; und so bereitete uns denn der Anfang und derSchluss der ersten Aufführung, die Ksdur- Symphonie von Joseph Haydn (Nr. 4 der Breitkopf & llttrtel'schen Ausgabe) und Beethoven's achte Symphonie, einen hohen Genuas. Ebenso erfreuten wir uns an den Leistungen der Solistin dieses Abends, Frau Norm a n-N er u da (geb. 4840 zu Brunn); das Spohr1- scbe »Conccrt in Form einer Gesangscene», sowie Adagio und Rondo aus dem ersten Violinconcert von Vieuxtemps boten ihr reiche Gelegenheit , die Vorzüge ihres Violinspiels, eine reizende, zu Herzen dringende Cantilene und ein exactes Staccato, in helles Licht zu setzen. Die Mitte des Programms nahm ein Musikstück ein, dessen Wahl wir als den wunden Punkt des Concertes bezeichnen müssen: die Orchestrirung einer Seb. Bach'schen Toccata von Heinrich Esser. So kraft- und machtvoll die Bach'schen Gedanken an und für sich sind, so unangemessen steht ihnen das Kleid, welches ihnen der Bearbeiter umgehängt hat. Dass man uns statt des puren Goldes eine Legirung darreicht, hätte vielleicht eine gewisse Berechtigung, falls Orchesterwerke unserer älteren Meister überhaupt nicht exislirten oder noch im Staube der Bibliotheken vergraben lägen. Aber ganz im Gegentheil: in neuen vorzuglichen Ausgaben sind sie aller Welt leicht zugänglich, und es ist hohe Zeit, dass die Concertdirectionen endlich den berechtigten Wünschen des Publikums und der Kritik hier Rechnung tragen. *)

  • ) An die verebrl. Concertdirection richten wir beiläufig die Bitte, zur besseren Orientirung des Publikums künftig bei Symphonien und ausgedehnteren Orchesterwerken die Bezeichnungen der einzelnen Sätze auf die Concertprogramme drucken zu lassen.

Aufruf,

verlorene Autographen von Mozart betreffend.

Die Antographen nachstehend verzeichneter Werke und Entwurfe Mozart's sind verschollen. Diejenigen, die von dem Verbleiben derselben Kenntniss haben, werden gebeten dem Grafen Paul Waldersee in Eisenach hierüber gütigst Mittheilung machen zu wollen.

Es betrifft dieses folgende Handschriften:

4. Vier Arien und ein Dnett zum Uitridate (Köcb.-Verz. Nr. 87). Jahn bespricht diese Stücke in der Mozart-Biographie l*, 475. Wurzbach im Mozart-Buch Seite 144 lässt sich vernehmen: J. B. Andre in Berlin (hat) 30 Autographen, darunter die Oper Apoll und Hyacinth und mehrere einzelne Nummern der Oper Uitridate. 1. Die ersten Bearbeitungen zweier Chöre zu Thamos, König n

Aegyptm (Kücucl-V'erz. Nr. 045), siebe Jahn's Mozart I>, 554. 8. Skizzen zum Lh Spoto deluio (Koch.-Verz. Nr. 410). Jnllj» Andre erwähnt diese in dem Vorworte des von ihm bearbeiteten Ciavierauszuges der Oper.

Die autographen Partituren von l und 3 besitzt die Kbnigl. Bibliothek zu Berlin, die betreffenden Entwurfe und Skizzen fehlen.

Berichtigung.

Nr. 40, Sp. «38 oben erste Linie. <tatt

heissen

i

. Es sind also wirkliche Quinten im vollen

DreiklanR, genau wie in dem vorigen Takte.

Neue Musikalien

(TXovnwi.Mul.mt>- 1888 IN o. »)

im Verlage von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur

BSdecker, Loulu, Op. 47. Tier Lieder für eine Singstimme mit Be- gleitung des Rlanoforte. l Jl.

Einzeln: No. 4. Frühlingsanfang: »Es kommt so still der Frühlingstag»,

von B. Lingg. 50 :y

No. 1. Aeolaharfe: »üeheimnissvollerKlang«, von H.Lingg. 50.». No. 8. Kummer: »0 holder Luftbauch«, von Chr. Kirchhoff. Mjp. No. 4. Wunsch und Gruss: »Wenn immer doch Mondschein

blieb l« von Wilhelmine Mylna. 50 Sf.

Dietrich, Albert, Op. 35. Ouvertüre (Cdur) für grosses Orchester. Partitor netto 7 Jl 50 3}. Orchester-Stimmen netto 48 Jl 75 3J. (Violine 4,1, Bratsche, Violoncell, Contrabass ä netto 4 .H iO .^ Vierhandiger Ciavierauszug vom Componisten 8 Jl. (iernsheim, Friedr., Op. 46. Symphonie (No. a. Esdur) f. grosses Orchester. Partitur netto 48 Jl. Orchester-Stimmen netto 36 Jl. (Violine 4, l, Bratsche, Violoncell, Contrabass a netto 8 Jl.) Vier- hSndiger Ciavierauszug vom Cotnponisten 40 Jl. Qrädener, G.G.F., Op. 44. Zehn Reise- nnd Wanderlieder von ini- htlm Müller für eine mittlere Stimme mit Begleitung des Pianoforte.

Daraus einzeln:

No. 40. Heimkehr: »Vor der Thiire meiner Lieben*. SO Sjl. Heijden, F. J. van der, Op. <9. Drei Lieder flir eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. l Jt. Einzeln:

No. 4. »Wie kannst du ruhig schlafen«, von H. Heine. 4 Jl. No. 1. »Wie jauchzt meine Seele«, von J. von Eichendorff. 60 3)1. No. 8. Des Hilden Abenlied: »Verglommen ist dos Abendroth«,

von K Gctbcl. 4 .u.

Herzog-enberg« Heinrich von, Op. 81. Sonate (Ur Pianoforle und Violine. 6 Jl 50 3jl.

Op. 83. Allotria. Sechs Stttcke für Pianoforte zu vier Hunden.

Heft 4. »Jl. Heftl. 8 Jl.

Einzeln:

No. 4 In Adur 4 .* No. l in Fdnr 80 S». No. 8 in Hmoll 4 Jl 50 3jl. No. 4 in Cmoll 8« :p. No. S in Griur 80 ;%. No. « In Cdur 4 Jl 80 3f.

Op. 84. Psalm 116. FUr vierstimmigen gemischten Chor a Ca-

pella. Partitur 3 Jl. Stimmen ä 50 Sjl.

Hejblom, Alex. W. A., Op. 18. Recueil de Gomposltions pour Piano. No. 4 Idylle. 80 .?. No. l Caprice. 4 Jl 50 9f. No. 8 Romance. 4 Jl. No. 4 Ballade. 4 Jt 30 3f. No. 5 Nocturne. 4

No. 6

Etüde caracteristique. 80 3jl.

Holstein, Franz von, Op. 48. Acht Lieder für zwei und drei Sing- slimmen (ohne Begleitung). (No. 40 der nachgelassenen Werke.) 4 Jt 50 Ä.

Keller, Emil, Op. «4. Sechs kleine Lieder aus Wald and Welt von Joseph Ludwig Hause für eine Singstimme mit leichter Clavier- begleitang. l uT 10 3f.

Einzeln :

No. 4. Natnrfreuden. 50 #. No. t. 0 sösserTraom. 50 Ä. Nö. I. Waldesfreuden. 50 ty. No. t. Hinansi 50 $. No. 5. Erwachen des Morgens. 50 ty. No. t. Waldconcert. 50 Sjf.

Kfickert, Ad., Op. 45. Reminiscence« loogo-slaves. Grande Fan-

taisie de Bravoure pour Violon avec accompagnement d'Orchestre

ou de Piano. Pour Violon et Piano 3 Jl 50 fy. (Partition et Parties

d'Orchestre en copie.)

Xatthlae, Ernst, Op. 4«. Friedenimarich für Pianoforte zu vier

Händen. 80 3*. Merkel, HnsUr, Op. 460. Zwanzig Praeladlen fitr die Orgel:

Heft 4. tJI 10 S». Heft t. l Jl 80 S}.

WBllner, Fran«, Op. 5. Sechs Lieder für eine Singslimme mit Begleitung des Pianoforle.

Daraus einzeln

N u 5. Um Mitternacht: »Nun ruht und schlummert Alles», von M. von Rodmbtrg. 80 3f.

[4M] Im Verlage von ,lnlii<« Hainautr, Königl. Hofmusikalien- handlung in Breslau, ist soeben erschienen:

Bernhard Scholz.

Op. 54. Contrapunktisohe Variationen über eine Gavotte

von O. F. Händel für 2 Clavioro . 4 Jt — Jp.

Op. Sä. Sonate für Violine und Ciavier . 5 Jt 50 ffi.

[ml Kammermusik-Werke

aus dem Verlage von ./. Rieter-ßiedermann in Leipzig und Wioterthur.

Blomberg, Ad., Op. 6. Trio für Pianoforte, Violine und Violoncell.

UT7. SO. Brahmg, .loh., Op. 8«. Qjüntett (in Fmoll) fUr Pianoforte, l Vio-

linen, Viola und Violoncell. Jl 45. — . Oernshelm, Fr., Op. 37. Trio (No. l Hdur) für Pianoforte, Violine

und Violoncell. Jl 41. — . Grftdener, C. 6. F., Drei doartette für l Violinen, Viola und Vio

loncell. Op. 4l. Nr. 4 in B. Jl 5. 50. Op. 47. Nr. l in Amoll.

Jl 5. 50. Op. 19. Nr. 8 in Es. .« 5. 50. Hartofr, Ed. de, Op. 35. Premier ttuatoor pour deux Violons, Alto

et Violoncello (en Mi majeur,1. Jt 6. 80. Herzofrenberg-, Heinr. vmi, Op. 14. Trio für Pianoforte, Violine

und Violoncell. Jl 41. — . Kalliwoda, J. W., Op. ISO. Air vsrie pour le Violon avec Accoro-

pagnement de second Violon, Alto et Violoncelle. .*' 1. SO. Klicken, Fr., Op. 76. Grossei Trio (in [ .Im fUr Pianoforte, Violine

und Violoncell. M 48. 50. Naumann, E., Op. 6. Onintett (in C für l Violinen, l Violen nnd

Violoncell. Jl t). — . Raff, Joachim, Op. 444. Zweites grosses Trio (in Gdor) für Piano-

forte, Violine und Violoncell. .* 4l. — . Rauchenecker, U. W., Zweites Unarten (Ddur) für zwei Violinen,

Viola und Violoncell. Jl 9. — . Yogt, Jean, Op. 56. Quintett (in Amoll) für l Violinen, l Violen

und Violoncell. Jl 7. — .

(Arrangements . )

Beethoven, L. Tan, Op. 6 Leichte Sonate für Pianoforte zu vier Händen. Als Quartett für Pianoforte zu vier Händen, Violine und Violoncell bearbeitet von Louis Bö decke r Jl t. — .

- Op. 49. Zwei leichte Sonaten für das Pianoforte. Als Trios für Pianoforte, Violine und Violoncell bearbeitet von Rud. Barth. Nr. 4 in Gmoll. Jl 8. — . Nr. l in Gdur. Jl 1. — .

Wtf DipBfllbon fclf Dn«tta für Pianofort« and Violine, und Pianofort« nnd Violoncell 4 Jt 1. 30. *

- Op. 419. Rondo a Capriccio für Pianoforte. Für Pianoforte, Violine u. Violoncell bearbeitet von LouisBödecker. ,1l 4. — .

Brahmg, Job., Op. 34. Quintett für Pianoforte, zwei Violinen, Viola und Violoncell. FUr Pianoforte zu vier Händen, Violine u. Violon- cell eingerichtet von Friedr. Hermann. Jl 4» — .

Verlag von J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

"g* faftnen

für

Doppelchor

Ach Herr straf mich nicht in Deinem Zorn. Aus

der Tiefe ruf ich Herr zu Dir. Singet dem Herrn

ein neues Lied

componirt

von

Heinrich Schütz.

(4.585— 4.67z.)

Nach der 1619 erschienenen Originalausgabe der »PSALMEN

DAVID'S« zum Gebrauche in Kirche und Concert

herausgegeben von

Franz "WülLner.

Partitur. Stimmen. Einzelne Stimmen.

4 Jl. kJI ä 4 Jl.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Brcitkopf d Harte) in Leipzig. Expedition: LeipiUr» Babensteinplatz l. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg.

Die AllKtmelB« Masikaljich*

ar.icao.nt regelmisMt,' Hq jedem Mittwoch Uud ibt durch alle Postämter und Ltiuh- zu beziehon.

Allgemeine

Frei*: Jikrlick 18 Mk. Vi«UülkrlkB. Priagn. 4 Mk. 50 Pf. Anleiten : dl« ge»p»l- tene Petitteile oder deren K»m 30 fi Briefe und Gelder «erden frinco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 18. October 1882.

Nr. 42.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Aristides yuindlionus in neuer Ausgabe. — Spicilegia. (Fortsetzung.) — Gesangliche Anregungen. — Anzeigen und Beurthei- lungen (Arrangements für zwei und mehr Pianoforle zu vier bis acht Hunden (Werke von Mozart, Beethoven , Schubert, Liszl, arrangirt von l.ouis Maas, Carl Reineckc, G. Kassier, Carl Burchard, Paul Graf Waldersee, A. G. Ritter und Johann von Vegh]), — Heber »die junge Nonne« von Schubert und »la religieust» von Diderot. (Fortsetzung.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Aristides Quintilianus in neuer Ausgabe.

ArUtidh ((uiiililiani de Musica libri III. Cum brevi anno- l.ilione de diagranmialis proprie sie dictis, figuris, scho- liis cel. codicum mss. edidit AlbertisJahniis,.. Berolini, sumptibus S. Calvaryi el sociorum. MDCCCLXXXII. gr. 8. LX1I und 97 Seilen, nehst S lithojzraphischen Tafeln mit Notenzeichen und Figuren. Preis 6 ,tl

»Incomparabilem antii/uae musicae auclorem et vere exem- jn'ar unicum nunc primum graece et latine damtu. Quicqvid olim Aritto.i'i ,' de Harmonica et reliquis artis partibus do- cuerunt, (/uicf/ui'rf oiimis antii/uitas de moribus muiica forman- dix, de naluralibus rebus musice ab omnipotente Deo conttitutit adeui/uc de untrer«) harntonia commentari potuit, unus Aristides Quuititianus laut conciana brevitate tribw libris expoiuit, ut 'Hin,nun veterum imtsicorum düciplinam aeque ac gloriam in suum opus conyn-sisse videatur. Den unvergleichlichen Schriftsteller über die Musik der Allen und das einzig dastehende Muster seiner Arl gubcu wir hiermit griechisch und lateinisch zum ersten Mal heraus. Alles was die Anhänger des Aristoxe- Dus über die Harmonik und über die sonstigen Theile der Kunst einst m-lrliri haben, was das ganze Alterlhum über die musikalischen Kegeln, über die vom allmächtigen Gott nach musikalischen Gesetzen geordnete Natur und über die Harmonie des Weltalls vori;ebr,ichl hat, dieser Arislides Quinlilianus hat das allein in drei lliichern in so prägnanter Kürze ausgeführt, dass er damit gleichsam die Systeme aller alten Musiker wie nicht minder ihren Kulm in sein Werk zusammen fassle.«

Das sind die Worte, mit welchen Marcus Ifeibom 4651 diesen bis dahin gänzlich unbekannten Autor in die literarische und musikalische Welt einführte. Man sollte denken, dass eine -olclie Lobredt; genügt haben würde, den Neuentdecklen für minier an die Spitze der musikalischen Schriftsteller des Aller- ihums zu setzen. Dies ist aber nicht der Fall gewesen ; sagt iloch der neue Herausgeber sogar, der alte Autor sei bisher in .Mcibom's Ausgabe f.ist »vergraben« gewesen. Letzteres ist nur ligürlich zu verstehen, denn Meibom's »Sieben griechische Schriftsteller« befinden sich seit mehr als 100 Jahren in den Hunden Aller, welche sich mit der alten Musik auf gelehrte Weise beschäftigt haben.

Wie erklärt sich nun eine solche Vernachlässigung? Hat Meibom in der Freude des Entdeckers die Bedeutung seines Fundes übertrieben, oder sah er richtiger als Alle, die ihm auf iliesem Gebiete gefolgt sind? Wir neigen der ersten Meinung /u, Dr. Jahn dagegen stimmt in der Werthschälzung mit Meibom überein und hat den Autor deshalb aufs neue in correclerer XVII.

Gestalt, unter Vergleichung aller auffindbaren und zugänglichen Handschriften, griechisch herausgegeben, um ihn nach seinem wahren Werth der Welt bekannt zu machen. Diese Absicht, wie auch die Arbeit selbst, ist höchlich zu loben, und wir wollen nicht versäumen, alle die es angehl auf das schön gedruckte Buch aufmerksam zu machen. Es ist ein Werk von dauerndem Werlh.

Ueber Aristides' Lebensumslände ist sogul wie nichls bekannt grworden ; selbst das Jahrhundert, in welchem er lebte, kann nicht festgestellt werden. Dass er der Schule oder Richtung nach Plaloniker war, ersieht man aus seinen Schriften; aber damit ist das, was sich Gewisses über ihn erkennen lässt, auch zu Ende. Das Zeita Her, in welchem er gelebt haben mag, ist bisher ein beständiger Gegenstand des Streites oder vielmehr, da man eigentlich nicht über ihn streitet, des Hin- und Herrathens gewesen, üer Herausgeber schreibt mit grosser Geduld alle gedruckten Meinungen hierüber zusammen, selbst von Solchen, die keine eigene Meinung in der Sache haben können, und bleibt selber mit den meisten Anderen im wesentlichen bei Meibom's Ansicht stehen. Man kann hiernach zwischen dem ersten und zweiten Jahrhundert n, Chr. wählen ; Herr Dr. Jahn setzt den Arislides, in welchem er einen ge- bornen Griechen und römischen Freigelassenen erblickt, in das Zeitaller Hadrian's 1(7—138 n. Chr.). Damit hätten wir denn einen ziemlich festen Anhalt, wenn sich nur Alle, die in der Sache mitzureden berufen sind, dabei beruhigen wollten.

Leider ist dies nicht der Fall. Die Gegn,er, welche für eine bedeutend spätere Zeit plaidiren , fallen besonders für Musiker ziemlich ins Gewicht. Herr Jahn führt .als solche an Wett- phal, der Aristides verkleinerten einen »späten Compilator» nennt und ins i. Jahrhundert setzt; ferner Gevaert, welcher in diesen Fragen unserm etwas wunderlichen Weslphal mit freier Umschreibung zu folgen pflegt, wie er denn auch den Arislides einmal vor die Mille des dritten christlichen Jahrhunderts (als Zeitgenossen von Baccbius und Alypiusj, «n einer ändern Stelle vor Beginn dieses Jahrhunderts, an einer dritten sogar nach Mitte desselben setzt. Kaiser u. A. hatten schon vorher Aehnliches gegussert.

Wie man siebt, ist also von den erslen vier oder fünf bun- derl Jahren nach Christi Geburt keine Zeit vor diesem Aristides Quintilianus mehr sicher. Der Spielraum ist zu gross, als dass sich jemals eine Einigung erhoffen Hesse, deshalb möchte es geralhen sein , den Streit ganz aufzugeben. Wenn wir trolz- dem in den folgenden Zeilen noch einen Beilrag dazu liefern, so geschiehl es nicht, um diesen chronologischen Hader forl- zuspinnen — denn wir verzichten auf eine eigne Meinung in

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der Sache —, sondern die Absiebt ist lediglich, eine Lücke auszufüllen, welche in dem von dem Herausgeber zusammen getragenen Material vorbanden ist. Er cilirt alle Autoren bis auf einen Einzigen, und dieser Eine ist gerade derjenige, dem wenigstens das Lob gebührt, seine Ansicht ausführlich und rein sachlich motivirt zu haben. Wir meinen Herrn William Chap- pell, den Verfasser einer englischen «Geschichte der Musikc, von welcher l 87 i der erste, die Musik des Alterthums behandelnde Band erschien. Chappell kann unsern Autor nicht früher als in das vierte Jahrhundert setzen, will aber auch mit sich handeln lassen, wenn Jemand Lust haben sollte, den Arislides noch um ein- bis zweihundert Jahre jünger zu machen. Wir tbeilen seine Erörterung hier wörtlich mit, und zwar um so mehr, weil das wertbvolle Buch merkwürdiger Weise den Meisten kaum dem Namen nach bekannt geworden ist. Cbappell sagt:

»Aristides Quintilianus beschreibt sechs Scalen als enhar- moniteh, welche allen alteren Autoritäten zufolge gemachte Modus mit eonarmoniscben Vierteltönen sind. Er bezeichnet sie als .sehr alt'. Die inneren Kennzeichen seiner Abhandlung beweisen, dass Meibom diesen Autor in ein zu frühes Zeitalter gesetzt bat. Meibom scheint den Wunsch gehabt zu haben, die Wichtigkeil des Zusatzes zu erhöhen, den er durch VeröUenl- licboog des Aristides zu der Musikgeschichte zu machen im Begriff war. Er erblickt in dem Autor einen Vorgänger des Claudius Plolomäus und übersieht dabei die Thalsache ganz, dass derselbe die obige Tbeilung der Scala in 60 Tbeile von Ptolomäus entlehnt bat. Ich kann kaum annehmen, dass Aristides Quintilianus früher lebte, als im vierten Jahrhundert, und wahrscheinlich noch ein oder zwei hundert Jahre naher unserer Zeit.

»Entlieh ist er der einzige griechische Schriftsteller, ,welcher G und G* als den tiefsten Ton der Scala annimmt. Dieses G (welches mittelalterliche Autoren als Gamma bezeichnen, weil in den Kirchenlonarten bereits eine Octave höber der grosse Anfangsbuchstabe G gebraucht wurde) beschreibt Guido als eine ,von den Modernen hinzugefügte Note'.

»Ferner, Aristides muss sicherlich gelebt haben, als alle Scalen mit Ausnahme der gewöhnlichen diatonischen bereits vergessen waren. Er würde sonst nicht den Plato in einem Ausdruck missverstanden haben, der sich auf eine der vergessenen Scalen bezieht, und hätte nicht annehmen können, dass Plalo beabsichtigte, das Adjectiv rüntonon auf eine eoharmo- nische Theilung des Telrachords anzuwenden, wo nur ein einziges enharmonisches vorbanden war. Das Enbarmonische ist der gerade Gegensatz zu nmtonon, d. h. dem malakötaton aller Scalen — das Erste bedeutet scharfe, bocbgezogene, das Andere sanfteste und loseste Stimmung der Saiten. Plato bezieht sich auf die beiden Arten des Diatoniscb-Lydischen, und deshalb fügt er das sonst unnötbige nmtonon der Hanptart bei und setzt malakön zu der ändern. *) Die enharmoniscbe Scala, welcher Aristides Q. den Namen Süntono-Lydiieh gegeben hat, ist das was jeder griechische Schriftsteller, der frühe wie der späte, Hypo-Lydisch nennt; und die Ansicht, welche man hieraus ziehen muss, ist, dass der Irrtbum durch den Copisten des von ihm benutzten alten Manuscripts entstand , und dass er in einer zu späten Zeit lebte, um dies zu entdecken. Er selbst sagt (Meibom p. 133), dass die enharmonische Scala uniheilbar ist; deshalb kann es auch nicht noch eine zweite Art davon gegeben haben, und ein Zusalz vor den Namen konnte nicht erforderlich sein.

Ein drittes Argument für das spüle Zeitalter dieses Autors ist, dass sein Notations-System mancherlei Abweichungen zeigt von dem des Alypius, sodass das eine nicht überall dazu dienen

Republ. lib. III, l»»a.

kann, das andere zu erklären. Das System des Aristides Q. ist ein allgemeines für sämmllicbe Modus, und er giebt die NoU- tion für jeden Haupllon der ganzen Scala. Dies ist eine grosse Verbesserung, aber eine solche, welche dem Boethius, der im 6. Jahrhundert schrieb, unbekannt war — doch giebt Arislides dies nicht als sein eignes System oder als irgend eine Neuheit, sondern vielmehr als den anerkannten Plan.

Das Datum, welches Meibom ihm zuerkannt bat, ist von den Gelehrten so allgemein angenommen , dass es nothwendig geworden ist, für die Abweichung davon Gründe anzugeben. Die Scala, welche Arislides Stmtoao-Lyditdt nennt in der alten Scalenreihe, zeigt sich als die hypo-lydische (may be teen to be Bypo-Lydian, by kamng üi key-note on tke third atcendmg ttring of itt Octave on tke lyre).

»Scalen waren schwerlich Meibom's Stärke, sonst würde er dies als Hypo-Lydisch entdeckt haben. In seinen Bemerkungen zu Euklid bildete er eine Beibe von Tonleitern so irrthümlich, dass er die Telrachorde auf die inneren veränderlichen Sailen basirte, statt auf die äusseren feststehenden Töne. Ferner erzählt er in seinen Erklärungen dieses Autors dem Leser, dass die zwei ältesten Telrachorde durch eine Saite verbunden waren, welche beiden gemeinsam war und welche Hypate Meson, ,die tiefste des mittleren Telrachords', genannt wurde. Aristoteles sagl, dass die Saite liese hiess. Es ist klar, dass Meibom die Probleme des Aristoteles nicht gelesen hatte und nur mutbmasste. In den folgenden Scalen sind seine vorgeschlagenen Verbesserungen nicht selten am unrechten Platze, was er entdeckt haben würde, wenn er nach ihren Schluss- uoten auf der Lyra ein Diagramm von ihnen ausgeschrieben hätte. Der Text des Aristides ist in der von Meibom benutzten Abschrift ohne Zweifel sehr fehlerhaft, jedoch alle Scalen waren nach Gesetzen gebildet, über welche unier den alten Schriftstellern keine Meinungsverschiedenheit herrscht.

»Die folgenden sind die sechs .alten' Scalen des Aristides nach der ungenauen Revision von Meibom. Die Zahl \ soll die eoharmonische Diesis oder den Viertelten bezeichnen :

Corrnmpirtr rumiCrtitr Scnlcit. Lydisch i 1 i i 1 1 , Dorisch 1 1 i t 4 1 1 1 Phrygisoh 1 i i <j | 1 T 1 4 l i i U | T Mixo-LydiBoh .... Syntono-Lydisch . . . i i i l i 4 «i * 1 3 ... i t

In dem Obigen ist das dorische Intervall zu seiner Schlussnote am rechten Platze, nämlich als viertes der Reibe, wie es der Text besagt. Es steigt von der Saite des Vorderfingers zwei Töne auf und sein diazeustischer Ton ist der nächst höhere. Aber das Phrygische sieht am verkehrten Orte. Es sollte auf der Saite näcbsl über dem Dorischen sein und so rechts in der Scala einen -Grad höber. Meibom fügt einen der obigen Vierlellöne hinzu, um die Octave auszufüllen und Ueberecn- slimmuüg mit einer anderen Linie des Textes herzustellen, aber er halle den eingeschobenen Viertelton an die linke statt an die rechte Seite der Schlussnote setzen sollen. So wie es jetzt steht, sind dorische und pbrygische Schlussnolen auf derselben Saite, was unmöglich war. Der Liebhaber möge diese Analyse weiter fortsetzen und den griechischen Text mit Meibom's Uebersetzung p. 2), sowie mit dem Diagramm p. tt vergleichen. Ich füge die sieben enbarmooischen Hauplscalen in ihrer richtigen Ordnung bei. Die schräge Linie von einer Zahl J zur ändern zeigt das Aufsteigen zu der Mese oder Schlussnote jeder Scala, und der diazeustische Ion derselben findet sich auf der nächsten Stufe zur Rechten.

»Das lastische hat darin keinen ri.it/, weil es blos die Position von einer der sieben bereits berechneten Scalen einnehmen konnte . und dies war der Grund, dass Claudius Plolomäus die Reduction der Zahl der Tonleitern auf sieben empfahl: —

Ululjrr cnljariinuiifriic Stnltii. Mixo-Lydisch . 4 { | f **' t > 1 i 1 Lydisch . Phrygisoh . \ i i 1 J i < i 1 t i i Dorisch . 1 i K ,' i * i s Hypo-Lydisoh . \ 1- ^ 1 t i s 1 Hypo-Phrygisch l. XJ i i i t i 1 Hypo-Dorisch . t 1 i i i t i s

»Der Werlli der Abhandlung des Aristides Quintilianus wird

wenig verringert durch einen Irrlhum über alte phantastische

Scalen und über einen musikalischen Ausdruck, welcher zu

seiner Zeit bereits ausser Gebrauch gekommen war. Es möchte

selbst heutzutage nicht unmöglich sein, einen sehr gelehrten

Mann zu finden, der eine Tonleiter aus Chaucer's Zeitalter nicht

zu erklären vermöchte und der vielleicht sogar durch eine aus

der Zeit der Königin Elisabeth in Verlegenheit gesetzt würde.«

(W. Chappell, The Hislory of Music. (Art and

Science.) Vol. I. London, 487*. gr. 8. Seite <30

—«35.)

Dies ist im Zusammenhange die Haupistelle, welche Herr Chappell unserm Autor widmet. Der neue Herausgeber des Arislides möge nun die vorgetragenen Gründe prüfen.

Hiermit verlassen wir den Gegenstand und empfehlen die Ausgabe des Herrn Dr. Jahn noch einmal allen gelehrten Lesern. Eine deutsche Uebersetzung des Arislides wäre wünschens-

werth- Chr.

Spicilegia.

(Vergl. Nr. 48, Sp. 180.) 9.

Verweilen wir bei der Betrachtung der höchsten Kunst, der dramatischen, die uns ja seit unserer Genie-Periode fortdauernd in Alhem hält mit den Fragen nach Grund, Werth und Ziel. Die Gegensätze der Sinne, Auge und Ohr, sollen sich vereinen durch Bild und Ton in der Schauburg (schowborg) wie der niederländische Ausdruck unser Theater ersetzt, hiemit die Eine Seite, das Sichtbare bezeichnend. Was aber ist dieses Sichtbare ohne die Hörbarkeit des lebendigen Tones in Wort und Klang, welches die Griechen umfassen in ihrem Itrama, d. h. Handlung? und weiter hinaus: Was ist Handlung, worin ist sie von unserm gemeinen Thun unterschieden? Darin, dass es epische und lyrische Elemente in ein höheres Gesammtbild verbunden darstellt in dem Kampfe zweier Ebenbürtigen: die Doppelhandlung gleichberechtigter Kämpfer, welche die Thal mit Bewusstsein als Aufgabe erfassen, wo im Kampfe vom Grunde bis zum Gipfel Einer der Sieger wird, nicht durch (räumende Naturgewalt, sondern auf Grund ethischer Willensbewegung. Diese Dichlart, welche als Krone aller Künste von den höher gebildeten Völkern wenn nicht überall geübt, doch anerkannt ist, hat auch mehr wissenschaftliche Lehre erweckt, daher auch mehr Streit der Gelehrten.

Von Lessing's Dramaturgie bis Hegel's und Lotze's Aeslhelik ist auf diesem Felde manch köstlich Korn der Wissenschaft ge

legt, deren Blüthen nicht alle Früchte getragen, doch bescheiden genug waren, sich der Prophetie zu enthalten: von Zukunft-Poesie kommen bei Klopstoclt und Schiller kaum leise Vorklänge, aber weder Händel noch Mozart haben sich vermessen von Zukunftsmusik zu träumen, um ihre hohe Kunst zu adonisiren. — Etwas Sturm und Drang haben wir unter- dess aller Zeiten, denn der Mensch, »was er gewollt, was er verlor — er bleibt zuletzt sein eigner Thor«. — Vorläufig bleiben wir an der Linie dieser unserer Zeitung, die ja ihr Leben bereits sacularisiren kann, da sie nach zweimaliger Unterbrechung mit neuem Muth im Dienste der Kunst fortgefahren ist. Auf ihrer Bahn dürften wir noch manchen Fund machen, der prophetisch über unsere beutige Kunst hinaus ginge, wenn wir die Grundlagen erwägen, mindestens aufgraben: Poesie. Drama, Sprache, Gesang, Tonkunst.

40.

P»esle ist in neuester Zeitungssprache gleich viel anderen Worten so missbraucht, dass leichtsinnige Leser sich darin verirren. Lessing, Hegel und Lotze halten die begründete Bedeutung fest als Gedicht (dictirt, Gedachtes), ein Werk höherer Sprache. Man sagt richtig: poetische Sprache, Anlage, Anordnung, aber nicht: poetisches Flöten- oder Geigenspiel oder poetisches Gemälde. Unsere besten ästhetischen Syslematiker haben die Poesie, die Musik, die Baukunst, Malerei, Plastik ehrlich bei ihrem Taufnamen gerufen, nicht die Poesie zum Gewürz vergeudet, wie man dergleichen in der Metropole des Missverstandes nur zu gerne hört. Vor mehreren Jahrzehnten hatten einige nordische Kunstgesellschaften anständige Preisangaben gestellt über die Frage : » W a s ist das Poetische in der Musik ? oder: Welche Musik ist poelisch zu nennen?« und fanden wenig kühne Wettrenner, die sich der Krone werth glaubten : keine Antwort ist zum Preise gekommen von Kopenhagen bis Rotterdam. Denen geschab ganz Recht, weil sie Kunst und Poesie verwechselten, gleichwie die Münchener und Düsseldorfer Künstler, die nichts als Malen und Meissein Kunst betiteln.

11.

Die Aussprache

der Wortkunst ist in allen Schulen insgemein für das Unentbehrliche zu Kunst und Bildung anerkannt, insonderheit aber für die, so öffentlich zu sprechen haben : ausser der Sing- und Athem-Lebre ist die Dialektunterscheidung mindestens zu kennen, was bei der deutschen Mannigfaltigkeit allzeit schwer gewesen, da wir nicht an ein despotisches Oberhaupt der Sprache glanben. Die Mehrheit giebt den Norddeutschen den Vorrang in der Vocalisirung und Articulirung, auch der Verständlichkeit für In- und Ausland, daher die Fremden sie am leichtesten lernen; im Singen sollen ihnen die Schwaben und Franken öfter voran sein. Was aber den allgemeinen Wohlklang betrifft, die Klangfarbe in Nah und Ferne, da giebt uns der Gründer unserer gereinigten Sprachlehre Auskunft: Jac. Grimm ist nicht so nationalliberal, dass er die deutsche Sprache aller Sprachen schönste nenne; diesen Vorzug giebt er dem Lateinischen, weil es unter allen mittelländischen (indogermanischen) Sprachen die klang- und sangvollste sei, indem es am meisten in den Grundvocalen AID operire, die Häufung der Consonanten meide, das (heimliche) stumme E fast nicht kenne u. s. w., und weil jene drei so reichlich und harmonisch wechseln, *) so singen auch Nichtkalholiken allkirchliche Hymnen und Sequenzen, wie Stabat Itater, Die» irae, Fange

) Wie animtu, tmica, Aumani, calüdiu, urbi eaptiva, triumphan- tet a. B. w.

  • »

lingua u. a. lieber lateinisch als in ihrer Muttersprache. — Das unselige stumme E haben Spanier, Schweden und Italiener nicht; dafür haben wir fünf Vocale, die sich bei den übrigen sonderbar vertheilen. Die Engländer haben kein ü (lang), die Franzosen kein (deutsches) eiundeu; das englische ö in dumpfem Anklang ist specifisch dergestalt, dass der zierliche Sachse es schwer zu Stande bringt; ä hat auch seine eigne Natur, fast chamäleonlisch, da H a i in vielen Dialekten wirrig ist, lang ä und i/nur im Nordischen scharf gescbieden|wird. Die Hollander haben schöne klangvolle a und ö, mehr als die meisten Deutschen.

Ausser den Yocalen die übrigen Töne ohne Klang, die Con- sonanten, haben andere Schwierigkeiten, die wir hier nicht berühren, da sie dem Gesänge weniger web thun, -wenn man sie richtig anfasst. Die vielen Quetschlöne der Slaven und Mongolen , die dem Altdeutschen und Altgriechischen fremd sind, haben ihr eignes Keld, hier nicht zu beschreiben (j, ji, scr = sehr, tzkr u. s. w.)

Wer gesunde Lunge und Zunge besitzt, wird mit einiger Erziehung und Uebung deutsch und ansprechend singen können oder lernen : freilich nicht ohne musikalisches Gehör, welches besser im Chorgesang als in einsamer Uebung sich ausbildet. Die vollständige Sanglehre ist hier nicht zu besprechen, nur an einige Punkte zu erinnern, die auch tüchtige Lehrer nicht immer ins Auge fassen : die Rücksicht auf die Gesundheil, dass nämlich die Stimmen nicht überanstrengt werden dürfen durch Ausdehnung des Tonumfanges und durch gewaltthätige Uebung wahrend der Mutation. Neben diesen physischen Regeln, worauf die Aerzte achten müssen, ist der psychische Punkt der Dynamik anzusehen, in der die modernen Meisler seit Marx viel gesündigt haben. Ueber diese Punkte empfehlen wir dringend die Stücke d. Rl. (88) Nr. 61, Sp. 811 und 1881 Nr. 14, Sp. 170 durchzulesen.

Gesangliche Anregungen.

An meinen Artikel über deutsche Sänger und deutsche Gesangsweise in Nr. l i der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung» vom 14. Juni 488z anknüpfend, sei es mir (erlaubt, auf eine Reminiscenz zurückzugreifen, welche vom Jahre 1871 datirt und damals meinerseits von Weimar aus erfolgte.

Es beschäftigte mich damals der Gedanke, ob nicht auf dem Wege eines Sängercongresses in Gestalt der üblichen Tonkünstlerversammlungen, speciale Fragen zur Hebung der Gesangskunst als solche, gemeinsam in das Auge gefasst und erörtert so wie zum Beschluss gefass: von segensreicher Wirkung werden könnten.

Der Sache möglichst auf den Grund zu kommen, ob meine Idee lebensfähig sei, schrieb ich damals an erste Gesangs- künstlergrössen Deutschlands', trug ihnen meine Anregung mit möglichster Motivirnng vor und rief sogar die Gnade Seiner Majestät König Ludwig's von Bayern an, als Proteclor des Vorhabens aufzutreten. In meiner Begeisterung für die Sache, hatte ich gänzlich die Schwierigkeit, ihr überhaupt näher zu treten, ja ihre Unausführbarkeit noch dazu unter Anregung von Seiten einer ganzlich unbekannten Person übersehen, und die unmittelbare Folge meiner Bemühungen war, dass keine einzige Ge- sangsgrösse es für der Mühe werth fand, mich überhaupt einer Rückantwort zu würdigen. Se. Majestät König Ludwig allein Hess mir in einem Schreiben sein Bedauern ausdrücken , dass er sich mit elementaren Fragen der einzelnen Künste nicht befassen könne, dagegen stelle er mir es anheim, der königlichen Musikschule in München Vortrag von meinem Projecte zu halten. So sehr dankend ich diesen Bescheid entgegennahm, so

sehr wich er von meiner originalen Idee ab, einen allgemeinen Sängertag ausübender Gesangskünstler zu veranlassen, um Maximen festzustellen und bedeutenden Traditionen aus den Zeiten der grossen Schule wieder zu ihrer Geltung zu verhelfen zum Besten der Gesangskunst in ihren inneren und äusse- ren Fragen, im Kampfe mit der Instrumentalistik.

Wenn ich nun auch meine Idee nach obiger Richtung fallen liess, aus eigener Ohnmacht, ihr keine genügende Stütze sein zu können, und auch die Hoffnung aufgegeben habe, dass eine würdigere Gesangskraft sie erfolgreicher aufnehmen werde, so halte ich es doch für der Mühe werlh, das, was mich damals wenn auch vergeblich bewegte, noch einmal zur Sprache zu bringen, für den Fall sich unerwartete Schlüsse daran reihen lassen.

Dass wir in keinem anderen Fache der Musikkunst und aller anderen Künste in ihren Vorfragen so hülflos dastehen, wie in den Principien der höheren Stimmbildung, geht schon aus dem einen Umstände hervor, dass verschiedene Musikschulen Deutschlands italienische Lehrkräfte zur Hebung der Tonbildung im Gesangsfache heranzogen, ein Experiment, welches für sich selbst spricht.

In Gesprächen mit Kapellmeister Ganz in London, welcher mit den ersten Gesangskräften der Welt in Berührung kommt, musste ich hören, dass er unter Reiwohnung der öffentlichen Prüfungen in Leipzig im Conservatorium über die instrumentalen Leistungen entzückt gewesen sei, während die vocalen nicht zu seiner Refriedigung ausfielen , im Gegenlheil als sehr mangelhaft sich erwiesen. Sehr zu wünschen wäre es, wenn von Regierungsseite aus der Hebung des Kunslgesanges auf seine ganze Höhe ein waches Auge geschenkt würde, durch Heranziehen von Gesangskünstlern, Einfluss auf Kirchen-, Schul- und Volksgesang zu üben und Kunslelerneute daran zur Geltung zu bringen, im Erzeugen und Manipuliren des Tones.

Nach dieser Richtung machte die Württemberger Regierung einen höchst ehrenvollen Versuch während meines Aufenthaltes in Stuttgart 1870—(874. Dieselbe setzte alle Mittel an, den Sänger Julius Stockhausen für Schwaben zu gewinnen in unmittelbarer Verbindung mit der Idee, den Volksgesang zu heben. Die Stellung Stockhausen's sollte eine doppelte sein. Der König halte ihn zum Kammersänger ernannt, das Ministerium wollte ihm das Gesangsfach im Stuttgarter Conservatorium unterstellen und seinen Rath für weitere Bildungsanstallen in derselben Richtung in Anspruch nehmen. Aus Stockhausen's eigenem Munde erfuhr ich den Plan, wusste aber sofort, dass er sich nicht an eine officielle Stellung in Württemberg werde fesseln lassen, weil ihn damals noch seine Concertreisen sehr in Anspruch nahmen und sich als sehr lucrativ erwiesen. Sehr ehrenhaft der Kunst gegenüber bleibt es aber, dass die Württemberger Regierung die Initiative ergriff, die höheren Principien der Gesangskunst durch eine solche Küostlerkraft zum Gemeingute des Volkes zu machen. Kein ideales Gebiet dürfte mehr der Cultur zu empfehlen sein, als der höhere Gesang, welcher so tief in den Cullus eingreift und das Gemüth so mächtig zu fesseln und zu erheben weiss. Und kein Mittel ist geeigneter, die allgemeine Gesangsbildung mehr anzubahnen, als Heranziehung von wirklichen Gesangskünsllern und Kennern des Organes zur Grundlegung des elementaren Unterrichts.

Heino Hugo,

Gesanglehrer am Tietz'schen Conservaloriam zu Gotha.

Nachschrift. Ob wohl eine Möglichkeit vorbanden wäre, die deutschen Gesanglehrer, wenn sie wirklich an einem bestimmten Orte gleichzeitig sich einstellten , auch nur soweit zu vereinigen, dass sie an einem gemeinsamen Mahle sich betbei- ligten T Wer die Ungenirtheit kennt, mit welcher der eine dieser Herren über die Methode des ändern unbedingt den Stab briclit, der wird auch wissen, wie weit die Versuche, eine gemeinsame Methode zu vereinbaren, zur Zeit Alissicht auf Erfolg habon können. D. Red.

Anzeigen und Beurtheilungen.

Arrangements classischer Compositionen für zwei und mehr

Pianofortes zu vier bis acht Händen

erschien in den letzten Jahren wieder eine beträchtliche Anzahl , die von der Thätigkeil unserer Musikpressen , von der Betriebsamkeit unserer Verleger und hoffentlich auch von den gesteigerten Bedürfnissen des musikalischen Publikums einen neuen Beweis liefert.

Von den Arrangements zu vier Händen für zwei Claviere nennen wir zunächst die grosse Sammlung der

(laticr-ConriTlc von floiart, 28 Nummern, Ausgabe für zwei Pianofortes von LoiU laju (Leipzig, Brcitkopf & Härtel),

welche der Ausgabe von Reinecke genau sich anscbliesst und auch die Bezeichnungen beibehalten hat, mit welchen derselbe den Mozart'sehen Clavierpart zu Schul- oder Vertragszwecken bedachte. Nach der vorläufigen Erwähnung der Bearbeitung von L. Maas in Nr. 10 Jahrg. 1884 Sp. 3(4 kommen wir hier, nachdem die ganze Collection vorliegt, nochmals darauf zurück. Obwohl dieselbe stellenweise etwas hart klingt, kann sie doch als eine ausgezeichnete Arbeit mit Recht empfohlen werden. Der l'reis der einzelnen Concerte ist je nach dem Umfange l bis 8 .H.

Eine willkommene Ergänzung zu diesem Concertsatz, den wir einem einzigen Meister verdanken, bildet das Sammelwerk

(luipr-Conccrti- alter und icier Zcil (20 Nummern, von lack bis Reinecke), Ausgabe für zwei Pianofortes (Leipzig, Breitkopf & Härtel),

welches hier seiner Zeit als von Carl Reinecke veranstaltet besprochen wurde. Durch beide Publicationen besitzen nun diejenigen Spieler, die über zwei Claviere in demselben Räume verfügen können, eine äusserlich wie innerlich gleich grosse Sammlung und eine unerschöpfliche Quelle des Vergnügens. Drei Concerte von Mozart (Nr. 10. 15 und 16 der obigen Serie) hat Herr Reinecke in seine Blumenlese aufgenommen ; diese drei Stücke sind also beiden Sammlungen gemeinsam. Macht zusammen 45 Concerte für zwei Claviere.

Von den Arrangements zu vier Händen für zwei Claviere ist auch noch mit gleichem Lobe zu erwähnen :

Quintett Op. 46 von Beethoieu. unter Beibehaltung der Originalstimme fttr zwei Pianoforte eingerichtet von (L tinler. (Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. uT 5. 75.)

Will man nun in der Vervielfältigung der Hände noch höher hinauf steigen, so muss man sich vor allem an Herrn Carl Burchard wenden , da dieses Fach seine Specialitiil ist. Zu sechs Händen lieferte er uns vier Ouvertüren von Mozart, Boieldieu, Rossini und Beethoven, sowie von letzterem einen Siegesmarsch, unter dem Titel:

rompc.iUionrn für das Pianoforte zu sechs Händen bearbeitet von Carl Burchard. Dresden, Adolph Brauer.

Zu acht Händen können wir von ihm anführen und anpreisen: weh aus Fidelio Op. 72b, fttr zwei Pianoforte zu acht Händen. Pr. uf 4. 50

Polonaisen zu vier Händen von Frau Schubert, Op. 64, arrangirt für zwei Pianoforte zu acht Händen. Nr. 4 D-moll 2 Jt; Nr. 2 B-dur 3 Jt; Nr. 3 D-dur 3 Jt. Sämmtlich: Leipzig, Breitkopf & Härtel.

In gleicher Vielbändigkeit und entsprechend tüchtiger Arbeit liegen vor:

Ouvertüre zu Mozart's Ascanio in Alba, für zwei Pianoforte zu acht Händen arrangirt von Paul traf WaJdertee. Pr. 2 uT.

Ouvertüre C-dur, Op. 424, von Beethoven, für zwei Pianoforte zu acht Händen arrangirl von G. Röuler. Pr. Jl 4. 75.

Ouvertüre Nr. 2 zu Fidelio, Op. 72, arrangirl fttr zwei

Pianofort« zu acht Händen von i.6.litter. Pr.ulfi.75.

Ouvertüre Nr. { zu Fidelio, Op. 438, arrangirt für zwei

Pianoforte zu acht Händen von i. fl. Ritter. Pr. i .ff. Ebenfalls sämmtlich: Leipzig bei Breitkopf & Härtel. Unter diesen Bearbeitern nehmen wir mit besonderer Freude auch den Veteranen A. G. Ritler wahr, der von seiner grossen Kunst seit Jahren dem allgemeinen Publikum leider wenig mittheilt.

Damit man uns nicht den Vorwurf machen kann , dass wir bei dieser Anzeige von gross angelegten Arrangements die neueste Zeit ganz und gar vernachlässigen, wollen wir unsere Empfehlung mit einem 'Vollblut-Producl unserer Tage be- schliessen, nämlich mit

t. Lisit'ü S>«nph«oir zuJI.-iiilr'.s DivinaCommediafttrgrosses Orchester mit Sopran- und Alt-Chor, arrangirt für zwei Pianoforte zu acht Händen von Job»» Tm Vegk. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. uf 44. 50. Kür den Unverständigen hat Herr Rieb. Pohl, dessen gefällige Feder hochromantischen Gegenständen stets zu Diensten ist, eine »Einleitung* geschrieben, welche zum Theil das sagt, was in der Musik nicht enthalten ist. Der Gesang ist an dieser Symphonie in einer sehr unselbständigen Weise betheiligt, was Diejenigen, welche Liszt als Vocalcomponislen kennen, auch ohne unsere Beihülfe entdecken werden. Doch darum bandelt es sich hier nicht, sondern nur um eine spielbare Herrichtung der gesammten Musik für acht Hände, und dies ist mit aner- kennenswerthem Geschick bewerkstelligt.

lieber „die junge Nonne" von Schubert und „la religieuse" von Diderot.

^Fortsetzung.)

U.

Der Einfluss des modernen Claviers mit seiner Allgewalt wirkt in dem Grade auf Schubert, dass seine schönsten Lieder auf uns zuweilen die Wirkung von Ciavier-Etüden mit Begleitung der menschlichen Stimme machen. Er setzt sich an die Tafel der Harmonie und lässt seine Finger gleiten; das Instrument hat ihn verstanden, es schwingt sich auf, und dem Spiele der Modulationen entströmt ein tonreicher Nebel, aus welchem alsbald die Melodie emporsteigt. Wer hat wohl den Wassersturz von Vaucluse beim ersten Sonnenstrahl gesehen? Rs ist ein blendendes und betäubendes Schauspiel, bei dem uns Sehen und Hören vergeht. Die ungeheure Wassermasse stürzt mit voller Wucht sich zerstäubend von Felsen zu Felsen in tollen Cascaden, deren regenbogenartig schillernder Schaum im Licht des jungen Tages sich unmerklich in Arabesken und ideale Formen auflöst. Schubert's Melodie besitzt diesen Zauber, und ohne eine Luftspiegelung zu sein, gleich den Visionen des Ab- grundes, spriesst sie leuchtend aus den wogenden Tiefendes Accompagnements empor. Die Motive Beelhoven's gewinnen viel durch die Verarbeitung und Durchführung, je mehr sie gedreht und gewendet werden, desto mehr verdichten und vergrößern sie sich. Bei Schubert ist es das Gegentheil; seine Themas kommen vollendet auf die Welt; sie sind auf den ersten Schlag das, was sie sein sollen, und jedes dialektische Bemühen kann ihnen nur schaden. Schubert's Symphonien, seine Quartette und seine Sonaten leiden an Ueberfülle; sie gleichen jenen Gärten, welche dem Ueberwuchern der natürlichen Vegetation überlassen sind; ihre Blumen schiessen üppig ohne Pflege empor ; die Bäume, deren Zweige regellos treiben , ersticken unter der Umstrickung der Schlinggewächse, und gerade ihr Reicbthum macht sie unwegsam. Schubert widerfahrt in seinen Instrumenlalwerken der Nacbtheil seiner überströmenden Natur; die Motive wachsen ihm über den Kopf, er besitzt deren zu viele, um sie zu entwickeln. Anders ist es mit seinen Gesangscompositionen, wo der Text formell maassgiebt. Das Wort legt seinen Zügel an, und indem die Geister des poetischen Rhythmus denen des musikalischen Rhythmus die Hand bieten, beherrscht die Architektur des Verses gewisser- maassen die des Tons. Schubert treibt das Gefühl jener Transpositionen bis zum Extrem ; er weiss alles Gekünstelte zu vermeiden und Parallelismen in dem Maasse zu entdecken , dass gewisse Stücke, z. B. »Der Erlkönig«, den Effect machen, als ob sie mit bieroglyphischen Zeichen geschrieben wären, welche das Wort und das Bild durch den Ton übersetzten. Zumsteeg, Tomaschek, Zelter, Reichardt, Löwe, wie viele sind ihrer nicht, welche das Goethe'sehe Gedicht angelockt hat T Wenn es nicht jedem in gleicher Weise gelungen ist, so bat doch jeder sein Verdienst. »Der Erlkönig« von Reichardt ist ein Volksmärchen, der von Tomaschek besitzt Pathetisches, aber wenig Farbe. Was Löwe anlangt, so kommt dessen Transcription gleich nach Schubert's Werk ; einige s'.ellen es ihm sogar an die Seite. Unmöglich ist es jedoch, den Einfluss des Meisters zu verkennen, insbesondere am Anfang und gegen das Ende. Ich weiss wohl, was an Schubert zu krilisiren wäre : z. B. dieses zu phrasirte, zu nin'ir<if.ii klingende Cantabile, das er der Hauptperson zu- theilt, giebt seinem »Erlkönig* den Anstrich eines italienischen Tenors. Bei Löwe verbreitet sich das Dämmerlicht des Ueber- natürlichen nach allen Seiten; das Gespenst schwebt in seiner Wolke einher ; ein mysteriöser Hauch der Stimme, ein Flüstern und es ist geschehen: Das Kind ist todt. Wie dem sein mag, das Werk von Schubert überlebt und wird es überleben; denn wenn auch irgend ein anderes bedeutendes unsere künstlerische Neugierde erregt, so reisst uns doch nur jenes aus der Tiefe geschöpfte Werk durch die urwüchsige und stürmische Gewalt des Genies, dessen Pulsschlag wir in jeder Note fühlen, mit sich fort. Ihm genügt es nicht, Accente zu haben für die subtilsten Vorstellungen der Seele; er will solche auch für die gewöhnlichsten Zufälle des Lebens finden. Als eines Tages Schumann mit einem seiner Freunde einen vierhändigen Marsch von Schubert spielte, setzten sie sich vor, wie es ihnen zufällig in den Sinn käme, ein Programm dazu zu erfinden, und es traf sich, dass sie, ohne darüber ein Wort gesprochen zu haben, sich beide auf einen Platz in Sevilla im Mittelalter versetzt dachten, auf dem Hidalgos, Senoras und Manolas im Festzuge einher marschirten.

Doctor Ambros berichtet einen ganz gleichen Fall, der bei der Aufführung eines vierhändigen Arrangements beobachtet wurde. »Als wir uns dem Schlüsse der Variationen näherten, denen das Lied »Das junge Mädchen und der Todi als Thema dient, und wir die letzten dem ftne vorausgehenden zwölf Takle des pianiuimo spielten, rief ich aus: Siehst du nichts? Ich

gewahre am Horizonte, aber weit, sehr weit weg, ganz da unten, ein leichtes Wölkchen. Es wächst; es erbellt sich mit rosigem Lichte, und weisst du, was ich in seinem Nebel unterscheide? — »Warte«, fuhr mein Freund mit leiser Stimme fort, immer noch während des pianissimo, »ich will es dir sagen, denn auch ich sehe es: es ist der Tod , welcher die Seele des jungen Mädchens entführt.«

Schubert hat Intuitionen, welche uns ergreifen. Hören wir eines seiner Quartette , und ich bin sicher, wir empfinden sofort bei dessen Anfang jenes Behagen, das im Herbste unser Herz erfreut, wenn wir vor einem guten Feuer sitzen, während draussen der Nordwind und der Regen die Fenster peitschen. Wenn wir uns andererseits eines Eindruckes von Venedig erfreuen wollen, so verschafft ihn uns der «Gondelfahrer«, ein Chor mit Begleitung des Pianos. Und wohl gemerkt, handelt es sich nicht etwa einfach um das Venedig der Cascatellensänger und der Guitaristen, sondern wir denken an die Lagunenstadt, an den Rialto, die Procuratien und die Marcuskirche, indem eine staunenswerthe Combination von Accorden uns auf dem Piano das Geläute mit telephonischer Genauigkeit übermittelt, und das schauderhafte Glockenspiel, das die ehernen Riesen der Merceria stündlich über der Stadt ertönen lassen , bis zur Wirklichkeit nachgeahmt ist. Füge ich bei, dass Schubert Venedig niemals gesehen hat, so ist eine weitere Bemerkung überflüssig.

Delacroix hatte ebensowenig Venedig gesehen , was ihn ebenfalls nicht abhielt, Tinlorelto's Schaffen wieder aufleben zu machen. Anderwärts in Gretchen's Klage verzehnfacht, ja verhundertfacht das malerische Accompagnement die Intensität des psychologischen Eindruckes, und der hartnäckig festgehaltene Rhythmus des Spinnrades stellt die Her/schlage des jungen Mädchens symbolisch dar.

Und jene nimmer ruhende Glocke in der »Jungen Nonne«! allgegenwärtig, unwandelbar und doch so verschieden in ihren Vibrationen: knirschend, aufdringlich, höhnend und ironisch läutet sie mit ihrem Silberklange zum Leben und zum Tode, zum Balle und zum Kloster, zur Reue und zum Widerstande, zur Verdammniss und zur Beruhigung; diese himmlische, diabolische, vor allem aber menschliche Glocke, wie soll man sie charakterisiren "' Hier komme ich wieder auf Alfred de Musset's Worte zurück und rufe Diderot zu Hülfe

m.

Die Conceplion Schubert's steht in der That in Beziehung zu dem Romane von Diderot, wie sein »Erlkönig«, sein »Gret- chen am Spinnrade«, der Cyklus der »Winterreise« zu den Gedichten von Goethe und Wilhelm Müller, welche sie inspiriit haben. Constatiren wir nichts destoweniger einen Unterschied : der Musiker folgt diesmal nicht Wort für Wort; er übersetzt, paraphrasirt und generalisirt. Die Nonne von Diderot ist eine Nonne, jene von Schubert ist d i e Nonne. Die meisten Romane Diderot's sind Erzählungen aus dem Wellleben, welche er zu gemeinfasslichen Erörterungen über Moral und Philosophie verwendet, häufig ohne sich auch nur die Mühe zu geben, die Namen zu verbergen. Es ist möglich, dass der Vorwurf der Nonne auf einer Tliatsache beruht; es ist aber auch möglich, dass sie nur eine Fiction ist, welche der These eines Schriftstellers zum Texte und Prätexle dient; in dem einen wie in dem anderen Falle ist die Sache zu prüfen. Möge mir daher der Leser gestalten, für einen Augenblick das Werk des Schriftstellers und das des Musikers mit einander zu vergleichen: ich fordere dies nicht blos deshalb, weil derartige Forschungen mich stets sehr angezogen haben, sondern auch weil es sich um den Beweis bandelt, dass in diesem Kampfe zwischen dem Musiker und dem Philosophen der erste es ist, der am meisten in den Grund der philosophischen Wahrheit des Gegenstaades eingedrungen ist.

Es ist in der letzten Zeit viel debattirt und viel von Diderot gesprochen worden ; seine Lebensfähigkeit gleicht beinahe der Voltaire's; hatte nicht auch er seine Feinde? Lieben wir ihn also nicht wegen seiner altmodischen philosophischen l'rin- cipien und seiner weinerlichen socialen Dramaturgie, nicht wegen des einen oder anderen seiner Werke, sondern wegen der Gesammtheit seines Schaltens, wegen seiner Dialoge, seiner Paradoxen, seiner Ansichten, seiner Klarheit, seiner Gedankenblitze über alle Dinge, wegen seines sielen Aufschwunges zu den Ideen (wenn dies auch nur Fragmente von Ideen waren), wegen seines Instinkts, seiner Durchdringung des Schönen in der Kunst, seiner flammenden Ausströmung von Licht und Rauch, wie solche nur den Vulcanen eigen ist. Diderot hat nie etwas Dauerndes hervorgebracht, nie etwas zur Wissenschaft beigetragen ; er bat weder den Esprit des lois, noch den Essai sur les moeurt geschrieben; man wirft ihm vor, weder ein Montesquieu, noch ein Voltaire zu sein ; Leclüre von Literaten l rufen die Puristen; es mag sein ! Sperren wir ihn in die Bibliotheken ; besser ist es allerdings, im Grunde der Herzen zu leben. Aber in den Bibliotheken ! us wohnt nicht jeder dort, der möchte, und es ist doch noch immer ein ganz annehmbarer Nothbehelf, dort wie Diderot darauf zu warten, dass die Geister, welche Frische, Inspiration und farbenreichen Stil lieben, die Literaten und die Mandarinen, uns aufzusuchen kommen. »Diderot ist Diderot,« schreibt Goethe an Zeller, »und sein Einfluss wird nicht sobald am Erlöschen sein.« Denken wir an George Sand, die ihm so viel verdankt. Durch ihn, weit mehr als durch Rousseau , der weder sein gemüthliches Sichgehenlassen, noch seine gute Laune, noch seine Duldsamkeit, noch seine Phantasien besitzt, durch Diderot wurde auf den Stil einer ganzen Generation von Romantikern, Aesthe- tikern, Theaterleuten und Keuillelonislen eingewirkt. Heisst denn das nur einen relativen Einfluss gehabt haben, und wirken denn die gewöhnlichen Sprecher und Salonphilosopben auch so in die Ferne? Ich habe George Sand genannt, ich könnte ebenso gut noch andere nennen. Erinnern wir uns an la visite da noces, diesen in dem Roman Ifadame de la Pom- meraye verborgenen ausgezeichneten kleinen Act, wie er schon in den beiden Versen von La Fontaine enthalten war, welche viele Leute und vielleicht sogar Dumas Sohn nicht kennen: Menelaus entdeckte Reize an Helenen, Die sie wohl damals nicht besass, Bevor sie Paris angehörte.

Dass in socialer Beziehung Diderot's Einwirkung wenig bedeutet, läugne ich nicht; als Philosoph ist er kaum zu rechnen, dagegen ist er als Mann der Wissenschaften ein Titan, sagen wir auch als Virtuos, indem wir ein Capitel von Variationen und Phantasien behandeln. Durchgehen wir den Koman.

Die Form der Erzählung lässt dem Autor zunächst freie Bewegung; ein Vortbeil, den Diderot nie aus den Augen verliert. Es handelt sich um ein Manuscript, das die Geschichte der Schwester Susanne enthält, und das die aus dem Kloster entflohene Nonne ihrem Beschützer, dem Marquis von Crois- mare miltbeilt. Das Innere einer ruinirten bürgerlichen Familie, das Kloster von Sainle-Marie, die Abtei von Longchamps und das Kloster von Samle-Kulrope zu Arpajon , das sind die vor unseren Augen vorübergehenden Gemälde: eine kleine Well, aber in ihren geheimsten Winkeln durchforscht, ein Genre-Bild und ein Bild der Kirche, das Sprechzimmer mit seinen Schwätzereien und Intriguen, die Zelle mit den nächtlichen Hallucinalionen, in der Nähe der Kapelle mit dem von Kerzen beleuchteten und mit Blumen geschmückten Altar, die Einkleidung, Longchamps mit seiner bei den galanten Reodez- Tous Dachgebenden schönen Damen so beliebten Kirchenmusik,

»Die Versuchung des heiligen Anton«, und Vert-Vcri, Breughel und Watteau; kurz, das Pathetische, das Lächerliche, das Hübsche, das Heizende und das Abstossende dieses unvergleichlichen »tout Pari»« des Kococo. Das Kloster in unablässiger Berührung mil der Aussenwell, die Echos zurückwerfend, Amber und Bisam durch die mit Weihrauch gesättigten Mauern ausströmend, und dessungenchte! immer das Kloster, die Grausamkeit dort gepaart mit Lüsternheit; alle diese niedlichen Crealuren hassen sich und haben mit einander nichts gemein, als das Gefühl der Unerlrägliclikeil der furchtbaren sie drückenden Tyrannei. Wie wird man sich von diesem Joche befreien? woher wird die Erlösung kommen? Die eine berauscht sich im Myslicismus; die andere, schweigend und abtrovhieden nachsinnend, verkommt moralisch.

(Schluss folgt.)

Berichte.

Leipzig.

Das zweite G ewandhausconcert {am 42. October) schloss sich dem voroufgehenden würdig an. Das Orchester eröffnete den Reigen mit der schönen Wiedergabe der Ouvertüre zum »Wassertragen von Cherubini. Hierauf sang Krau A mal ie Joachim , anfangs etwas befangen, sodann aber mit gewohnter Meisterschaft das weihevolle Franz Schubert'sche Lied »Dem Unendlichem (Text von Klopstock; instrumenlirt von Grimm), ausserdem noch drei weniger bekannte Lieder von Johannes Brahms: Feldeinsamkeit, Sommerabend, Vergebliches Stündchen. Offenbar waltete die Absicht vor, möglichst Neues zu bieten; doch will es uns bedünken, als sei die geschätzte Künstlerin in der Zusammenstellung des Programms schon glücklicher gewesen. Von Solostücken härten wir ferner: Concert (Andante und Allegro) für Violoncell von Molique, unter Orchesterbegleitung vortrefflich ausgeführt von Herrn Alwin Schröder, Mitglied dcsGewandhausorchesters. Derselbe spielte späterhin noch drei kleinere Sachen: Abendlied von Hob. Schumann, Arioso von C. Reinecke, Capriccio von Klengel; beim Vortrage des ersleren erfreuten wir uns an der Innigkeit des Ausdrucks, wahrend das letztere dem Solisten Gelegenheit gab, seine Technik, besonders sein sauberes, prickelndes Staccato bewundern zu lassen. Nicht unerwähnt möge hierbei die feinsinnige Clavierbegleilung des Herrn Kapellmeister Reinecke bleiben. Den Schluss des Concerics bildete die wohlgelungene Ausführung der Symphonie »Im Walde« von Joachim Raff, ein Erinnerungsopfer an den im Laufe dieses Jahres |44. Juni) verstorbenen KUnstler, wie eine Notiz auf dem Concertzettel andeutele. Es wäre ungerecht, sich an dem Schlagwort »Programmmusik* zu stossen, falls die Musik an und für sich werlhvoll ist: alsdann nimmt man wohl das »Programm« nebenbei mit in Kauf. Und in der Thal, wenn auch verschiedentlich auf den ttussern Effect gearbeitet, gehört RafTs Waldsymphonie zu den besten und originellsten unter den symphonischen Schöpfungen der Neuzeit. Bei dem Bestreben, die classische Form der Symphonie mit Programmmusik zu erfüllen, ist dem Componisten allerdings das Menschliche begegnet, die wilde Jagd mit Frau Holle und Wotan zweimal ein- und ausziehen zu lassen, was trotz der Kürzung, welche die Concertdirection bei der Wiederholung dieser Partie vorgenommen hatte, den Hörer sonderbar berührte. Den meisten Anklang fanden die beiden M Utelsalze »Träumerei« und »Tanz der Dryaden«, welche SpecicsNymphen freilich ohne dieses Aushängeschild kein Sterblicher erkannt haben wurde.

H.i- in unserer Einwohnerschaft weitverbreitete Gerücht, ein langbewehrtes hiesiges Concerlinslilut müsse wegen Mangels geeigneter Räumlichkeiten eingehen, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Nachdem die Buchhandlerbörse, um eine schnelle Entfernung des Publikums bei Feuersgefahr zu ermöglichen, einige bauliche Umänderungen erfahren hat, wird in ihrem Grossen Saale der Coocertverein »Euterpe«iuch im bevorstehenden Winterhalbjahre seine zehn Abonnemenlconcerle unter der anerkannt tüchtigen Leitung dei Herrn Dr. Paul Klangel veranstalten.

Im Verlage von Julius Hainalter, Königl. Hofmusikalienhandlung in Breslau, ist soeben erschienen:

[<»8] Verlag von F. E. C. Leuckart in Leipzig. Soeben erschien:

Vier Ciavierstücke von Nicolai yon Wllra.

Op. 33.

No. 4 Sarabande . . jn,-. No. 3. SaTotte . JH.—.

No ». Coorante . . -—,go. No. 4 Ländler . - 4,—. Früher erschienen:

Wilm, Nicolai von, Op. 8. Schneeflocken. Sechs Klavierstücke.

» Hefte 4 ji, so

Wilm, NicolAi von, Op. 4«. Zwölf kleine Towtöcke für Pianoforle.

t Hefte 4 u» 4 S«

WUm, Mcolai von, Op. 24. lehn Charaktentttck«. t Hefle aur 4 |s».

zu Calderon'g fantastischem Schauspiel:

„Ueber allen Zauber Liebe" von Eduard Lassen.

Opns 73.

Partitur .......... 80 Jl.

Cla vierauszug vom Componisten ..n. 5 Jl.

  • 96] Soeben erschienen in meinem Verlage:

pour

Violon et Piano

compose par

Emile Sauret.

Op. 17.

Pr. 2 Mark.

i&me

pour

Viulon et Piano

composä

par

Emile Sauret.

Op. 18.

Pr. i Jl SO 3jt. Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann.

!'97J Neuer Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Sechs kleine Lieder

JOSEPH LUDWIG HAASE

fnr eine Singstimme mit leichter Clavierbegleitung

compooirt

von

Emu KeUer.

Op. 21.

Complet Pr. 2 Jt 30 Jp.

Einzeln:

No. 4. Naturfreuden Pr. 50 #.

No. ». 0 sUsser Traum .... Pr. 50 Sp.

No. t. Waldesfreuden Pr. 50 Sp.

No.«. Hinaus l pr. 50 Sp.

No. 8. Erwachen des Morgens . . Pr. 50 Ä.

No. 6. Waldconcert Pr. 50 Ä.

M "i Verlag von

J- Rieter-Biedermann in Leipzig und Winlerthur.

Werke

von

Louis Bödecker.

Op. 5. Vier Lieder von CAr. Kirchhoff für eine Singstimme mit

Begleitung des Pianoforte. Pr. 1 Jt 50 Sf. Op. 6. Variationen über ein Thema aus Haydo's .Jahres

zeiten« für Violoncell und Pianoforte. Pr. 2 Jl 50 Sjl. Op. 7. Vier Lieder von Chr. Kirchhoff für eine Singstimme

mit Begleitung des Pianoforle. (Zweites Heft.) Pr. 4 Jl SO %. Op. g. Variationen über ein deutsches Volkslied für das Piano

forte. Pr. « Jl. Op. 9. Drei Rhapsodien für das Piunoforte. Pr. t Jl.

Op. 4 z. Für ruhige Stunden. Drei Ciavierstücke. Pr. a .it.

Einzeln :

No. l. Allegretto in G-dur. Pr. 80 jf. No. J. Allegretto in F-moll. Pr. 80 3jl. No. 8. Andante quasi Allegrettp hl F-dur. Pr. 80 Sp. Op. U. Drei Lieder für vierstimmigen Männerchor.

No. <. Abendlied: «Sieh, der Tag, er geht zur Neigei, vpn E. RiU«r3haui. Partitur 90 jp. Stimmen ä 46 .y No. ». Widerruf . »Dass im Mai ich scheiden sollte«, von Hob. Frutt. Partitur 50 Sfr. Stimmen i (0 Ä. No. 8. Epikur: »Perlet der Becher am Munde«, von Carl Sietel. Partitur 50 #. Slinr.ncn a ) 0 3f.

Op. IB. Phantasie -Sonate für Pianoforte und Violine. Preis S Jl 50 #. Dieselbe für Pianoforte und Violoncell bearbeitet vom Componisten. Pr. 8 Jl 50 Sjl.

Op. 16. Frühlings- Idylle. Phantasie für Pianoforte zu vier Händen. Pr. * Jl 50 3p. Soeben erschienen:

Op. n. Vier Lieder für eine Singslimme mit Begleitung des Pianoforte. Pr. » Jl.

Einzeln: No. 4. Frühlingsanfang: »Es Itommt so still der Frühlings-

tag«, von U. Lmgg. 50 fy. No. 1. Aeolsharfe: »GeheimnissvollerKlang«, von fl Linon

80 <%. No. 3. Kummer: »0 holder Lufthauch«, von CAr Kirchhuf

50 3jl.

No. «. Wunsch und Gruss: »Wenn immer doch Mondschein blieb l« von Wilhelnune Myliiu. 50 M.

I*00) Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und WiiUerthur.

iill

Ciavierstücke

Theodor Kirchner.

Op. 24.

Zwei Hefte a 3 Jl.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Expedition : Lelpii«;, Rabensteinplatz t. — Redaction: Bergedorf bei Hambnrg>.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 25. October 1882.

Nr. 43.

XVII. Jahrgang.

Inhalt:

Robert Schumann's Werke , herausgegeben von Clara Schumann. Gesamralausgabe von Breitkopf und Harte). (Schlug*.) Ein Lebensbild Robert Schumann's von Philipp Spitta. — Anzeigen und Beurteilungen (Vierhändige Arrangements [Compositionen von Bach, Mozart und Beethoven, bearbeitet von Paul Graf Waldersee, Ernst Naumann, Carl Burcbard und S. Jadassobu]). — Zur Elemenlarlebra. — Ueber »die junge Nonne« von Schubert und »It religieuse- von Diderot. (Schlugs.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Robert Schumann's Werke,

herausgegeben von Clara Schumann.

OesunmUasgabe von Breitkopf und Hlrtel.

(Schluss von Nr. (7.)

Ausser den beiden, Sp. 582—84 besprochenen Fugen hat Bach noch eine dritte über seinen Namen geschrieben, oder vielmehr den Namen in eine grössere Doppelfuge verflochten. Wir meinen hiermit das Ausgangsslück der »Kunst der Fugen. Es ist aber auch bekannt, dass dieses Unternehmen, ein Bruchstück blieb. Doch selbst aus diesem kleinen Bruchstück leuchtet uns, wenn wir die Anlage betrachten, ein hohes Muster entgegen. Schon die Wahl der Tonart nmss als ein solches betrachtet werden. Dein Salze liegt der sogenannte erste Kirchen- Ion li zu Grunde. Diesem stehen sowohl auf der sechsten wie auf der dritten Stufe je zwei Intervalle zur Verfügung; auf der sechsten Stufe absteigend i, aufsteigend h ; auf der dritten melodisch f, harmonisch fit. Was folgt hieraus? Dass das Thema samml seiner Antwort mit lauter Tönen gebildet werden kann, welche dieser Tonart eigen sind: 6-a-c-A, f-e-g-fis. Diese uralte D-Leiter, die reichste Tonart für musikalische Harmonie, muss daher als die eigentliche Heimalh des Fugenthemas über den Namen Bach angesehen werden. Der Autor der »Kunst der Fuge« bat das wohl gewusst; aber die Modernen können schon deshalb die hierin liegenden Vortbeile sich nicht zu Nutze machen, weil sie die Tonarien nicht sludiren. Man glaubt noch immer, mit Dux und Comes sei es abgetban.

Vorstehende Bemerkungen — die wir gern weiter ausführen würden, wenn nur die Zeit dazu vorhanden wäre — sollen Niemand belehren, sondern nur den Widerspruch motiviren, welchen wir Schumann's Bacbfugen entgegenstellen müssen. Im Fugengebiele sind »neue Errungenschaften« undenkbar; der Rückgang auf die Vorfahren und die bis auf den Grund gehende Nachahmung ihrer Werke isl hier das allein Verständige.

Ganz anders verhall es sich , wenn ein Componisl in Formen arbeitet, die der Gegenwart eigentümlich sind und noch im vollen Flusse der Entwicklung sich befinden. Weil Keiner mil Sicherheit den Ausgang absehen oder das Endresultat bestimmen kann, sollte man in der Rennbahn eine genügende Weile und Freiheit der Bewegung gestalten. Gewöhnlich verfahren indess die zeitgenössischen Beurtheiler umgekehrt, sind leicht mit dem Lobe bei der Hand wo sie streng sein sollten, und dagegen engherzig kritisch wo Liberalität am Platze wäre. Ein Beispiel davon ist aus der in vieler Hinsicht vortrefflichen Schumann - Biographie von Wasielewski bereits angeführt. Wahrend er für die Bachfugen fast nur Lob hat, bemängeil er XVII.

den »Königssohn« und Aehnliches S. 139—S40 äug Gründen, die in keiner Weise slichhallig sind und die, wenn man sie auf die Kunsl im Grossen anwenden wollte, sogar anerkannte Heisterwerke der früheren Zeit verurlheilen würden.

Fügen wir noch kurz an, was ausser dem bereits Erwähnten in dieser schönen Gesammlausgabe bisher schon erschienen isl.

Die erste Serie wird durch Orcheslerwerke gebildet. Von diesen erschien die

Ente SjmphoBlr, Op. 38. Partitur 108 Seilen Folio. Preis

.# 8. 25.

Da« (sit componirle Werk kam in dieser Gesammtausgabe IHM heraus, und im gegenwärtigen Jahre folgte die

Vierte .Sjm&honip, Op. 120. Partitur 96 Seiten Fol. Preis

j*1. 50.

Auf die dazwischen liegenden, in ändern) Verlage erschienenen beiden Symphonien werden wir wohl noch einige Zeit warlen müssen.

Aus der fünflen Serie »für Pianoforte und andere Inslru- menle« erhielten wir

Op. 44: Qviitett für Pianoforte, zwei Violinen, Viola und

Violoncell. Partitur und Stimmen. Preis .M 1. 50. Op. 132: arefcei-EnäklMgu, vier Stücke für Clarinette (ad libitum Violine), Viola und Pianoforle. Partitur und Stimmen. .11 2. 50.

Aus der neunten Serie »Grössere Gesangwerke mit Orchester oder mil mehreren Instrumenten« sind zu verzeichnen: Op. 71 : tdti'ntiieii für Sopran-Solo und Chor mit Orchester. Partitur 49 Seiten. Preis 4 .Ii- Op. 98*: keqilera für Mignon für Chor, Solostimmen und

Orchester. Partitur 48 Seiten. Preis Jl 3. 75. Bei diesen Preisangaben ist zu merken, dass dieselben für den Bezug der ganzen Serien gellen. Das einzelne Werk gelrennl bezogen komml bedeulend höher; so z. B. koslel das Mignon- Requiem in der Einzel-Ausgabe ',.#!:'- .ff , also beinah das Doppelte. Auch der letztere Preis ist noch nicht sehr hoch; der Serienpreis muss aber, bei schöner Ausstattung, als besonders niedrig bezeichnet werden.

Diese Gesammlausgabe wird wohl nicht die einzige bleiben in unserm Jahrzehnt; aber jedenfalls wird sie für immer einen einzigartigen Werlh dadurch behalten, dass die berühmte Gallin des Meislers sie adirl bat. Was der Name Clara Schumann

4l

hier werlh ist, wussten auch noch andere Verleger, sogar ausländische : denn als Breilkopf A Härlel mit Frau Schumann kaum abgeschlossen hallen, machte die grosse Musikhandlung Novello in London der Herausgeberin ebenfalls den Antrag, die sämml- lichen Werke ihres Gallen für sie zu ediren. Es würde allerdings ein sonderbares Ereigniss gewesen sein , wenn die erste und beste Gesammtausgabe von Schumann in einem Lande publicirt wäre, welches der Kunst Schumann'* noch vor 10 Jahren gänzlich theilnahmlos gegenüber stand. Seit jener Zeit bat sieb dort allerdings manches geändert, im Guten wie im Schlimmen.

Hier dürfte auch der passende Ort sein, den Leser auf eine kleine Schrift aufmerksam zu machen, durch welche Herr Prof. Spitta die Biographie Schumann's geklärt und bereichert hat:

Eli Lebeuhlld feiert Sebiavurt von fhiiipp Spill«, Leipzig, Breitkopf & Härte). 1888. 402 Seiton gr. 8. Sammlung musikalischer Vortrage, herausgegeben von Paul Graf Waldersee, Nr. 37 und 38.)

Dem Verfasser standen ausser den bekannten Druckwerken mündliche und schriftliche Quellen von grossem Weith zu Gebote, die Anderen bisher nicht zugänglich waren. Das Material ist hier im engen Rahmen zu dem vollständigsten und anziehendsten Lebensbilde von Schumann verarbeitet, welches wir zur Zeit besitzen. Die Biographie wurde ursprünglich für ein von G. Grove herausgegebenes Diclionary of Husic and Musi- cians geschrieben, wo sie auch unlängst publicirt ist.*) Der Herr Verfasser wird nicht bereuen, dass er sieb bestimmen Hess, dieselbe in der erwähnten »Sammlung» auch deutsch heraus zu geben.

Es sei uns gestaltet, die Schlussworte dieser Schrift hier anzuführen ; in denselben werden zum Theil Gedanken ausgesprochen , die auch von uns in anderer Weise bei Verschiedenen Gelegenheilen als Kern unserer Ueberzeugungen und Hoffnungen kundgegeben sind. Der Verfasser sagt: »Schumann's Eiofluss auf die künstlerische Produclion unserer Zeit ist ein grosser gewesen, und er ist noch immer bemerkbar. Inwiefern er für die zukünftige Entwickelung der Tonkunst maassgebend sein wird, das abzuschätzen muss späteren Generationen überlassen bleiben. Aus der unmittelbaren Wirkung auf die Mitwelt, sei sie auch noch so bedeutend, lässlsicb hierfür garnichts sicheres schliessen. Auch wissen wir nicht,' ob für die nächste Zukunft überhaupt noch einmal ein neuer Aufschwung der Musik sich anbahnt. Nach neuen Idealen ringt die Zeit offenbar, und dass dieselben nicht ganz ausser Zusammenhang mit Schumann's Kunst stehen, ist auch ersichtlich. Aber verwundern dürften wir uns nicht, wenn nach vierhundert Jahren einer ununterbrochenen, beispiellosen Kunstblüthe endlich nun doch ein Zustand des Ermatten» und Abwelkens einträte. Alles was in Vorstehendem über Schumann's Kunst zu sagen war, stellt durchaus nur ein Urlheil dar, das vom Standpunkte der Vergangenheit aus gefällt worden ist. Insofern darf dasselbe eine gewisse Zuverlässigkeit wohl für sich in Anspruch nehmen. Den Vorwurf, dass es ein unterschätzendes sei, wird man nicht erheben können ; eher würde vielleicht das Gegen- theil zu gewärtigen sein. Trotz der ausserordentlichen Popularität seiner Musik ist Schumann's Bedeutung heutzutage noch nicht nach allen Seiten hin unbestritten. Diejenigen aber, die

  • ) A Diclionary of Music and Musicians (A. D. 1450—1881) . . . ediled by George Grove. London, Macmillan i Co. 1881. (In drei Banden.) Band 111, S. 157—518; bilde! Lief. 15 und 1«, zusammen 171Seiten, die l .It kosten. Her grössleTheil ilicser Hefte wird durch die Artikel Schuber! und Schumann in Anspruch genommen.

ihn geringer scbllzen, als es in Obigem nach fester Ueberzeu- gung geschehen ist, scheinen, so weil sie überhaupt leidenschaftslos zu urlheilen geartet sind, dem Nachlebenden das Verdienst der Vorfahren zum Schaden anzurechnen. Unser Geschlecht, das sich auf das Vermächtnis« der Vergangenheit zu besinnen anfängt, erkennt mit wachsendem Erstaunen um immer klarer, wie iin Laufe der letzten vier Jahrhunderte eine Reibe von Meislern der Tonkunst erstanden ist, die unter den grössten Erscheinungen aller Zeiten <n erster Linie stehen. Unter dem frischen Eindruck dieser Erkenntniss ist man leicht geneigt, den von den Werken jener Meister genommenen Maassstab überall anzulegen, und bemerkt nicht, wie dadurch der Blick für eine Welt anders gearteter Schönheit blöde wird. Jene überragenden Genien haben immer nur einzelne Richlungen, nie die gesammte Kunst zum höchsten Ideale vollendet, nie hat auch die gesammte Kunst nur in vereinzeilen Spitzen sich ausgelebt. Die Beschränkung auf das Höchste ist in der Kunst der ersle sichere Schritt zur inneren Verarmung. Gewiss hat es Grössere gegeben, als Schumann war, und er selbst würde als der ersle gegen seine Gleichstellung mit den erhabensten Meistern Verwahrung eingelegt haben. Aber die Erkennlniss eines vorhandenen Abstandes isl so weit entfernt, ihn in seinem Werthe zu schädigen, dass vielmehr durch eine richtige Ver- werthung derselben die eigentümliche Schönheit seiner Kunst ersl rechl offenbar wird. Zur Zeil isl diese Art der Anschauung, welche mil dem urtbeilslosen Massengenuss von Musikwerken jeder Sorte nichts gemein hat, noch seilen genug. An ihrer Verbreitung arbeiten alle, denen die Förderung geschichtlichen Wissens am Herzen liegt. Die aus diesem sich ergebende Sicherheit des vergleichenden und zusammenfassenden Blicks wird gerade einer Erscheinung wie Schumann mehr und mehr zu Gute kommen. Wenn einsl die Nebel aus den weilen Räumen des Kunslgebietes überall gewichen sein werden, die jetzl kaum mehr als die höchsten Spitzen der Vergangenheit hervorragen lassen, wird wohl manche Erscheinung dem Blicke sich darbieten, die in anderen Zeiten und Verhältnissen eine gleiche Talentkraft darstellt, wie sie Schumann zu eigen besass. Aber je blühender und mannigfaltiger dann der Garten der Kunst erscheinen wird, desto freudiger wird man das Einzelne schätzen, das an seinem Theile diese Mannigfaltigkeil und Blülhe bedingt. Ich hoffe, man wird dann finden, dass Schumann's Kunst die warme Sympalhie verdient, von der diese Blätter Zeugniss geben.« (S. <00—10S.)

Anzeigen und Beurtheilungen.

Vierhändige Arrangements.

Diese Rubrik isl in Ausgaben, welche die letzten beiden Jahre brachten, reichlich genug vertreten, und erfreulicher Weise ist der innere Werth durchweg ebenso gross, wie die Masse. Wir verzeichnen folgendes, mil Bach'schen Concerlen als dem Aeltesten beginnend.

1. Cmeerte für Ciavier und Orchester von J. S. Buch, ftlr Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von Pail Graf WtMenee. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Enthält die den Liebhabern bekannten , dem grösseren Publikum aber unbekannten sechs Concerle E-dur (Pr. S . *';, A-dur .« 3.60) , D-dur (i .// , P-moll (3 .// , G-moll .// 3. 50) und D-moll .H S. SO) in einer geschickten Bearbeilung, die durch massige Ferligkeil bewälligl werden kann und, wie wir hoffen, zur Verbreitung dieser kunstreichen aber nicht populär gehaltenen Stücke beitragen wird. 2. Dlterllmeutl von W. i. Moitrt. Arrangement für Piano- forte zu vier Händen von Krost IVaunaon. Leipzig, Breitkopf A Harte).

Der muntere Mozart hat unter diesem Tilel eine Reihe von Werken geschrieben. Ob sie sämmllich schon in diesem vierhändigen Arraogement erschienen sind, können wir nicht sagen. Vor uns liegen die folgenden Nummern: Divertimento Nr. 7 D-dur (Preis T) ; Nr. 9 B-dur (Preisf) ; Nr. 10 F-dur (Preis Jl 4. 76); Nr. 11 Es-dur (Jf «. 50); Nr. (3 F-dur (Jt \. 50); Nr. U B-dur (J .// ; Nr. 45 B-dur (6 .« ; Nr. 16 Es-dur (M J. 15) ; Nr. »7 D-dur (Jt 7. 16). Also im Umfang sehr verschieden, aber gleich in der Munterkeit, und sämmllich in Dur.

Der Bearbeiter hat nicht nur bei diesen, sondern auch bei den folgenden Mozart'schen Werken seine Geschicklichkeit aufs neue bewährt:

3. Serenade Nr. 7 D-dur von W. 4. eiart, arrangirt für Pianoforle zu vier Händen von Knut Niaauaa. Preis 9*1.

4. Huarietle für SlreichinstrumeDte von W. A. luzart. arrangirt zu vier Händen von demselben. 40 Nummern, Preis ä j» 3. 50 bis 5 .0.

5. Qalatette fttr Sireichinstrumente von W. A. urt, arrangirt zu vier Händen von demselben. Fünf Stucke, Preis ä 3 bis 5 .U

Sämmllich : Leipzig, Breitkopf & Härtel.

Andere vierhäodige Mozartiana brachte heraus der auf diesem Gebiete besonders thätige Graf Waldersee:

6. Ouvertüren zu Ascania in Alba, Mitridale und Lucio Silla von W. A. nrt, arrangirt zu vier Händen von P»l firaf Wilderte«. Leipzig, Breitkopf & Hand. Preis a 1— 2uT.

Nur die genannteo drei Stücke sind uns zu Gesicht gekommen; vermutlich sind auch die Ouvertüren zu den übrigen Mozart'- scben Jugendopern in diesem vierhändigen Arrangement erschienen, oder werden demnächst erscheinen. Vergessen wir bei Mozart zum Schlüsse nicht, ein gewiss Allen willkommoes Arrangement anzuzeigen:

7. Kriiugi-leue (G-dur) von W.A. tut, für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von Carl Bwrebard. Leipzig, Breitkopf A Härtel. Preis Jt 4. 50.

Weniger thätig, als bei Mozart, scheinen die Vierbänder in dieser Zeit bei Beethoven gewesen zu sein. Wir wissen heute nur Folgendes zu nennen :

8. Aadaate F-dur fttr Pianoforte von L. Tu Beetb«Tra, ar- rangiri zu vier Händen von Knut NaaaMM. Leipzig, Breilkopf A Harlel. \'r. .« \. 75.

9. R«nd« a l »priori« für Pianoforte von L Tm Op. 129, arrangirt zu vier Händen von E. N Leipzig, Breilkopf 4 Harte!. Pr. .11 2. 25.

40. Variationen mit Vage aus dem Ballet Prometheus von L. >an Beethoven Op. 35, arrangirt zu vier Händen von E.1UMMB. Leipzig, Breitkopf 4 Härtel. Pr. uTi.50.

44. Rondlu» für Blasinstrumente von L Tw Beeiho.eo. arrangirt zu vier Händen von L >ianann. Leipzig, Breilkopf 4 Harlel. It. .« l. 25.

42. Stnale fUr Pianoforte und Hörn von L. »an Beethoven Op. 4 7, fttr Pianoforle zu vier Händen Übertragen von 8. Jadassoho. Leipzig, Breilkopf t Härte). Preis

Auf dieses Dutzend Publicationen aus dem Gebiet der eigentlichen Classiker lassen wir jetzt ein weiteres Dutzend aus moderneren Werkstätten folgen.

(Schluss folgt.)

Zur Elementarlehre.

Musikalisch pädagogische Kragen, noch dazu sich aus- scliliesslich mit dem Anfängertbum in der Musiklehre befassend, gehören zwar streng genommen nicht in eine musikalische Zeitschrift; vielleicht vergönnt es mir aber doch die Redaclion, eine Anschauung nach solcher Richtung zur öffentlichen Kennl- niss zu bringen, welche möglicherweise für den Einen oder Ändern neue Momente und Anregungen enthält. Es handelt sich dabei um die Vereinfachung und Vertiefung des Lesens der Musik für Anfänger.

Die schwere Frage des fehlerfreien Lesenlernens und Lesenlebrens der Musik, des Ablesens von Noten am Ciavier oder im Gesänge, ein Opfer voll Entsagungen und aufreibender Geduldsprüfungen, trat mir recht nahe, als ich vor Jahren in England in einem Knabeninstitute Stellung als Musiklehrer nahm und, obgleich nicht Pianist, neben Chor und Einzelgesang, die Leitung des Clavierspieles übernehmen imissle. Ein englischer Lehrer war mir vorausgegangen und hatte in der leichtfertigsten Weise nicht einmal den Versuch angestellt, die Schüler, gross und klein, Musik lesen zu lehren. Bei ihm war wohl von der Uebung der Finger, nicht aber von der Uebung des Auges und musikalischen Fassungsvermögens die Rede gewesen.

Aus dem Gröbsten also herausarbeitend, und das Wohl meiner Schüler mir ernstlich zu Herzen nehmend, verfiel ich auf den Versuch, ein Geheimniss und Mittel, welches die grössten Künstler zur Ueberwindung technischer Schwierigkeilen in Anwendung bringen, in meinem Unterrichte einzuführen. Ich zerlegte den Inhalt der Takte und Rhythmik im Allgemeinen, in seine einzelnen Theile, und liess nicht allein mehr als langsam zählen, sondern brachte System in diese Langsamkeit. Mein ganzes Trachten ging hierbei darauf hinaus, das Auge des Schülers unbedingt an die Noten zu fesseln, und ihm Zeit zu lassen, seinen musikalischen Versland mit Erfolg heranzuziehen, ihm jede Zerstreuung zu erschweren und vor Allem die bethörende Melodie, den Charakter des Stückes, nicht allzu rasch an ihn herantreten zu lassen, also die Lösung der rein technischen elementaren Fragen in den Vordergrund zu schieben.

Zu diesem Zwecke liess ich ihn nach Abfragung über Ton-, Takt- und Gangart angeben, wie viel Achtel und Sechszehntel ein Vier- oder drei Viertel-Takt enthalte, und begann das Lesen und Ausführen irgend eines Musikstückes in Vierteln mit Abzählen der Sechzehntel. Ein überraschendes Resultat stellte sieb bei dieser Methode ein.

Selbst der jüngste Anfänger, welcher vier auf ein Viertel zu zählen hatte, fand Zeit, sich die Note wirklich anzusehen und über ihr Verhällniss an sich und zu anderen N'otengattungen nachzudenken. Dabei gewann sein Blick Ruhe und Gewohnheit und Stärke, voraus zu schweifen, mit einem Worte, im ungestörten Erfassen kleiner Musikliguren rasche Uebung zu erlangen.

Nachdem der Schüler durch diese Probe der Geduld gegangen war, welche ihm an meiner Hand zu seiner Ueber- raschung gelang, natürlicherweise unter Einhaltung mehr als langsamen Tempos im ZXhlen von Secbszehnteln, lies« ich ihn dasselbe Pensum ebenso langsam in Achteln zählen und zuletzt in der vorgeschriebenen Taklweise, in Vierteln.

In Angst ging der Schüler an das schnellere Abspielen des Stückes in Achteln, aber wieder bemerkte er zu sei.ier Genug- thuung, dass ihm auch dieser Versuch gelang. Ohne sein Wissen trat bei dieser zweiten Geduldsprobe die Melodie nun mehr in die Erscheinung und setzte das Ohr in Stand , dem Auge zu Hülfe zu eilen, was beim schliesslichen Zählen der Taklart, wie sie geschrieben nur noch drastischer wirkte.

Nun liess ich aber noch lange nicht in die eigentliche Gangart wie vorgeschrieben und dem Charakter des Stückes angemessen einmünden, sondern eine Zeit lang langsam fortübeo, bis alle elementarischen Vorbedingungen und hauptsächlich fehlerfreies Spiel ohne jegliches Stocken an schweren Stellen erfüllt und ausgeglichen waren.

Von Aergernissen, Widerspenstigkeiten , langer Weile und sonstigen Ablenkungen von der Sache konnte während der ganzen Stunde keine Rede sein, denn Schüler und Lehrer waren vollständig bei der Sache und hatten nicht einmal Zeit, über die Langweiligkeit der ganzen Procedur nachzudenken.

Ich habe mit dieser einfachen Methode, aber gründlich durchgeführten, in kurzer Zeit Resultate erzielt, welche alle meine eigenen und Jedermanns Erwartung übertrafen. Die Schule hiess Craufurd College in Maidenhead , zwei Stationen von Windsor. Der Principal des Instituts, damals Rev. de Bwer, zog Nutzen aus meiner Thätigkeit. Die meisten Knaben hatten kurz vor meinem Eintreten meistens den Musikunterricht nicht mehr besucht, weil es in ihrem Ermessen lag, daran Theil zu nehmen oder nicht.

Nach meinem Eintritte in das Gymnasium verdoppelte und verdreifachte sich die Zahl der sich zum Unterrichte Meldenden, und ich entdeckte einige ansehnliche Talente darunter. Knaben von dreizehn, vierzehn Jahren gewannen eine Sicherheit im Vortrage der oft schwierigsten Anforderungen, dass ich mit ihnen im Stadthause von Maidenhead Concerte zu guten Zwecken geben konnte, und alle übrigen Schulen in der Nabe in Richtung der Musik weit in Schatten gestellt wurden.

Ich erwähne diesen Zwischenfall meiner Tbä'ligkeit als Clavierlehrer nicht aus persönlichen Gründen, denn ich bin kein Pianist, sondern Sänger und Gesanglehrer ; möglicherweise liegt aber, wie gesagt, in dem Erwähnten ein Fingerweis für den Einen oder Anderen, welchem die schwierige Aufgabe zugefallen ist, die Anfangsgründe des Musiklesens mit mehr oder minder Begabten durchzunehmen und den Grund zum späteren Aufbau der Musikausführung zu legen.

Bleibt mir Zeit, auf dieses Thema ausführlicher zurück zu kommen, so gedenke ich es in einer besonderen Abhandlung je nach dem zu veröffentlichen und Lehrern und Lehrerinnen zum Besten ihrer selbst und der Lernenden nahe zu legen.

Gotha, im October 488t.

//eino Hugo, Gesanglehrer am Tieti'schen Conservalorium.

Ueber „die junge Nonne" von Schubert und „la religieuse" von Diderot.

(Schlau.)

Die Leidenschaft spielt keine Rolle in diesem Homan von Diderot; seine Nonne liebt Niemanden. Kaum kann man sagen, dass sie nach der Welt Verlangen trägt, da sie wohl weiss, dass das Kloster ihr einziges Asyl ist, und dass ihr beim Ausscheiden aus dessen Mauern nur Verfolgung und Unglück in Aussicht steht. Gleichviel, eine unbezähmbare Wulh nach Freiheit hat sich ihrer bemächtigt; der Gedanke, für immer eingesperrt zu sein, erfüllt ihre Seele mit Verzweiflung, und das Klosterleben ist ihr härter als der Tod. Ihr Verhalten leidet jedoch nicht ilarunler. Treu dem Andenken und dem Beispiele ihrer alten Oberin erfüllt sie ihre Pflichten, und die Ausbrüche des Schmerzes gehen in brünstige Gebete über. So ist sie eine sanfte, einfache, unschuldige und warmfühlende Natur, welche die Nonnen, ihre Schwestern, gern haben und schützen, nach

dem sie dieselbe in roher Weise verfolgt haben, und die sich von diesem trüben und lasterhaften Grunde fast so weiss und leuchtend wie die Heroine einer Legende abhebt. Die Figur ist originell; man möchte aber doch zweifeln, ob sie wahr ist. Wie soll man sich diese tolle Sucht nach Freiheit bei einem jungen Mädchen erklären, das seit seinem sechzehnten Jahr im Klosler lebt, das bisher nur mit Nonnen und Prieslern verkehrte und dessen Eigenliebe überdies manche Genuglhuungen zu Theil werden, welche sie zurückzuhalten wohl im Stande wären ? Denn Schwester Susanne ist eine ausgezeichnete Sängerin , der Stolz des Klosters, bei Gelegenheit der berühmten Concerte von Longchamps, wo ihre schöne Stimme Wunder wirkt; *) offenbar verdrängt hier die philosophische Abstraction »das menschliche Erkennungszeichen«. Für ihre Mutter das lebende Andenken eines Fehltrittes und für ihren Vater der Gegenstand instinktmässiger Abneigung wuchs die arme Susanne bei ihren Eltern heran, schlimmer behandelt als Aschenbrödel. Ihre Schwestern verheirathen sich, und während ihnen ihr Heiralhsgut ausgefolgt wird, weigert sich die Mutler, von Gewissensbissen gefoltert, das uneheliche Kind an dem Familienvermögen Iheilnehmen zu lassen, und sammelt allmälig aus ihren Ersparnissen die erforderliche Summe, um Susanne ins Kloster zu bringen. Diese ganze Partie des Buches ist von lebhaftem Interesse und entwirft uns, ganz und gar in Diderot's Manier, ein wundervolles Bild, wie sich unsere Geschicke mit unseren Fehlern verbinden. Man neigt sich fast unwillkürlich auf die Seite der Mutter; man fühlt, dass sie richtig urlheilt, und dass Susanne, wie einmal die Umstände ihrer Geburt und Erziehung liegen, aufgewachsen in einer behaglichen Existenz, zugleich schön und arm, zu gemeinen Arbeiten untauglich, nach menschlicher Logik in der Well nichl leben kann, ohne in die grössten Gefahren zu gerathen und darin zu unterliegen.

Also in das Kloster, junges Mädchen, gehe ins Kloster: Go to a mmnery. Und nicht nur die Mutter und deren Gatte sprechen dies Wort aus, nicht blos ihr Gewissensrath und die Oberin von Longchamps, sondern auch wir, die wir diese Geschichte lesen; denn es ist das Wort der Situation, und das unglückliche Kind hat keine andere Zuflucht. Das schiene jedoch geeignet, den ungemeinen Widerwillen abzuschwächen, welche das Kloster Susannen einflösst, wenn dieses Gefühl nicht vielmehr dem Philosophen Diderot als dem jungen Mädchen zuzuschreiben wäre. Hätte Susanne eine Liebe im Herzen, erwiese sich ihre Abneigung als Folge einer auf Hindernisse gestossenen Leidenschaft, so wäre es um die moralische Idee des Autors geschehen, da dessen These darin bestehl, uns die Unverträglichkeit seiner Heldin mit den Bedingungen des klösterlichen Lebens nachzuweisen l Aber stellen wir uns auch Susanne als eine Abstraction vor, so sind die Oberinnen dagegen vollendet ausgeführte Charaktere, und zwar deren nicht weniger als fünf, welche wir aufeinander folgen sehen: die

  • ) »Die Scene am Altar erregle Aufsehen im Hause , wozu noch der Erfolg unserer To n ebrao am Charfreitage zu zahlen ist: ich sang, spielte die Orgel und wurde applaudirl.« Eine andere Stelle: Ich setzte mich an das Ciavier, ich prBludirte lange, indem ich in meinem Kopfe nach einem Musikstück suchte, deren er viel enthält. Indessen die Oberin drängle mich, und ich sang, ohne dabei eine bestimmte Absicht zu haben , aus Gewohnheil; denn das Stttck war mir bekannt: Tristes apprdls, pälfs flainbeaux, jour plus u/frfii.r. <pu Irs ttnelrircs.« Ausserdein noch, und als heiteren Contrest: »Während man lachte, schlug ich Accorde an und zog allmälig die Aufmerksamkeit auf mich. Die Oberin trat zu mir und sagte mit einem leichten Schlag auf meine Schuller: »Nun, Schwestersusanne, unterhalte uns; spiele erst und dann wirst du singen.« Ich that, was sie mir sagte; ich spielte einige StUcke, die mir geläufig waren , ich phan- tasirte präludirend und dann sang ich einige Absätze aus den Psalmen von Mondouville.« Wir verweilen mit Vergnügen hei dieser virtuosen Charaktereigenschaft, welche von vorneherein die Schwester Susanne der Aufmerksamkeit und Vorliebe eines jeden Zukunfts- musikers empfehlen durfte.

erste eine Heuchlerin ; die zweite eine aufgeregte Person ; die dritte despotisch und grausam; die vierte sittenlos, und die fünfte abergläubisch. Prüfen wir diese verschiedenen mit genialer und unparleischer Hand gezeichneten Figuren ; die zweite, zum Beispiel, in der man eine Silhouette der Mme. Guyon zu erblicken glaubt. Die Glulh ihres Mysticismus, der Fluss ihrer Rede ziehen Susannen an, verführen und umgarnen sie, so dass sie sich in einem Augenblicke frommer Schwärmerei bestimmen la'sst, die Gelübde abzulegen, die sie bald unter der grausamen Herrschaft der neuen Oberin, da deren Naturell dem ihrigen geradezu entgegengesetzt ist, bereut. Stelle man sich eine Person von derber Erscheinung vor, hlisslich von Angesicht, unbarmherzig gegen alle, die nicht vor ihr die Kniee beugen, zu jedem Fanatismus aufgelegt und jenem abscheulichen Worte zur Illustration dienend : dass der Anblick der Verdammten und ihrer Qualen für die Seligen im Himmel ein Zuwachs ihrer Glückseligkeit sei. Bei der Ankunft der vierten lösen sich alle Bande der Ordnung und des Auslandes; die Gemeinde von Arpajon ist eine Abtei von Theleme geworden, wo Lust und Ueppigkeit herrschen , wo jede es sich zur Aufgabe macht, den niedlichen Sünden und artigen Laslern der allzu liebenswürdigen, munteren, fettlichen Dame zu huldigen, welche trippelnd, sich zierend, mit den-Augen blinzelnd, den Geschicken des Hauses vorsieht.

Alles dieses im Ganzen sehr Reelle und Lebendige enthält auch etwas Symbolisches. Es ist das Klosterleben, das uns der Autor schildern will, und wenngleich stellenweise einiges Licht durchschimmert, so ist es doch Folge der Natur des Gegenstandes, dass eine dunkle Färbung vorherrscht. »Der Mensch«, schreibt Diderot durch die Feder der Schwester Susanne, »ist für die Gesellschaft geboren ; trennt man ihn davon, isolirt man ihn, so zerfahren seine Ideen, sein Charakter verschlimmert sich, lausend lächerliche Neigungen entstehen in seinem Herzen ; extravagante Gedanken keimen in seinem Geiste, wie Unkraut in einer Wildniss. Versetze man einen Menschen in den Wald, so wird er verwildern; im Kloster, wo sich der Gedanke der Nothwendigkeit mit dem der Knechtschaft verbindet, ist es noch schlimmer. Aus dem Walde kann man heraus kommen, aus dem Kloster nicht; im Walde ist man frei, im Kloster ein Sklave. Man bedarf vielleicht noch grösserer Seelenstärke, um der Einsamkeit, als um der Noth zu widerstehen ; die Noth erniedrigt, aber die Abgeschiedenheit verschlechtert.« Was giebt es Schrecklicheres als diese Oberin, wenn sie vor dem Beichtvater auf die Knie fällt und ausruft: »ich bin verdammt.« Die Scene ist prachtvoll, und in Folge des Feierlichen grenzt sie an das Hochtragische. »Mitten in jenen Gesprächen, wo jede sich gellend zu machen und die Bevorzugung des heiligen Mannes für sich zn gewinnen suchte, hörte man jemanden langsamen Schrittes sich nähern, zuweilen stille stehen und seufzen. Man horcht und sagt sich mit leiser Stimme : »Das isl sie, dag ist unsere Oberin.« Alsdann verhielt man sich schweigend und selzle sieb im Kreise herum. Sie war es in der Thal. Sie trat ein; ihr Schleier ßel bis auf den Gürtel herab; die Arme waren über die Brust gekreuzt, das Haupt geneigt. Ich sah sie zuerst; augenblicklich wickelte sie eine ihrer Hände aus dem Schleier und bedeckte sich damit die Augen, worauf sie sich etwas abwendend uns allen zu gehen bedeutele. Wir entfernten uns stillschweigend , und sie blieb allein mit Dom Morel... Das erste Wort, das ich nach einem ziemlich langen Stillschweigen vernahm, machte mich erbeben. Es lautete: «Mein Vater, ich bin verdammt!« Aber wie alles das doch musikalisch isl, und welchen Gewinn der Musiker aus diesem Texte ziehen wird : »Gluck kann ich nicht sein, Schubert bin ich.« Kein Detail wird ihm entgehen, und'gerade durch die Verbindung des vocalen Dramas und der Begleitung wirH man im V»r|,ufe jede intention des Romantikers gewahr

werden: »Meine Seele flammt leicht auf, sie exaltirt sich, wird bewegt. . . Aber hilft das, wenn der Beruf fehlt?« Dieses von Anfang an geoffenbarte Gefühl verfolgt uns die ganze Zeit hindurch wie ein böser Traum. Ja noch mehr: wir wohnen den Hauptscenen bei, Bruchstücke des Dialogs kommen uns wieder in den Sinn, und wenn die beiden Künsller aufhören überein- zuslimmen, und bei ihnen der Gesichtspunkt sich ändert, so erklären wir uns je nach den Umständen für Diderot oder für Schubert.

»Ein wahres Sacrilegium, Madame, isl es, was ich täglich begebe, indem ich durch Missachlung die heiligen Gewänder profanire, die ich trage; ziehen Sie mir dieselben aus, ich bin ihrer unwürdig. Lassen Sie im Dorfe die Fetzen der ärmslen Biuerin holen, und jage man mich aus der Clausur.«

Und wohin wollen Sie gehen, um es besser zu haben T«

»Ich weiss es nicht; aber man befindet sich nur dort nicht gut, wo uns Gott nicht haben will; und Gott will mich hier nicht haben ... .1

Wir gingen fast alle miteinander herab; der Gottesdienst näherte sich seinem Ende. Am Schlüsse desselben , als alle Schwestern auseinander zu gehen im Begriffe waren, klopfte sie auf ihr Brevier und hiell uns an : »Meine Schwestern,« sagte sie, »ich fordere Euch auf, am Fusse des Altares nieder zu kflmn und die Barmherzigkeil Golles für eine Nonne anzuflehen, welche er verlassen hat.«

»Ich vermag die allgemeine Ueberraschung nicht zu schildern. In einem Augenblick halle jede unmerklich die Mienen aller ihrer Gefährtinnen geprüft, um die Schuldige an ihrer Verlegenheil zu erkennen. Alle knielen nieder und beteten im Stillen. Nach ziemlich geraumer Zeil intonirte die Oberin mit leiser Stimme das Vmi creator und klopfte dann nach einer zweiten Pause auf ihr Pull, worauf man hinaus ging.«

Bei der Nonne von Diderot isl die Unlerwerfung stets nur erzwungen und gewaltsam herbeigeführt, ihre Widerspenstigkeit lässl nur einen Augenblick nach, um desto heftiger wieder hervorzubrechen, bis sie obsiegt. Isl aber bei der Nonne von Schubert die Resignation nach dem Sturme eine nachhallige? Der Roman schliesst mit dem tragischen Bekenntnisse der Oberin, alles Uebrige isl nur Epilog. Aber so ausführlich und reich an Zufälligkeilen die Erzählung auch sein mag, Diderot verliert seine Heldin nie aus den Augen. Schwester Susanne bildet den Mittelpunkt des Gemäldes, und das sympathische junge Mädchen belebt durch ihr Schicksal die verschiedenen Klöster, in denen sie sich aufhält. Die/Anziehungskraft lässt daher auch nicht nach; man beklagt weder die Monotonie der Grundlage, noch ihr unheimliches Dunkel, so sehr interessiren uns die in erster Reihe stehenden Personen, und unter allen vorzugsweise Susanne Simonio. Möge uns daher der Leser verzeihen, dass wir auf diese Analyse eingegangen sind ; dieselbe war jedoch unerlässlich, um sich über Schuberl's Conceplion vollständig Rechenschaft zu geben. Denn es isl in dem Roman nichts, was nicht in der Musik vorkommt, und die Musik enthält überdies ein Hauptelemenl, dessen sich der Philosoph aus Vorliebe für seine These gern begeben hat. Diderol hat die unüberwindliche Abneigung der Nonne gegen ihren Stand weder auf ein Liebesverhällniss, noch auf Unglauben, noch auf Hang zur Zerstreuung gegründet. Wenn sie das Kloster hasst, so geschieht es deshalb , weil es ihrer Vernunft zuwider läuft. Schubert's Nonne verwünschl im Gegentheil das Kloster, weil ihr eine Leidenschaft dasselbe verhassl macht. Die bei der einen mangelnde Liebe bricht bei der anderen in vollen Flammen aus. Schubert besitzt, wie Diderol, die beiden Haupl- eigenschaflen eines Erzählers: die Gabe zu erfinden und zu charaklerisiren.

Der Vereinigungspunkl der Poesie und der Musik beruht auf der Hervorrufung von Empfindungen. Wenn Diderot einen Ton auf seinem philosophischen Ciavier anschlägt und ein Schobert ihn auftaust, so wird die Kunst des Letzteren in uns nicht nur dieselben Empfindungen erregen, sondern auch dieselben Perspectiven eröffnen. Ist daher nicht die »Junge Nonne« ungeachtet ihres Titels einfach eine Ballade? Sie ist, kurz gesagt, ein romantisches Oratorium in nuce. Im Drama kommt diesmal nur Eine Person vor, aber deren Seele ist ein Resonanzboden, der alle Stimmen des Klosters widerhallen lässt: Klagen, Gebete , Seufzer, Rufe der Widerspenstigkeit und der Gotteslästerung. Welche Verwirrung herrscht in diesem Gewissen, welche Zurückhaltung in seinen Ausbrüchen I Der unüberwindliche Widerwille gegen die Kinschliessung, die Beunruhigungen und Schrecken des Beichtstuhles, und über dem allen schwebend und überall gegenwärtig der furchtbare Gedanke der aufgedrungenen Entsagung, die heidnische Venus an ihre Beute geklammert und sie zerfleischend. Erbarmungswürdiges Opfer, was wird deine Zuflucht sein? Die Hoffnung auf Gott! Nach so vielem Seufzen und Schluchzen, nach leidenschaftlicher Reue, glühenden und schmerzlichen Tbränengüssen erklingt im letzten Takle das Allcluja; die Kapelle öffnet ihre durch dje flammenden Kerzen blendende Tiefe, der Weihrauch dampft, die Orgel präludirt, und indem der sie begleitende göttliche Ge- HOg zum Gewölbe emporsteigt, scheint sich dieses zu öffnen, um die Sterne des Himmels auf diese Seele herab blicken und sich an dem Schauspiel ihrer Beruhigung ergötzen zu lassen.

Wir citirten oben das schreckliche Wort der Oberin von Arpajoo : »Ich bin verdammt U Die nicht weniger tragische Nonne Schubert's ist resignirt. Wir haben eben der äussersten Zerknirschung beigewohnt. Die Well, die Jugend , die Liebe können ihr künftig nichts mehr bieten. Möge sich die Opferung ganz und gar vollziehen, und forschen wir nicht, welche Gefühle äussersier Abspannung etwa das Hosanna der Befreiung in sich schliessen mag. Beethoven hat irgendwo, aber in diesem Falle ohne erzählenden oder romantischen Hintergedanken, mit der Hand eines Michel Angelo diesen Kampf der Leidenschaften gemalt: »Das Schicksal klopft an die Pforte.« Der Meister gelbst setzt uns davon schon durch das Andante in Kenntaiss, sucht jedoch mit der Stimme der Flöten zu mildern; allein vergebliches Bemühen, das Schicksal bleibt taub. Der Tag will sich zeigen, kaum sehen wir ihn dummem, als eine dichte Wolke sich bildet und ihn verfinstert. Die grollenden, drohenden Bässe treten hervor und lehnen sich gleich Geistern der Finslerniss gegen das im Andanle von ferne verheissene Licht auf. Schmerzliche Klage ertönt in der Luft, gellendes Lachen und bacchantische Weisen bringen die ersten Motive travestirl wieder; an die Stelle des vollen Klanges der Streichinstrumente treten dumpfe Pizzicatis; statt des dröhnenden Hornes die schwächliche Oboe. Wir gelangen so zum düstersten Punkte : wer wird siegen, das Licht oder die Finsterniss? Das Licht. Ermattet unterliegen die Bässe; die Pauke tritt mit einem verlängerten Wirbel ein, die Geigen erwachen endlich, das Thema immer höher hinaustragend bis zu jenem crescendo der letzten acht Takle, wo plötzlich der Schleier zerreisst. Die Nacht tritt den Rückzug an ; mit dem triumphirenden C-dur dringt ein Ocean von Licht herein, der uns überflutbet. Kaum noch eine Erinnerung bleibt an den eben bestandenen Kampf, und nachdem die Schlussaccorde verklungen sind, fühlen wir im Grunde unseres Wesens eine Regung menschlichen Stolzes und heilsame Erhebung unseres moralischen Gefühls.

Hüten wir uns indessen vor einer allzu bestimmten Auslegung, da die Musik in den Augen gewisser Leule eine exacle Wissenschaft wie die Mathematik ist, und als solche nichts anderes ausdrücken kann als Töne. »Phantasien, Luftbilder und Geistesspiel«, werden die Theoretiker und die Physiologen ausrufen, (n einer Symphonie von Beethoven, in einem Liede von Schubert oder Schumann all das Ideale sehen zu wollen, was

Ihr darin seht, das Messe jene Person Shakespeare's nachahmen, welche in einer Wolke mehrere Varietäten von Fischen und Thieren wahrnahm. Die Musik hat ihre materielle Seite, wer bestreilel es? und dennoch muss man zugeben, dass sie mit Ausnahme der Poesie diejenige unter allen Künsten ist, welche am nächsten an die rein geistigen Regionen hinan reicht. In der Architektur drängt sich uns geradezu das verwendete Material in der Gestalt von Stein, Marmor und Holz auf. welchem der Geist sein Gepräge gegeben hat; in der Bildhauerei nimmt das Material schon weniger Platz ein, und in der Malerei verschwindet es. Niemanden ist es unbekannt, aus welchen Elementen ein Gemälde zusammengesetzt ist, aber wenn wir vor der J o k o n d e oder vor der Madonna della Sedia stehen, so vergessen wir in der Regel, uns um die Leinwand und die Farbenbereitung zu kümmern. In der Musik ist das Immaterielle zunächst dasjenige, was uns entzückt, und es fehlt nicht viel, dass eine so ungemein complicirte und verfeinerte Wissenschaft uns alle Illusionen der conlemplativen und vorzugsweise träumerischen Kunst des wahrhaft Immateriellen, der Poesie, verschaffe. Für die Musik ist eben die Periode der Entwicklung eine schon längst zurückgelegte Etappe. Mit Sebastian Bach erreichte die archileklurale Musik ihren Höhepunkt ; mit Haydn und Mozart begann die Aera der Psychologie, worauf Beethoven kam, um das Reich des räsonnirenden und krilisirenden Geistes zu gründen. Wie viele giebt es, oder »iel- mehr, wie viele giebt es nicht der Adepten dieses neuen (Julius des aussermusikalischen Gedankens? Mendelssohn, Chopin, Schubert, Schumann , Berlioz , Verdi (der Verdi der Seelenmesse für Manzoni). Ich verzichte darauf, sie alle zu nennen. Wir haben im Verlauf dieser Studie vernommen, dass Zelter gegen Goethe äusserte, eine Motette von Palestrina mache ihm den Eindruck der grossen römischen Campagna , und Zeller war ein Mann der Vergangenheit, einer jener Spiessbürger, welche die Deutschen als Philister bezeichnen, und aufweiche die Strömungen des modernen Lebens keinen Einfluss haben; wollen wir weniger weit gehen, als dieser Zeitgenosse Winckel- manns, wir klugen Leute der Gegenwart und der Zukunft? Man wirft uns vor, der Musik die Eindrücke zuzuschreiben, welche wir von ihr empfangen; aber die Liebe, der Schmerz und die Kreude sind Empfindungen, welche eine Kunst auszudrücken im Stande sein soll, und wenn es auch angemessen ist, das Nachforschen nicht zu weil zu treiben und in dem Texte nicht das zu suchen, was der Autor nicht hineingelegt hat, so muss man sich doch auch hüten, das, was er hineingelegt hat, absichtlich zu übersehen. Man behauptet, dass Beethoven ein grosser Musiker sei, der weiter nichts schrieb als bewunderungswürdige Musik, und dass er, indem er die Cmoll-Syra- phonie schrieb, ganz einfach in seiner Weise das realisirl bat, was die Maler »ein Stück Malerei« nennen. Gut, ich gehe auf diese Behauptung ein, und indem ich auf meinen soeben empfangenen entschieden übertriebenen und phantastischen Eindruck zurückkomme, bemühe ich mich, nach Handwerks- gebrauch das «Musikstück« zu definiren : Andante con moto im 11 , T.ikl. ein sangbares Thema ausgeführt von den Violinen, dem Cello und den Bässen mit Pizzicatis in den letzten Takten ; Wiederholung des Themas von den Streichinstrumenten, neue Phrase etc. Offen gestanden, glaubt man denn, dass eine Würdigung in diesem Stile nach Beethoven's Geschmack wäre? Ich antworte nein, und hundert mal nein. Ebenso gut könnte man vor dem Apollo im Belvedere, dem stolzen und wüthenden Olympier, dem Gölte Homers, sich anatomischen Betrachtungen hingeben und constatiren, dass das eine Bein länger ist als das andere. Wer giebt uns übrigens in diesem Punkte Gewissheil, dass Beethoven nicht etwa missverstanden zu werden fürchtete, und dass daher die oben erwähnte Marginalbemerkung: »das Schicksal klopft an die Pforte« nur eine Vorsichtsmaassregel gegen vulgäre Beurtheilung, so wie zugleich ein Appell an die Zukunflsdialekliker war? Beethoven setzt sich ein philosophisches Problem vor und löst es musikalisch ; Schubert, entsprechend seiner Kunst und seinem Genie, übersetzt Diderot, und fasst den ganzen Roman in einigen Seiten zusammen. Er in- scenirt, er schafft Varietäten, er giebt Farbe, steigert und vergrößert das Sujet bis zu dem Grade, dass aus dieser Reduction ein grossartiges Werk wird, eine Art von Oratorium ohne Orchester, ein Oratorium für Eine Frauenstimme mit Begleitung des Pianos.

Das Originelle bei alledem ist Schuberl's absolute Gleichgültigkeit gegenüber seinem Librettisten ; während er sonst ein so scrupulöser Beobachter des Sinnes der Worte ist, scheint er diese hier absichtlich unbeachtet zu lassen. Indem er nicht mehr, wie im »Erlkönig«, »Grelcheo am Spinnrade« oder in der »schönen Müllerin« die Verse des Dichters zu übersetzen hat, flüchtet er sich zu seinem Ideale. Was kümmern Schubert das Welter und die Blitze, die in dem schlechtgereimlen Texte leuchten? sein Gewitter ist nicht das nächste Beste : der Regen, die Winde uud die Wolken haben dabei nichts zu thun; es trügt sich ganz und gar in der Seele der Nonne zu , nicht im wirklichen, sondern im figürlichen Sinne. Es ist ein psychologisches Gewitter, wozu die Elemente nichts beitragen. Schubert besitzt, ich wiederhole es, wie Diderot, die beiden Haupl- eigenschaflen eines Erzählers: Erfindung und Charakteristik. Wenn auch der Kahmen nicht gross ist, so weiss er doch in demselben die Ereignisse zu concentriren und ein ganzes Buch in einer einzigen Person des Vordergrundes zusammen zu fassen. Soll man nun in einem solchen Werke nur das specifiscb musikalische Schöne bewundern : die harmonischen und enhar- monischen Details, die consonirenden und dissonireoden Ac- corde, die Rhythmen, die chromatischen Intervalle? Mag man sich aber auch auf diesen rein technischen Standpunkt stellen, da« Interesse bleibt immerhin gross, denn die Meislerwerke haben das Privilegium, von jedem Standpunkte aus geprüft werden zu können. Doch sei man ohne Sorge, das schöne Material kommt nur der Idee zu Hülfe uod dient zu ihrer Verherrlichung. Dieses in Moll gemalle Gewitter, diese stets um einen halben Ton aufsteigenden Wiederholungen desselben Rhythmus, diese staunenswerte Steigerung der Souorität überwindet endlich unseren Widersland. Wir denken, wir träumen unwillkürlich, und wenn die Schlussnole kommt, und wir dieses Alleluja hören , das auf der Medianle ertönt, statt sich endgültig und entschieden auf die Tonica niederzulassen, so werden wir begreifen, was Schubert gewollt bat: Vergebung, nicht Tröstung!

Zusammenstellen , vergleichen , analysiren , das ist unser modernes Objecl. Hat man nicht schon tausendmal unser Zeitalter das Reich der Chemie genannt? Dem Enthusiasmus in seinem einfachen Zustande genügt das nicht; unser Enthusiasmus muss räsonnirend, kritisch und complicirt sein. Ohne Zweifel wird es immer noch genug Dilettanten geben, welche in die Theater, die Concertsale uud in die Kirchen laufen und ausrufen : der unsterbliche Moliere l Der göttliche Mozart! Der seraphische Palestrina l Aber diese gewinnen nicht die Oberhand. Der Geist, der uns gegenwärtig beherrscht, ist verglei- cbungssüchlig, er sucht sich über alle Punkte Rechenschaft zu geben, strebt nach Entdeckungen, selbst auf die Gefahr hin, in die Irre zu geralhen. Essentia beatitudinü in actu intelUctus contutit: es scheint, dass dieses Wort eines grossen Denkers des Miltelallers jetzt mehr als jemals zeitgemäss ist, und wir möchten uns zum Schlüsse gern auf dasselbe berufen. Denn wenn die »Nonne« von Diderot und die »Nonne« von Schubert, jede für sich ihr eigenes Leben fortleben werden, so bleibt es nicht weniger wahr, dass derjenige, welcher Müsse findet, von diesen beiden Werken eines durch das andere zu commenlireo,

und, wenn der Ausdruck gestattet ist, Diderot mit dem Accom- pagnement von Schubert zu lesen, seine Abendstunden nicht verloren haben wird.

Rossinieres, August 1881. L. v. St.

Berichte.

Leipzig.

Das dritte Gewindhausconcert (den i».October)brachte uns an seiner Spitze eine Noviut unter der Direction de> Compo- nisten: Fest-OuverlUre von Albert Dietrich, Kapellmeister des Oldenburger Hoflheaters, zu dessen Einweihung er das formgewandte Orcheslerwerk componirl hat. Ihrer Stimmung nach eignet sich die Ouvertüre zu einem derartigen Zwecke sehr gut; zu ihrem Vortheile spricht ferner die klare, Übersichtliche Durchführung der beiden Themen. So konnte es denn nicht anders sein, als dass der Compo- nist mit seinem Werke eine recht freundliche Aufnahme fand. Eine gleiche wurde dem Pianisten Herrn Bertrand Rolh aus Krank- fui t a. M. zu Theil für seinen geschmackvollen und technisch fein ausgebildeten Vortrag, obwohl die Aufgeregtheit, von welcher sich der Künstler Übermannen liess, den Erfolg im Beelboven'achen Esdur-Concert beeinträchtigte. Es wundert uns Übrigens, dass Herr Roth die breit genug getretene Virtuosenstrasse zieht, d. h. slalt der zwei Chopin'schen Etüden und der zwölften Rhapsodie hongroise von f. Liszt sich nicht dankbarere Aufgaben gesetzt hat. Der Zug- und Lockvogel dieses Concerlabends aber war in dan Augen des grosseo Publikums unstreitig die vielgeruhmte Sängerin Krau Etelka Gerster-Gardini, die unseren hochgespannten Erwartungen leider eine Enttäuschung bereitete. Allerdings ist die Sicherheit und Leichtigkeit, mit welcher sie ihr Stimmorgan in allen Lagen bis zum et3 beherrscht, erstaunlich und ihre Begabung für das Naive, bis zur Ausgelassenheil Heitere springt sofort in die Augen; in dieser Spe- cialilBl (deren Zungen- und Kehlfertigkeit im Bunde mit naturwüchsig lebhafter und liebenswürdiger Action besonders auf der Buhne zUnden mag) liegt aber auch ihre ganze Stärke. Denn im Uebrigen war der Eindruck auf uns ein geringer. Die Stimme ist, was Fülle und Mächtigkeit betrifft, klein und ohne besonders reizvolle Klangfarbe, vielmehr von einigen unschönen Klängen untermischt, die Trillerbildung eine sehr naturalistische. Und was wir vor allem zu tadeln haben: ihr Programm (Arien aus der »Sonnambula« von Bellini und aus A. Rubinslein's »Der Dämon«) war geistig unbedeutend, eine Nummer (»Der Carneval von Venedig») sogar «ine des Gewandhauses unwürdige Trivialität. Es gereichte uns deshalb zu hoher Genuglhuung, dass die prächtige Wiedergabe der Bdur-Sym- phonie von Rob. Schumann dem Concert einen erhebenden Ab- acbluss gab.

Was die Kammermusiken im Saale des Gewandhauses betrifft, so werden deren in diesem Winter zehn stattfinden, d.h. zwei mehr als bisher, welche der Sangeskunst und den Blasinstrumenten zu Gute kommen sollen. Die Direction erfüllt hiermit ein längst empfundenes Bedürfniss nach Abwechselung in den Programmen. Wir gehen noch einen Schritt weiter, indem wir die Ueberzeugung aussprechen, dass diese Musikabende noch wesentlich an Interesse und Leben gewinnen würden, wenn an jedem derselben die Streichmusik sich mit Claviervorlrigen oder Gesang oder Blasinstrumentenspiel abloste. Mannigfache Abwechslung schützt die Spannkraft des Publikums und auch die der ausübenden Künstler vor Ermüdung. — Ueber die erste Kammermusik (den *t. October) können wir uns kurz fassen, da einerseits die Hochwerthigkell der aufgeführten Werke (Beetboven's E moll-Quartett Op. 5», Sexlett für Streichinstrumente Op. 18 B-dur von Job. Brahms und Schumann's Quartett für Pianoforle und Streichinstrumente Op. 47 Ks-dur) eine allgemein anerkante ist, andererseits die technische Ausführung, insbesondere die Gesammlauffassung seitens der mitwirkenden Künstler (der Herren Kapellmeister Reinecke, Concerlmeisler Röntgen, Bolland, Thümer, Pfitzner, Kleogel und Schröder) eine so vorzügliche war, dass es kleinlich wäre, unerhebliche Einzelheilen beim Brahms'schen Sextett zu moniren. Neue Musikalien.

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No. 8. Jlt,—. Weber, C. M. Tod, Manch aus der romantischen Oper »Oberon«.

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Tristan und Isolde. Ausgezogen und eingerichtet von E.

Lassen. Jl k,—.

[101] Soeben erschienen in meinem Verlage mit Verlagsrecht für alle Lander:

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opfert, der preiset mich), bearbeitet von H. von Herzogen-

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meine Seele), bearbeitet von r'ra n z W ü l Ine r. > Jl netto.

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Christ), bearbeitet von H. von Herz o gen her g. i Jl netto.

Cborsümmen: Sopran, All, Tenor, Bass ä 80 Sp netto. No. s. in vierzehnten Sonntage nach TriniUtls. HL (Es ist nichts

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erscheint reg« Im;»-» M g jn jotK-m Mittwoch ttsd ist durch alle Postämter und iluch- n in beiiehOb.

Allgemeine

Preis: Jährlich H Mk. Viorteljahrticn« Prtantn. 4Mk. 50Pf. Anzeigen: die grspal- t«ne Pttituil« oder d«reu Baum 30 Pt Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 1. November 1882.

Nr. 44.

XVn. Jahrgang.

Inhalt: Anzeigen und Beurtheilungen (Vierhändige Arrangements [Compositionen von Ch. Neustedi, Xaver Scharwenka, Niels W. Gade, Asger Hamerik, S. Jadassohn, Max Bruch, J. L. Nicode, G. F. Ehrlich, Job. Brahms, Roh. Volkmann, bearbeitet von Fr. Brissler, Fr. Hermann, S. Jadassohn, C. Reinecke, G. Rösler, Tb. Kirchner, Aug. Hörn]. Originalcompositionen für vier Hände und zwei Claviere [Contrapunktische Variationen über eine Gavotle von Handel, componirt von Bernhard Scholz, Op. 94; Grosses Duo von C. Hubert H. Parry; Walzer-Suite von Edmund Uhl, Op. 8]). — Varesco's L'Oca del Cairo. — Bericht (Kopenhagen). — Anzeiger.

Anzeigen und Beurtheilungen. Vierhändige Arrangements.

(Schluss.)

Das also folgende modernere Dutzend, auf welches bei der Besprechung dieser Arrangements in der vorigen Nummer hingewiesen wurde, möge passend mit einigen Stücken beginnen, die ihren Stoff volkstümlichen Motiven und insofern ebenfalls einer vergangenen Zeit entlehnen.

43. l'arillun de Louis XIV (1648) , pour le Piano par Ch. Vustnll, Op. 407; arr. pour le Piano a i in.uns par Fr. Brillier. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. uM.50.

44. tatoltr FaTMlte de Marie Antoinetle (4774), pour Piano par Ch. Neistedt, arr. ä 4 mains par Fr.Brillier. Leipzig, Breitkopf & HUrlel. Pr. Jt 4. 25.

Carillons oder Glockenspiele waren in aller Zeit sehr verbreitet. Eins der beliebtesten Stücke dieser Art hat Neustedt in moderne Ciavierform gebracht. Es ist rondoartig gestaltet in der Weise der alten da Capo-Arie.

Noch mehr rondoartig ist die Gavotte gehalten. Man kann schon aus den Anfangstaklen schliesse», dass hier ebenfalls ein Stuck aus dem < 7. Jahrhundert vorliegt, welches noch in der zweiten Hälfte des \ 8. gespielt und von der unglücklichen Königin zum Liebling erwübll wurde. Couperin hat in seinen Ciavierstücken viele derartige Salze. — Beide Nummern sind von eigentümlichem Reiz.

4 5. Ptlniiche Natlcialtäiie für Pianoforte componirt von Xaver Seharweika, Op. 3 ; arrangirt zu vier Händen von fr. hVrmaii. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Preis Jf 4. 50.

«Erleichterte Ausgaben steht auch noch auf dem Titel, und das ist sie in der That. Was Scharwenka schreibt, ist gewöhnlich schwer zu spielen ; dieses nicht schwer auszuführende Arrangement von Stücken , die zum Theil sehr gelungen sind, wird daher willkommen sein.

46. Die Kreufehrer lür Solo, Chor und Orchester von Kleb W. tade, Op. 50, arrangirt zu vier Händen von S. JadaiMka. Leipzig, Breitkopf & HBrtel. Preis .// 9. 50.

Auf dem Titel steht tClavicrmisxug zu vier RSndem — welche Bezeichnung doch nicht zutreffend ist, denn unter Cla- XVII.

vierauszug versteht man die Wiedergabe des ganzen Werkes mit allen Gesangslimmen unter Zusammenfassung des Orchesters für Ciavier. Davon ist hier indess keine Rede, die Singstimmen fehlen ganz; es ist eine blosse, und sehr gute, Herrichtung der Musik für vier Hände. Also hatte »Arrangement* statt »Clavier- auszugt auf dem Titel stehen müssen.

47. Nördliche Suite für Orchester von Alger Hamerik. Op. 28, arrangirt zu vier Händen von lt. Irmaia. Leipzig, Brcitkopf & IHirtel. Pr. 4 .ff. Der Tilel »Suite« soll besagen, dass der Autor sich nicht an die geschlosseneren Formen der Symphonie binden will. Man muss aber nicht eine Suite in allerer Weise erwarten, deshalb beisst das Stück Norditche Suiten und führt uns recht anmulhig vor, was und wie man im Norden spielt und tanzt. Ein »Brautmarsch macht den Beschluss. Warum auch nicht?

4 8. Sereiade, 8 Canons für Pianoforte von S. Jadautii,

Op. 35, arrangirt zu vier Hunden von demselben. Leipzig, Breitkopf & Härtet. Pr. .// 4. 50. 49. Balletwulk, 6 Canons für Pianoforte zu vier Händen von S. Jadassohn, Op. 58; arrangirt für zwei Pianoforte zu vier Händen von C. Reliecke. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. Jf 4. 75.

Canons sind einigermaassen die Domäne des Herrn Jadassohn ; er hängt dieser Form so sehr an , dass er in derselben selbst Ständchen- und Tanz-Musik verfertigt. Die Gewandtheit und Findigkeit des Componisten soll gern anerkannt werden ; aber Zopf ist es doch.

20. Fantasie für zwei Claviere von Im Brich, Op. 4 4, arrangirt für Pianoforte zu vier Händen von (I. Keiler. Leipzig, Breilkopf & Härtel. Pr. .(/ 3. 50. Hier haben wir also einmal ein Beispiel der Verringerung, insofern ein Originalstück für zwei Claviere im Arrangement auf ein einziges herooter moderirt wird. Ob ein Bedürfniss dazu vorlag, das müssen diejenigen entscheiden, die es besser verstehen als wir.

24. lolrodurüon und Scherz* für grosses Orchester von J. L. Mc»df, Op. 4 4; arrangirt zu vier Händen von demselben. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. 3 .#. Der Componist wendet grosse Mittel an, um seine Gedanken auszusprechen ; es will uns aber scheinen, dass Form und Inhalt sich nicht decken. Das Arrangement ist geschickt gemacht.

22. tiTcrtare Nr. 2 zur Oper »König Georg«, componirt von t. f. Ehrlich, arrangirt zu vier Händen von demselben. Leipzig, Breitkopf & Hartel. Pr. jü 2. 50.

Wir kennen weder die Ouvertüre Numero Ein«, noch Oberhaupt die Oper, zu welcher beide gehören, können also nur sagen, dass diese Nr. l ein Musikstück ist, welche« sich sowohl durch Form wie durch Gedanken empfiehlt und nicht schwer zu spielen ist

23. Variationen and hge Über ein Handel'sches Thema für Pianoforte von J*h. Brahms, Op. 24; arrangirt zu vier Händen von Th<-«d. Klrthuer. Leipzig, Breitkopf 4 Harte). Pr. 5 .«

24. V»ri»ii»nen über ein Handel'sches Thema von Robert Volknann, Op. 26; arrangirt zu vier Händen von iig. Hörn. Pressburg und Leipzig, G. Heckenast. Pr. UT 4. SO.

Hier sind zwei Opera, beide aus Variationen bestehend, deren Thema HXndel entnommen ist. Die Verwandtschaft gebt noch weiter, da beide Componisten zu den bedeutendsten der Gegenwart gehören und manche Züge gemein haben. Es wSre also eine gute Gelegenheit, an obigen Variationen die« weiter auszuführen. Aber wir haben es hier nur mit dem vierbändigen Arrangement zu thun, dessen blosse Anzeige genügen dürfte. Wenn die Variationen von Brahms in weitere Kreise dringen, als die von Volkmann, und sich länger in der Praxis erhalten sollten, so liegt die Ursache theilweis in der Wahl des Themas. Volkmann hat Händel's Air aus der fünften Suite des ersten Theils der Ciavierstücke gewählt, ein Stück welches als »der harmonische Grobschmied« mit Händel's beigegebenen Variationen weltbekannt geworden ist. Wir halten es nicht nur für schwierig, sondern geradeswegs für unmöglich, die Händel'- scben Variationen zu verdrängen oder durch andere über dasselbe Motiv irgendwie vergessen zu machen , denn sie sind melodisch wie harmonisch reich, kindlich einfach und dennoch für den gewiegtesten Virtuosen nicht zu leicht, vereinigen also Vorzüge, die sich in dieser Art selten beisammen finden. Dagegen bat Brahms sich ein Thema ausgesucht, welches ihn von vorn herein in eine günstigere Position setzt. Dasselbe steht bei Händel in der zweiten Sammlung der Ciavierslücke ebenfalls als Variations-Moliv. Aber die fünf kleinen Variationen von Händel erschöpfen den Gebalt des schönen Themas so wenig, dass sie vielmehr zu dem Versuche reizen, ihnen etwas Eingehenderes an die Seile zu setzen. Jene kleinen Variationen waren niedergeschrieben zunächst als Uebungen für die königl. Prinzessinnen; bitte ein gewinnsüchtiger Musikverleger dieselben nicht gesammelt und mit anderen Stücken vereint als »zweites Buch der Suiten für Clavecin« publicirt, so würden sie in Händel'9 Zeit wohl überhaupt nicht im Druck erschienen sein, denn er hatte sie in dieser Form nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Was Brahms nun an Variationen über das von ihm unbegleitet eingeführte Thema geschrieben hat, kann gleichsam als eine Ergänzung und Weilerführung der Händel'- scben Musik angesehen werden, und im selben Sinne macht eine Füge passend den Bescbluss. Die vorteilhafte Stellung von Brahms gegen Volkmann ist hieraus leicht zu ersehen.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch einige

Originalcompositionen für vier Hunde und zwei Claviere

erwähnen, welche in jüngster Zeit die Presse verlassen haben. An die zuletzt genannten Variationen über Händel'sche Themen schliessen sich passend an :

über eine Gavotte von Händel.

für zwei Claviere componirt von Brrahinl Srhuli, Op. 54. Breslau, Jul. Hainauer. (4882.) Pr. 4 Jl.

Ceber eine Gavotte in A-dur sind hier neun Variationen gearbeitet, welche das Thema nach allen Seilen hin zu erschöpfen suchen. Der Componist hat wohl hauptsächlich deshalb zwei Instrumente in Anspruch genommen , weil dieselben ein Gewebe, welches die Stimme cootrapunktisch verflochten zeigt, in einem viel höheren Maasse klarlegen können, als selbst die hurtigsten vier Hände auf einem einzelnen Ciavier. Wie der Autor in der Vorbemerkung angiebt, hängt auch die Wirkung mehrfach wesentlich davon ab, »dass einzelne Stimmen vor- und andere zurücktreten«. Bei zwei Ciavieren ist so etwns leicht zu bewerkstelligen. Da nun Composilionen dieser Art hauptsächlich für Musikschulen geeignet sind, wo mehrere Instrumente neben einander stehen, so scheint uns die Anlage für zwei Claviere dem künslleriscben Zwecke der vorliegenden Musik in jeder Hinsicht zu entsprechen. — An Händel-Variationen wird in der Folge wohl noch mehr auf den Markt kommen, denn seine Themen sind nicht nur bemerkenswert!) prägnant, sondern sehr oft auch von ihm selber nicht erschöpfend ausgebeutet; wenigstens dem Anscheine nach.

treues ftlr zwei Claviere von C. Ilobi-n I. Parry. Leipzig, Breitkopf & Härlel. 4889.) Pr. 5 Jt.

Unter einem »grossen Duo« kann man sich mancherlei denken, und denkt meistens wohl an ein einsätziges Stück. Letzteres würde aber hier nicht zutreffen, denn Parry's Duo besteht ans drei Sätzen : Allegro energico — Andante trau- quillo — Maestoso, in ein Allegro auslaufend — ist mithin so ziemlich, was man eine Sonate nennt. Warum der Autor sein Opus nicht auch Sonate genannt hat, ist uns verborgen geblieben. Das Werk ist recht reich gestaltet und gut gearbeitet ; vielfach mit dem Aufwand bedeutender Mittel zu Stande gebracht; doch nicht nur an solchen Stellen, sondern auch in einfacheren Gängen wirkungsvoll geschrieben. Die Contraste, welche die Anwendung von zwei Ciavieren ermöglicht, sind geschickt benutz'., und wäre nicht eine gewisse Unruhe im Tonwechsel vorherrschend , so würde die Gesammtwirkung noch grösser sein. Es ist aber im Ganzen doch ein Werk , welches sich sehen lassen kann. — Im Druck sind hier beide Claviere unter einander gesetzt, also nicht in besonderen Heften publicirt. Diese Einrichtung hat grosse Vortheile, vertheuerl allerdings die Musik.

Waller-Saite für Pianoforte zu vier Händen von Edntid l'hl, Op. 3. Leipzig, F. E. C. Leuckart. (4882.) In zwei Heften 4 2 Nummern, das Heft 2 Jl.

Die »Suiten« stecken den Zeitgenossen merkwürdig in den Gliedern ; hier erhallen wir sogar Walzer als Suite. Es ist ein Dutzend , welches Herr Uhl als Op. 3 publicirl ; in früherer Zeit würden sie deshalb den Titel »(f Walzer» erhalten haben. Zeiten und Moden sind veränderlich , aber die musikalischen Grundanforderungen bleiben so ziemlich immer dieselben. Beim Tanz gehört dahin hauptsächlich eine Modulation, welche die Tonarten in ihrem Verhältnisse zu einander klar und wirksam vorführt. Jedes Schwanken in dieser Hinsicht ist vom Uebel. Am Schluss des ersten Walzers tritt f.-dur abrupt ein und wird durch G-dur verdunkelt. Doch ist dies eine Kleinigkeit. Weit mehr vergriffen ist Nr. 6, wo der in F-dur stehende Vordersalz in A-moll scbliesst. Dies passt wie die Faust auf- Auge. Ebenso später der sonderbare Rückgang oder Rückfall nach F-dur. Man könnte dem Componislen leicht beweisen, dass derartige, vielleicht den Zigeunern abgelernte Marotten eine natürliche herzerfreuende Melodie unmöglich machen. Ohne eioe solche Melodie ist aber ein schöner Tanzsatz undenkbar.

VARESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Original h anüsc h rift herausgegeben von Paul i;ruf Walderaee.

Die Königl. Bibliothek zu Berlin besitzt Varesco's Textbuch zur L'Oca del Cairo, welches deshalb von besonderem Werlhe ist, da es Mozart bei Composilion der leider unvollendet gebliebenen Oper vorgelegen bat.

Das Buch zeiTällt in drei Tbeile: der erste enthält die Dichtung des ersten Actes, der mittlere eine zweite durch Mozart veranlassle Bearbeitung, der letzte die prosaische Inhaltsangabe der Oper. Mo/art spricht seine Betheiligung an der Dichtung, sowie an der Uindichlung in den Briefen vom 7. Mai, 6., 40. und 24. Decembcr 1783 deutlich aus. Er schreibt:

Wien 7. Mai 1783.

.... Mithin dächte ich, wenn nicht Varesco wegen der Münchner Oper noch böse ist, so könnte er mir ein neues Buch auf 7 Personen schreiben. Basla. Sie werden am besten wissen, ob das zu machen wäre. — Er könnte unterdessen seine Gedanken hinschreiben und in Salzburg dann wollten wir sie zusammen ausarbeiten. Das Nothwendigste dabei aber ist, recht komisch im Ganzen, und wenn es dann möglich wäre, zwei gleich gute Frauenzimmerrollen hinein zu bringen. Die eine müssle seria, die andere aber mezzo Caral- lere sein, aber an Güte müssten beide Rollen ganz gleich sein. Das dritte Frauenzimmer kann aber ganz bufla sein, wie auch alle Männer, wenn es nöthig ist. Glauben Sie, dass mit dem Varesco was zu machen ist, so bitte ich Sie bald mit ihm zu sprechen. Sie müssen ihm aber nichts von dem sagen, dass ich im Juli selbst kommen werde, sonst arbeitet er nicht; denn es wäre mir sehr lieb, wenn ich noch in Wien etwas erhalten könnte. —

Wien 6. Dez. 1783.

.... Es fehlen nur noch drei Arien, so ist der erste Act von meiner Opera fertig. Die Aria buffa, das Quartett und das Finale kann ich sagen, dass ich ganz vollkommen damit zufrieden bin und mich in der Tbat darauf freue. Darum wäre mir leid, wenn ich eine solche Musik müssle umsonst gemacht haben, das heisst, wenn nicht das geschieht was unumgänglich nölhig ist. Weder Sie noch der Abbate Varesco, noch ich haben die Reflexion gemacht dass es sehr übel lassen wird, ja die Opera wirklich fallen muss, wenn keine von den zwei Haupt- Frauenzimmer eher als bis auf den letzten Augenblick auf das Theater kommen, sondern immer in der Festung auf der Bastei oder Rempart herumspazieren müssen. Einen Act durch traue ich den Zusehern noch so viel Geduld zu, aber den zweiten können sie unmöglich aushalten, das kann nicht sein. Diese Reflexion machte ich erst in Linz — und da ist kein ander Mittel, als man lässt im zweiten Act etwelche Scenen in der Festung vorgehen —Camera della forlezza. Man k»nn die Scene machen, wie Don Pippo Befehle gibt die Gans in die Festung zu bringen, dass dann das Zimmer in der Festung vorgestellt wird , worin Celidora und Lavina sind. Pantea kommt mit der Gans herein — Biondello schlüpft heraus — man hört Don Pippo kommen, Biondello ist nun wieder Gans. Da lässt sich nun ein gutes Quintett anbringen, welches desto komischer sein wird, weil die Gans auch mitsänge. — Uebrigens muss ich Ihnen sagen, dass ich über die ganze Ganshislorie nur deshalb nichts einzuwenden hatte, weil zwei Männer von mehr Einsicht Ms ich sich nichts dagegen einfallen Hessen, und das sind Sie und Varesco.

Jetzt ist es aber noch Zeit auf andere Sachen zu denken. Biondello hat einmal versprochen, dass er in den Thurm hineinkommt ; wie er es nun anfängt, ob er durch eine gemachte Gans oder durch eine andere List hineinkommt, ist nun einerlei. Ich dächte, man könnte viel komischere und natürlichere Sachen vorbringen, wenn auch Biondello in Menschengestalt bliebe. Zum Beispiel könnte die Nachricht, dass sich Biondello aus Verzweiflung dass es ihm nicht möglich wäre in die Festung zu kommen den Wellen übergeben hätte, gleich am Anfange des zweiten Actes geschehn, er könnte sich dann als ein Türlc oder was weiss ich verkleiden und Pantea als eine Sklavin (versteht sich als eine Mohrin) vorführen. Don Pippo ist Willens die Sklavin für seine Braut zu kaufen ; dadurch darf der Sklavenhändler und die Mohrin in die Festung um sich beschauen zu lassen. Dadurch hat Pantea Gelegenheit ihren Mann zu cujo- niren und ihm tausend Impertinenzen anzuthun, und bekommt eine bessere Solle: denn je komischer die wälsche Oper ist, desto besser. — Nun bitte ich Sie dem Herrn Abbate Varesco meine Meinung recht begreiflich zu machen, und ich liesse ihn bitten fleissig zu sein — ich habe auf die kurze Zeit geschwind genug gearbeitet. Ja, ich hätte den ganzen ersten Act fertig, wenn ich nicht noch in einigen Arien in den Wörtern Veränderungen brauchte, welches ich aber bitte ihm jetzt noch nicht zu sagen. —

Ich bitte den Varesco recht zu bereden und zu pressiren.—

(Wien) 10. Dez. 1783.

Thun Sie Ihr Möglichstes, dass mein Buch gut ausfällt. Ich wollte wünschen, ich könnte die zwey Frauenzimmer auch im ersten Act, wenn sie die Arien singen, von der Bastey herabbringen, will ihnen gern erlauben, dass sie das ganze Finale oben singen.

Varesco ging auf die Wünsche Mozart's ein und änderte mehrere Scenen. Diese Umdichlung scheint Letzterem nicht genügt zu haben, da er schreibt:

Wien J4. Dez. <783.

.... Herr Abbate Varesco bat zu der Cavatina der Lavina extra geschrieben: .1 cui servirä la musica della cavatina ante- cedente, — nemlich der Cavatina von der Celidora. — Das kann aber nicht sein. — Denn io der Cavatina der Celidora ist der Text sehr trost- und hoffnungsvoll, und in der Cavatioa der Lavina ist er sehr trostreich und hoffnungsvoll. — Uebrigens ist auch das eine sehr ausgepeitschte und'nimmer gewöhnliche Mode, — dass ein Anderer dem Ändern sein Liedchen nachlallt. — Höchstens kann es so bei einer Soubrette mit ihrem Amanten nemlich bei den ultime parti gellen. — Meine Meinung wäre dass die Scene mit einem schönen Duett anfinge, welches mit dem nemlichen Text durch eine kleine Aggiunta für die Coda sehr gut angehen kann. — Nach dem Duett folgt die Unterredung wie sonst: — e quando s1 öde il Campanello della Custode, so wird Mademoiselle Lavina anstatt Celidora die Güte haben, sich wegzubegebeo, damit Celidora als Prima Donna Gelegenheit hat eine schöne Bravour-Aria zu singen. — Auf diese Art dächte ich wäre es für den Compositeur, für die Sängerin und für die Zuschauer und Zuhörer besser, und die ganze Scene würde unfehlbar dadurch interessanter werden. Ferners würde man schwerlich die oemliche Aria von der 2. Sängerin ertragen können, nachdem man sie von der ersten hat singen boren. — Nun weiss ich nicht wie Sie es beide mit nachfolgender Ordnung meinen. — Zu Ende der neu einge- schaltenen Scene der zwei Frauenzimmer im ersten Act schreibt Hr. Abbate: — siegue la scena VIII ehe prima era la VII, e cosi cangiansi di mano in mano i numeri. — Nach dieser Beschreibung muss ich ganz wider Verhoffen vermuthen, dass die Sceue nach dem Quartett,' allwo beide Donne eine nach der

ändern ihr Liedchen am Fenster berabiingen, bleiben solle. — bas kann unmöglich sein. — Dadurch würde der Act nicht allein umsonst um nichts verlängert, sondern sehr abgd- scbmackt. — Es war mir immer sehr lächerlich zu lesen : — Celidora : Tu qui m' altendi, amica. Alla Custode fanui veder vogl' io; ci aodrai lu puoi. Lavina: Si dolce amica, addio. (Celidora parte.) Lavina singt ihre Aria. (Celidora kommt wieder und sagt): Bccomi, or vanne etc. und nun geht Lavina, und Celidora singt ihre Aria, — sie lösen einander ab, wie die Soldaten auf der Wacbt. — Ferner ist es auch viel natürlicher dass, da sie im Quartett alle einig sind , ihren abgeredeten Anschlag auszuführen, die Männer sich fort machen um die dazugehörigen Leute aufzusuchen und die zwei Frauenzimmer ruhig sich in ihre Clausur begeben. Alles was man ihnen noch erlauben kann, sind ein paar Zeilen Recitativ. Doch ich glaube auch ganz sicher, dass es niemalen darauf angesehen war, dass die Scene bleiben soll, sondern dass es nur vergessen worden anzuzeigen, dass sie ausbleibt. — Auf ihren guten Einfall den Biondello in den Thurm zu bringen, bin ich sehr begierig; — wenn er nur komisch ist, wir wollen ihm gerne ein bischen Unnatürlichkeit erlauben.

Mozart's letzte den Text betreffende Aeusserung.

Die Varesco'sche Handschrift folgt hier in wörtlichem Abdruck.

L'Oca del Cairo. Dramma giocoso per Musica.

Personaggi.

Don Pippo Harchese di Ripasecca innamorato di Lavina, e rre-

dutosi vedovo di

Donna Pantea sotto nome di Sandra, sua Moglie. Oelidora loro unica figlia destinata sposa al Conte Lionetto di

CasavuOla, Amante di Biondello Gentiluomo ricco di Ripasecca. Oalandrino Nipote di Panlea, Amico di Biondello, ed Amante

corrisposto di

Lavina Compagna di Celidora. Ohiohibio Hastro di Casa di Don Pippo, Amante di Auretta Cameriera di Donna Pantea.

Comparsc. <

Perracohieri. Sartore. Oalzolajo. Marina] con gente, ch' approda. Oiailatani. Fopolo. Oorte di Don Pippo. Domeatici di Biondello

e di Calandrino. Boldati Guardiani della Rocca. La Scena si finge in Ripasecca, Citta marittima, Capitale del Marchesato.

Atto Primo.

Scena I.

Camerone nel Palazzo del Marcbese comune a tutta la ser- vilü, con varie porte, per cui s' enlra nelle anticamere. Vi si vedono tavole, sadie, panche, livree, vesli di Camera, ed allri vestiti appiccali alla muraglia.

Cbichibio, Auretta, Servilori, e Serve, con altrettanti Per- rucchieri, da' quali si fanno tutti acconciare il capo all' ultima moda, e cantano il seguente

Coro. Tutti.

Gran Cuccagno, gran bagordi. Fuora, fuora vmtri ingordi; Oggi s" ha ad empir il tacco; Chi la Keggia e qui di Bacco, Del tripudio, e del piocer.

Parte del Coro.

AI Sposino, al buon vecchietto Scaldi Amor il freddo petto. Mai ef Amici provi inopia, Goda in pace il cornucopia, Noi godrcm nel suo goder.

Tut».

Gran Cuccagna etc.

Finito il Coro, Chicbibio, ed ognuno de' Domestici paga, e licenzia il suo Perrucchiere. Tutti parlono fuorche AuretU, ch' e I'ultima ad esser pettinata, e Cbichibio, ehe passeggiando in disparte osserva, ed ascolta il tutto.

Aurelta, Perruccbiere e Chichibio in disparte.

Auretta. Sempre la piü gentilt, t la piu bella

E I ultima seroita. Ora vediamo. (si guarda nello specchio.)

Si, ton contenta, eccovi un mezxo scudo. Perrucchiere. Jlluttrissima . . . Auretta. .1 mef . . (ridendo)

Perche non Eccellenta? Perrucchiere. Eccellenia, u vuol, giaccK e la moda,

Perdoni . . .

Auretla. E fortt poeo ? Perrucchiere. Non gia, vorrei sol dire . . . (timido.)

Che tervii per amor, ehe per lei moro. AuretU. Quand" e cori . . . tentite: anch' io v' adoro. Chichibio. 0 ehe moneta falia l (di se) Auretta. Egli e pagato. (rimetle il denaro in tasca. II Per-

rucchiere parte consolato.)

Scena II.

Calzolajo, Auretta, Cbichibio in disparle. Calzolajo. Ecco le scarpettine. Auretta. Ahime.

Calzolajo. Che dictf Auretta. tfi pajon streite.

Calzolajo. Ho meco la mitura,

E se un tantin vi manca, il feci appunto

Perche disse, ehe tuol caltare ttretto.

Qvesto non e difetto; gia la pelle

Si rilascia ben presto. AuretU. Euer. Ordite:

Quanto vi devo ? Calzolajo. Nulla, mia Signora;

Mi meraviglio.

AuretU. .V-*, ditemi pure.

Calzolajo. Giacche aaper Io brama,

Saui chi pena, ed ama :

Ardo per lei d' amore,

Baitami un piceiol nicchio in quel bei core. Aurelta. Non solo un piceiol nicchio, ma un nicchione.

Io vi ringratio. \: o quanto sei minchionel :j

(da se. II Caltolajo parle allegro.) Chichibio. Ohmaledetta! il fegato, la milxa

Arder mi sento . . . eccone un altro. (da le)

Scena III.

Sartore, Auretta, Chichibio in disparte. Aurelta. 0 carol

Kot si«!:' il benvenuto, e 'l mio bustino? Sartore. Eccolo mia Signora.

AuretU. O bello, o bei; ma il taglio

Non e egli troppo lungo? Sartore. Non son tre settimane,

Che venni da Parigi Tutte le Parigine

Lo portano cosi.

Auretta. Dunque e la modo?

Sartore. Anzi, Signora si.

Aurelta. Vediamo adesso il conto.

Sartore. 11 conto e bell' e fatto: un occhiatina,

Un vezzo, un bei sorriso,

Un po di speme . . . Aurelta. |: Oh ehe merlotto! :\ intendo:

Voi siete tutto mio,

Sperate pur, ci rivedremo. Addio. (II Sarlore parle giubilando.J

Duotto. *} Auretta. Cosi si fa :

Due paroline,

Quattr' occhiatine

Ci fruttan piii,

Che non si crede,

E non s' avvede

Chi amar non sä. (accenna Chicbibio) Cbichibio. Cosi si fa?

A civettine

Innocentine,

Come sei tu

Chi presto fede

Or ben si vede,

Ch' e un baccald. Auretta. Tu mi fai torto;

Non son mai giunta

A äffender te. Chicbibio. Mi vedrai morto

Dal mal di punta,

Giä crepo, ahime! . . .

Non morir mia speme amata;

Gran pazzia sarebbe äffe.

Ah gia l'alma e stivalata,

E rimedio piit non c' e.

AI mio pianto cedi almeno. (piange)

Di ricotta ho il cor nel seno. (piange ancb' egli.)

Dunijue di.

'"/,, vuoi da me?

Siamo amici.

{Siamo amici. Siamo amanti. Siamo amanti.

lo son "° da capo a pie.

tuo f r

Auretta. Chicbibio.

Aurelta.

Cbichibio.

Auretta.

Cbicbibio.

Auretta.

Chichibio. Auretta. a t

a t

Non piü smorfte, non piü pianti, Vanne al Diavol gelosia, Sia ricetto l' alma mia Sol d'amor e sol di fe.

Calandrino.

Chichibio. Calandriao. Auretta. Chicbibio.

Scena IV.

Calandriao e detti.

Sono i primi a spuntar in tut matfs'no L:i rosa e 'l gelsomino CoA Auretta e Chichibio, E11 malandrino.

Auretta mia, Chichibio, vi taluto. Son serva tua. Buon giorno a not Siynon.

) Moxarl's Werke Serie»4,SupplementNo. 17, Seite«. Leipzig, Breitkopf und Härlel.

Calandrino.

Cbichibio.

Auretta.

Calandriao.

Cbichibio.

Ditemi, il Signor zio, di Ripasecca II Marchese, Don Pippo, il dolce Sposo Per le cui nozze esulta il Mondo tutto, E gid si veste d" or il biondo Dio, Non peranco lasciö Le vedove sue piume? In quesf ora ha costume Di prima riscaldarle Con potenti sospir, e poi lasciarle. Sentiremo a momenti Lo svegliarin. Deh fatemi il piacere Caro Chichibio mio, ite a vedere, Se nuota ancor in Lete, oppur s' e desto. Questo lo posso far; \:ma tornopresto :\ (da se) Se nuota ancor in letto ? . . . o Sposo dolce! 0 povera Lavina t

Se petce tu ti fai, sarai Tonnina. (partej (Forlsetzung folgt.)

Der Erste Evangelische Kirchengesang-Vereiustag

n Stuttgart am 3. iniil 4. October 1882.

A. Wenn wir in diesen Blättern die Bestrebungen der Kirchengesang-Vereine für Südwestdeutschland, welche in Württemberg ihren Ausgangspunkt gewonnen und sich nunmehr über Württemberg, Baden, Hessen und die Pfalz erstrecken, einer näheren Erörterung unterziehen, so sehen wir uns hierzu nicht nur durch die Verhandlungen am i. October, sondern auch durch den in letzter Stunde vom Vorstand Geheimen Halb Dr. Hallwachs eingebrachten und ohne Debatte angenommenen Antrag veranlasst, welcher wie folgt lautet:

<) Im Interesse der Verbesserung und Förderung des deutschen evangelischen Kirchengesangs ist es dringend wünschenswert)) , neben der forlgeselzlen Anregung zur Gründung von weiteren evangelischen Kirchengesangs- Vereinen (Landesvereinen, Provinzialvereinen, Orlsver- einenj eine statutarisch geordnete Verbindung unter den sämrallichen in Deutschland bereits bestehenden Vereinen herzustellen;

l) der erste deutsch-evangelische Kirchengesangs-Vereinstag beschliesst hiernach, zunächst eine aus dem Centralaus- schuss des evangelischen Kirchengesang-Vereins für Süd- westdeulschland bestehende Commission zu berufen, welche mit Ausarbeitung von Statuten des evangelischen Kirchengesaog-Vereins für Deutschland beauftragt wird. Diese Commir,sion hat das Recht der Cooptation. Dieselbe hat dabei Ihunlichst darauf Bedacht zu nehmen, dass Angehörige der sämmtlichen deutschen evangelischen Landeskirchen in ihr Vertretung finden. Der Entwurf der Commission ist dem zweiten evangelischen Vereinslag zur Beschlussfassung vorzulegen, der zu Anfang October 1883 in Frankfurt a. M. zusammentreten soll. Wir werden weiter unten nachzuweisen suchen, dass die Stellung eines Antrags wie sub t, theils einer Ueberschätzung der vorhandenen Kräfte, theils einer Untersch'atzung von Fac- loren, welche hier schliesslich auch ein Wort mit darein zu reden haben, entspringen konnte. Ehe wir jedoch auf die Sache näher eingehen, sei uns ein kurzer historischer Rückblick gestattet.

Iq dem kleinen hübsch gelegenen Städtchen Sulz am Neckar besteht seit längerer Zeit schon eine Stiftung der Jungfrau Bauder zu kircheamusikalischen Zwecken, deren Zinsenertrag, welcher sich jährlich auf 80 bis 100 Gulden belief, auf einen Chor verwendet wurde, dessen Sänger bezahlt waren. Der Chor erhielt sich jedoch nicht lange, und die Zinsen wurden auf ein Thurmposaunenquarletl und für unentgeltliche Violinstunden begabter Schüler verwendet. Anfangs der siebziger Jahre kam Dr. Köstlin als Helfer nach Sulz, und da ihm die Leitung der Gesangübungen der Lehrer des Bezirks übertragen worden war, so übernahm er auch die Direclion eines von ihm gegründeten freiwilligen gemischten Chors, welcher die Schüler beim kirchlichen Kunslgesang an den Festen unterstützte, bezw. mit denselben alternirte. Diese beiden Chöre vereinigte Köstlin erstmalig am 18. October 4873 zu einer gemeinsamen kirchenmusikalischen Aufführung in der Kirche zu Sulz. Durch verschiedene liturgisch-musikalischen Gottesdienste und grössere Aufführungen wurde zunächst das Interesse der Geistlichen und Lehrer in weiteren Kreisen erregt, während das eigentliche Volk sich fern hielt und heute noch der Sache fern steht mag man uns da sagen was man will, und mit noch so grossec Zahlen aufmarschiren. Mit der Zeit versuchte der Verein in Sulz eine Annäherung mit den in Calw und Nagold bestehenden Kirchengesangvereinen, und so kam am St. September <875 das erste evangelische Kirchengesangfest zu Stande, welchem am zt. September (876 und 4877 solche zu Nagold und Calw folgten. Hierauf beantragte Köstlin in einem Sendschreiben die Gründung eines evangelischen Kirchengesangvereins für Württemberg. Der Erfolg desselben war insofern kein unbedeutender, als bei dem am 14. Juni l 878 in Maulbrono abgehaltenen Jahresfest 160 Sänger und Sängerinnen mitwirkten. Bis jetzt zählt der Verein 96 Einzelvereine mit ca. H 00 Mitgliedern.

Der Verein für Hessen verdankt sein Bestehen der Initiative des seit acht Jahren bestehenden Einzelvereins von Darmstadt, welcher von Gymnasiallehrer Dr. Bender, Consislorialrath Dr. Sall, Hinisterialsecretär Ewald und Fräulein Schleiermacher gegründet worden war, zu welchen sich später Geheime Ratli Dr. Hallwachs, der jetzige Präsident des südwesldeutschen Verbandes, gesellte. Das erste Kirchencoocert in Verbindung mit gleichstrebenden Vereinen fand zu Oppenheim am l 6. Juni l 878 statt, und der Erfolg ermunterte die Leiter zu einem Aufrufe an die evangelischen Geistlichen und Lehrer des Gross- herzogthums, in den einzelnen Gemeinden, wo irgend möglich, Kirchengesangvereine zu gründen und sich zu einem Landesverein für Hessen zusammenzuschliessen. Ein Jahr später zählte der hessische Landesverein bereits 46 Einzelvereiue mit 707 acliven Mitgliedern und drei Chorschulen. Letztere begrüssen wir als eine ebenso zwectmässige als praktische Einrichtung. Diese beiden vereine, Württemberg und Hessen, haben auch eine gemeinschaftliche Chorsammlung unter dem Titel »Chorgesänge zum goltesdiensiliclien (ichrauch« bei Ebner in Stuttgart herausgegeben, ton welchen bis jetzt zwei Hefte erschienen sind.

Dem Beispiele Württembergs und Hessens folgend, Int aucb in Baden am 36. März 4880 zu Karlsruhe eine consli- 'tuirenäe Versammlung zusammen und stellte die Statuten des zu gründenden Vereines fest. Bei dem ersten Jahresfest zu Wiesbaden am 16. Juni 1884 war die Zahl dei Vereine 44 mit etwa 1600 Mitgliedern; heute sind es 6l Zweigvereine mit 3500 Mitgliedern. Vorstand ist Herr Hafprediger Helbing fn Karlsruhe. Aucb hier steht die Qualität der Leistungen, die wir ganz genau kennen, im entgegengesetzten Verhältnis« zu dan grossen paredirenden Zanken.

Der jüngste dtf vier süddeutschen Landesvereine- ist der Verein für die Pfalz, welcher am 4. November 4880 gegründet

und durch Musikdirector Lützel in Zweibrücken organisirt wurde; derselbe besieht beule aus 3i Vereinen mit 1441 Mitgliedern.

Die Anregung, diese vier Landesvereine zu einem grossen Ganzen unter dem Namen: Evangelischer Kirchengesang-Verein für Süd Westdeutschland zu verbinden, ging von Köstlin aus, und am <9.Mai 4880 wurde in Heidelberg, wohin von Hallwacbs in Darmstadt die Delegirten der Landesvereine einberufen worden waren, ein diesbezüglicher Statuteneolwurf vorgelegt, der im Allgemeinen angenommen wurde; die definitive Conslituirung des Vereins für Süd Westdeutschland fand am II. September 4881 zu Bruch- sal statt.

Der erste Kirchengesang-Vereinslag in Stuttgart begann am 3. Oclober mit einem liturgischen Gottesdienst in der Stiftskirche, welchem am folgenden Tage die Verhandlungen im Concerlsaale der Liederhalle folgten. Das Referat über »die nächsten Ziele und Aufgaben der Kirchengesang-Vereine« hatten Becker aus Darmstadt und Köstlin aus Stuttgart, und dasjenige über »die Einrichtung liturgischer Gottesdienste« Pfarrer Herold ausSchwabach (Baiern) uDernommen. Das letzlere Referat zeugte von gründlichem historischen Wissen und vollständiger Beherrschung des Gegenstandes; dasselbe interessirt uns jedoch hier, wo wir uns mehr mit den Zwecken und Zielen der Kirchen- gesang-Yereine zu beschäftigen haben werden, weiter nicht.

Wir fragen nun zunächst, was wollen die Kirchengesang- VereineT Herr Becker aus Darmstadt, welcher sich seiner Aufgabe in ebenso lichtvoller als gründlicher Weise entledigte, giebt uns die Antwort: Die Kirchengesang-Vereino wollen den Gottesdienst kunstvoller gestalten, indem sie der Musik die ihr gebührende Stellung im Gottesdienst verschallen. Weno auch die Predigt der Mittelpunkt desselben sei, so dürfe man doch Kunst und Symbolik nicht ausschliessen. Die betreffenden Vereine haben sich nun die Aufgabe gestellt, zur Verschönerung des Gottesdienstes durch würdigen Chorgesang beizutragen, und die Landesvereinc haben zu diesem Zweck die vorhandenen Gesangeskräfte zu sammeln und den Geschmack der Vereine durch Herausgabe von Musikheften und durch Veranstaltung von Gesangfesten zu heben und zu lördern. Helfer Köstlin aus Stuttgart drückte diesen Gedanken folgendermaassen aus : Die Kirchengesang-Vereine müssen vor Allem danach streben, dass der Kirchenchor, sozusagen das »verkörperte musikalische Gewissen der Gemeinden (I), ein integrirendes Glied an dem Organismus der Kirche, der kunslmässige Chorgesang ein wesem- liches Element des gotfesdiensllichen Lebens werde.

Wir sind nun weit davon entfernt, die idealen Bestrebungen derjenigen Männer, welche an der leitenden Spitze stehen, im geringsten verkennen zu wollen. Nur sind die Bestrebungen, den evangelischen Kirchengesang zu heben, nicht so etwas ganz Nagelneues, und die Annahme wäre ein grosser Irrlhum, dass die leitenden Führer zum ersten Male diese wichtigen Fragen auf die Tagesordnung gesetzt hätten. Schon Anfang und Mitte dieses Jahrhunderts haben Männer wie Nägeli, Sucher, Tucher, Herzog, Schöberlein, Faisst u. A. ihr Augenmerk der Hebung des Kirchengesangs zugewandt, indem sie theils durch Herausgabe von Charalbücliern, tbeils durch Sammlung vierstimmiger Gesänge, Gründung von Kirchencbören, überhaupt durch Wort und Schrift der Sache zu nützen suchten, und lange ehe Kösllin den Württembergiscben Kirchengesang-Verein ins Leben riet, bestanden an vielen Orten in ganz Deutschland Einzelvereine, welche sich die Pflege der Kirchenmusik zur Aufgabe gestellt hallen, wie z. B. u. A. der schlesische Verein zur Hebung der evangelischen Kirchenmusik. Mit diesen Bemerkungen soll jedoch den Verdiensien der neuen Vereinigung kein Abbruch geschehen, aber wir und viele Andere hegen sehr gegründete Zweifel, ob der Verein auf den Wegen, die er eingeschlagen hat, die Ziele, welche er erstreblj jemals erreichen kann. Einen grossen Fehler begeht der Verein schon damit, dass er es zunächst auf einen vierstimmigen a capella-Gesang abgesehen hat. Wir wollen nicht im geringsten beslreiten, dass der a capella-Gesang, von einem tüchtig geschulten Chor ausgeführt, etwas ungemein Erhebendes und Erbauendes hat, aber nichts ist auch entsetzlicher als ein solcher Gesang von ungeübten und ungeschulten Stimmen. Es ist aber eine Art Hodesacbe geworden, alles ohne Begleitung singen zu lassen, und der Verein für Württemberg hat sogar in neuester Zeit ein (übrigens mit grossein Fleiss ausgearbeitetes) Schülerheft mit lauter dreistimmig eingerichteten Chören von Componisten der letzten drei Jahrhunderte, ohne alle und jede Begleitung, herausgegeben. Es heisst aber wahrhaftig das Pferd am Schwanz aufzäumen, wenn man den Kirchengesang dadurch zu heben sucht, dass man in jedem Dorf und Städtchen Alles was stimmfähig ist, zu einem Chor vereinigt und demselben Leistungen zumuthet, die er niemals erfüllen kann. Hierzu kommt noch, dass die musikalische Bildung der meisten Dirigenten, welche sich in der Regel aus dem Scbullehrerstande recrutiren, eine mangelhafte sein muss; sie müssen sich in kurzer Zeit so vielerlei Kenntnisse aneignen, dass man das Unmögliche verlangt, wenn sie nun auch noch im Kunstgesange und in der ästhetischen Bildung sattelfest sein sollen. Derartige eingepaukte Chöre werden dann in einer Weise abgesungen, zum Theil auch abgeschrien, ilass der schlechteste Gemeindegesang solchem sogenannten Kunstgesang vorzuziehen ist. Durch die grösseren Kirchen- gesangfeste, auf welchen die gegenseitige Selbstberäucherung ein wichtiges Element bildet, lassen wir uns keinen Sand in die Augen streuen. Hier sind es immer die einzelnen Chöre aus den grösseren Städten, welche musikalisches Leben in die Sache bringen und di* Fehler und Mängel der übrigen zudecken. Wagt sieb jedoch einmal ein solcher ländlicher Chor mit einer Sololeistung hervor, dann endigt dieselbe in der Regel mit einem Fiasco, wie z. B. im vorigen Jahre bei dem Kirchengesangfeste zu Wiesloch in Baden. Die Schwaben sind schlauer, sie lassen nur grössere und gut geleitete Vereine zu Soloproduclionen zu, versäumen es jedoch bei keiner Gelegenheil, den guten Leuten über ihre schönen und ausgezeichneten Leistungen verbindliche Redensarten zu sagen und ihnen die goldene Perspective der Zukunft zu zeigen, da eine Concurrenz z. B. mit dem Verein für classische Kirchenmusik in Stuttgart nicht mehr ausgeschlossen sein dürfte. Dabei wird aber auf der ändern Seile immer und immer wieder versichert, dass der Verein keine Concert- aufführnngen beabsichtige, sondern rein liturgisch erbauliche Zwecke verfolge; dann möge man aber auch bei dergleichen Gesangfeslen das Weibrauchfass zu Hause lassen.

Wir sagen hingegen : mit Gründung von Kirchengesang- chören allein wird den gesanglichen Uebelständen in der evangelischen Kirche nicht abgeholfen, und wenn es auch ein ganz hübscher, obwohl kein ganz neuer Gedanke ist, die Schätze der vierstimmigen Kirchenmusik wo möglichst auch in die kleineren Gemeinden zu bringen, so hat es bis zur Verwirklichung ilieses Gedankens noch seine guten Wege.

Aber dies ist ja nicht die einzige Aufgabe des Kirchengesang-Vereins. In nächster Zeit, führt Herr Becker aus, haben sich die Vereine mit der Reform des Chorals zu beschäftigen. Der evangelische Choral ist'verdorben durch Langsamkeit und Trägheit, er hat nicht mehr die ursprüngliche Frische und Freudigkeit u. s. w. Wie kann nun hier geholfen werden, fragt der Referent T Und die Antwort? Du rch Einfüh ru ng neuer Choralbuche r; da aber die Einführung derselben Sache der Kirchenbehörden sei, so sollen die Kirchengesang-Vereine sich selbst ein solches zusammenstellen.

Wenn man derartiges liest oder hört, so muss man über

den Referenten billig erstaunen. Weiss derselbe denn gar nicht, was in den letzten Decennien, wenigstens in Süddeutschland, in dieser Beziehung geschehen islT Ist demselben gänzlich entgangen , welche Verdienste Württemberg und Bayern und in neuester Zeit Baden durch die Herausgabe vortrefflicher Choralbücher sich erworben haben? Dass der Cboralgesang in der evangelischen Kirche zum Theil tief darnieder liegt, ist nicht zu beslreiten, und dass weder auf den Text, noch auf die kirchliche Festzeit irgend welche Rücksicht genommen wird — und hier trifft der Hauptvorwurf den Organisten — und ein Osterclior.il möglichst noch schleppender als ein Charfreitags- lied gesungen wird, kann ebenfalls nicht geläugnet werden. Hier werden aber die Kirchengesang-Vereine nicht viel ausrichten können, doch hiervon später. (Rrhluss folgt.)

Berichte.

Kopenhagen, i4. Oclober.

in'. Hre. Die Concertsaison ist bereits im Gange. Selten fangt sie so früh bei uns an, weil die Concertvereine Zeit haben müssen, sich auf ihre Aufführungen vorzubereiten , und ausländische Con- certgeber gewöhnlich erst spater eintreffen. Eine Ausnahme habe ich indess zu verzeichnen, und diese stammt aus dem hohen Norden. Es kam nämlich von daher der norwegische Componist Job a n Svendsen, welcher im grossen Saale des Casino zwei Orchester- Concerte veranstaltete, in welchen nur Arbeiten seiner eigenen Com- position vorgeführt wurden. Es waren dies seine beiden Symphonien (D-dur und B-dur), mehrere norwegische Rhapsodien (bearbeitete Volksmelodien), eine Phantasie (Romeo und Julie), «ine Legende, eine Humoreske (Carneval de Paris), nebst verschiedenen Gesangen (Lieder) u. s. w. Die Mehrzahl dieser Sachen zeugt von grosser Gewandtheit bezüglich der Form und der Instrumentalion; die Motive sind theilweise interessant, dagegen nicht immer geschmackvoll. Am gelungensten scheint mir die zweite Symphonie (Op. 45) «a sein. Man fühlt hier, dau das Talent ihres Schöpfers zur Reife gelangt ist. Was Herr Svendsen zu sagen hat, bringt er auf seine eigenthUmliche Welse, die freilich mitunter etwas Barockes an sich hat. Der Fluss ist aber immer da und entschädigt für manche Sonderlichkeit. Als Orchesterdirigent nimmt Svendsen einen hohen Rang ein, auch war die Ausführung der genannten Musikwerke, die der Concertgeber selbst leitete im.l zwar Immer ohne die Partitur vor sich zu haben , eine so excallente, wie sie hier zu leisten ist. — Wohl ungefähr acht Tage früher gab der geschickte Organist Nebe Ion g ein sehr besuchtes Concert in der Johannes- Kirche. Nebelong ist einer der besten hiesigen Orgelspieler, und man kann sich nur darüber wundern, dass es ihm noch nicht gelungen ist, eine einträgliche Stelle als Organist an irgend einer unserer Hauptkirchen zu erhallen. — Auch in den Provinzen oder vielmehr in den Hauptstädten derselben haben die Winter-Concerle begonnen; ei.ie kleine Concertgesellschafl, mit dem Pianisten Anton Hartvigsonan der Spitze, bereiste die jiltländischen und seelindischen grusseren (gross sind sie eben alle nicht) Stadt« und erntete überall reichen Beifall.

In unserer Thcaterwelt ist ein besonderes Ereigniss vorgefallen. Es wurde nämlich eine grosse neue Oper («Colomba«) aufgeführt, die sowohl in Betreff des Librettos als der Musik von hiesigen Autoren verfasst ist. Die Musik schrieb ein junger Mann Namens G rand- jean, der sich im Bühnengenre als nicht unbedeutend erwiesen hat. Das neue Werk, welches ich nooh picht Gelegenheit halte zu hören, scheint ganz gut gefallen zu haben. — Uebrigens wird hier die Wiederaufführung der »Stummen« vorbereitet. Die Auffuhrung hat besonderes Interesse dadurch, dass die treffliche Schauspielerin Frau H e n n i n g s die Titelrolle geben wird.

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t/1 ^ Altorijn, lind), fiargitl, fitrtheatn, fitllini, fitratr, llrrttiii, filnmtn- thal, fiorrf)trint, fiotclottn, 6rahnt$, Chtrnhlni, Chopin, Cltnttnti, Cramrr, Cnrfdjmann, Bant}ttti, Bn|fck, Buntrnon, /ran), ladt, tjiitt&rl, tjmion, tjrllrr, tirnfrlt, t)rrimj, tjumnitl, ftolhbrrniirr, filtiiijrl, ftitorr, ftihltl, ftruul'r, Anhlan, Ci»}t, Car^tni), Cnnthat, Ärnbrlsfotin. JHtncrbcti, «oiott. Aliillrr, Hicolai, ptrg»ltfc, Kctntdtt, Ruiiitiflttn, Srarlattt, äriiiimaiiii, QChalieia, Wogntr, Wrbcr, {Ihtln.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 8, November 1882.

Nr. 45.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Compositionen von Richard Henberger. Op. 4—45. — Compositionen von P. Tschaikowsky. (Op. 17, 19, «0 und H.) — Varcsco's L'Oca de] Calro. (Fortsetzung.) — Der Ente Evangelische Kircbengesang- Vereinstag zu Stuttgart am t. und 4. October 4881. (Schluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Compositionen von Richard Henberger. Op. 1 — 15.

Richard Heuberger, geb. 4850 in Graz, ging, soviel wir in Erfahrung bringen konnten, erst Mit!« der Siebeoziger Jahre vollständig zur Tonkunst über, nachdem er sich zuvor dem In- genieurfach gewidmet, indcss als Knabe schon tüchtigen musikalischen Unterricht in seiner Heimath genossen hatte. Er bekleidet gegenwärtig die Rolle eines Chormeisters bei dem unter R. Weiowurm's Direction stehenden Akademischen Gesangverein zu Wien und leitet daneben die Wiener Singakademie, welche Ende der Dreissiger Jahre ins Leben gerufen wurde. — Die Tondichtungen Heuberger's sind mit Ausnahme zweier Orchesterwerke sammt und sonders Vocalcompositionen. Was sofort günstig für sie einnimmt, ist ihre sinnliche Frische , das vollsaftige Leben, das in ihnen pulsirt, der beilere Farbenglanz, der darüber ausgegossen ist. Heuberger ist in all diesen Beziehungen ein echtes Kind Oesterreichs, voll fröhlicher Da- seinlusts, voll harmlosen Humors. Tiefgehende Reflexion, Versenkung in ernste Stimmungen, strenge Selbstkritik sind seine Sache nicht. Hit jenem naiv sichern Schönheitssinn begabt, der seine Landsleute auszeichnet, dabei von leicht entzündlicher Phantasie , assimilirt er sich nur solche Stoffe, die ihm von vornherein in gefälliger Form entgegentreten und die eine realistische Behandlung, einen kecken Farbenauftrag nicht blos zulassen, sondern bis zu einem gewissen Grad fordern. Daher des Componisten Vorliebe für die Dichtungen von Jul. WollT, in dessen wohllautenden Strophen sich Grazie mit üppiger Lebenskraft vereint, daher auch seine Vorliebe für das Volkslied, sowohl das deutsche mit seiner Mischung von Humor und Sentimentalität als insbesondere das südländische mit seinem Formzauber und seiner Schalkhaftigkeit; daher endlich seine Vorliebe für die Tanzform, auf deren Rhythmen sich das sinnenfreudige Behagen des Oesterreichers so gerne wiegt l

Wir fassen zunächst die Chorcoropositiooen ins Auge, die nicht blos am zahlreichsten sind , sondern in denen sich Heu- berger auch am meisten heimisch fühlt, am meisten Formgeschick wie originelle Lebendigkeil entfaltet, während ihm der Einzelgesang durchschnittlich weniger gelingt.

Gleich in Op. l „tS»mi'rn*rg«n", Gedicht von Job. Georg Fischer, für gemischten Chor mit vierhändiger Ciavierbegleitung, giebt uns Heuberger ein stimmungsvolles, klangschönes Werk. Nach einem langem Vorspiel, welches das träumerische Weben der Sommernacht cbarakterisirt, treten zunächst Sopran und Alt, dann sämmtliche Stimmen ein, den Schauer zu schildern, wie er dem Anbruch des Tages vorangebt. Auch weiter- XVII.

hin alterniren die Frauen- mit den Männerstimmen, bis sie .«ich mit dem »ersten Hauch der Sonnen« abermals vereinigen und der Chorklang mächtiger anschwillt. Besonders zart ist dann der Abschnitt »Gestern mit der Abendlufl« etc. gehalten, an den sich ein zum glanzvollen Fortissimo gesteigerter C dur-Salz an- schliesst. Der letzte Theil steht wieder in der Grundtonart Ei und zeigt breite und schwunghafte Behandlung. Durch Hinzufügung eines Solosoprans und Theilung der Stimmen gewinnt Heuberger mehrfach Fünfstimmigkeit und eine Pracht des Klanges, welche dem blendenden Glanz der dichterischen Morgenscbilderung entspricht.

Noch mehr in seinem Element befindet sich Heuberger in seinem Op. 6 „Llebeupiel" in Walzerform für gemischten Chor mit Clavierbegleitung. Das Werk lehnt sich formell, wie schon der Titel andeutet, an die Liebeslieder-Walzer von Brahms an, mit dem Unterschied freilich, dass bei Heuberger das Accom- pagnement nur zweibändig und bei weitem nicht so reich und selbständig aufgeführt ist wie bei Brahms, während umgekehrt die bei letzterm blos »ad libitum« beigefügten und als Soloquartett gedachten Singstimmen hier den Schwerpunkt des Ganzen bilden und dem Chorsatz entsprechend in breitem Klange dahinziehen. Die Texte der Lieder, melche musikalisch ein zusammenhängendes Ganzes bilden, bat Heuberger hauptsächlich aus italienischen Volksliedern sinnig zusammengestellt. Das Werk beginnt mit einem »zum Anfang« betitelten Einleitungssatz , dem Bodenstedt's Mirza-SchaHy-Verse zu Grunde liegen:

»Sprich nicht von Zeit, sprich nicht von Kaum l

Denn Raum und Zeit sind nur ein Traum,

Ein schwerer Traum, den blos verglast,

Wer durch die Liebe selig Ist.«

Der kurze, edel declamirte Salz wendet sich von Cis-moll nach Cis-dur, wobei besonders die am Schluss getbeilten Tenorstimmen wirkungsvoll geführt sind. Es folgt, die Tänze selbst eröffnend , im graziösen Walzerrhylhmus ein Duett: »Steh auf, mein süsses Lieb«, das zwei Sololenöre vortragen. Mit diesem zarten Gebilde, welches in seiner keuschen Zurückhaltung unwillkürlich an Brabms erinnert, conlrastirt Nr. l, ein Zwiegespräch der Chorbässe und Tenöre, in welchem erstere mit den Worten eines italienischen Volksliedes die letzteren verspotten, weil sie vergeblich das Haus des geliebten Mädchens umkreisen, während die Tenöre schnippisch antworten: Sie hätten ihre Sohlen nicht bei den Spöttern bestellt und könnten schlendern, wo es ihnen behage. Der halb neckische, halb streitsüchtige Ton des Gedichtes ist in diesem F moll-SaU mit dramatischer Lebendigkeit wiedergegeben, die coquelt an-

45 mulhige Haltung der Teuere besonders hübsch getroffen In der zart sinnigen Nr. 3 bringt Heuberger einen Solosoprnn mit einem pianistimo ertönenden Chor in Verbindung, während die Nummern i, 5 und 6 vierstimmige Chorsätze sind. Von der humoristisch-kecken Nr. 5 heben sich die beiden anderen durch ihr ruhigeres, melancholisch angehauchtes Gepräge schön ab. In Nr. 7, einem Esdur-Satz voll Wohllaut, treten die Frauenstimmen, zwei Soprane und ein Alt, den Männerstimmen, zwei Tenören und zwei Bässen, wiederum in Gesprächsform gegenüber, bis sie sich zuletzt, gleich den vom Trennungsschmerz befreiten Liebenden vereinigen. Den Schluss des Heftes bilden die Verse aus Goelhe's Venelianischen Epigrammen >() wie achtel' ich sonst auf alle Zeilen des Jahres!« Das Tonstück (Des-dur 3/4) ist warm und innig gehallen. Indem der Compo- nist den Gesang zunächst von gelheilten Tenören und Bässen vortragen und die Frauenstimmen erst im Verlauf eintreten lässt, gewinnt er auch hier eine Steigerung der Dynamik wie der Klangfarben, welche die Schlussworte »ewiger Frühling! strahlend hervorhebt. — Von gemischten Chorcomposilionen haben wir noch das A capella-Lied : „El »teilt eine Und' im tiefe« Thal" Op. 14 zu erwähnen. Die wehmüthige Stimmung, die durch die volkstümlichen Strophen K. L. l'fau's webt, gelangt darin zu ebenso schlichten wie warm empfundenem Ausdruck.

Zahlreicher und kecker gehallen sind Heuberger's Männer- cböre. In Op. 2 behandell er Im Lied fahn-ndiT Schiler Durch die Welt mit Sang und Klang« aus WolfTs »RaltenfSnger von Hameln« für Chor und Orchester. Die Composition ist dem Wiener Akademischen Gesangverein zugeeignet und muss, von jugendfrischen Stimmen mit burschikosem Humor vorgetragen, zündend wirken. Im marschniässigen Vierviertel - Rhythmus gehalten und durchwegs von energischem Zug führt uns das Lied die nimmersaUen und doch wohlgemuthen Scholaren unmittelbar vors Auge. Den realistischen aber das künstlerische Maass nirgends verletzenden Ton mag der auch musikalisch festgehaltene Refrain illuslriren:

Ttnire.

Baue.

schlagt dem Fass den Bö - den aus.

Der Orchesterpartitur ist ein Pianoforle-Arrangement beigegeben, dessen breiter Salz zwar das reichabgestufte Colorit der Orchester-Instrumente nicht ersetzen , indess wo letztere fehlen, recht gut verwendet werden kann.

Schlichter als der Schülergesang giebt sich das formell ähnlich gegliederte iMdwerkihimheilled Op. 3, das wiederum ein Gedicht von Jul. Wolff und zwar aus dessen »Till Eulen Spiegel redivivus« behandelt. Es ist ein behaglich marsch- massige^ Tonstück, in welchem Heuberger den Volkston glücklich getroffen bat. Aucb das biedermännisch selbslbewussle der »flotten Leute« wie die deutsche Neigung zur Sentimentalität sind, letztere in dem Abschnitt »Mädel, es ist Kirmess heul«, ersleres durch die charakteristische Behandlung der Worte»Handwerksburscb steht seinen Mann> hübsch angedeutet. Die Ciavierbegleitung schmiegl sich eng der volkstümlichen Weise an und schliesst mit einem Nachspiel, das den Effect des in der Ferne Verklingens imitirl.

Die vier A capella-linerehire Op. 8 behandeln einfache, zum Theil volkslhümlich angehaurlilu Lieder, deren Empfin- dungsgehall in der Musik harmonisch aufgeht. Verhällniss- mässig am complicirteslen und gerade deshalb am wenigsten befriedigend erscheint Nr. < »Herr Schmied, Herr Schmied, beschlagt mir mein Rösslein-, Gedicht von Em. Geibel. Das Lied ist durchcomponirt und beginnt sehr frisch. Auch die siechenden Altjungfernzungen, wie das Gäiisegesclmaller der Gevatterinnen werden mil Humor charakterisirt: allein über dem Bestreben, jedes dichterische Bild zu möglichst getreuer Darstellung zu bringen, verliert der Componist die Einheit des Grundlons und die formelle Geschlossenheil. Aus diesem Grunde ziehen wir die zweite Nummer »Es fliegt manch Vögeleiii in das Nest», ein Slrophenlied von schlichler volkstümlicher Hallung vor. Der abscbliessende Refrain »Geh du nur immer bin«, ist hier besonders keck hingeworfen, aber auch das iro- nischeNicken bei dem »VielGlück zum reichen Mann!« drastisch wiedergegeben. — Auf dem Gebiete sentimental-lyrischer Stimmung bewegt sich das drille Lied »Komm, o Nachl, und nimm mich bin!« von J. Sturm. Heuberger verwendet hier drei Bässe und gewinnt durch die Fünfstimmigkeil wie die Gesdur-Tonarl und den langsamen s/4 ~ Rhythmus geeignete Millel zu breitem Ausströmen jener elegischen Klage, die aus den Strophen tönt. Die Stimmen werden dabei freilich fast unnatürlich weil, vom hohen As bis ins tiefe E auseinander gerissen, und die Melodie entbehrt jenes natürlich schönen Flusses, den wir sonst bei Heuberger besonders schätzen. Auch bei dem Ständchen Nr. 4 scheinen uns die complicirlen Mittel, die der Componisl dafür verwendet, mit dem schlichten Lied nicht im richtigen Verhällniss zu stehen. Zum Chor tritt hier nämlich noch ein Soloquartelt, dessen erster Tenor am Schluss bis ins hohe (' hinaufsteigt. Wo vorzügliche Stimmen zur Verfügung stehen, mag das duftig zarte Tonslück, dem eine Wales'sche Volksmelodie zu Grunde liegt, freilich bestrickend genug klingen. — Durch noble Stimmführung und wohllautvollen Satz fesseln die beiden dem Grazer Akademischen Gesangverein gewidmeten Männerchöre Op. < 0. Das erste Lied , Ludwig Pfau's »Fahrender Musikant« (»Das Waldhorn an der Seite«) drückt in seinem behaglichen Dahinschreiten mil den weilschallenden Harmonien die Wanderslimmung glücklich aus. In dem zweiten »Herbst«, nach Strophen von Baumbach und Widmann, spielt der erste Bass die Hauptrolle. Erst bei der letzten Strophe übernehmen die Tenöre die Melodie. Die Amoll-Weise, durch die ein Hauch herbstlicher Melancholie gehl, verklingt tröstlich leise in A-dur.

Noch haben wir zwei Arrangements für Männerstimmen zu erwähnen, die keine besondere Opuszahlen tragen. Wir meinen das humoristische Lied: »Ein luslig Zechen« von Jul. Wolff. welches Heuberger nach Nr. 5 seiner eigenen Sololieder Op. 9 für Männerstimmen und Orchester bearbeitet hal, und die Deutschen Tänze von Franz Schubert, die von ihm fürChor, Tenorsolo und Orchester eingerichtet worden sind und zu denen er die hübschen TexJworle selbst geschrieben zu haben scheint. l'.i- Arrangement muss hier wie dort als ein glückliches bezeichnet wurden. Namentlich den Schubert'schen Walzern verleiht dasselbe eine sinnliche Kraft und einen Karbenreiclilhum, der ihre lhaufrisrhcn Melodien in doppeltem Glanz aufleuchten liisst.

,Schluss folgt.)

Compositionen von P. Tschaikowsky.

Dieser national russische, doch zum Theil auch an deutschen Mustern gebildete Componist ist seit seinem ersten Auftreten von unseren musikalischen Kreisen benchlet, und die Theilnahme für ihn hat sich bis heule erbalten. Wir machen hier deshalb auf einige seiner neueren Producle aufmerksam:

Op. 37. He Jahreueitei. Zwölf charakteristische Bilder

litt das Pianoforte. Berlin, Ad. Ftlrstner. 4 Hefte,

ii * Jt. Op. 39. Juxruil-llhuin, Sammlung leichter Clavierslttcke

[für Kinder) nach Robert Schumann. Berlin, Ad.

Furstner. 24 Stucke in 3 Heften.

Op. iO. rccMi pour Piano. l - Nummern in 12 Heften.

Berlin, Ad. KUrstner.

Als Op. 38 ist dabei vom Verleger »och angezeigt eine Sonate für Ciavier, welche aber wohl erst nachträglich erschienen und uns bisher noch nicht zugegangen ist.

Die Jiihmtzcitm* bestehen aus vier Heften Vod je drei Stücken, die mit dem Winter oder vielmehr mit dem Jahr beginnen und schliessen: Am Kamin, im Carneval, Lied der Lerche; Schneeglöckchen, im Hai, Barcarolle ; Lied des Schnitters, Ernte, Jagd', Herhstlied, im Dreigespann, Weihnachten. Die Mannigfaltigkeit der Stimmungen, welche diese Ueberschrif- ten andeuten, sind in den einzelnen Stücken mit mehr oder weniger Glück, aber fast überall ansprechend und anmuthig ausgedrückt. Die Stücke bereiten dem Spieler keine Schwierigkeiten, was ihre Verbreitung wesentlich fordern dürfte. Das Lied der Lerche giebt der Componisl uns zweimal zum Besten, bier im anbrechenden Frühling in G-moll, und im Jugendalbum Nr. 21 in G-dur. Man wird beide Versionen mit Vergnügen spielen.

Die i-i Horceaux sind auf dem Titel ausdrücklich als von mittlerer Schwierigkeil der Ausführung bezeichnet. Es ist eine ähnliche Reihe wie die Jahreszeilen und von derselben Mannigfaltigkeit. Einige Stücke wie der »russische Tanzi Nr. l 0 smd in ihrer Originalität besonders bedeutsam. Die IS Stücke (von denen das dritte 60 ,ff kostet, die übrigen < .11 notirl sind) haben folgende Titel: Elude — Chanson triste — Harche funebre — Mazurka (C-dur) — Mazurka (D-dur) — Chant Sans paroles — au Village — Valse (As-dur] — Valse (Fis- dur) — Danse russe — Scherzo — Hiverie interrompue. Diejenigen Stücke, in denen nationale Weisen und Stimmungen anklingen , heben sich aus dem Uebrigen um so mehr hervor, weil es die ausgesprochene Tendenz unseres Componisleo ist, das russische Element auch in der Musik zur Gellung zu bringen. Die Schwierigkeilen , welche auf solcher Grundlage der Gestaltung namentlich grösserer Tonwerke entgegenstehen, sind sehr bedeutend und zum Theii unüberwindlich ; aber es würde uns zu weit führen, hier eingehend darüber zu reden Unten werden wir noch ein Beispiel davon angeben.

Das Jugend-Album enthalt in drei Heften (a ( uT 80 3jt] t i Kinderstiicke in der Manier oder nach dem Vorgange Schu- m.um - und Herr 0. Lessmann bat Fingersatz beigeschriebeo, um die Musik den Kleinen und ihren Lehrern noch mund

gerechter zu machen. Die Ueberscbriflen bieten ein buntes Allerlei, auch Melodie-Stücklein verschiedener Nationen sind eingestreut. Mehr ist darüber eigentlich nicht zu sagen. Manches ist hübsch , Anderes recht trivial, und über den geringen nusikalischen wie pädagogischen Werlh derartiger Compo- oitiönchen haben wir uns schon wiederholt ausgesprochen.

Zum Schluss sei noch eine etwa.« ältere Cornposilion angemerkt, welche allerdings nur im Arrangement vorliegt:

Op. 32. t'ranci-M-a da Rimini. Fantaisie pour Orchestre.

Berlin, Bote & Bock. Arrangement ä 4 mains. Preis

10 M.

Das vierhändige Arrangement ist von dem in Kussland lebenden Clavierspieler K. Klindworlb. Bei Werken in grossen Formen ist der russische wie mancher andere ausländische Componist deshalb besonders benachlheilt, weil seine nationale Tonleiter nicht genügend ausgebildet wurde. Sowohl Melodie wie Harmonie bleiben dadurch unreif. Und hieraus ist die auffallende Thatgache zu erklären, dass solche Compooisten sich mit deutschen zukünfllerischen Bestrebungen eng berühren, denn Gleich und gleich gesellt sich gern. Man muss sich dann allerdings auch nicht wundern, wenn die musikalischen Resultate nur geringfügig sind.

VABESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Originalhandschrift herausgegeben von Paul u m r Waldersee.

Calandrino.

Auretla.

Calandrino.

Auretta. Calandrino.

Aurella. Calandrino.

Auretta. Calandrino.

L'Oca del Calro.

Dramma giocoso per Muuica.

(Fortsetzung.)

Scena V.

Auretla e Calandrinn. Auretta mia vezxota, n.t,.ai in conßdaua, Come ttiamo <f Amantif Oh, lei mi burla; Hi quetto brutt» ceffo Nittuno t' innamora, al tot Ckichibio II brutto piace. In qucito ei non e itotto; Voi mi fiacete molto, Bellitrima voi riete; Ha, gli riete fcdele? E come. Ed egli

Serbavi fedeltd? non e geloio? AH' eceetto. E t» nun

In luetta poritura ri ei trovaue? l'abbraccia) <>ii guail

Aria. Per esempio, V io dicetri:

Bella Auretta

Veuoietta,

FortmuUa ei vorrei, tfon c'e mal da far praceui;

Se v'abbraccio,

Sol lo faecio

Per dir cio, ehe bromerei; Ma :."i. te m' accorgeiri,

Che jiä montane in bestta,

Con tulta la modestia Discorso cangerei. Auretta. Oh me metchinal ei viene,

E ei lin veduti.

Calandrino. Non vi tcomponete, Restiam cos't.

Scena VI.

Cbicbibio e delli. (flngono non vederlo, Chichibio s'awanza pian- piano ascoltando)

Calandrino.

Auretta.

Chichibio.

AurelU. Calandrino.

Cbichibio.

Calandrioo.

Cbicbibio.

Auretla.

Calandrino.

Cbichibio.

Auretla.

Chicbibio.

Calandrino.

Chichibio.

Auretta.

Cbicbibio.

Calandrioo.

Cbichibio.

Auretta. Calandrino.

Chichibio.

Cosi stavano itretti, Come Dafne ed Apollo

I semplicetti Amanti, e Funa e t' altro AI vedermi rimase a chiuso labbro Tinto il volto di rote t dt cinabro.

Art». )

Se fostt qui nOtcoto Quell' Argo mio geloio, Oh poverina me! Direbbe: o maledetta! Pettegola, fraschetta, La fedeltd dov' i? Pur sono innocente;

Se fasse preiente,

Direbbe tra se: Oh qui non c' e pericolo;

Un caso si ridtcolo

Goder ti deve äffe. Un cato *i ridicolo (accostandosi) Goder ti deve äffe. Buon pro' Signori. Ridi, ah ridi Chichibio. Ecco la scena,

Che ridi poco fa tra Lisa e Tirri. Bella »arä, ma ridere non posso. Dorme Don Pippo f Ah, ehe ha il Demonio addosso. Dimmi, ehe mai e stato? A lai andaste? Ah non et fossi andato. Entrasti? Entrai

Pianpian allorche intest Lamentevolc voce Di dolente usignuol. E ehe diceva ? Vieni Imeneo! E tu?

Eccomi, diui. Ed egli?

A me pazzo, ignorante? ad un par mio? . . . Ne molto vi manco, ehe tutto tutto Non mi versasse in capo Jl vaso di Pandora; onde so dirvi, Ch' egli e pur troppo desto, (s' öde il carapanello (*i Don Pippo)

II segno e questo, Che vuol veitirti.

lo me ne vado. A lui

Verrö frappoco, addio.

|: In traccia voglio aadar dell' Idol mio :\ (parte)

Vanne Auretta fedele, (con ironia)

E tu co' vezzi tuoi

Lo calma.

  • ) Mozart's Werke Serie»«. Supplement Nr. 37, Seite 5. Leipzig, Breitkopr & Härtel.

Aurelt*. Chichibio.

Chicbibio.

(Aurella parle)

(parle)

Don Pippo Don Pippo.

Auretta. Don Pippo.

Aurella. Doo Pippo.

Auretta. Doo Pippo. Auretla. Don Pippo.

Auretta. Don Pippo.

Auretta. Don Pippo.

Auretta. Don Pippo.

E tu non vieni?

10 verrd poi.

Aria. *) Ogni momento

Dicon le Donne

Siamo colonne

Di fedeltä. Ma picciol vento

[i'un cincinnato,

Inzibettato

Cader le fa. Non dico delle brutte ;

.So» lade quasi lalle.

Se vento non et va. Delle belle

Vanarelle

lo non parlo ; gid ti sä,

Gid n rede

Che la fede

Nelle belle e raritd.

M'i-IW VII.

Apparlamcnlo di Don Pippo. in veste di Camera, poi Auretta, indi Chichibio. 0 pazto, o patxo, o paizo, Pazzissimo Biondello l it giorno e questo Che resterai scornato, Spolpato, spennacchiato. Un anno intiero Non ti bastö di tempo Per ficcar quel tuo naso nella Rocca, E conseguir mia Figlia? oh quanto meglio Direbbe il motto su quel tuo portone, Che «i erudito par, e st facondo :

11 piu pazzo di me non vide il Mondo. Eccellenia, buon giorno.

0 mia diletta,

0 melliflua Auretta!

Che comanda ?

Tu sei la mia Didone,

E dopo le mie nozze, immantinente

Esser vogl' io Enea, il tuo servente.

Capperi/ questa si saria fortuna;

Ma Chichibio ehe fa?

Balte la luna.

E reo in crimen lese : Inarca il ciglio . . .

Sognai . . .

Forse le not*e?

Appunto. Citerea,

Le Grazie e gli Amoretti

All' Eccellenza mia

Festeggiavano intern».

Era sul far del giorno e mentre andavo

In dolce visibilio, il maledetto

Destommi, e mi Iroroi solo nel letto.

Chichibio non ne ha colpa; ei non tapea . . .

Sara cosi, se tu lo dtci; adunque,

Pastosissima Auretta,

In graxia tua, e gid, ehe Sposo io sono,

Venga, mi baci il lembo, e gli perdono. (accenna

il lembo della vesle.) Eccolo qui.

Quello, ch' e stato, e stato. Ora m'udite, E (ul(t t cennt mtct fidi eseguite.

  • ) A. l. 0. Seile 7.

Aria.*)

Don Pippo : Siono prontc alle gran nozze Cento e trenta sei carrozze. Da Jppogrifi sian tirate, Che i piü letti son dt pie. Air Ariosto domandate

La lor stalla omai dov' e. Le camiscie a centinaja,

Calze e scarpe cento paja, Le Perrucche di Strigonia Siaao in punto Irentatre. Giä verran da Babilonia

Coi pennacchi i miei Lacche. Auretta. E i vestiti, ed i eappelli?

Don Pippo. Tutte l'ore nuovi, e belli. Cbicbibio. Gioje, fibbie, occhiali, e guanti? Don Pippo. Non vuo cederla ad un Re, Tutin Ki» di brillanti Di colore mordore.

A te raccomando (ad Auretla)

La stalla, e cantina, Staffiert, Scvdieri, E i cabriole.

Tu va preparando (a Chichiblo)

Dispensa, cucina, l letti, Confetti, Liquori, e Caffe. Equando Comando

Sia pronto il suppe. (stä pensando]

Auretla. Oh questa si, ch' e bella,

In ttalla una zitella f'arii comparsa äffe. Cbicbibio. Oh questa e grasiosina, Fora una gelatina, Faro un buon fricasse.

Don Pippo. Andate, (sono per partire)

Kestate, (si (ermano)

Udttt,

Partite, (partono ridendo)

Ogntm badi a se. Qual giorno felice Godere mi lice Qual gioja per me! (parte)

Scena VIII.»)

A destra, mura, ehe rincbiudono la Citta, di cui si vedranno gli edifici piü alli. Qaesle formano un semicircolo, il quäle ha in pro- spetliva una fortczza, di cui non si vede, ehe la pari« di dlelro, cioe il rovescio d'una fabbrica antica con una Torre alta quatlro piani. Fr« qnesla fabbrica e le muraglie, ehe la circondano, dalle cime di alli cipressi si conoscerä esservi un giardino. Avanti le mura della Rocca si vedrä una gran fossa con baslione, ehe va a (inire con un folto bosco, ehe si vede dielro alla Forlezza, e viene a terminare la parte sinislra del semicircolo, opposla alle mura della Citla. Nell' angolo della muraglia, ehe si perde fra il bosco, si vede un pertngio come una porla diroccala ricoperto di frondi degli alberl vicini, da cui sogliono sogretamente uscire le dne Donzelle.

Biondello, poi Celidora, Calandrino, poi Lavina. Biondello. L'ultima volta al fin, mura adorale II tergo mi mostrate, e pria, ehe Febo Agli Antipodi scenda, Vcdrowi il ten. AU' arte, aUe richeae,

  • ) Handschriftlicher Zusatz von Uozarl: Scena X. **) Handschriftliche Aenderung von Mozart in: XI.

A queste mie bellexze la tua Torre, Scimunito Don Pippo, Oggi ceder vedrai, e darle il sacco Stimo men d'una pippa di tabacco.

Aria. ) Biondello. Che parli, ehe dica

Quel viso di pazzo;

Ho Yenere amica,

Cupido e per me. De matti non curo

La furia, e schiamazzo;

Del mio piü sicuro

Trionfo non c'e. Oh quanto voglio ridere

Stasera a quel suppe;

Sentir quel vecchio a stridere

E un gran baccano äffe. Ha parmi la in quel lato, Che si munran le frondi. In quell' ombroso speco Voglio celarmi, e vuö, s' e Celidora, Sorprenderla,pianpianuscendofuora. (si nasconde)

Quartetlo.»*)

Celidora. S'oggi, o Det sperar mi fate (esce dal porlagio) La mia cara libertä, Ah di me non vi burlate; Sana troppa trudelt a.

Biondello. Qui son io, pupille amate, (uscendo)

Dubbio alcun non vi larä. A Don Pippo le risate Questa sera ognun farä.

Lavina. Chi m' addita quel, ch'adoro ? (uscendo dal

pertugio)

Calandrino mio dov" e? S1 ei Bob vien, Zitella io moro; Non v' e Medico per me. Calandrino. Ktr.nl qui, mio bei tesoro,

Ho un buon recipe per te, Buone nuove a tuo ristoro, Presto udrai il come, e il ehe.

Ilfa fia poi vero, Oppur mentite? Badale, e dite La verita. IAmor sincero Menzogne ardite Mai proferiti Certo non ha. Biondello. In un Amico

Confido, e spero. Calandrino. Io ve Io dico : Oggi verrä.

Celidora, Lavina g ( Ma qui ti voglio, e Biondello. ' \ E se non viene? T. Celidora, Lavina, l Un bell' imbroglio

Biondello e Calandrino. | Sarebbe äffe. Calandrino. Zttti, titti, or mi sowiene . . . 0 la barca di Caronte, 0 di Coclite quel ponte . . . Biondello. Meglio il ponte piace a me.

  • ) A. a. 0. Seite SO. Skizze Nr. I. ») A. a. O.Seile 15.

Celidora, Laviaa, Questo e l'unico ipediente.

Biondello e Calandrino. Or si vada a trovar gente.

Fuora, fuora, all' armi, all' armi,

<Jm fatica non li sparmi,

Non li guardi,

Non si tardi,

ft'ü non iiiedaii il per ehe.

iBiondello c Calandrino parlono)

Lavina. Dunque sen «anno, e not restiam sperando.

Celidora. Tu gul m'attmdi, Amiea, alla Custode Farmi veder-vogf io, Ci andrai tu poi. Lavina. Si, dolce Amioa, addio.

Aria. Lavina. Serammento

Quel momento, Che sarö Signora Sposa, A tat cosa Totto io sento, Che mi krilla it cof nel sen. Ha se in dubbio mi *i mette, Si promitte, Ne i'attende, A si barbare vicendt Io non tfuto, ehe velen. Senlirmi /i'rev

l um l.n> itin

Bella Sponna, Oh ehe goderl Ma se soffrire Devo per poco, A questo giuoco Perder il piacer.

(Fortselzang folgt.)

Der Erste Evangelische Kirchenge sang-Ver ei iistag

zu Statttut am 8. und 4. October 1882.

(Schluss.)

Herr Becker spricht auch von dem Schwünge der rhythmischen Lebendigkeit, mit Welcher der Choral zur Reforma- tionszeit gesungen worden sei'; die Frage des rhythmische» Choralgesangs umgeht er zwar vorsichtiger Weise , aber es schien uns doch aus seinen Andeutungen hervorzugehen, dass der rhythmische Choral vielleicht später auch nocb »uf der Tagesordnung erscheinen dürfte. Was nun der Schwung und die lebendige Frische des Choralgesangs iui Hefoi matiooszeil- alter betrifft, so wollen wir hier die Qualität jenes Gesanges nicht untersuchen; so viel steht Test, dass das Volk, welchem so lange die Betheiligung am Gottesdienste durch Gesang verwehrt worden war und welches — wenn auch nicht immer lautere Motive hier mit unterliefen — die Hand Luther's mit Freuden ergriff, um so begeisterter und freudiger seine Lob- und Danklieder sang, als dieselben ihm zum l heil alte, liebe Bekannte waren, weltliche Lieder, die seit Jahrhunderten im Munde des Volkes lebten und welchen von den Reformatoren in wohlüberlegter Absicht, geistliche Texte unterlegt worden waren. Ein historischer Irrlhum sondergleichen wäre es aber, zu vermeinen, das Volk zu Luthers Zeit habe nur so von heute bis morgen den rhylhmisclte» Choralgesang sich angeeignet. Für den Geschichtskundigen liegt die Suche ganz anders.

Herr Becker führte weiter aus, dass in dem , von den

Kirchengesang-Vereinen zusammengestellten Choralbuch das zu erwartende allgemeine deutsche Mililttrgesangbucli aufgenommen werden soll (1). Wir vermögen nicht einzusehen, zu welchem Zweck das Militür auch noch in kirchengesanglicher Beziehung eine Ausnahmestellung erhalten soll; über auch hier soll Uniform von Civilkleidung streng geschieden, auch an jenem Ort, da Alle gleich vor dem höchsten Herrn sind, ein Unterschied slaluirl werden. Es kann dies uns übrigens ganz gleichgültig sein, aber gleichgültig ist es uns nicht, wenn der Kirchen- gesang-Yerein sich mit derartigen Bestrebungen idenlificiren würde; wir nehmen auch gern an, dass dies nicht die Absicht der leitenden Kreise ist. Im Uebrigen trösten wir uns eben damit, dass stets dafür gesorgt ist, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Zunächst warten wir einmal ganz ruhig das Choralbuch ab, welches die Kirchengesang-Vereine ausarbeiten werden.

Weiter sollen die Kircbengesang-Vereine die Aufgabe haben, die reichen liturgischen Schätze früherer Jahrhunderte 7.11 ver- werthen; denn lebhaftes Bedürfniss sei es, den Gottesdienst reicher zu gestalten und dadurch der urevangelisclien Idee zu genügen, und der Gemeinde einen grösseren Antheil am Gottesdienste zu gewähren; bei diesen liturgischen Gottesdiensten haben die Kirchengesang-Vereine als vierstimmiger Chor aufzutreten.

Das lebhafte Bedürfniss nach liturgischen Gottesdiensten scheinen uns vorderhand mehr die Kirchengesang-Vereine als das Volk, die Gemeinde zu besitzen, und man hüte sich ja, hier zu rasch vorzugehen. Wir selbst sind mit liturgischen Andachten, z. B. beim Nachmittags- oder Abendgottesdienste, an zweiten Festlagen und an den vielen Apostel- und Marien Feiertagen, welche eine schwäbische Specialität bilden, im Princip einverstanden. Es sind aber nebenbei von den Referenten etwas gar zu scharfe Worte bezüglich der Stellung der Predigt im evangelischen Gottesdienste gefallen. Wir haben weder Beruf noch Lust dazu, eine Lanze für die Herren Prediger einzulegen, zumal wenn Collegen in solcher Weise urtbeilen, wie dies in Stuttgart geschehen ; aber fragen möchten wir, ob sich derartige Angriffe gegen den Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes mit dem protestantischen Princip vertragen? Glauben die Herren vielleicht dem Volke mit ihren liturgischen Andachten mehr zu dienen? Sie werden ihre Erfahrungen schon noch machen. In der katholischen Kirche verhält sich die Sache ganz anders. Hier dreht sich die ganze gottesdienslliche Handlung um das Mysterium des Opfertodes Christi: es ist ein Ereigniss, welches Täglich der Gemeinde vorgeführt wird und zu welchem die entsprechenden Cullusgesänge ein nolhwendiges Appendix bilden. Der Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes ist und bleibt aber die Predigt, und der Gemeinde ist ihr Recht vollständig dadurch gewahrt, dass sie am Kirchengesange einzig und aus- schliesslich sich betliäligt; ist am Orte selbst auch ein tüchtiger Kirchenchor, nun um so besser. Nun wäre es aber, wie schon oben berührt, Aufgabe der Kirchengesang-Vereine, auf eine Besserung des Gemeindegesangs hinzuarbeiten, ehe sie sich Aufgaben stellen, die vorderband, wenn überhaupt, nicht durchzuführen sind. Dies können jedoch die Kirchengesang-Vereine auch wiederum nicht ausschließlich , sondern hierher gehört vor allen Dingen, und Kösllin machte mit Recht auf diesen Cardinalpurikl aufmerksam, dass tüchtige Sesanglelirer und Chordirigenten herangeschult werden. Hier liegt, wie man zu sagen pflegt, der Hase im Pfeffer. Nicht mit Unrecht ?) mahnte der lledner den Staut daran, dass, nachdem er nun einmal das Kircliengut an sich gezogen habe, derselbe nun auch dafür zu sorgen und durch die Scbulaufsichlsbehörden darüber wachen zu lassen habe , dass die evangelischen Volksschullehrer , anderen Mille die Kirche ihre Gesanglehrer und Organisten zu entnehmen genülhigt sei. die zu der Ausübung der kirrhen musikalischen Ftinclionen erforderliche Ausbildung in gründlicher und geniiger Weise erhalten.*;

Wir sind den Bestrebungen des Vereins bislang mit warmem Interesse gefolgt, wenn wir auch mit Vielem uns niemals einverstanden Im l,Lu '» konnten. Durch die anscheinenden Erfolge, Erfolge übrigens rein iiusserlicher Natur, die den Weiter- blickcnden niemals berücken konnten, scheint der Verein sich jedoch nunmehr Aufgaben hingeben zu wollen , die weil über die Sphäre seines Könnens hinausgehen , und wenn man jetzl schon, nach wenigen Jahren, eine Commission beruft, um die Statuten eines allgemeinen deutsch-evangelischen Kirchen- «esany-Vereins auszuarbeiten und hierüber bereits im nächsten J.ihre delinilive Beschlüsse zu fassen, so bezeichnen wir dieses als einen entschiedenen MissgrifT; es ist aber nicht nur ein Miss- sjriir, sondern auch eine Ucberschätzung des bisher Geleisteten, eine Ccberschützung der Kräfte. Man hätte zunächst abwarten sollen wie das Volk, die Gemeinden und auch die Oberkirchen- behorden — denn auf die bisherigen wohlwollenden Versicherungen derselben geben wir vorderhand gar nichts — sich im Ganzen stellen werden, wenn die Bewegung einmal wirklich in Kluss genlhen wird. Dann herrscht doch noch sehr viel Unklarheit üher die Mittel und Wege, die eingeschlagen werden sollen, von der Möglichkeit der Ausführung ganz zu schweigen. Hüte in.u. sirh aber vor einerCenlralisalion des deutschen evan- .:<,:' im Kirohengesanges, derartige Bestrebungen würden bitlere l-Viichte tragen.

Nach sehr i h. Die schon so oft versuchte Centralisalion oder Uniformirung des Gesanges in den deutsch-evangelischen Kirchen ist selbst in den günstigsten Zeilen nicht gelungen, wie sollte sie in der kirchlich gleichgültigen und zerrissenen Gegenwart /.u Stande kommen ? Die Ursachen davon werden also wohl so tief liegen, dass sie durch menschliches Wollen jetzt überhaupt nicht mehr zu heben sind. Den Schaden, an welchem der protestantische Gottesdienst leidet, erhielt derselbe schon zu Lulher's Zeit und durch ihn selber. Wer die geschichtliche Entwicklung des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes und die neueren Bestrebungen zu seinem »Ausbau« mit Theilnahme und zugleich mit Unbefangenheil verfolgt hat, der wird den Eindruck erhalten haben, dass hier Saaten auf einem Acker erzielt werden sollen, der bereits seit geraumer Zeit steril geworden ist. Luther nannte seinen Gottesdienst freilich noch Messe (»deutsche Messen), aber dies hatte wesentlich eine theoretische Bedeutung ; in Wirklichkeit war nicht das Abendmahl, sondern die Predigt der Mittelpunkt des Gottesdienstes, und so ist es geblieben, ja die weitere Entwicklung hat das Verhällniss noch schärfer und einseitiger gestallet. Wenn ein beliebter Prediger vorhanden ist, füllt sich die Kirche, mag der musikalische Theil auch noch so elend sein, und die fromme lleerde ertrügt einen solchen Zustand lebenslang. Dagegen würde die beste Musik auf die Dauer nicht im Stande sein, die Menschen anzuziehen, so lange sie mit Liturgie, Predigt und den übrigen kirchlichen Ceremonien verbunden ist. Es fehlt eben an einem belebenden Mittelpunkte und damit an einem wirklichen Zusammenhange; darin liegt der Grund. Selbst wenn die einzelnen Theile eines solchen Gottesdienstes sämml- hrli gut und sogar vollendet gestaltet wären, würden sie nicht

) Wie viele Jahre sollen dann diese Lehrer in Seminarien und anderswo auf ihre Ausbildung verwenden? und wer soll sie spater so besolden, wie es der langen Lehrzeit und der erlangten Fähigkeit angemessen Ist? Der »Staat» d. h. die Steuerzahler? — Mögen diese Privatvereine zusehen, wie weit sie mit ihren Mitteln gelangen künnen , aber jeder Versuch, dem grossen Staatsbeulel nahe zu kommen, sollte zurückgewiesen v\erden. Die Christen [hier also die Protestanten) haben in dieser Hinsicht nicht mehr Recht, als die Juden. Wenn letztere ihren Synagogengesang aufbessern wollen, sind sie ebenfnlls ausschliesslieh auf sich selber angewiesen. D. Red.

zu einander passen; eine gute (d. h. kunstvolle) Musik und eine gute Predigt vertragen sich nicht lange. Pastor und Cantor sind ganz alte Concurrenten.

Die Phrasen unklarer Köpfe und die Pläne streberischer Persönlichkeiten können eine seit Jahrhunderten eingewurzelte Schwierigkeit, über welche längst Gras gewachsen ist, nicht mehr heben. Man bleibe daher auf diesem Gebiete bei erreichbaren, von tüchtigen Cantoren selbst in Dorfkirchen auch täglich noch erreichten Zielen, die darin bestehen, dass Kirchen- chöre die liturgischen Gesänge vortragen, passenden Falls (namentlich bei Festen) auch wohl Erwachsene einzeln oder in Chören hinzutreten, je nachdem die Mittel sich finden — aber Alles ohne Schablone und ohne generelle , vereinslicbe Regelung: denn auf diesem Gebiete ist nichts zu regeln, weil hier nichts zu entwickeln ist.

Soll nun hiermit der fast unerschöpfliche Reichlhum kirchenmusikalischer Werke abgelhan sein? Mit nichten l Eben weil das, was wirkliche Kunst auf diesem Felde geschaffen hat, in liturgischer Umgebung nicht mehr zur Darstellung gelangen kann, müssen wir ihm seinen Platz sichern. Die Kirchen als religiöses Gemeinde-Eigentbura sind die passendsten und an den meisten Orten auch die einzigen Ställen für den grösslen Theil der eigentlichen Kirchenmusik, die von dort aus ihre natürlichste Wirkung entfaltet. In dieser Hinsicht wird man noch vieles neu einzurichten oder das bereits Begonnene weiter auszubilden haben. Aber Alles muss auf musikalischem Grunde vor sich gehen, nicht auf liturgischem. Hier scheiden sich die Gebiete! Und von dieser Stelle aus sollten die Musiker den genannten Kirchengesangvereins-Bestrebungen ihren ganzen Widerstand entgegen setzen, um das Eindringen pfäffischer und damit unfreier Elemente in unsere Kunst zu verhüten.

Chr.

Berichte.

Leipzig.

Das vierte Gewandhausconcert (ifl.October) begann mit der hier lungere Zeit nicht gehorten N. W. Gade'scben Ouvertüre »Nachklinge von Ossian«, einem stimmungsvollen in sich abgeschlossenen Tongemalde nach Art einer Vision: wie aus nebelhafter Ferne tauchen die Heldengestalten dos allen Barden auf, ergehen sich in Kampf und Klage und versinken am Ende wieder in dämmernde Nacht. Ganz anderen Charakter trug die im Gewandhaus zum ersten Mal gespielte Bdur-Symphonie (Nr. 1) von Robert Volkmann. Sie bewegt sich in kleineren, der Serenade angenäherten, knappen Formen, aber sie schöpft ihren geistvollen Inhalt aus dem frisch pul- airenden Leben der Gegenwart, und zwar unverkennbar aus dem der ungarischen Nation; namentlich fesseln durch Klangfarbenreiz auch die mannigfachen Imitationen. Was die Solisten belrifft, so ist an Frau Schrtlder-Hanfsttlngl aus Stuttgart der geschmackvoll') Vortrag und die grosso Modulalionsfahigkeit ihres Organs (hoher Sopran) lobend anzuerkennen, dagegen hatte sie unter den vorgetragenen Stucken 'Rccitaliv und Arie aus »Jessonda<; Lieder von Brahms: »Geheimniss«, von A. Rubinstein: »Es blinkt der Thau« und von A. Bhmant: »Die Trepp' hinunter geschwungen») das letztgenannte, ein Lied wie sie zu Hunderten in den Pulten und Heften unserer Duellanten ruhen, getrost den wohlverdienten Schlaf weiterschlummern lassen können; sie beeinträchtigte sich leider hierdurch den Schlnsserfolg. Ferner führte sich der neue Concertmeister des Gewandhausorchesters Herr H. Petri mit folgenden SolovortrBgen ein: Violinconcert von Beethoven, Adagio von Spohr, Polnische Nationallanze von Xaver Scharwenka, und erweckte als gediegener Geiger einen sehr günstigen Eindruck. — Mit Ruhm bedeckte sich das Gewandhausorchesler besonders im fünften Concert (t. November) durch mustergültige Ausführung der Beethoven'schen Coriolan-Ouvertüre und der Ddnr-Symphonie (ohne Menuett) von Mozart, sowie durch feinsinnige Begleitung zu Beelhoven's Gdur- Concert für Pianoforte, dessen Ciavierpart keine Geringere als Fraulein Marie Krebs vertrat. Unübertrefflich war in der Thal die technische Meisterschaft, der lebensvolle Ausdruck, die Grazie und Innigkeit, mit denen die Künstlerin in edler Ruhe das Concert sammt den Originalcadenzen spielte. Den Übrigen , meist technisch brilli- renden SolostUcken: Orgeltoccate (D-mollj von J. S. Bach, für Piano- forte Ubarlragen von L. Stark, Gavotte Op. 41t von C. Reinecke, Ddur-Präludium von F. Mendelssohn-Bartholdy, fügte sie schltess- lich eine Zugabe leichteren Kaliben bei (»Am Springbrunnen« von Scholz). Noch sehr befangen zeigte sieb Herr Paul Jensen, Hof-

opernsängcr aus Dresden; recht angenehm wirkte zwar der Klang seiner Stimme, namentlich an lieblich-sanften Stellen, aber der Sänger muss künftig mehr aus sich herausgehen; unser Publikum ermunterte ihn durch Reifall zu energischem Fortstreben. Sein Programm bestand in einer Arie aus »Elias« von Mendelssohn (»Es ist genug) So nimm nun, Herr, meine Seele«) und Liedern von Franz Schubert (»Sei mir gegrilssU), Adolf Jensen (»Am Ufer des Flusses, des Manzanares*) und C. Reinecke (Mailied).

A \ y; t: K,i t:n.

[*"] Im Verlage von Julius Haitianer, Königl. Hof- musikalienbandlung in Breslau , erschienen

TOM

Serenata

aas Op. l 5

Moritz Moszkowski.

A. Für Fianoforte zu 2 Händen

B. Für Fianoforte zu 4 Httndon

C. Für Fianoforte und Violine .

D. Für Pianoforto und Violoncello

E. Für Streichquartett ....

i. Partitur .

b. Summen .

F. Für Orchester:

50.

50. U.

- i. 15.

Neuigkeiten für gemischten Chor.

Baumfelder, Fr., Das Schloss im See. Ballade für gemischten Chor und Barilonsolo mit Clavieibegleituog. Ciavierauszug Jt 4, — . Solostimmen 5i> .tjf. Chorslimmen (4 50 #} Jt l,—.

Bruch, Max, Op. 16, No. 9. Grosse Scene: „Woher am dunkeln Rhein", fürSopransolo und gemischten Chor mit Orchester aus der Oper »Loreley«.

CUvierauszug Jl 9,80. Chorslimmen (a. 60 ,y ; .!/ l, — .

Partitur und Orchesterstimmen in Abschrift.

Holmium, Richard, Op. 36. Vier Lieder im Volkston.

Heft 4. Partitur und Stimmen Jt 4,50. No. 4. Die Rosen.

No. t. Soldatenlied. Heft 1. Partitur und Stimmen Jt \, — . No. S. FrUhlingsnacht.

No. 4. »Willst du dein Herz mir schenken«.

Müller, Richard, Op. 43. Vier patriotische Gesänge zum Gebrauche bei Festlichkeiten m höheren Schulen. Partitur und Stimmen Jl 1,40. Jede einzelne Stimme & «0 3f. (Ganz Deutschland hält die Wacht. — Salvum fac regem. — Alldeutschland. — Zum Geburtstage des Kaisers.)

Rheinfoerger, Josef, Op. 121. Waldblumen. Acht Lieder. Texte von F. A. Hutb.

HefM. Partitur und Stimmen .41,50. Jede einzelne Stimme »0 Sf. (Abend am Heer. — Das Mühlrad geht im Linden- grund. — Erstes Wanderlied. — Scheiden.) Heft i. Partitur und Stimmen Jt S, — . Jede einzelne Stimme 50 ./. (Zweites Wanderlied. — Sommernacht. — Aus den Alpen. — Alpenandacht.)

Taubert, Ernst Eduard, Op. 39. Zwei stücke für Chor und Soli mit Clavierbegleitung.

No. 4. »Jnbilate, Amen«. Ciavierauszug Jt 4, 50. Chorstimmen 45 3}. Solostimmen 10 M. (FUr dreistimmigen Frauen- chor, Tenor- and Bass-Solo.)

No. 1. »Ständchen«. Ciavierauszug Jl 4, 50. Chorstimmen Mtfr. Solostimmen 45 Sjl. (FUr gemischten Chor und Tenor- Solo.)

Leipzig. C. F. W. Slegel's Husikalienhdlg.

(R. Linnemano).

[*<>] Monatsheft« für Musikgeschichte,

herausgegeben von der Gesellschaft für Musikforschung, redigirt von Kuh. Eilner. Preis des Jahrganges 9 Jl. Verlag von T. Trautwein in Berlin.

Publication älterer praktischer und theoretischer Musikwerke, vorzugsweise des 45. und 46. Jahrhunderts. Jahrgang 40— lOjT. Verzeichnisse der Drucke sind durch obige Musikhandlung zu beziehen.

Wer sich der Gesellschaft als Mitglied oder Subscribent anzu- schliessen wünscht, melde sich beim Secretair Herrn Bob. Eltner in Templin lükermark). _

Neue instructive Claviercompositionen von Gustav Merkel.

Im Verlage von Julius Tfnimnii-r, Königl. Hofmusikalienhandlung in Breslau, sind soeben erschienen:

Gustav Merkel.

Op. 44l. Impromptu für Piano zu l Händen .... uT 1,00.

Op. 448. Stimmnng-sbllder. Vier Ciavierstucke zu l Händen.

No. 4. Idylle.* 4,50. No. s Menuett.* «.so. No.t.le-

lodie.« 4,7.-.. No. 4.locturno ur 4,50. Op. US. Blnetten. Zwei ClavierstUcke ..... a uM.00.

Op. 454. Zwei Bondos für Pianoforte.

No.4 . Rondo amabile ,* < ,15. No.l. Rondo brillant .*< ,ir. Op. 459. Rhapsodie für Pianoforte ........ .*<,', o

Op. 464. Lyrische Blätter. 5 ClavierstUcke.

No. 4. FrfihUngshanch M 0,75. No. i. TSglela in den Zweigen uT4,oo. No. s. Waldmanntlnst JH.ot. No. 4. Auf dem See .«0,75. No. s. Abendgesang.*' 0,75.

(145] Soeben erschienen in meinem Verlage :

pour

Violon et Piano compose'

par

Emile Sauret,

Op. 17.

Pr. a Mark.

i&me

pour

t iolon et Piano

compose par

Emile Sauret,

Op. 18.

Pr. S Jt 50 ty. Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann.

Hierzu Yerlagsmittheilungen Nr. 16 von Breitkopf & Hart H in Leipzig und eine Beilage ron

Steingrftber Verlag, Hannover.

Verleger: J. Kieler-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf & lliirtel in Leipzig. Expedition : Leipzig, Rabensteinplalz t. — Hedaction: Berffedorf bei Hamburg'.

Dia Allgemeine MusikiUicfce Zejtnnf

erscheint regeln U sie an jedem Mittwoch

und ist dnrch »lle Postfcmter und Bück-

hindlnngon zu belieben.

Allgemeine

Preli: Jihrlicli 18 Uk. l'rtmra. 4Mk.M>Pr. Anwigen: die gespal- ton« Petitzeile oder deren lUnm 30 - Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 15. November 1882.

Nr. 46.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Compositionen von Richard Heuberger. Op. t—)5. (Schluss.) — Niederländische Organisten. I. Samuel de Lange sen. — Diez' Troubadours in neuer Ausgabe. — Musikalischer Verlag von Jul. Hainaner in Breslau (ComposiUonen von Heinrich Reimann, Adolf Wallnöfer und Ludwig Heidingsfeld). — Varesco's L'Oca del Cairo. 'Fortsetzung.; — Anzeiger.

CompoBitionen von Richard Heuberger. Op. 1 — 15.

(Schluss.'

Auf dem Gebiet des Chorliedes für weibliche Stimmen versucht sich Heuberger in den als Op. 4 erschienenen drei fmei- tbnrea mit Clavierbegleitung. Die Texte liefern das Herbstlied von Tieck : »Peldeinwärls flog ein Vögelein«, Mörike's »Um Mitlernacht« und »Neuer Frühling« von Otto Roquette. Nr. l und 3 sind dreistimmig und höchst einfach behandelt, während Nr. t Vierslimmigkeil und complicirtere Form zeigt. Obschon die schlummertrunkene Stimmung des Nachtgesanges in zarlver- triebenen Farben gemalt isl, geben wir den beiden anderen Liedern, namentlich dem ersten überaus anmulhigen den Vorzug, weil Inhalt und Form hier harmonischer in einander aufgehen.

Wenden wir uns nun zu Heuberger's Sologesängen, so können dieselben durchschnittlich nicht als gleich gelungen bezeichnet werden wie die Chorlieder. Besonders in den früheren Heften zeigt sich eine gewisse Zerfahrenheit der lyrischen Tonsprache, ein Hangel an organischer Form, ein störendes Ueberwuchern des Clavier-Accompagnemenls, das um so mehr auffällt, je natürlicher und geschmeidiger die gleichzeitigen Chorgesangswerke gestaltet sind.

In Op. 6 behandelt Heuberger fftaf Lieder, von denen vier aus der Feder seines Lieblingspoelen Jul. WolfT stammen, während das letzte A. Böttger zum Verfasser hat. An der Spitze stehen die in neuerer Zeit viel componirlen Strophen aus dem Rattenfänger von Hameln »An meiner Tliiir, du blühender Zweig«. Die Ueberschrifl »Langsam, mit lebhaftem Vertrag« dürfte eher verwirren als Orientiren. Der Gesang beginnt vielversprechend und wird von einem Begleitungsmotiv umrankt, das zu seinem liebewarmen Ausdruck wohl passt. Leider beeinträchtigt das Ciavier im Verlauf die Canlilene allzu sehr. Auch erhalt letzlere selbst im Miltelsatz etwas pathetisch Geschraubtes, das uns kühl macbl. Nr. J »Ich habe drircbfahren das weite Land« isl kürzer gehalten und irill'i den schmerzlich resignirlen Ton der Dichtung gut. Doch entbehrt der Gesang auch hier jener straffem Gliederung, wie sie das Lied vor Allem verlangt. Weil mehr noch gilt letzteres freilich von dem dritten Gesang »Du> rothe Ros' auf grüner H*id«, dessen fesselloses Schweifen in der Cantilene wie im Accompagnement stillos wirkt. Auch die Gesänge des zweiten Heftes «Von einem braunen Knaben« und das Oslerlied »Die Glocken läuten das Ostern ein« sind von dem gerügten Mangel nicht frei lu sprechen, obscbon dieser hier weniger auffällig zu Tage tritt und namentlich beim ersteren durch die schmerzliche Innigkeit des Schlusses verhüllt wird.

Einen künstlerischen Fortschritt bezeichnen die fünf Lirdrr Op. 0, die, mit Ausnahme eines einzigen, wiederum WolfT- sche Gedichte und der Mehrzahl nach heilere, dem Naturell Heuberger's unstreitig besser zusagende Stoffe behandeln. Nr. l »Zwei Sterne machen mich jung und all« bringt die Liebessebnsuchl des Sängers zu schönein Ausdruck. Weniger befriedigt Nr. 2 »Sieige auf, du goldne Sonne«, dessen Schwung die allzu sehr befrachtete Begleitung lahmt. Dagegen isl der phantastische Ton in dem Ständchen »Weisse Mondesnebel schwimmen« von Th. Storm vorzüglich getroffen. Der zarten, schöngescbwungenen Melodie geht hier ein Accompagnement zur Seite, das sie wie neckische Schalten umgaukell. In den Liedern »Willekumm« und dem bereits von uns erwähnten »Ein luslig Zechen« fühlt sich Heuberger in seinem Element. Beide klingen keckluslig, wie es der feuchtfröhliche Humor verlangt, aus dem die Strophen hervorgelrieben. Und wie der Inhalt sich lebensvoller gestaltet, erscheint hier auch die Form glücklicher organisirt, als in den anderen Gesängen. Namentlich das Strophenlied »Ein luslig Zechen« isl so recht aus einem Guss und muss einem tüchtigen Sänger die willkommenste Aufgabe1 darbieten.

Die drei Lieder nach Gedichten aus Geibel-Heyse's »Spanischem Liederbuch« Op. 12 hat Heuberger «seiner lieben Braut« gewidmet, und wohl mag der Gedanke an die Gelieble die Herzlichkeit der Weisen erhöht haben. In Nr. < »Wandern gehl mein Liebster« und Nr. 3 »Komm, o Tod, von Nacht umgeben« behandelt derComponist ernsl gestimmte Gesänge, deren südländischen Charakter er durch eine gewisse Leidenschaftlichkeit des Ausdruckes hervorhebt. Den Preis verdient indess unstreilig die zweile Nummer »Marinilla« (»Wohl dem, der erfunden die Ketten der Liebe«}. Von der Feinheit des Tons und der melancholischen Grazie, welche dies Liebeslied durchhaucbl und es an die Seile der Spanischen Gesänge von Schumann und Jensen rückt, möge der Eingang eine Vorstellung geben.

AUcgrtUo graiioso. P

Wohl dem, der er-fun-den die Kett-lein, die Ketten, wohl

dem, der er - fun-den die Kel-ten der Lie-be.

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Mit ähnlichen poetischen Vorwarfen beschäftigen sich die Tier tesüge Op. 13. Die drei ersten sind abermals dem spanischen Liederbuch von Geibel-Heyse entnommen, während dem letzten ein slovakisches Lied aus Siegfried Kapper's Slav. Melodien zu Grunde liegt. In den ersleren ist der spanische Localton, die compnrairte Leidenschaftlichkeit und zugleich stolzanmulhige Haltung der Gesänge wiederum glücklich getroffen. Während Nr. t «Trübe genl der Wasser Lauf« und Nr. S »Bitt' ihn, o Mutter, o bitte den Knaben«, die Liebesgluth des Mädchens in freiem melodischen Erguss schildern, ist Nr. 3 »Sagt, seid Ihr es, freier Hern mehr declamirt als gesungen. Ein humoristischer Zug mischt sich hinein , und die Triller am Schluss jeder Strophe gemahnen eben so sehr an spöttisches Gelächter als Caslagnetlenklang. Weniger befriedigt der letzte Gesang »Die Wolke«. An diese düstere Ballade verschwendet Heuberger einen Farbenreichtum, der von vorn herein die Einheit der Stimmung beeinträchtigt und zerstreuend wirkt. Zudem stumpft die Gleichmässigkeit des emphatischen Tons die dichterischen Pointen ab und schmälert den Effect der zahlreichen gelungenen Partien der Composilion.

Unbedingteres Lob verdient das neueste Liederheft Heu- berger's Op. 16, das wir für seine beste Leistung auf diesem' Gebiet erklären müssen. Die Stoffe geben auch hier italienische Gesänge in Ueberselzungen von Heyse, Gregorovius und Engel ab, in die sich als Nr. S ein Gesang des Hafis, verdeutscht von Bodenstedt, mischt. Ein Hauptvorzug dieser Lieder liegt in ihrer übersichtlichen formalen Gliederung, in der concisen Fassung ihres Stimmungsgehalles. Auch die Begleitung steht hier überall im richtigen Verhällniss zum Gesang; sie stützt ihn und verleiht dem Ganzen vertiefte Farbe, ohne den melodischen Conlour zu beeinträchtigen. Gleich die italienische Serenade »Bin Ständchen euch zu bringen, komm' ich her« Nr. i giebt den halb zärtlichen, halb schalkhaften Ton des Liebesliedes, das sich über leisen Guitarrenklängen erhebt, aufs anmutbigste wieder. Ein reizendes Pendant dazu bildet Nr. 3, in welcher das Mädchen dem vor ihrem Fensler auf- und abgehenden Knaben zu verstehen giebt, dass ihr Gesang einem ganz Ändern gelte als ihm. DerParlando-Ton, wie die Mischung von Neckerei und Innigkeit, ist hier überaus glücklich getroffen. Graziös klingt die im Walzerrhythmus gehaltene Nr. i »Dies ist mein Weg', die wiederum einen analogen Stoff behandelt. Doch stehen die beiden ernstern, innige Liebessehnsucht ausdrückenden Gesänge Nr. t und 5 »0 Morgenwind» und »0 Sonne, du ziehesU keineswegs hinter den übrigen zurück. Im Gegenlheil möchten wir das letzterwähnte für das schönste Lied erklären, das Heuberger bis jetzt veröffentlicht hat. Für eine Mezzosopran- oder Allstimme berechnet, offenbart es bei aller Schlichtheit einen Klangzauber, der unmittelbar an Franz Schubert gemahnt. Möge Heuberger seinem grosseo Landsmann in künftigen Schöpfungen eben so nahe kommen und die Erwartungen, welche sein jüngster und frischester Liederslrauss erweckt, in Erfüllung gehen lassen l

Zum Schluss haben wir noch der Orchesterwerke des Com-

ponislen zu gedenken. Mb N«ektMulk für Streichorchester Op. 7 ist eine frisch empfundene, die Klangfarben der Streichinstrumente sinnig verwertende Tondichtung. Sie beginnt mit einem B dur-Altogretto von «art-anmulhiger Haltung. Die Verdoppelung der Brauche« vermehrt den Reiz des träumerischen Helldunkels, in welches Heuberger den echt gerenadenhaften Salz getaucht hat. Bnetgtaoh cootrastirt damit der zweite Salz, ein scherzoartiges Allegro vivace »äs D-dur, dessen übennülhiges Treiben übrigens von einem langsameren, sehr melodischen Gdur-Trio unterbrochen wird. Ein Andante aus Ges-dur (*/t~ Rhythmus) schliesst sich an; in diesem Liebesgedicht voll süsser Zärtlichkeil erreicht Heuberger durch Tbeilung der Violen und Celli eine besonders schöne Klangwirkung. Den Scbluss bildet ein Presto aus ll-dur. dessen Hauptsatz ungestüm genug dahinbraust, während das zarlgebundene Bdur- Trio nochmals sanfteren Vorstellungen Raum giebt.

Ein ebenso anmulhiges, Heuberger's feinen Klangsinn abermals documentirendes Werk Iritt uns in den Variationen über ein Thema von Franz Schubert für Orchester Op. 11 entgegen. Das Thema hat der Componisl dem zweiten Salz (Andante con moto) der vierbändigen Ciaviersonate Op. 30 von Schubert entnommen. Es wird vom Streichquartett allein vorgetragen und stimmt in Tonarl (D-moll) und Salz genau mit dem gleichfalls vierstimmig behandelten Original überein. In der ersten Variation beslreiten zwei Flöten und zwei Clarinetten alternirend den Gesang, während das Streichquartett mit leisen Pizzicalo- schlSgen die Harmonie andeutet. Variation t ist ein Allegro im 8/8-Rhythmus, der dem Thema ein entschlossenes, keckvordringendes Gepräge verleiht. In der dritten Variation wird die Melodie von Cellis und Contrabässen vorgetragen, während die übrigen Streichinstrumente, liefere Holzbläser und Hörner ac- compagniren. Die vierte Variation bildel ein reizendes Allegro im "/„-llliytlinius. Zweile Geigen und Bratschen lassen das Thema erklingen; die ersten ziehen con sordini mit lieblichen Arabesken darüber bin. Im Verlauf betheiligen sich auch Flöte und Clarinelte an der Canlilene, bis zuletzt den Streichern allein das Wort bleibt. Im Gegensatz zu diesem heiter graziösen Gebilde hal die fünfte Variation mit ihren Synkopen und starken dynamischen Gegensätzen etwas Leidenschaftliches, düster Beklommenes. In der sechsten Veränderung trägt ein Solohorn die Melodie vor, während die Streichinstrumente dieselbe bald aufnehmen, bald blos begleitend daneben gehen. Variation 7 ist ein Allegro energico im l2/]e-Takl, dessen Gesang hauptsächlich in Fagotten, Bratschen und Cellis liegt. Die achte Variation beginnt mit einem Andante im 9/8-Rhylhmus, in welchem zunächst wiederum die Streichinstrumente herrschen, in der aber auch Hörner und Clarinellen solistisch auftreten. Der Satz gebt dann in ein leichtbeschwingtes Allegro über und mündet schließlich in das Finale aus, ein längeres Preito im '/g-Rbythmns, das von prickelndem Reiz und schöner Steigerung isl.

Gerade diese Orchesterarbeilen bewähren Heuberger's

Pbanlasiefrische und coloristisches Talent in hervorragendem

Maasse. Möge die heitere Muse des Künstlers uns weiterbin

viel Schönes, Geist und Sinne gleicbmässigErfreuendes spenden.

A. NiggK.

Niederländische Organisten. I. Samuel de Lange seit. *)

Unter den jetzt lebenden gediegenen Organisten der Niederlande nimmt sicher Herr S. de Lange sen. einen ehrenvollen Platz ein; derselbe hat sich nichl allein durch seine seil vielen

In Nr. I« Sp. «56—67 wurde die Orgelsonate Nr. * von dieJ.ilircu statthabenden Orgelconcerte als ein sehr tüchtiger Orgelspieler bewährt, sondern auch durch verschiedene im Druck erschienene Orgelcomposilionen bewiesen, viel natürliche Anlagen und Gabe als Compooisl zu besitzen.

Samuel de Lang* «m., geboren am 9. Juni <8H zu Rotterdam, war bis zu seinem <7. Jahre Lehrling bei dem Orgelbauer Richner zu Rotterdam. Schon in seiner frübeslen Jugend zeigte sich Liebhaberei für die Musik und er erhielt bis zu seinem 10. Jahre Ciavierunterricht von Pruys, Organist bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Rotterdam, darnach bildete er sich weiter als Organist und Pianist unter Leitung von j. B. Bremer, Organist bei der wallonischen, später bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Rotterdam.

Im Jahre 4 8S7 wurde de Lange als Adjunct-Organist bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in seiner Vaterstadt ernannt, während er inzwischen demClavierspiel bei Carl Mühlen- feldt und den theoretischen Studien bei T. Hommert seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Im Jahre 1830 wurde de Lange zum Stadtglockeospieler ernannt und 1833 erfolgte seine definitive Ernennung als Organist bei der wallonischen Gemeinde zu Rotterdam. 1854 wurde ihm die Ernennung als Organist an der Zuider- (d. h. Süd-) Kirche und (864 an der Grossen oder St. Laurenzkirche zu Rolterdam.

Als Lehrer im Gesangunterricbt wurde de Lange 4844 an der neu errichteten Musikschule, der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, Abtheilung Rotterdam, ernannt, und 4874 wurde er als Nachfolger seines Sohnes S. de Lange jun., als Lehrer an der Orgelklasse von ebengenannter Gesellschaft angestellt.

In seinen früheren Jahren trat de Lange öfter als Solo- Pianist mit vielem Beifall in denConcerten seiner Vaterstadt auf. Seit seiner Ernennung als Organist an der Grossen Kirche giebt derselbe geregelte Orgelconcerte, in welchen er die Werke der grossen Meisler für Orgel mit vielem Beifall vorträgt, und ist derselbe ferner noch stets als Lehrer im Gesang, Ciavier- und Orgelspiel thätig.

Im Jahre 4 877 wurde de Lange das seltene Glück zu Tbeil, sein SOjäbriges Organisten-Jubiläum zu feiern, bei welcher Gelegenheit ihm seitens der Prediger und des Kircheoralhs seiner Gemeinde, von dem Vorstand der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, sowie von Collegen, Schülern und Freunden sehr viele und kostbare Beweise von Anerkennung überreicht wurden; und von Sr. M. dem Könige wurde er an diesem Tage zum Ritler der Eichenkrone ernannt. Sein College Litzau, dessen Biographie wir in der nächsten Fortsetzung dieses Aufsatzes mittheilen werden , widmete ihm bei dieser Gelegenheit ein Werk : Einleitung, Variationen und Chural mit Fuge über ein Sterbelied aus dem 46. Jahrhundert für die Orgel, Op. II.

Seine drei Söhne, die ihre musikalische Leitung hauptsächlich ihm zu danken haben, sind S. de Lange jun., Professor für Orgel an dem Conservatorium zu Köln, D. de Lange, Musik- direclor zu Amsterdam und Allgemeiner Secretair der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, und W. C. de Lange, Organist und Musiklebrer zu Rotterdam.

Bis jetzt sind von de Lange im Verlage bei G. Aisbach A Co. und W. F. Licblenauer in Rolterdam erschienen:

Zwei Noclurnen ; drei Walzer für Piano; drei Lieder für drei Frauenstimmen ; Einleitung und Variationen über das Niederländische Volkslied »Wien Neulands bloedc für Orgel; vier Pbanlasie-Sonaten für Orgel; ein Adagio für Violine und Orgel:

sem Componisten angezeigt, dabei der Autor aber mit dem gleichnamigen, in Köln lebenden Sohne desselben verwechselt und letzterem j ene Composition zugeschrieben, was hiermit berichtigt wird. Obige Lebensnachrichten sind die ersten, welche Über 5. de Lange den Vater wenigstens in Deutschland veröffentlicht werden.

D. Red.

eine Elegie für Violine und Orgel; ein Andante für Violoncell und Orgel; ein Andante für Orgel; ferner mehrere Transcrip- tionen für Orgel und zuletzt l J Kinderlieder für eine Singstimme mit Piano.

Diez' Troubadours in neuer Ausgabe.

Leb«i und Werke der Treibadran. Eid Beitrag zur näheren Keantniss des Mittelalters von Friedrich Blei, Zweite vermehrte Auflage von Karl BarUct. Leipzig, Job. Ambr. Bartb. 1882. XVI u. 506 Seiten 8. Pr. <0 Jl.

Der verstorbene Prof. Diez, seiner Zeit der erste Kenner der provenc,alischen Literatur, veröffentlichte zwei Werke von bleibender Bedeutung »Die Poesie der Troubadours« (4826) und »Leben und Werke der Troubadours« (4819), welche uns dieses Sprach- und Dichtungsgebiet eigentlich erst erschlossen haben. Von beiden veranstaltet ein hervorragender Gelehrter desselben Faches, Herr Prof. Bartsch in Heidelberg, jetzt neue Auflagen, und wir wollen nicht versäumen, auch die musikalischen Kreise auf diese grundleglichen Werke aufmerksam zu machen. Die Troubadours sind so eng mit der Ausbildung der Tonkunst verflochten, dass alles, was sie angehl, selbst dann noch für den Musiker von Interesse ist, wenn es auch direct mit Musik nichts zu thun hat. Die von ihnen eingeführten oder doch zur Vollendung und allgemeinen Anerkennung gebrachten Dichtungformen haben in der Geschichte der Musik Spuren hinterlassen, welche nie zu verwischen sind. Die musikalische Melodie verdankt diesen Sängern ausserordentlich viel und selbst um die Ausbildung der Harmonie waren einige von ihnen mit Erfolg bemüht; die von ihnen benutzten Musikinstrumente bilden ebenfalls ein merkwürdiges Kapitel in der Geschichte dieser Kunst. Man wird also hiernach ermessen können, welchen Werth es selbst für Musiker bat, ein Werk zu besitzen, dem mit unbedingtem Vertrauen gefolgt werden kann. Diez war ein echter Gelehrter, der über nichts schrieb, was er nicht völlig erforscht und durchdrungen halte. Seine Darstellung ist lichtvoll und wohllbuend in ihrer reinen Sachlichkeit ; mit schönen Phrasen operirt er nicht. In diesen Schriften, sagt er im Vorwort, »habe ich mich untersuchend , nicht räsonnirend verhalten wollen, wobei es mein Augenmerk blieb, ein reines Bild des Gegenstandes zu geben.« Und weiterhin: Die goldne Regel der Einfachheit ist eben in unsero Tagen, wo der Strom der Literatur so sehr angeschwollen, mehr als je zu beherzigen.« (S. IX.) Das ist 1819 geschrieben, dürfte aber heute noch weit mehr gelten, als damals, denn erst seil jener Zeit ist die bombastische Literatur üppig ins Kraut geschossen. Gelehrte von der einfachen Grosse eines Diez, Bopp, Lacbmann und ähnliche können jetzt nicht oft genug als Musler aufgestellt werden, sowohl für Untersuchungen wie für die Darstellung derselben, denn ihre reine ungeschminkte Sachlreue ist das Resultat von zwei gleich vorzüglichen Geisteskräften — dem kritischen Scharfblick und dem zu festen Grundsätzen durchgebildeten Sinne für Wahrheit.

Dem Herausgeber sind wir zu Dank verpflichtet, dass er die köstlichen Werke von Diez den Zeitgenossen aufs neue zugänglich gemacht hat.

c/ftr.

Musikalischer Verlag von Jrl. Hainauer in Breslau.

Unter denjenigen grösseren Handlungen, welche einen mannigfaltigen Verlag auf eine sehr ansprechende und geschmackvolle Weise vor die OeOenllicbkeit bringen, nimmt die genannte Kirma einen hohen Hang ein. Alles ist äusserlich so einladend, dass man es mit Vergnügen in die Hand nimmt.

Heinrich Rclmann führt ans Opus 4 bis 5 vor, welche lauler ein-, zwei- und vierstimmige Gesänge enthalten. Er beginnt mit Vier Liedern (Op. 1. Jt t. 50), dii sich über das Gewöhnliche erheben und grosse Gewandtheit im Ciaviersatz bekunden. Opus 3 schliesst sich ihnen mit Fü- f Liedern (Preis ,/C t. 50) an, die von ungleicher Länge sind, ohne dass die Behandlungsart dadurch eine wesentlich verschieden« geworden wäre, mit Ausnahme des letzten, welches ein »Kinderlied« ist oder wenigstens sein soll. Vier Lieder bilden Opus k (Preis Jt 1. 16), und hiermit ist das, was dieser Componist an einstimmigen Gesängen publicirt bat, vorläufig zu Ende. In diesem -letzten Heft zeigt sich kein Fortschritt gegen die früheren ; es sind zwar grössere Anläufe genommen, aber gerade diejenigen Stücke, in denen solches geschah (Op. 4, Nr. \ und 1), müssen wir als verfehlt bezeichnen. Wie schon bemerkt, schallet der Autor im Ciaviersatze mitgrosser Leichtigkeit, aber sein Gesang ist mit allen Hangeln behaftet, welche die moderne Lied-Schablone mit sich zu bringen scheint. Gerade da, wo der Componist recht ausdrucksvoll zu sein vermeint, kann man ihm in der Führung der Gesangmelodie die grössten Fehler nachweisen. Die Drei Duetten für Frauenstimmen (Op. 1. .tt 1. 50) nahmen wir denn auch (da ein talentvoller Anfänger stets unsere besondere Theilnahme in Anspruch nimmt) nicht ohne Besorgniss zur Hand , und können nach Durchsicht derselben nur bedauern, dass der Composition für zwei duetli- reode Stimmen nicht wirklich fachmässige Studien im Duettsatz voraufgegangen sind. Was uns hier geboten wird, ist das Pro- duct eines begabten Dilettanten, der von dem, was gesanglich wirksam und wohlklingend ist, noch keine geläuterte Vorstellung hat. Wir könnten Duette eines bekannten und sogar berühmten Sängers anführen, die fast noch schlechter klingen, als diese Reimann'scben. Daraus gent hervor, dass selbst ein gesuchter Lohnsänger ein kümmerlicher Dueltencomponist sein wird, wenn er den Vocalsalz nicht gründlich studirt hat. Die Vier Lieder für gemischten Chor (Op. 5. Uf I) lassen ebenfalls bedauern, dass der Autor eine Schule besucht hat, in welcher Niemand über den beschränkten modernen Zaun hinüber blickt. Es wäre wirklich zu wünschen, dass sich einige klare Köpfe unter den Jüngeren bald von diesen Fesseln losmachten.

id«lf Walliöfer bringt Lieder und Gesänge für eine mittlere Stimme (l Hefte ä uf 1), mit denen er bereits sein Opus 31 erreicht bat. Er schreibt und publicirl ziemlich schneit, aber ein etwas langsameres Tempo möchte nicht schaden, denn wir können uns nicht überzeugen, dass seine Producte bestimmt sind, einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen.

Von Lidwlg leldligsfeld kann man namhaft machen: ein Lied »Fliege Vogel«, Op. H (Jt 0,76) ; Drei Lieder, Op. z« ,M 1.75), und Zwei Lieder, Op. tt (Jt i, 75) — lauler einstimmige Lieder mit Ciavierbegleitung. Das »Fliege Vögeln Op. <( ist »in der Art eines Volksliedes« gesetzt; der Autor |kann aber versichert sein, dass es niemals ein Volkslied werden wird. Gewisse einfache melodische Züge sind auch in den übrigen, breiter angelegten Liedern vorherrschend ; aber die Kraft, aus solchen Elementen einheitliche Bilder zu gestalten, scheint nicht in gleichem Maasse vorhanden zu sein. Stücke wie Op. t\, Nr. S unterliegen gesanglich wie compositionell den grössten Bedenken. Und wenn Op. 22, Seite i »Weiss nicht, was ich lange darnach , als der Stern erloschen , sprach» ausdrucks- richlige Declamation sein soll, so- hole der Kukuk den »dramatischen« Ausdruck. Derartige Melodien machen die Stimmen müde, das ist ihre einzig sichere Wirkung. — Auch eine H,ti- lade für Pumoforte Op. 10 (Jt 1. 15) schenkte Herr Heidingsfeld uns. Auf diese machen wir die Ciavierspieler aufmerksam,

sie wird ihnen Vergnügen bereiten, denn et ist ein effectvoltes Stück, schön geformt und abgerundet. (Schluss folgt.)

VARESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Origi nalhandschrift herausgegeben

von Paul fünf Waldernee.

L'Oca del Cairo. Liramma giocoso per Musica.

(Fortsetzung.)

Scena IX. Celidora e delta.

Celidora. Eccomi, or vanne; la Custode or' ora Verrä al giardino e gia di te mi Mete. Ti seguirö frappoco. Lavina lo vado, e intanto

Osserva attentamente Se giunge colla gente a far il ponte Calandrino mia speme.

Celidora. S», .,>. vd pur, qui torneremo intieme. (Lavin parte)

Aria.

Celidora. Due tenefe /Helle,

Buonine, innocentine

Oppresse dalle stelle

Frovaro al /in pietä. Due vittime meschine

U'inriilia e gelosia

D'un vecchio, tfun' Arpia

Saranno in libcrta. Saranno Spose,

A lor piacere

E chi s' oppoae

Stard a vedere. 0 questa «i e una cosa

Graziosa in veritd. (partej

Scena X.

Appartemento di Don Pippo.

Calandrino, Auretla e Chichibio neh" Anticamera. Calandrino. Ve 'l diiii, e ve 'l ridico: in questa sera

Sposi felici voi sarete, e riecht,

Altrettanto promettevi Biondello,

Purche con qualche imbroglio

Faociate, ehe il Marchese

Non poisa uscir di Casa ftn, eh' il ponte

Terminato non sia.

Men vado, or nota v'e la mente nun. (parte) Auretla. f'hu-hiliio.

Chichibio. Auretta. Auretla Udistif

Cbichibio. l.'ilii. Noi Spoti? Auretta. Ami ricchi, e felici. 0 /«./' conlcnto!

Chichibio. Oh questa me la godo. Aurella. E tu, Spotino,

Sarai ancor geloto'.' Chichibio. lo no'l so dirti. Auretla. Verrd poi il Perrucchiere'.'

Chichibio. Oifrd. Auretla. II Sartore?

Chichibio. Questo nemmen. Auretla. Ma chi mi vestiraf Chicbibio. Tu stessa. Auretla. Ha la chioma

Chi mi pettinerd ? Chichibio. lo. Auretla. '/.. quesf e poco. E il Calxolajo,

II Marchese?

Chichibio. Verrd due volte all' anno. Aurella. Piü non i< voglio; troppo sei tiranno.

Chichibio. Via via, s'aggiusterem, andiamo, andiamo,

Giacche la Sorte e qui, non laperdiamo. (portono)

Scena XI. Don Pippo, ch'esce da una porlicina segreta Iravestilo in abilo

rozzo, ehe si va rassellando. Don Pippo. Nobilissime carni, perdonate

Se or di rustico cencio vi ricopro.

Per poco sol l'adopro,

Finche incognito passi alla mia Rocca.

In questo estremt giorno piü ehe mai

Dali' insidie guardarla,

E attento visitarla mi conviene.

Chi mai la fa a Don Pippo

Lo stimo certo piü d'un Aristippo.

Scena XII.

Veduta antecedente della Rocca.

Calandrino e Biondello con Falegnami, ehe portano le Legna per il ponle, poi Celidora e Lavina salile per mezzo d'una Scala a inano sopra le inui.i, indi Chichibio ed Auretla, alla fine Don Pippo colle Guardie della Rocca.

Finale. )

Calandrino. Su via putti, presto, presto Impiantate i cavalletti. E le travi Colle chiavi Rassodatele a dover. Biondello. Capomastro, siate lesto,

Solo un' asse vi s' asietti Senza chiassi Puren' «o ;/<-..' Senza avervi da cader. Lavina. Corri, corri Celidora,

Qui si suda e si lavora Per la nostra libertd. Celidora. Bravi, bravi, allegramente,

Gid vi manca poco, o niente, E contento ognun sard. Lavina e ( A quel vecchio maledetto

Calandrino. " \ Mostreremo i fichi freschi Celidora e / E quel Conte Lionetto

Biondello. \ Con gran naso resterd. Celidora, t Se la godremo

Biondello, , J Po« questa sera, E rideremo lu veritd. Ma se il Marcliese Ci arriva addosso, A nostre spese l Si riderd.

AurelU. Sliei Signori, oh guai, oh guai!

Biondello. Cosa dici? ehe mai fu? Chichibio. // Padrone e gid sortito. Aurelta. /,' Marchese non c'e piü.

Lavina e Calandrino. Celidora e Lavina.

i

t

(freUolosa)

) Handschriftlicher Zusatz von Mozart: Scena XV. Mozarl's Werke Serie 14 Supplement Nr. 17. Seite». Leipzig, Brcilkopf & Hurtet.

Calandrino. Sara forse andato in Fiera

A comprare qualche cosa

Per Lavina sua Sposa,

Qui venir non penserd.

Celidora, i Ma, se pur venirci pensa,

Lavina e l Poiche il Diavol non fa fetta,

Biondello. | lo scommetto la mia testa,

\ Che ognun mal la passerd. Chichibio. Andiam spiando

Auretta mia

Per ogni via

Della Cittd. Auretta. Andiam. Se a cato

Qni 'l caccia il vento,

In un momento

Saremo nun. (partono, poi ritornano)

Don Pippo. Corpo di Satanassol (da se, di lontano)

Cosa vuol dir <ptel chiasso?

Che diavol si lavora?

Che gente e quellet l\?

Celidora, / Ma il ponte non va avonti,

Biondello. l Pur gli uomtni ton tanti,

Lavina e l Triirui/tuin piü d'un ora.

Calandrino. l Che gente e questa qui?

Don Pippo. Fuora Guardie della Rocca (vorso la porla della

Collo ipiedo, e colla rocca, Rocc«)

Ite meco, e quei bricconi

Siate preste ad arrestar. (Auretta e Chichibio AurelU, Chichibio, | Viene la guardia corrono.)

Celidora, Lavina, K ) -1"1 nam traditi,

Biondello e Calandrino * j Siamo ipediti, l Ahime, ahime! Don Pippo con f Non c' e piü tempo, Non c' e ragione, Andar prigione l Conviene äffe. Don Pippo. 7? jono o/feso:

La mia Eccellema

La prepotenza

No//vit non de. E voi petttgole (alle Raguzze)

La pagherete

V accorgerete

Dopo il suppe. Lavina. lo cercavo il cardellino

Che di gabbia mi fuggi. Celidora. Ascoltavo un canarino,

II cui conto Hu rap't. Don Pippo. Koi tacete, siele patze,

Questa e tutta falsitd.

Tutti gli allri. / Non han colpa le Ragazze, \ Tu sei pazzo, gid si sä. Don Pippo. Su via, Guardie, K prendete,

In prigion U conducete. Tutli gli altri. Se voi Guardie vi movete

II bastone proverete Tutti. a 7 { Ed ognun si pentird. Doo Pippo. Alto, all' armi, o miti Soldati,

Orsu via, venitf a' fatti. Tulli gli altri. j Retteranno minchionati;

a 6 < A restar saremmo matli. ( Si vedrd chi vutcerd. (scappano tulti via, < le Guardie con Don gli corrono dielro.)

Fine dell' Atto Primo.

gli allri.

7

Atlo Primo. *) ScenaJV.

Dopo il ver.su di Cbicbibio : »Con polenli sospir, e poi lasciarle«.

CalaDdrino. (iiä aperta e la famoia Solennissima Pier a, Che sol per quetta tera Quel vecchio rimbambito di Don Pippo Convocd da ogni parte, affinche föne Spettacolo pompoto alle sue nozze, E a quelle della Piglia; Ma non fia meroviglia, S'ei. ehe cerca h icorno di Biondello, Cadrä nel trabocchello comc certi Pifferi di montagna sciagvrati, CHt iti per pifferar für pi/ferati. Ch'ti dorma ancor non credo.

Auretla. Sentiremo a momenti

Lo svegliarin etc.

Atto Primo.

Scena VI.

Dopo il verso di Cbicbibio: lu verrö poi«. seguita. Chichibio. Quanto meglio ttaretti Auretta mia

Chiuta con Celidora, e con Lavina

In quella Torre. II Mondo al fn direbbe,

Come ti dice ognora:

Don Pippo a Celidora

Non vuol Spoto Biondello,

Ma U Conte Lionetto. Stiert Spoio

Vuol Don Pippo a Lavina, in' e geloio.

Or et laria la eoda;

Direbbtti, ch' e moda

L'intendersi fra loro

I Servi, ed t Padroni; onde faccordo

Tengono la in prigion le lor Ragazze,

B il Servo, ed il Padron ton teile paae.

Spira oggi fanno appunto, ehe Biondello

AI Marchete yiurö d'entrar con arte,

0 con denaro in quella Torre, e poi

Celidora tposar. Don Pippo aituto

Rite, e ditte di tk.

Biondello e ancora qui. Stiamo a vedere,

S'oggi riesce al ftn. Biondello mio,

Latciala, t« 'l dich' io, laiciala in Rocca:

Meglio forie tard te non ti tocca.

Arla. Ogni momento

Dicon le Donne: etc. Siegae sabllo la Scena VII.

Vedula ioleriore della Rocca. Camera di Celidora nella Rocca stessa. Celidora e Lavina, ehe ricamano.

Cavalitii. Celidora. Dura torte d'una Amante,

Che ti nutre di tperania, E >e vien l'estremo ittante, Dubitare deve ancorl S'egli patce d'incostanza,

Perderä i stiai servi Amor. Lavina. A me tocca lagnarmi, e non a voi

Amabil Contetsina. (acherzando)

Non e poi gran rovina, e a tutto male, Se la forxa prevale,

j Varaaco'a zweite durch Mozart veranlaaale Bearbeitung.

Celidora.

£ un yiovtnc perdete,

1t'attra giovine al fn Spoia voi riete;

Ma a me coti non va:

Per mia fatalitd

!?io ptrdo Calandrino,

Ad un vecchio m'accoppia il rio Destino. Mardiesina mia cara, o Mamma mia l (con dolce ironia)

Altro per me non v' e fatto a penello,

Che il mio dolce Biondello, e s'io lo perdo,

Altri dell' amor mio non n lutinghi.

/Via passero solinghi

Rinchiuta in questa Rocca i giorni miei.

E d'altro io non tarei t'io fosri Europa,

E tcendeue per me Giove quäl toro.

Union mio ristoro

Egli e, ehe il Conte Lionetto e tavio,

ffe ancora mai rispose

A quanto il Paare mio giä gli propoie.

Ätna la libertd, vuol viver solo,

Siegue il proverbio antico,

E io, ehe ad un Amico

Piu d'una volta gia t'ha dichiarato :

Meglio e euer sol, ehe mal accompagnato. Contettina mia Figlia . . . (come sopra) Ah tralasciamo

Quetti titoli vani. Io lol m'avcezzo

(,'osi a chiamarvi in caso . . . In ogni caso noi saremo amiche. (si bacianoj Dunifue, Amica, per tt te v' e un rittoro,

\inn ei tara per me? Si, la iperanta. Ah si, ehe i /idi Amanti Sempre veglian per noi. Ma la Cuitode (s'ode il

campanello della Custode)

A se m'appella, forse per le noa» Hli ordint mi dara. lo vado a lei Tu vanne alla tua itanza, in, o in giardino M'attendi, or' or gli Amici Saranno al varco. (parte)

Lavina. Si, rarem felici.

Cavatina, a cui servira la Husica della Cavatina antecedenle. Lavina. Hella torte d'una Amante,

Cui, te risse di speranza,

Alla fn Fettremo ittantt

Ricompenta ogni dolor. Chi in amor non ha costanta

Mai non prova amico Amor. (partej

Siegue la Scena VIII, ehe prima era la VII e cosi cangiansi di mann in mano i Dumeri.

Scena VIII.

Apparlamento di Don Pippo etc. Don Pippo in veste di camera, poi Aurella. Don Pippo Oh paz*o, oh paxzo, o paito Pauitrimo Biondello etc.

Lavina. Celidora.

Lavioa.

Celidora. Lavioa.

Celidora.

. .. ) ehe senza la scorta d'Amore garebbe stato ad altri impossibile a rilrovarsi. Sruosso un sasso dopo l'altro, le riuscl in breve di far un perlugio lale, ehe, sapendolo gli Amanli, avrebbero facilmenle potuto l'una, e 1'allra sortire ad abboc- carsi assieme, esse dall una, e gli altri dall' allra riva della fossa. Ne infalti vi veooero piü di due volle, ehe il sollecito

) Prosaische Inhaltsangabe der Oper. Der Anfang fehlt.

Biondello per virlü d'Amore vi s'imbalte, ed avvisalooe pure Calandrino, ebbero quivi occasione di Irovarsi spesso con esse a ragionamento, consolandole colla speranza di liberarle presto con qualche felice inganno. Usö perö la sagace Celidora la pre- cauzione di coprire, ogni qualvolta ci veniva, e partiva, il per- tugio dentro, e fuori, sieche Ood venisse osservalo, colle sollte frondi.

Avea Bioodello il superbo suo Palazzo dirimpetto a qtiello del Marchese, a cui noo la cedeva puolo ne in grandezza, e maestria, ne in bellezza, e riccbezza. Sopra il Porlone magni- lico vi si leggeva a rannten d'oro rrlificiosamente scolpiti queslo verso: Tutlo con arte, ed or' otliensi al Hondo. Questo verso era appnnto il martello di Don Pippo, oad' egli non cessava d'invidiare Biondello, motleggiandolo ad ogni tratto, ed in ogni occasione. Volendo dunque ad un banchetto, ove ainbiduu erano Convitati, contraslargli audacemente la verlta di lal motlo, s'avvanzb a dirgli, ehe, se in prova di ciö, con arte, ed oro gli bastasse l'animo d'inlrodursi in lermine d'un anno nella Torre, e s'abboccasse con Celidora, gliela darebbe in Isposa , e ciö disse egli, poiche credeva assolutamenle rano ogni umano atlen- tato. A tu l proposta Biondello ridendo rispose, ehe non solo sperava d'eDlrarvi per arte, ed oro, ma per ordine di lui pro- prio. Risposta si ardila era fondata sulla goffaggine del Harcbese, sulle proprie ricchezze, e still' abilita di Calandrino suo Amico. Qaesto era un Giovine facelo, un industrioso Invenlore, e meccanico eccellente. Era perdulamente innamorato di Lavina, ma da lei per semplicitä non corrisposto, ehe freddamente. A questo dunque riccorse Biondello, chiedendogli consiglio, ed ajuto, e promeltendogli larghissima ricompensa. V'acconsenli Calandrino, e chiese solo per ricompensa, ehe, oltenendo Biondello Celidora, s'adoprasse per lui in procurargli Lavina. Restarono d'accordo, ed essendo l'anno presso a spirare, Calandrino si mise a fabbricare segretamente un Oca di si sinisurala grandezza, ehe polea agevolmente capirvi un iiomo, e gli riusci sl al nalurale, ehe ognuno di poi ne restava ingannato. Fatta la macchina, reslarono i due Amici di concerto di spedirla nascosta- menle a qualcbe amico fuor del Paese, il quäle qualche giorno prima del decisivo, arrivasse cbiuso nell' oca con iscorta d'una Donna, a Ripasecca, per farla vedere al Publico, e per alletlare Don Pippo a farla ammirare da Celidora, e sua Compagna nella Torre. Biondello si rinnst; in tutto a Calandrino, e questo, senza perö far menzione all' Amico di Pantea, e della loro corrispon- denza, spedi l'oca a Pantea in un luogo di la dal märe, ove ella lulto incognita soggiornava, informandola d'ogni cosa, partico- larmente delle operazioni, ehe delto animale doveva fare, con

disegno, ehe avesse poi ad entrarvi Biondello, e eos'i venir in- trodotlo nella Torre. Le raccomanda d'arrivare al termine pre- fisso, e di venir traveslita in maniera, ehe non possa essere scoperta da Persona alcuna. Avea Don Pippo deslinata sua Figli» ad un cerlo Conte Lionelto di Casavuota, contea siluata trenta miglia Inngi da Ripasecca; il lutto perö senza saperne la di lui inteniione. Egli gliela esibi in vero con una sua letlera, a cui perö fl Conte, uomo amante della liberta, perciö alieno dal Ma- trimonio, non diede giammai risposta, molto iiieno intenzionalo di venirvi in persona. Su queslo vano foodamento di tali nozze, e delle sne con Lavina, per publicamenle mortificare, e svergognare Biondello, di cui egli sempre si burlava, un mese prima, ehe spirasse l'anno accordalo a Biondello nel publico Banchelto, invilö con lettere CH-colari tulli quelli del suo vici- nalo, e di altri contorni ad una gran Fiera, ehe doveva servire a solennizzare colla quantilä di Popolo piü pomposamente il giorno di delte nozze. L'anno e gia alla lin«, spunla il giorno fatale, e gia la Fiera incomincia con innumerabil concorso.

NB. Qui incomincia l'Azione del Dramma.

II giorno s'avvanza, e Pantea coll' oca non comparisce an- cora. Biondello e Calandrino ne sono eslremamenle agitati, tanto piü, ehe vedono turbarsi il märe, e giä piü non dubilano dell' ultima loro sciagura. Si dura necessita, disperando dell' oca, suggerisce a Calandrino di geltare cos\ in frella un ponte su quella parte occulta della tossa, dove essi «ran solili conve- nire colle loro Amanti. Consultano assieme, e trovano necessa- rio dar buone parole, e prometter buona soihma di denaro ad Auretta ed a Chichibio, con sicurezza di farli Sposi riccbi, e Telici ancor in questo giorno, purche almeno per un ora, finche fosse ratto e getlato il ponte, nascondessero al Marchese i suoi vestiti, sieche non potesse sortire, standosene essi inlanlo lon- lani dal Palazzo. Cos\ si rece, e questi promisero il tutto, ma poi inebriati dalla speranza, e perdulisi in ragionare de' loro amori e della vicina loro felicitä, troppo si trallengono per via, ed intanto il Marchese vestilosi da se, esce sosi soletto, ed essendo in quel giorno piü sollecito, ehe mai, va visitando lutti i contorni della Rocca, Buche giunge al luogo, dove trova chi lavora a fabbricar il ponte. Chicbibio ed Auretla, andali troppo tardi a Casa, s'avvedono, ehe il Padrone non c'e, corrono ad avvisare Bioadello e Calandrino, esser egli sortilo, trovansi quivi tutti, ed anche Celidora e Lavina , ehe erano venule per una scala a piuoli sulle mura a veder fabbricare il ponte, nasce un gran contraslo, ehe servirä di Finale del primo Atto. (Schluas folgt.)

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Allgemeine

Prei.: Jibrlich 18 Mk. «tottUlklifckl

Prinum. 4 Mk. Hl Pf. Anzeigen: iit feipll- tene Petituile oder deren lUnm 30 Pl Briefe und Gelder «erden fruco irtxUn.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 22. November 1882.

Nr. 47.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Niederländische Organisten. II. J. B. Lilzau. — Der Buchstabe E im Gesänge. — Musikalischer Verlag von Jul. Hainauer in Breslau (Compositionen von RobertSchwalm, rioberl Emmerich, E. Hillmann, Ingeborg von Bronsart, Jacob Ehrhardt, Josef Gauby, Louis Köhler, Gustav Merkel, Morilz Moszkowski, Bernhard Scholl, Ed. Lassen and Ernst Flügel). — Varesco's L'Oca del Cairo. (Scbluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Niederländische Organisten. II. J. B. Litzau.

Selbst dem weniger Bewanderten in der Geschichte der Musik ist es bekannt, dass die Niederlande im 4 S. und 4 6. Jahrhundert die bedeutendsten Männer auf dem Gebiete der Musik erzeugten, die sich um die conlrapunktische Entwicklung der Tonkunst unvergeßliche Dienste erwarben.

Selbst jetzt noch, obgleich Niederland sich nicht mehr eines so grossen Einflusses auf dem Gebiete der Tonkunst rühmen kann, ist uns mindestens doch noch eine sehr ernste Richtung in dem Orgelspiele erhallen geblieben, wovon die in streng contrapunktischem Stile geschriebenen Werke des niederländischen Organisten, die wir in seiner hiernach folgenden Biographie zur Sprache bringen, einen treffenden Beweis liefern.

Johannes Barend Litzau, zu Rotterdam am 9. September 48J1 geboren, erhielt in seinem achten Jahre den ersten Cla- vierunterricht von J. B. Bremer, Organist bei der evangelisch- lutherischen Gemeinde zu Rotterdam, darnach genoss er für mehrere Jahre gleichen Unterricht von dem so anerkannt tüchtigen Musiker J. B. Tonn, Organisten an der Grossen oder St. Laurenzkirche und Musikdireclor zu Rotterdam.

Als Knabe schon erwarb sich Litzau durch sein Clavierspiel vielen Beifall in den Concerten seiner Vaterstadt, und durch die literarische Erziehung, die ihm bereits in seiner früheslen Jugend in dem elterlichen Hause zu Theil wurde (sein Vater war Literat von Beruf, der ihn stets dafür zu interessiren suchte), war Lilzau befähigt und geneigt, die Musik nicht allein praktisch, sondern auch wissenschaftlich auszuüben.

Frühzeitig schon widmete er sich der Harmonielehre, den contrapunktischen Sludien und suchte sich vertraut zu machen mit der Geschichte der Musik. Auch zeigte sich alsbald Vorliebe für das Orgelspiel und musste ihm zu diesem Studium ein nltes Clavecin mit zwei Manualen, mit angehängtem Pedal, dienstlich sein. Die theoretischen Werke, welche Litzau ohne Meister mit Fleiss und Ausdauer studirle, waren von Fuchs, Reicha, Marx, Cherubini, Dehn, Bellermann etc. und bildete er sich unterdessen zu einem tüchtigen soliden Organisten aus, durch gründliches Studium der Orgelcomposilionen von Fresco- baldi, Buxlehude, Sweelink, Pachelbel, J. S. Bach, Händel, als auch der zu der späteren deutschen Organistenschule gehörenden Werke von Krebs, Rinck, Hesse, Ritter etc. Mit seinem 20. Jahre wurde Litzau Organist bei der evangelisch- presbylerianischen Gemeinde zu Rotterdam und 4855 ward ihm die Ernennung als Organist der evangelisch-lutherischen XVII.

Gemeinde, in welcher Stellung es ihm ermöglicht wurde, da er eine ziemlich gute Orgel zur Verfügung hatte, durch das Veranstalten von Orgelconcerten die Werke der grössten Meister vorzutragen und seine Tüchtigkeit als Orgelvirluos zu con- staliren. t 880 feierte Litzau unter grosser Anerkennung seitens des Kircbenraths seiner Gemeinde, seiner Collegen, Schüler und Freunde sein SSjShriges Organisten-Jubiläum bei genannter Gemeinde.

Auch als Lehrer für Piano, Orgel und in der Theorie war und ist Lilzau jetzt noch eifrig tluitig und ist es eine grosse Anzahl Lehrerinnen und Lehrer, die ihre musikalische Ausbildung von ihm erhalten haben.

Verschiedene Werke für Orgel, sehr abweichend in Art und Form, sind von ihm publicirt. 4 85t gab er heraus: De Melodien der Getangen, zum Gebrauch bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in den Niederlanden, für Orgel oder Pianoforle vierstimmig bearbeitet (Rotterdam, W. F. Lichtenauer), nebst Anhang, enlhaltend die Biographien der Dichter der Lieder und der Componisten der Sangweisen. In der niederländischen musikalischen Zeitschrift »Caecilia« wurde ebengenannles Werk durch unsern so verdienstlichen A. G. Ritter, Organist an der Domkirche zu Magdeburg, sehr günstig beurtbeilt, und wird das Werk heule uocb gekauft, wenn es sich um gründliche Ausbildung im Choralspiel und geschichtliche Kenntnissnahme des Kirchengesanges in Niederland handelt.

Im Jahre 4854 erschienen: De Melodien der Psalmen, Lof- en Evangelischen Getangen, zum Gebrauch bei der reformir- ten Gemeinde in Niederland , für Orgel oder Pianoforle vierstimmig bearbeitel (Rollerdam, G. Aisbach & Co.), welches Werk ebenfalls durch den berühmlen A. G. Ritter in der »Caecilia» sehr günstig beurlheilt wurde.

Kurz hierauf erschien von Litzau dasselbe Werk (Rotterdam, Licbtenauer) für Gesang dreistimmig bearbeitet, welches mit vollem Recht unier den dreistimmigen Choralbüchern einen ersten Platz einnimmt; darauf folgten 31 Melodien aus den christlichen Gesängen für die evangelisch-lutherische Gemeinde in Niederland für Gesang, meisterhaft dreistimmig bearbeitet, und zuletzt: De Melodien van dm Vervolgbundel op de Evangelische Gefangen, für Orgel oder Pianoforte oder gemischten Chor, vierstimmig und mit Vor-, Zwischen- und Nachspielen versehen (Rotterdam, G. Aisbach & Co. 1869). Auch dieses Werk kann als Muster-Choralbuch gelten, da es nicht nur kurze vortrefflich gearbeitete Vorspiele, als Einleitung zu den ausgezeichnet harmonisirlen Chorälen enthält, sondern gleichfalls mit einfachen Zwischen- und Nachspielen versehen ist.

Haben wir Lilzau nun in vorvermeldelen Werken als um-

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sichtigen tüchtigen Musiker in seinen Choralbüchern kennen gelernt, nicht weniger zeigt derselbe sich als begabter Compo- nisl in den nacbverzeicbneten in Rotterdam bei G. Alsbacli & Co. erschienenen Original-Orgel-Compositiooen.

Opus 8. Praeludium und Fuga über einen Bussyesang der Huttiten aus dem 45. Jahrhundert.

Opus 9. Chor der Priater «Mit Harf und Cymbelu singt« aus Salomo, von G. F. Händel.

Opus 10. Canon und Variationen über ein Slorgenlied der Böhmischen und Mährischen Brüder, aus dein 46. Jahrhundert.

Opus l l. Einleitung und Variationen über ein Abendlied der Böhmischen und Mährischen Srüder, aus dem 16. Jahrhundert.

In der Allgem. Musikal. Zeitung 4878 Nr. 3t wurden die vier genannten Werke durch den Herausgeber sehr günstig be- urlbeül.

Bald darauf erschien eine Arbeit, durch Jedermann bewundert, nicht allein wegen der ursprünglichen Form, sondern auch wegen der conlrapunktiscben Gelehrtheit, die überall durchstrahlt; es ist sein Opus M :

Einleitung, Variazionen und Choral mit Fuge über ein Sterbelied, aus dem 46. Jahrhundert.

Die weiteren Werke sind : Opus 4 3, 3i leichte Praeludien oder Vorspiele, in den bei dem Choralspiel gebräuchlichen Tonarten, für Orgel, Harmonium oder Pianoforle.

Opus 4 i. Einleitung und Doppel fuge (D-mollJ im freien Slil zum Concertvortrag, ist eine der grossartigsten Fugen für Orgel unserer Zeit, die jedoch, um nach Gebühr vorgetragen zu werden, einen Orgelspieler ersten Ranges erfordert.

Opus 45. Einleitung, Fuge und Variationen über »Christ ist erstanden von der Marter alle«, besteht aus einer kurzen Einleitung, worauf die alte Clioralmelodie als Hauptgedanke folgt. Die erste Variation giebt den C. T. in dem Sopran mit einer Figuralion in den drei übrigen Stimmen ; die zweite Variation bringt die erste Choralregel als Fugenlhema bearbeitet in einer interessanten vierstimmigen Fuge in der dorischen Tonart, mit einem Conlrasubject in der Duodecime, wogegen selbst der strengste Fugenkenner nichts anzumerken wüssle. — Variation 3 hat das C. T. in dem Pedal mit einer cootrapunktischen Figuration für vier Stimmen in dem Manual, das mit Recht ein Meislerstück in der Bearbeitung mag genannt werden. — Variation i bat das altehrwürdige Kirchenlied fünfstimmig in den Manualen, während das Pedal dagegen mit einem Contrapunkt in Octaven sehr glänzend agirt.

Opus 4 6 besteht aus einer Sammlung von kurzen Orgelstücken unter dem Titel: Choralbearbeitungen und leichte Stücke, in sechs Heften, wovon drei bereits erschienen. Heft l umfassl zwei interessante Choralphrasen über »Komm beiliger Geist« und »Der graue Winter weil und breit«. Heft II enthalt eine günstig aufgefassle Transcriplion über »Ihr Augen weint« aus dem Oratorium »Der Tod Jesu« von Graun, die für Orgelcon- certe sehr zu empfehlen ist, und eine meisterhafte Choralfuge über «Christ lag in Todesbaoden«. Heft III bringt eine sehr schöne Transcriplion über »Quando corpus morietur« aus dem Slabal Mater von Pergolesi, nebst einer ausgezeichnet contra- punktischen Choralbearbeilung über »Jesu, nun sei gepreisel«.

Opus 47, das erst kürzlich erschienene Werk von Lilzau, "' kurze Präludien, enthüll sehr schöne und zugleich coulra- punklisch vortrefflich gearbeitete Vorspiele.

Ferner sind früher (4873) noch bei denselben Verlegern, G. Aisbach & Co. in Rotterdam, von Lilzau erschienen: 5 Ca- pricen, ^ Canzonen und 8 Bicercaren aus II primo libro di Ca- pricci, Canzon francese e Ricercari dl Girolamo Frescobaldi, Organisla di San l'ielro di Roma 4616, für die Orgel bearbeitet und mit geschichtlichen Erklärungen verseben, und weiter im Jahre <87i noch ^ Capricen, i Canzonen und l Ricercaren. Genannte Bearbeitungen wurden in Nr. 3l der Allgem. Musikal.

Zeitung 4878 durch den Herausgeber gleichfalls sehr günstig beurtheill.

Wir begnügen uns mit diesen kurzen Nachrichten über Leben und Werke eines Künstlers, welcher seinem Valerlamle zur Zierde gereicht und auf die Theiloahme all«r Kunstgenüssen berechtigten Anspruch bat.

Der Buchstabe £ im Gesänge.

IVI.tr die Physiognomik der deutschen Sprache, ihrer Klangperspecliven und Tonschatlirungen bei Debertragung auf Gesang, Hesse sich ein Buch schreiben, denn ihre vollständige wahrheitsgetreue Wiedergeburt und Veredelung im Erklingen als Unterlage musikalischer Phrasen zu erzielen, bedarf es nichts weniger, als ihre Zerlegung in ihre einzelnen Theile, unter specieller Prüfung ihrer Selbst- und Mitlauter, ihrer einzelnen Silben im Verh'ällniss zum ganzen Worte , und ihrer einzelnen Worte zum ganzen Satzbau. Das Genie der Musik geht nun einmal über das Genie der Sprache, und wer beide verbinden soll, wird in die Gefahr gerathen , die Behandlung des Wortes über die Behandlung der Melodie zu vergessen, oder nach keiner Seite voll gerecht zu werden.

Wir wollen unter der Massenhaftigkeit des Materials nach solcher Richtung nur die SpecialiUil des Buchstabens »« in seineu verschiedenen Klangfarben, je nachdem er Wurzeloder Neben-Wechselsilbeu bilden hilft, in das Auge fassen.

Die französische Sprache bezeichnet ihre hell, scharf, grell und breit erklingenden e's mit in das Auge fallenden Accenten, während sie das nicht in das Obr fallende, dumpfe, im Klang- colorit verwischte »e« der Neben- und Anhängesilben, jeder sichtlichen Accenluirung beraubt. Ein Franzose und selbst der Unwissendein der französischen Sprache, welcher ihr Genie nicht ganz erfassl hat und nicht ganz von ihm erfasst ist, wird keinen Augenblick in Zweifel sein, welchen Klangcharakler er dem Buchstaben e bei seinem Erscheinen in der französischen Sprache im Verlauten zu geben bat.

Anders stehen wir Deutschen dem e in unserer Sprache gegenüber, hauptsächlich der systematischen Klaugfärbuug des stummen e, wie es die Franzosen nennen, in End- und Wech- sejsilben. Ohne die eigentümliche dunkle unbestimmte Mischfärbung dieses Buchstaben in der Regel ganz erkannt und in Behandlung zum System erhoben zu haben, werden wir, man möchte sagen, inslinktm&ssig in gebundener und freier Kede im Verlauten das Richtige treffen. Etwas Anderes ist es aber, wenn unsere Aufmerksamkeit bei Unlerlegung des Textes ini Gesänge von der Sprache abgelenkt wird, und wir unwillkürlich mehr auf den Ton als auf das Wort und seinen sprachlichen Zusammenhang hören.

Diese Klippe nun, an welcher selbst hervorragende Sänger und Sängerinnen im Vereinbaren guten Sprechens und Singen.« scheitern, lässt sich in Bezug auf Behandlung des Buchstaben e zur Einhaltung der Dynamik des Wortes leicht umschiffen. Dabei sei vorausgeschickt, dass ich nicht etwa im Wahne stehe, hervorragenden Gesangskünsllern und -Künstlerinnen, sowie Lehrern der Dialektik und Declamalion gegenüber etwas Neues sagen zu wollen, denn in hohen Kreisen ausführender Grossen und wissenschaftlicher Forscher des Erklingens der Sprach« ist man längst zur Specialisirung der Klangfarben unserer Vo- cale in ihren einzelnen Nüancirungen geschritten; ich schreibe aber für das Gemeingut des Volkes, für Kirche, Schule und Haus.

Ich selbst bin also auf dem Wege Jahre langen Vergleiches der hervorragendsten lebenden Sprachen untereinander und auf Jahre lange Studien hin, die Grammatik der Musik mit der Grammatik der Sprache in ihrer Vereinigung im Gesänge in Einklang zu bringen, zu der Anschauung gelangt, dass hauptsächlich das stumme « in unseren Wechselsilben idenliscb ist mit dem r muet in der französischen Sprache. Horchen wir genau hin beim Worte: »gelesen«, so finden wir, dass die beiden Wechselsilben »ge« und »en« dumpf und hob! lauten, mitten im Munde, ohne jede Vorwärlsschiebung der Lippen, den Laut entscheidend vernehmbar zu machen. Die Klangfarbe dieses r's (rügt den Charakter des »ö« ohne Lippenbcwegung, genau wie der Franzose sein me, le, te, jt ausspricht.

Säuger, welche sich auf diesen Standpunkt mit mir stellen können, werden Überrascht sein, wie leicht ihnen dann die Behandlung des Buchstaben »e« in systematischer richtiger Betonung wird, denn nicht in Haupt-, sondern in Nebensilbcn bietet er uns Schwierigkeiten.

Man horche nur auf das »Lebe wohl« in »Wer hat dich du schöner Wald« von Dilettanten gesungen, und man wird mir zugeben, dass alle möglichen Klangmischungen des Buchslaben »e« darin abwechseln und sich unter einander verwechseln, nur nicht diejenige der richtigen Schatlirung der Haupt- und Nebensilbe. Gesprochen wird jeder Sänger dem richtigen Colorit wenigstens annähernd genügen. Singend wird er in den alten fehler fallen, aus Hangel an Classlficirung der in Hauplsilben volllaulenden und in Nebeosllben dunkel und Verwischt lautenden »e«'s.

Ob sich nun nach Volks-, Kiroh- und Scbulgesang bin zur Verfeinerung und Hochhaltung der Sprache als Text, in obiger Richtung Etwas thun lässt, vermag ich nicht zu beorlheilen. Wie dem aber auch sei. wollte ich nicht umbin können, dieses Gebiet der Verlautbarung unserer Sprache, hauptsächlich im Dienste des Gesanges, zur Sprache zu bringen.

Gotha. Heino Hugo,

Gesanglehrer am Tietz'schen Conserratorium.

Musikalischer Verlag von Jul. Haitianer in Breslau.

(SchlniMi.)

i. lUfccrt Srhwalm liefert ebenfalls Lieder: Drei Trinklieder Op. 'i i . # t SO) , Zehn Baryton-Lieder aus Scheffel's Trompeter, Op. 3i .t 4), und Vier Lieder aus Wolffs Wildem Jäger, Op. 36 .H t}. Die »Trinklieder« sind natürlich für Bass; die beiden ersten sind geschmacklos, das dritte ist besser und einfacher, obwohl auch noch nicht hinreichend sangbar. — Die Lieder aus dem Trompeter von Säkkingeo sind in der Anlage durchweg einfach, was wir denselben zum Lobe nachsagen wollen. Wäre dabei die Melodie .bedeutender und der Ausdruck na tu r l ich, so könnten diese Compositionen unter den vielen, zu welchen Scheffel's Worte die Veranlassung waren, wohl eine bevorzugte Stellung sich erobern. Leider ist das aber nur hin und wieder der Fall, dagegen der Ausdruck dann, wenn er etwas Bedeutendes sagen will, maniriert und durch falsche Dramatik entstellt. Man vergleiche z. B. nur S. 6 »verstummten meine Worte« bis »schwellende Accorde«. — Von den vier Liedern Op. 36 ist das erste im volksliedartigeu Balladeostil gehalten und nicht ohne charakteristische Anraulh. Dass Herr Schwalm kein Sanger ist, zeigt er aber auch hier in jeder Zeile; er niulhet dem Vortragenden zu, das zweigestrichene g wie das kleine a mit gleich ausdrucksvoller Stimme zu singen.

5. Rvbert hnim-rirli steht in der Opu«/.ahl schon höher als K. Schwalm, ilenn er bringt Keck» Bass - Lieder als Op. 50 (M J. 75) zum Druck, aber in Her gesanglichen Kunst oder Unkunsl sind sie einander gleich. Dem oben aus Schwalm angeführten Beispiel stellen wir hier aus dem ersten Liede die

Stelle »Waldesrande — und aus den schönen Augent (S. t) an die Seite; und wer daran noch nicht genug hat, der nehme den Schluss S. 6 hinzu, wo der Gesang In halben Noten f <u h c aufsteigt — in einem C.dtir-Gcsange! Unnatur genug auf engem Haumel Auch das folgende »Trinklied« ist nicht besser.

6. I. Hillnann publicirt Drei Lieder [M \. 60) ohne Opus- zahl, und wir erinnern nicht, dem Autor schon anderswo begegnet zu sein. Er zjigl natürliche Empfindung füi Gesangmelodie , weiss auch musikalische und poetische Elemente mitunter sehr gut zu verbinden, worauf es bei Liedern wesentlich ankommt. Der harmonische Eindruck wird durch die guten Texte erhöht, welche der Compooist gewählt hat. Die Cadenz Seite 5 »in des Schilfes grünen Kranz« beweist unter ändern, dass das rein Melodische bei ihm auch noch nicht genügend zu seinem Rechte kommt, wie er denn ebenfalls nach beliebter moderner Unart mit unreinen Quinten operirt; man sehe den Anfang des genannten zweiten Liedes.

7. Inspfcor* BreiMTt veröffentlicht als Op. 16 Fünf Lieder. Diese Dame ist zunächst Pianistin, was sich auch bei sämmtlichen fünf Liedern zeigt, deren Begleitung eine gewandte Hand und jenes lockere Spiel erfordert, welches den Virtuosen erb- und eigenthümlicb ist. Von diesem Gesichtspunkte betrachtet, sind die Stücke interessant. Der eigentliche Ausdruck kommt bei dem pianistischen Krimskrams allerdings hie und da ins Gedränge, und Stellen wie »er liebt dich« (S. M) streifen ans Komische, was doch die Componistin gewiss nicht beabsichtigt bat. Um ihr schönes Talent recht frisch zu bewahren, wäre möglichste Sparsamkeit im Drucken derComposilionen besonders zu empfehlen. Es ist eine alle Täuschung, das für bedeutend zu halten, was man als gewandter Spieler zusammen phantasirt. Im Grunde ist das doch nur für die näheren Hausfreunde bestimmt, denen es aufrichtige Freude machen muss, und von diesem Standpunkt hat man auch die Compositionen der Frau v. Bronsart zu betrachten und rühmend zu erwähnen.

8. Jarob Kbrhardt legt als Op. l -Irlii Liedlein aus des Knaben Wunderhorn vor und befiehlt uns, sie stracks »den Kleinen vorzusingen«. (Es sind zwei Hefte a t . # Wenn die Kleinen sie aber nicht hören wollen, Herr Ebrhardt, wie dann T Die »Kleinen« sind in ihrer Art ganz hartnäckige Kritiker, und da wir dem Componislen In dieser Hinsicht keine besonders glänzende Aussichten eröffnen können, werden wir lieber gar- nichts sagen. Luther gab einmal den Rath, wenn man populär schreiben wollte, müsse man den Leuten auf den Mund schauen. Unsere Musiker, die Kindern und sonstigem "Volk zu Dank singen wollen, möchten gut thun, den Ausspruch des genannten Sachverständigen zu beherzigen.

9. Jeief 6a«by liefert Mancherlei. Zunächst einen Metres- abend für Männerchor mit Tenorsolo, Op. '< .# \ 50). Die kleine Piece beginnt Gis-moll und endet As-dur. — Zwei Lieder, Op. <i ,/t I) sind nicht von seht* froher Stimmung, befriedigen im Einzelnen, aber nicht im Ganzen. —Drei Lieder aus Slicler's Gedicht »Eliland«, Op. l 9 (uf l. 50) sind für eine »hohe« Stimme bestimmt. Der Rosenzweig Nummer < gestallet in A-moll melodisch wie harmonisch ein glückliches Bild , nur in der Declamation (vergl. »vom Pfade am grünen Strand«, S. I, nebst dun

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l'arallelstellen) hat Herr Gauby seine eignen Ansichten, was uns schon aus den vorhin erwähnten Liedern klar wurde. Der kleine Uebelsland wird indess durch den markirten Rhythmus der Melodie ausgeglichen oder doch verdeckt. Das zweite Stück »Am Strande« ist fast ebenso anziehend. Das dritte »Mondnacht« zeigt besonders in der letzten Hälfte, dass der Autor keine Ge- sangsltidien gemacht hat; da* dort Gesetzte ist sprach- wie stimmwidrig, ermüdet den Sänger und macht wirklichen Ausdruck unmöglich. — Dem Quartett mit Tenorsolo Op. (8 (Partitur SO ,'ijf] sieht man es ebenfalls sofort an, dass es nicht aus einer richtigen Gesangschmiede stammt; was der eine Tenor singt, steht zwar auf einer Linie für sich, aber ein wirkliches Solo ist es damit noch lange Dicht. — Von den Sieben Clavier- stücken, Op. 4 6 (Jl 2) hätten vier ungedruckl oder noch lieber ungeboren bleiben können, die übrigen drei sind hübsch. — Sieben andere charakteristische Ciavierstücke führen ausserdem noch die Kirma «In kleinen Formen«, Op. 17 (.4? l) , man könnte also wohl auf die Vermuthung kommen, dass sie besonders für kleine Leute bestimmt seien. Dem ist aber nicht so, denn der Vorirag erfordert lange Finger. Wir waren bemüht, auch in diesem Hefte drei hübsche Stücke ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg. — «Lyrische Studien« nennt er die .jüngst veröffentlichten Drei Ciavierstücke Op. 20 (Jt t), welche laut und deutlich «Meinem lieben Weibe in Treue zugeeignet« sind. Das erste Stück soll ein «Hüllerlied« sein; warum, weiss man nicht. Das zweite ist ein »Phantasielanz«, vielleicht mit seinem lieben Weibe in Treue. Das letzte ist ein »Reigen«, also abermals ein Tanz. Dass Tänze vorzugsweise »Lyrische Studien« sein sollten, ist etwas Neues. Studien müssen überdies reellen Inhalt haben, hier sind aber vorwiegend Phrasen in einem sehr Zweifelhaften harmonischen Gewebe vorhanden.

<0. L»il« Kihler ist ebenfalls Pianist und Clavierlehrer, wie die Vorigen, aber klüger als seine jüngeren Collegen ; denn als richtiger und altgedienter Schuster bleibt er bei seinen Leisten, was die folgenden jüngsten Producte aufs neue zeigen. Op. 302 : Kleine Clavitr-Etuden nebst beliebten Melodien ohne Unter- und Uebersetzen und ohne Octavengriffe (Jt 3. 50); — Op. 303 : Beliebte Melodien in Etüden zum Nutzen und Vergnügen im Ciavierunterricht (Ji 4. 50) ; — Op. 304: Leichte Stücke zur Uebung und Vergnügung für jugendliche Clavier- spieler (Jt t. 78); — Op. 305 : Volksmelodienkranz für Cli- vierzurUebung und zum Vomblallspiel '.41t. 50); — Op. 306 - Zwei- und vierhändige beliebte Melodien nebst Etüden zur Cla- vierübung (Jt 3) ; — Op. 307: t92 tägliche Ciavierübungen in allen Tonarten ohne Unter- und Uebersetzen (Jt 4.25]; — Op. 308: Ciavier-Etüden für Vorgeschrittene zur Beschleunigung der technischen Entwicklung (,4t 3. 75). Die Etüden Op. 302, denen einige anleitende Worte vorgesetzt sind, werden überall mit Nutzen gebraucht werden können. Die »Beliebten Melodien« Op. 303 sind vielleicht bestimmt, eine grosse Verbreitung zu erlangen, denn sie erheben sich weit über die gewöhnlichen Arrangements dieser Art und können als originelle, gediegene und höchst nützliche Uebungen Allen empfohlen werden. Die < 92 täglichen Uebungen, Op. 307, möchten sich ebenfalls neben allbekannten Meister-Etüden behaupten, denn durch die Berücksichtigung aller Tonarten und namentlich auch noch durch die kurze, präcise Fassung dürfte es diesen Uebungen leicht werden, sich Freunde zu gewinnen. In Summa ist in obigen sieben Uebungswerken schon so ziemlich der ganze Lebenslauf eines geplagten Clavierspielers vorge- zeicbnet. Bedenkt man aber, was Herr Köhler sonst noch alles zu unterricbtlichen Zwecken zusammen arbeitete, so wird Jeder gesteben müssen, dass der Verfasser Ursache hat, über sein wohl assortirles pädagogisches Lager vergnügt zu sein.

< 4. Guter Merkel legt eine Reihe von Ciavierstücken vor — Op. 141: Impromptu (Jt 2) ; — Op. 143: Stimmungsbilder in vier Heften (ä Jl 4. SO bis Jl \. 75) ; — Op. 154 : Zwei Rondos in zwei Heften (a Jl 4. 25) ; — Op. «59: Rhapsodie (.* 4. 50); — Op. 164 : Lyrische Blätter, fünf Ciavierstücke in fünf Heften (a 75 .'-r bis 4 .# . Der Autor bat nicht seilen eine glückliche Hand; was er dann schreibt, spielt sich gut, wird daher gern gespielt. In seinen Stimmungsbildern ist Stimmung, die Rondos haben gute Form (Nr. 4 bat auch hübsche

Gedanken) und die beschreibenden oder malerischen Stücke sind ebenfalls durchweg angenehm.

42. Itrltl iMikewskl bringt Drei Gedichte im Volkston, Op. 26 (Jt 2. 25). Besagte Gedichte sind nicht mehr im Volkston, als hundert andere, die nicht im Volkston sind. Das erste «Gedicht« (der Autor kennzeichnet sich durch die Bezeichnung als Jungdeulscher) hat eine einfache gehaltvolle Melodie, das zweite eine breitgetretene und gesuchte, das letzte balladen- mässig gestaltete eine anmuthig frische und ausdrucksvolle, soweit solche Eigenschaften bei der mangelhaften Ausbildung des Autors im Vocalsatz zur Geltung kommen können. Dieser Musiker ist ebenfalls vorzugsweise Pianist, und seine Barcarole Op. 27 Nr. t (Jt 2. 25) , Tarantelle Op. 27 Nr. 2 (Jt 2. 50) und Miniatures Op. 28 (Jt 4) werden Spielern, je nachdem sie sind, Vergnügen bereiten. Die fünf Miniaturen sind am einfachsten und mit massiger Gewandtheit zu bewältigen. Drei Stucke für Violoncell und Ciavier, Op. 29 \.4t 4. 50) sind zu empfehlen, namentlich das erste und drille. Fügen wir hier gleich ein ähnliches Werk für ein Saiteninstrument an, nämlich von

43. Bernhard Schul» die Sonate für Violine und Ciavier, Op. 55 (Jt 5. 50), eine mit grossem Fleiss ausgearbeitete Com- position, deren Motive freilich etwas gesucht oder unbedeutend sind und daher nicht eine besonders in die Augen f.-illrinlr Wirkung haben. Es ist immer misslich, für ein Instrument zu schreiben, welches man nicht selber wie ein Meister handhabt; wer diesen Mangel nicht durch besondere Gedankenfülle verdecken kann, der unterzieht sich einer undankbaren Aufgabe.

44. Kdnard Lassen hat es bereits über Op. 70 gebracht, und der Herr Verleger lässt fast die ganze Seile des Umschlagtitels frei für folgende Opera, woraus wir schließen, dass seine Muse noch in der Periode voller Fruchtbarkeit sich beündel. Von Liedern hat er schon 25 Hefte in Hainauer's Verlag herausgegeben , deren beide letzte uns vorliegen: Sechs Lieder Op. 74 (JJ 3. 50) und Sechs Lieder Op. 72 (Jt 3. 50). Ans dieser grossen Zahl gedruckter Gesänge wird man den Schluss machen, dass ihre Verbreitung ebenfalls eine entsprechend grosse sein muss. Vielleicht ist das auch der Fall. Jedenfalls sind diese Lieder in ihrer gewandten Mache, der geschickten Anscbmiegung an die Gefühlweise der Gegenwart, wie an die Bedürfnisse der Singenden, sowie in ihrer gesanglichen Unnatur ein charakteristisches Zeichen für den Zustand des Sologesanges in unserer Zeit. Das jüngste Product Lassen's enthält Musik tu Calderon's Schauspiel ,Ueber allen Zauber der Liebe' Op. 73 (Ciavierauszug Jt 5), eine melodramatische Composition , wie der Autor deren schon mehrere an den Tag gebracht hat. Seine mehrstimmigen Gesangsätze sind hier wieder so dürftig, incor- rect und unnatürlich, wie früher, was unausbleiblich ist, wenn man keinen anderen Muslern folgt, als der modernen Oper.

45. Emt Flügel'i Composition des Goethe'schen Mahomet's Gesang alsConcertstück fürChor und Orchester Op. 24 (Ciavierauszug Jt 6) ist von ziemlichem Umfang. und es würde uns grosse Genuglhuung bereiten, hinzusetzen zu können, dass der Gehalt dem Umfange entspricht. Wenn dies leider nicht der Fall ist, so kommt es namentlich wieder daher, dass der Autor für Gesang schreiben will, ohne Gesang und besonders auch mehrstimmigen Vocalsatz studirt zu haben. Man vergleiche S. 5 «gute Geister«. Wie ist nur solche Unnatur möglich, wo das Richtige, Wohlklingende und Herzerfreuenüe doch so nahe lag! Da wird man denn auch seinen Psalm Hl für gemischten Chor, Soli und Orchester, Op. 22 (Ciavierauszug .// 6), mit welchem wir unsere heutige Besprechung abschliessen, ohne besondere Erwartungen zur Hand nehmen. Wenn diese Autoren mit ihren zum Theil äusserlich gross angelegten Werken nicht den entsprechend grossen Erfolg haben, so ist gewöhnlieh die »absprechende Kritik« schuld daran. Mögen sie nur erst lernen, dass es viel leichter und auch weit angenehmer ist, zu laben, als Ausstellungen zu machen.

VABESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Originalhan ilsc h rifl herausgegeben von Paul öraf Waldersee.

L'Oca del Cairo.

Dramma giocoso per Musica.

(Schlius.)

11 secondo Atto incomincia con una lempesla di Märe. II Cielo e nero, tuona e lampeggia. II Hare e tutto sconvolto. Si vede di lontano una nave, ehe Iravaglia per arrivare in porlo; un vento impetuoso finalmenle ve la spinge. V'accorra gran Popolo, ma, primi d'ogn' altro, Biondello e Calandrino tutti giulivi, ehe invitano il Popolo, e qnelli, ehe sbarcano, a can- tare, durante lo sbarco, un piccolo Coro d'allegrezza. Sbarca quantilä di Genie, ehe viene alla Fiera. L'ultima di tutti e Pan- tea, ehe si da il nooie di Sandra , in abito straniero, e tinta il volto di nero, siech' t impossibile anche allo stesso Marito il riconoscerla. Conduce seco l'oca, eh' e ricoperta d'un velo Irasparente, e dice venire dal Cairo. Vi s'aflblla il Popolo, e l'esibisce denaro per veder si raro animale, e Pantea, preso il denaro, si pone in un luogo eminente, e raccolta dagli allri nuova somma, scuopre finalmente l'oca, e le fa fare de' giuochi, ehe sorprendono chi non sä quäl oca sia. Biondello e Calandrino si ritirano, vedono fra la Tolla Chichibio, ehe in vece d'andare a far le necessarie proviggioni per la gran cena, se ne sta a bocca aperta a mirar l'oca. Vanno dal Harchese, dove poco dopo sopragiunge Chichibio tutto ansante, dice non aver peranco ritrovato nulla a proposilo per la cena, ma aver bens\ trovata un oca, ehe essendo d'enorme grandezza, sola basterebbe per uua cena laulissima d'allrellanti Convitati. Ne fa a suo modo la descrizione, ehe metle il Harchese in curiosita di vederla, ma piü a ciö l'inducono le persuasive di Biondello e di Calandrino. Ordina dunque, ehe gli sia condotta innanzi. Panlea ve laconduce, egli la vede, l'ammira , ed alle operazioni vera- mente umane resta slrasecolato, edice, ehe in falti non le manca, ehe la favella. A ciö risponde Pantea, ehe l'oca sä anche parlare, ma ehe dalla paura della burrasca soflerta l'era cadula l'tigola, ma ehe, se potesse condurla tulta sola in qualche giar- dino muralo, con una cerl' erba, ehe vi cresce inlorno alle mura, fino,a sera le farebbe ricuperare la favella. Giacch' e cos'i, soggiunge il Marchese minchione, io li<> appunto un giar- dino, come voi dite, andateci pure, ed in quesl' occasione di- vertirete mia Figlia, e la mia Sposa, ehe sono la eotro, Calandrino vi condurrä fino alla porta, ma non piü oltre, ed in falti manda subito un ordine scritto alle guardie, di non lasciar pas- sare allri, ehe l'oca, e sna Condoltrice. Invita questa, e l'oca alle 8ne nozze, Pantea accetta l'invilo, lo ringrazia, e lo stesso fa l'oca co' gesti. Calandrino le conduce verso la Rocca, ma prima, secondo l'appuntamento gia fatto, si rilirano in un al- bergo solitario sulla via, ehe porta alla della Rocca, e quivi, sollo preteslo di rifocillar l'oca, Pantea si chiude in una camera aspellando Biondello giä informato di tutlo, e Calandrino se ne ritorna dal Marchese, ehe ritrova appunto con Biondello, e colla gua Corte in mezzo della Fiera.

NB. Hn'i la Scena rappresenta la Fiera, ehe s'estende fino alla Rocca, ed alquanto piü oltre. La parte principale della Rocca, ehe si vede, e la Torre alla qualtro piani, e le alte mura, ehe formano un semicircolo, e rinchiudono il giardino, di cui non si vede , ehe le cime de' piü alti cipressi. La Torre <' si

vicina alle mura, ehe da essa si puö facilmente vedere, e dis- correre con chi passa. In quesla parte, ch' e diversa da quella del primo Atto, dove si vede il pertugio, non ci sono ne porta, ne Guardie, ma bensi la fossa, ed il baslione,. ehe circondaoo le mura. Sülle fineslre del primo piano della Torre vi sono Celidora e Lavina, ehe osservano la Fiera, e se la discorrono assieme. Di la poco lonlano si vedono de' Ciurmatori, ehe ven- dono balsami, ed altro, e cavano denti, sono atlorniati da molla gente, gestiscono, ma non parlano.

Mentre Don Pippo lutto allegro parla colla sua Lavina, ch'e alla finestra, e non riceve da lei ehe risposte sprezzanti, e Biondello, fingendosi mesto, parla in presenza del Harchese con Celidora, congratulandosi seco lei delle imminenti nozze col Conte Lionetto, e ciö non senza qualche altercazione con Don Pippo, arriva in frelta Calandrino con una truppa di Gente, ehe si chiama offesa, ed ingannata da un Ciurmatore, e riccorre al Marchese per averne cosi sü due piedi la dovuta soddis- fazioni. Calandrino prende a difendere la Gente offesa, e Biondello il Reo, avendosi prima tra loro con un' occhiata, e con un cenno intesi di mettere in confusione il Marchese, il quäle fatlasi portare la sua poltrona siede in Tribunale cosi in sulla slrada di rimpetto alla Torre. V'accorrono anche Aurella, e Chichibio, ed asseriscono essere stali ancor essi gabbati. II Marchese confuso da st forte aringa dimanda alla semplice Lavina il di lei parere, la quäle, scusandosi, si rimetle in Celidora. Quesla non volendo dar torto a Biondello, non risponde a tuim.i. e Don Pippo finalmenle incalzalo dall' Avvocato della turba, ehe furibonda si muove, a reoderle giustizia, pronunzia una sen- tenza si balorda, ehe il Popolo infuriato gli s'avvenla, e chi gli tira da di sotlo la sedia, e la getta nella fossa, chi gli strappa dalle mani il baslone, chi la spada dal ßanco, e chi di capo la perrucca, sieche egli e obbligato di salvarsi dalla furia del Popolo, e di rifuggirsi nel suo Palazzo, e questo tumulto formerä it Finale del secondo Allo.

La Scena prima Hell' Atto terzo rappresenta un bosco lungo la via, ehe porta alla Rocca, e ehe dielro a quesla confina col raonte, parte opposta a quella del primo Alto, e da questa parte si vede un ponie levatojo con Guardie, ed un Portone. In mez7.o al bosco e situalo l'albergo solitario, dov' e nascosta Pantea con l'oca. Quivi si trovano Biondello e Calandriuo scappali dal tumulto del secondo Atto, e perdutisi assieme fra la folla. In una Stanza a Pianlerreno di detlo albergo vi vede Pantea, ehe si scuopre a Biondello, il quäle tutto allegro entra nella macchina, d'onde l'uouio, ehe v'era, e sorlito. Calandrino si raccoroanda -ilF oca, e le rammenta la sua promessa, la conduce alla Rocca, ed essendovi quella colla sua Condottrice intromessa, se ne ritorna addietro.

La seconda Scena e 1'Appartamenlo di Don Pippo.

Siede Don Pippo in una sua Camera, in abito di gala cari- i-.-ilii. su una poltrona, facendosi leggere da Chichibio la lista de' piatti della cena, la quäle sarä ridicola. Gl' interrompe Calandrino, ehe viene tutlo smanioso, e racconta al Marchese, come Biondello disperando di poter piü enlrar nella Torre, e di conseguir Celidora, ne soffrendo vederla in braccio altrui, per non trovarsi con tanlo suo scorno a quesle nozze, prese un batlello, e cosi solo dice averlo veduto abbandonarsi all' onde per non ritornarsene mai piü addietro. Sopraggiunge Aurella, e piangendo dice, averlo inteso anch' essa. Don Pippo se la ride a crepa pancia, e gia canta viltoria, medilando fra se d'impossessarsi, come Signor territoriale, de' di lui beni. Ordina, ehe tutli i suoi domestici siano in gala, e pronli a se- guirlo alla Rocca, di dove vuol condurre a Casa le due Spose, lamenlandosi, ehe non giunga ancora il Conte Lionello da a Calandrino suo Nipote g)i ordini di restarsene a Palazzo, di mettere tutlo il resto in ordine, e di fare le sue veci, e gli ooori della Casa, arrivando il Conte di Casavuota öd allri Foreslieri.

Cbichibio ed Aurelta reslano pure in Casa per lo slesso fine, come subordinati a Calandrino, e frallanto vanno anch' essi conchludendo le loro nozze. Non essendo ancora notte, ni ter- minata la Fiera, Don Pippo s'incammina con lulto il reslo della sua Corle , tolto veslita in caricatura , verso la Rocca, seguilo da im' infinite di curioso Popolo, ed arrivando egli vicino alla Kocca, sieche possa esser veduto, compariscono Celidora e Lavina ad im.-i linc-lra lütte fesleggianti, e veslile in gala, avendo ia mezzo di loro l'oca, ehe col lungo suo collo fa mille scherzi, dando al Marchese il benvenuto. Henlre li si tralticne nella Torre, Calaodrino »i Iraslulla con Auretta e Cbicbibio, e ricon- ferma loro, anclie in nome di Biondello, In promessa di farli ancor quesla sera Sposi felici. Lungo il baslione vedesi di Ion- lano venire uoa quanlila di Popolo, ed ecco Don Pippo, ehe ritorna colle due Zitelle libere dalla loro prigione, e con l'oca, e sua Condetlrice, la quäle data di nascosto in mano a Celidora la corda, con cui e legala l'oca, poco a poco si perde fra la mollitudine, si ritira all' albergo solilario di prima, ove si tra- vesle in allra foggia, si lava il volto, e le m,im, sieche diveata bianca, poi ritorna, e mischiatasi fra la folla, viene con quesla a Palazzo, tenendosi peri) sempre discosta da chi polesse cono- scerla. II Marchese, nun vedendo piü Sandra, dimanda d'essa a Celidora, ehe gli risponde, averle ella consegnata l'oca , e itello, ehe andava in un albergo per raffazzonarsi un poco afßne dt comparir piü pulita alle nozze. Egli se la beve, e s'acchela, ed intanto entrano in Palazzo.

Qo\ la Scena rappresenta il gran Salone, dove si vedono Calandrino, Chichibto ed Aurella, a' quali s' unlscono poi tutti gli altri Personaggi con seguilo, e parle del Popolo, ed anche Rlomlello, cli' e l'oca, e sta oel mezzo; ma Panlea si scuopre toln tra la Genie da un abilo disllnlo. Don Pippo fa alle Zilelle nna parlata sopra la loro prigionia, e sopra la über l a presenle, ehe va a finire collo stato conjugale, prescriveodo loro leggi a modo suo. Se la ridc di Biondello, e l'oca co' gesli lo seconda. Si dimostra egli impazlenle dell' arrivo del Conte Lionetto. Scotendo cio Chichibio parte e di li a poco ritorna tullo in ftiria grldtndo: II Conla Lionetto di Casavuota e qul, e qul. Don Pippo lulto allegro vuol corrergli iocontro, ma poi riflelte, ed ordina a Chichibio di coodurlo ben adagio, trallenendolo in sulle scale finch' egli s' asselti la perrucca, e si spolveri le scarpe, per andarlo a ricevere tutto lindo e profumato. Chicbibio Va a mettersi in frella un pajo di stivali da Corriere, un abilo da vllggio ed un perruccone, il tulto caricalo, sieche subito non e conosciulo, s'avvanta con paaso grave, ed avvicioatosi al Mar- chese, ehe va col suo seguito ad inconlrarlo, dice: ecco il Conte Llonetlo di Casavuöla qul solloscrilto, cavando nell' atlo slesso di tasca una leltera sudicia, ed aperla, ehe dice averla trovata in cucina sul focolare, ed essere stata portala da un Carbonajo. II Harcbese, leggendo l« letlera, ch' e poco civile, si conturba, e scaglia improperj conlro il Conto, miriacciaiido poi Chichibio per aver aperla, e letta la lellera. Qneslo trova una scusa ridi- cola, e se la pagsa in faurla. Disperato Don Pippo di non avere uno Sposo per Celidora, e volendo lutta via marilarla in quesla 'i,i la esibisce a Chichibio, queslo resla perplesso, Aurella prolesla, e Celidora lo ricusa, dicendo non voler altri, ehe Biondello. II Padre la sgrida, e dice, ehe Biondello non lo vedra mai piü, perchA s'e anncgalo, ma se mai si fosse anche salvato, e ritornasse, tutla volta non se lo speri, poich' egli non Im ca- pace di teoer la sna parola entrando nella Torre ; la offre dunque per di lei maggior dispello al primo, ehe s' appresenta, e le si fa subito avanli l'oca, e co' suoi scherz! moslra esser ella lo Sposo, cio, ehe muove tutti alle risa, e Don Pippo sl lagna, ehe nncora non parK. Celidora risponde, ehe l'erba non puö pe- ranco fare il suo elfello, ma, ehe' lo fara in brevissimo tempo, replica non voler nllro Sposo, ehe Biondello, in difetlo, giacche l'oca e un Papero, lo dichiara suo Sposo, poiche Sandra gliel'ha

clmiato. Tutti la burlano, ed intanlo iocomincla a suonarsi l'In- troduzione al Finale.

Qui Panlea s'inoltra fra la gcnte (in dietro le spalle del Mi rito, senza esser da esso osservala , ne da allri ronosciula, lenendosi a lal fine un fazzolclto alla bocca, e nel tempo slesso Calandrioo s'avvicina alla sinislra di Lavina, e Chicbibio a quella d'Aurelta, non dipartendosi il Papero dal mezzo di Celidora e del Marchese. Don Pippo dice a' Convit.iti ehe questa musica significa esser lutlo preparata per la cena, e per il Ballo, ne altro mancarsi, ehe il darsi la mano. Si burla di nuovo di Biondello, come anche di Celidora, poicbe divenla Sposa d'un Papero, indi si rivolge a Lavina, e le comanda di dargli la mano. Essa dopo qualche ripugnanza prometle di dargliela, e menlre dice: eccoli la mia destra, ed egli ha in aria la sua per porgerla a Lavina, deve subito vollarsi verso Cbicbibio, ed Auretta, ehe rci-i istrulti l'interrompono, dimandandogli d'esser aache loro Sposi, e nello slesso momento, ch' egli sla in quell' attitudibe, e dice colla mano in aria, ed in frella di sl agli altri due, Panlea bubenlra a Lavina, e Siringe la destra di Don Pippo, e Lavina quella di Calandrino, e rivoltalosi il Marchese, credendo aver per mano Lavina, si trova avere Pantea sua vera Hoglie. Hesta übigollito, e fuor di se. Paolea comanda al Papero, ehe parli, e Biondello scosse da se le spoglie d'oca, si scuopre, porge la destra a Celidora, e ringrazia Don Pippo d'averlo egli slesso servilo di Mezzano, introducendolo nella Torre, com' ei gli predisse. l'oi esso, e Calandrino promettonoa Chichibio, ed Auretla gia Sposi, d'efTettuar quanlo prima la loro promessa. Cos'i Don Pippo, tullo confuso, e beffeggialo da tulli, si trova costrelto a celebrare, in vece delle nozze colla seconda Hoglie, le seconde nozze colla sua prima Moglie, e le grandi spese, ehe avea gia falte per sua poinpa, e fasto, sorvono ora per dilelto allrui, e per sua vergogoa. Ha in lal vessazione finalmeote avvedutosi della sua balordaggine, e rivemito in se slesso, pro- melte mutar sistema di vila, di lener oltima compagnia alla Hoglie, e d'esser Amico di lulti, particolarmente di Biondello, e di Calaodrino. Dichiara suoi Eredi Celidora e Calandrino suo Nipole, dona a Chicbibio, ed ad Aurelta un Capilale di venli- cinquemila scudi, Biondello dona a Chichibio una delle sue belle Case di Cilta , e Calandrino ad Aurelta un suo ricco po- dere con Casa di Campagna, e cos) tulti in vece di burlarsi piü del Marchese pazzo , lodano , ed esallano il Harfhese savio, e generoso, e passano la sera in oltima allegria.

So weil die Varesco'sche Handschrift. In der Annahme, dass einem Theile der Leser eine kurze Angabe des prosaischen Tbeiles in deutscher Sprache willkommen sein dürfte, füge ich eine solche bei.

Don Pippo, Harchese di Ripasecca, ein eitler und verliebter Geck, hält seine Gemahlin Donna Panlea, die sich von ihm getrennt hat, aber an einem Orle jenseits des Meeres sich aufhält, für todl. Biondello, ein Edelmann aus Ripasecca , wird von Don Pippo seines Reichlhurus wegen beneidet und von diesem bei jeder Gelegenheit gefoppt. Bei einem Gastmahle, zu dem Beide eingeladen sind, wellet der Marchese mit dem Edelmann , dass, falls es ihm gelänge, binnen Jahresfrist in den Thurm zu gelangen, in den er seine Tochter Celidora eingeschlossen hat, «r ihm diese zur Gemahlin geben wolle. Biondello, der Celidora liebt, wenngleich er weiss, dass sie für den Conte Lionetto di Casavuöla bestimmt ist, nimmt die Welle an, auf die Hülfe seines Freundes Calandrino, der ein geschickter Mechaniker ist, rechnend. Dieser, sterblich verliebt in Lavina, die Gefährtin der Celidora, gleich wie diese eingesperrt und von Don Pippo mit Heiralhsanlrägen verfolgt, fertigt im Geheimen eine künstliche Gans an , die so gross ist, dass sie einen Menschen bequem aufnehmen kann und überschickt sie der Pantea, damit diese verkleidel nach Hipasecca kirne, um die Gans öffentlich zur Schau zu stellen. Man hofft, dass Don Pippo diese den Mädchen im Thurme wird zeigen wollen und bei dieser Gelegenheit Biondello eingeschmuggelt werden kann. Gelänge dieses, so verspricht Biondello seinem Freunde Calan- drino, dafür Sorge tragen zu wollen, dass er die Hand seiner geliebten Lavina erhielte.

Der letzte Tag des ausbedungenen Jahres bricht an. Die Vorbereitungen zu einer grossen Festlichkeit zu Ehren der Vermählung des Don Pippo mit Lavina, sowie der des Conlc Lionetto mit Celidora werden getroffen. Pantea mit der Gaus ist noch Dicht angekommen. Biondello und Calandrino in grosser Besorgniss fürchten, dass, da ein Sturm ausgebrocheu ist, sie ganz ausbleiben wird. Sie beschliessen, nach dem Thurme hin eine Brücke zu bauen, um mit Hülfe dieser zu ihren Geliebten zu gelangen. Sie versprechen dem Haushofmeister Cbichibio. sowie dessen Geliebten dem Kammermädchen Auretta eine Summe Geldes, wenn sie bereit wären dem Don Pippo die Kleider fortzunehmen, damit dieser genöthigt sei in seinem Hause zu bleiben. Der Bau der Brücke ist in bestem Gange, Biondello und Calandrino leiten ihn, während Celidora und Lavina von einer Terrasse aus, zu der sie sich heimlich einen Zugang verschafft haben, der Vollendung der Arbeit und zugleich ihrer Erlösung erwartungsvoll entgegensehen. Von ihrer baldigen Hochzeit plaudernd, haben aber Chicbibio und Auretta es unterlassen, auf den Don Pippo Acht xa geben. Dirsrr hat sich allein angekleidet, ist ausgegangen und im Begriffe die Umgebungen des Thurines zu visiliren, slössl er auf die Zimmer- leule, die den Bau der Brücke noch nicht vollständig vollendet haben. Er ruft die Wachen der Burg zu Hülfe, die Arbeiter werden in die Flucht geschlagen , hiermit endet der erste Act.

Der zweite führt uns an den Strand des Heeres. Der Sturm lässl die Wellen hoch aufspritzen , der Himmel ist dunkel bezogen, es donnert und blitzt. In der Ferne sieht man ein Schiff, das in den Hafen einzulaufen bemüht ist, ein heftiger Wind- stoss treibt es hinein. Viel Volk, das den Jahrmarkt besuchen will, landet, als letzte Pantea. Sie nennt sich Sandra, hat ausländische Kleidung angelegt und das Gesicht schwarz bemalt, um von ihrem Gemahl nicht wiedererkannt zu werden. Sie führt du' Gans mit sich und behauptet aus Cairo zu kommen. Das Volk, läuft herbei und bewundert das seltene Thier. Am h Cbicbibio bat es gesehen, er berichtet hierüber dem Marchese, der Pautea kommen lässt. Diese versichert, Hass der Gans augenblicklich die Sprache , die sie aus Schreck über das Unwetter verloren habe, fehle, dass diese sich aber wieder einstellen würde, wenn sie ein gewisses Kraut in einem einsamen von Mauern umgebenen Garten zu sich nehmen könnte. Don Pippo erlheill den Wachen den Befehl, die G tos Bit ihrer Füli- rerin in die Burg einzulassen, damit sie im Festungsgarten da* Kraut genösse und die Mädchen an ihrem Anblick sich ergötzen könnten. Der Jahrmarkt in der Nähe des Thurmes ist in vollem Gange, die Mädoben sehen <U» Treiben Tob. Fenster'aus zu. Don Pippo und Biondello haben sich uaters Vo4k gemischt, da erscheint Calandrino mit einem Trapp von Leuten, die unter sich Streit bekommen haben uad reriiogea, dass Don Pippo als Gerichlsherr über diesen Fall Recht sprechen soH. Er benimmt sich aber hierbei so tölpelhaft, dass das Volk in Aufruhr gerälh und er gezwungen ist, sich in seinen Palast zu flüchten.

Bei Beginn des dritten Ades finden sich Biondello und (',»- landrino, die bei dem Tumult« sich aus dem Staube gemacht haben, bei Pantea ein, Bioodello kriecht in die Gans und Calandrino führ) sie mit ihrer. Führerin nach der Burg, wo er dem Don Pippo erzählt, dass Biondello in Verzweiflung darüber, dass Celidora doch für ilm verloren, in einem Kahn auf die offene See gefahren sei. Auf diese Nachricht hin ist Don Pippo hocherfreut und hält die Welle für gewonnen, er ordnet an, dass die Dienerscnail für die Hochzeit Alles in Stand setze. Er

selbst hegiebt sich in flittcrfaeladenem Aazuge oach dem Thurme. Celidora und Lavina in eleganter Toilette stehen mit der Gans am Fenster, letztere mit ihrem langen Halse dem versammelten Volke zunickend und Don Pippo bewillkommend. Endlich betritt dieser den Thurm selbst, die Hochzeitsfeier soll gleich nach Ankunft des Conte Lionetto beginnen. Letzterer bleibt aus, dagegen überreicht der verkleidete Chichibio dem Don Pippo einen Brief desselben, worin er auf die Hand Celidora's verzichtet. Diese Absage hält den Marchese jedoch nicht ab , an seine eigene Hochzeit zu denken und im Begriffe die Hand La- vina's zu ergreifen, drängt sich Pantea vor und erfassl die seine. Die Gans fängt an zu reden , iiffnol sich und Biondello tritt hervor. Die Wette hat Don Pippo verloren, seine todt geglaubte Gemahlin hat er an der Hand, von Allen verlacht, verspricht er eine andere Lebensweise annehmen und Panle» in Zukunft gut bebandeln zu wollen. Celidnra wird mit Biondello, Lavina mit Calandrino, schliesslich auch der reichbeschenkte Chichibio mit Auretta vereint.

Berichte.

Leipzig.

Das sechste Gewandhausconcerl (9. November) w*r eine pietalsvolle Gedenkfeier an den Todestag Felix Mendelnsoho- Bartholdy's (gest. ». Nov. 4 847), wie sie hier alljährlich an der Statte seines Wirkens stattzufinden pflegt. Der Umstand, dass sammtlicbe Nummern aus Compositionen Mendelssohn's bestanden, brachte e« mit sich, dass sowohl die Vorzüge seiner Musik lebhaft hervorstach*-n : der edle Geist, tiefe Innigkeit, Liebenswürdigkeit und Grazie, der feine Humor; dass aber andrerseits auch da*, was dem Künstler fehJte, den Hörern schliesslich ins Bewusstsein trat: kraftvolles Empfinden und heroische Leidenschaft. Das Programm zerfiel in einen geistlichen und einen weltlichen Theil; der erstere enthielt: Motette »Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen* fUr achtstimmigen r.UuJ, Tenor-Arie aus Eliss»So ihr mich von gauzem Herzen suchet«, Ave Maria für Tenorsolo, achtstünmigen Chor und Orchester, letzteres Slttck hier zum ersten Male. Der zweite Theil umfasste die A ilu i-Symphonie, Sopran-Arie aus der Jugend-Oper »Die Hocbzntt des Camacho* (»Wer klopft so leise an die Thiir-), Hebriden-Ouver- tiire, Finale aus der unvollendeten Oper »Loreley« (Sopransolo, Chor, Orchester). Unter den Solisten zeichuete sich Herr Hedmondt, Opernsänger am hiesigen Stadttheater, durch den edlen Klang seines Organs, Frau Moran-Olden, grossh. Oldenburg.Kammersängerin, durch guten Vortrag, namentlich in den leidenschaftlichen Partien der »Loreley« aus. Der Chor erfüllte mit grossem Verständnis» seine Aufgabe, oesonders gelangen ihm der Eingang des Finale, sowie die Stelle »Sollst dein Herz zum Lohn uns geben«. D»» im Programm verzeichnete Violincnncert musste leider wegea Erkrankung des l-'rl. Marianne Eissler ausfallen.

Das siebente Gewand ha usconcert (4«. Novbr.) brachte uns zu Beginn eine Wiederholung dt-r zum 100jährigen Jubiläum der Gewandbausconcerle componirlen und ihrer Zeit besprochenen Ouve»- tilre »Zur Jubelfeien von C. Reinecfce, am SokluM eine (bis auf ein geringfügiges Versehen im zweiten SaUe) grosstrtig schöne Repro- duclion der »Eroica« von Beethoven. Herr van der 'Heden tu» Berlin sang mit tiefem Gefühl eine T«»or-Arie ;w4* Gluck'« »Iphigenie auf Tanns - (»Nur einen Wunsch, nur ein Verlangen«) und vier Lieder von F. Schubert: In der Ferne, Pause, Mit dem grünen Laulenbande, (als Zugabe) Die Post. Zum ersten Mal« im Gewind4uiM« pradncirte «ich das vielgenannte »Wunderkind« Miurlce Dengramont, mittlerweile ein heranreifender JUngling von 47 Jahren geworden. Er spielte mit hoher technischer Ausbildung, gemuthvoll und mit grossem schönem Ton das erste Violinconcert in G-moll von Max Bruch, Nocturne von Chopin-Sarasat« und Polonaise von Wieniawslü, zuletzt eine Pizzicato-Studie zugebend. Möge der Jugendliebe Künstler, unbeirrt von den überschwenglichen Lobpreisungen der Tag«s- presse, durch eifrigstes Weiterstraben die Erwartungen erfüll««, dir sein talentvolles Spiel erweckt.

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No. 4. Mairegen. — 1. Vorsatz. — I. Nacht. — (,'6. iladcben-

lieder I—III. — 7. Abends. — 8. Rückblick. Rnblnsteln, Antolne, Op. «4. TroUieme Sonate pour le Piano.

Nouvelle Edition revue par l'Anteur. M 5,50. Wagner, Richard, Feierliches Sttek nach dem Zuge zum Munster aus Lohengrin. Für vier Violoncelle, oder Violoncell und Pianoforte (Orgel oder Harmonium) von Friedrich Grutzmacher. Ausgabe für vier Violoncelle M 1,50. Ausgabe für Violoncell und Pianoforte Jt l,—.

TrUtan uld Isolde. Vorspiel zu Isoldens Liebestod.

Partitur Jl 5,50. Orchesterslimmen .* t,—.

Mozart's Werke.

Kritisch dtrehgesehene Oesammttisgab«.

&exriena.tuBflra.be. — Partitur.

Serie XXIV. No. »8. Supplement n Serie T, Opern. Lo Sposo deluso o sia La Rivalitä di Ire Donne per un solo Amanle. Opera buffa in Uhc Alu. (Ktfcb.-Verz. No. «30.! Jl 1,10.

J51nzelauB4ra.be. — Partitur.

Serie vi. Arten, Dutte, Ttnetto und QaartetU mit Begleltang des Ortheitwi. Zweiler Uumt. No. «—«?.

No. t*. Arie für Bass. Mentre U lascio, o ÜRlia. (K. No. 541.) UT4.10. — 17. Recitativ und Arie für Sopran. Bella mia flamma. (K. No. 518.) Jl 4,15. — *8. Arie für Sopran. Ah se in ciel, benigne stelle. (K. No. 518.) Ji 4,50i — 39. Ein deut- sches Kriegslied. Ich möchte wohl der Kaiser sein. Für Bass. (K. No. 5l».) *5^. — 40. Anette für Bass. Un bado di mano. (K. No. 544.) «0 Sf. — «4. Canzonette. Piü non si trovano. (K. No. 5«*.) SO j)t. — «1. Arie für Sopran. Alma grande e nobil. (K. No. 578.) «0 3jl. — «S. Arie für Sopran. Chi sä, chi .«a, quäl sia. (K. No. 581.) 80 Jp. — ««. Arie für Sopran. Vado, ma dove? oh Dio l (K. No. 58».) 75 $r. — 45. Arie für Bass. Rivolgele a lui lo sguardo. (K. No. 5«4.) Jl 4,85. — 4t. Arie für Bass. Per questa bella mano. (K. No. «41.) uT4,05. — 47. Komisches Duett. Nun, liebes Weibchen, ziehst mit mir. (K. No. (15.) 80 Sp.

Elozeln.u»jpar>e. — Stimmen. Serie VIII. Sjmpnonien.

No. 84. Symphonie. Cdur C (K.-V. No. 888). .* 5,7». No. 85. Symphonie. Ddur C (K.-V. No. 885). Jl 5,11t

Robert Schumann's Werke.

Kritiieh durchgesehene Gesammtausgtbe. Herausgegeben von Clara Schumann.

Stimmena.uaiKa.bo. Serie n. Omertaren für Orchester.

No. 8. Op. 445. Ouvertüre zu Hanfred. Jl 8,50. No. 41. Ouvertüre zu Goethe's Faust. Jl 7,71.

»o. Volksausgabe.

4*7. Mozart, W. A., Ouvertüren zu den Jugendopern. Für das

Pianoforte zu zwei Htnden. .ä 4,50.

Vollständiges Verzeichnis» des Musikalienverlags. Verzeichnisse der Gesammlausgaben musikalischer Classlker. Verlags-Miltheilungen No. 4«. Prospecle: Anton Krause's Werke u. Musikalische Jugendbibliolhek.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Wintert hur. — Druck von Breitkopf & Harte! in Leiptig. Expedition: L«lpxlir, Rabensteinplatz 1. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg-.

Di« Allgemein* Uugikalidch« Zeitnog

erscheint regelmisitg an jedem Mittwoch

und ist durch alle PoiUmter nnd Bnch-

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Allgemeine

Prali: J.htlkh IS Mk. Prfcnnm. 4IQ.60Pf. Anzeigen: die j Une P«titteil« oder dünn Btim 30 l't Brief« und Gelder verdau fruco erb.Ua.

Musikalische Zeitung,

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig. 29. November 1882.

Nr. 48.

XVH. Jahrgang.

Inhalt: Leibnizens l rlhcil über den Werth oder Unwerth der Opern. — Consonanlenbildung im Gesänge. — Anzeigen und Beurthei- lungen [Edmund Singer und Max Scifriz . Grosse Theoretisch-Praktische Violinschulo). — Novitäten aus dem Verlage von Breitkopf ic Uiirlel in Leipzig (Compositionen von Ferdinand llillcr, Hermann Bock, J. Albert Jeffory, Moritz Hetzel und Ed. Behm). — Händel'3 Teufels-Arie. — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Leibnizens Urtheil über den Werth oder Unwerth der Opern.

(Aus d. Htndscbr. der Kgl. öffll. Bibliothek zu Hannover mitgetheill von Eduard Bodeniann.j

AU in Hamburg im Jabre 4678 in Folge des dort errichteten Opernhauses der gewallige Streit zwischen den »Tugend- samen« und »Gottlosen« sich erhob, liess der dortige Pastor an der S. Jacobi-Kircbe, Anton Reiser, seine Schrift erscheinen: »Theatromania oder Werke der Finsternis* in denen öffentlichen Schauspielen« und griff darin nicht nur die Actoren, Autoren und Directoren, sondern selbst den Rath der Stadt Hamburg scharf an.

Unter den Autoren fühlte sich nun von dem Reiser'srhen Traclal ein gewisser Marci schwer verletzt als anonymer Verfasser der auch in Hamburg aufgeführten Oper «Vespasian«. Ueber die Person dieses Marci habe ich nichts Näheres ausGn- dig machen können. Unter der umfangreichen, bisher noch nicht publicirleu Korrespondenz Leibnizens in der Königl. öflenll. Bibliothek zu Hannover fand ich auch einige zwischen Leibniz und jenem Marci gewechselte Briefe. Marci scheint keine feste Anstellung gehabt zu haben; nach einem Briefe Leibnizens. vom 20. M;«rz <685 ist er ein Sohn des »weyland Canzlers Marci-.', — vielleicht des damals lebenden Kanzlere zu Merseburg: Job. Christoph Marci ' Nach einem Briefe ohne Datum bekommt er in Hamburg die Verwaltung der schwedischen fahrenden Post auf Ystadl. Die Correspondenz mit Leibniz betriff! besonders Bücberbesorgungen für Letzteren, doch auch Politica. In einem Briefe aber, welcher hier nachfolgt, bittet er in Folge der oben erwähnten, durch Anton Reiser erfahrenen Angriffe Leibnizen um dessen Urlheil über den Werth oder Unwerth der Opern :

Hochedler, Vest- und Hochgelarter,

Insonders Hochgeehrter Herr HofRath.

Ich habe mir untern) dato.vpni SO. upssalp die Kunhcit genommen, Meinem Hochgeehrten Herrn HofR. mit einem schreiben aufzuwarten. Dieses gcschiehel nun, ip einer mir angelegenen suche Meines Hr. HofRaths hochvernunbtiges gulachten einzuholen. Es wird demselben sonder Zweifel annoch in unverruektem indencken ruhen, wie Zeit meiner jüngsten anwesenheit In Hannover ich die rrwehnung gethan, dass die Opera Vespasinn von meiner, elabora- lion sey. Nun halt seitdem Hr. Lic. Antonius Reiser, Pastor bei der Kirchen.su St. Jacob in Hamburg, ein trnctatchen geschrieben, so er TheatrQmaniam nennet und die Hamburger Opcrcu unier dem geistlich-eifrigen Worte ujr Wercke der Finsternüs, auch sonslen empfindlich durchgezogen. Wie er nun weder der Actoren, Directoren, ja sogar des Rnlh* der Sladt dabei in keine Wege verschonet, so hott auch die unschuldige person ihm durch dieSpissrulhen laufen müssen, welches und der ganze Inhalt Mpinem Hr. HofKalh «us Lesung XVII.

des Tractatchen auch, bereits wird, bekannt seyu. Zwar haben bis dato sehr w.enlge gewust, dass meine Feder bei dem Wereke inier- eaiiret sey, doch diese Veranlassung wird viele zu der curiosiUt verleiten, sich nach allem genau zu erkundigen, daher wohl schwerlich meine arbeit langer verborgen seya, kan und ich sie nolhdring- lich agnosciren muss.

Helle demnach, wo es sonder Meines Hr. HofRaths Beschwer geschehen mochte, so dringlich zu bitten, mir vorerst dessen Be- dencken wegen solches ganzen tracUlchens, zugleich was sein senti- ment von denen Opereii sey, zu gönnen. Hernach möchte ich wohl informiret seyn, — weil der autor mit mehrerm dreuet und man von Seiten der Herrn Interessenten das Werck so nicht steck an lassen kan, im fall es solle angemutbet werden, —ob ich die dcfenslon der Operen, da ich pro nunc dergestalt inleressire, nicht cum appro- balione gelehrter und unparteiischer Leute amplectiron könne; Indem ich fast nicht sehe, wie ich micfaf entbrecben kan, und doch, sich an der Geistlichkeit zu reiben, eine verd. iesllche Sache ist, da man selten viel erbtflt, weil sie, wenn sie nicht weiter können, mit schimpfen und calumnien um sich werften. Ich bitte, so guiig zu seyn und mir hiervon leine meinuog zu eröfnen, welches ich allemahl mit gehorsamer erkentnis rühmen werde, da Ich, unter erlassung in Gottes schuz, bin

Meines Hochgeehrten Hr. HofRalhs

Stockholm 47. Aug. 4684. schuldigster Dienrr

Marci..

Auf die letzte leere Seile dieses Briefes hat nun Leibniz das Concept seiner nachfolgenden nndalirlen Antwort geschrieben :

,,Soviel meint Gedancken wegen der Operrn oder Singschau- tpiele betrifft, die mein Herr begehret, 10 achte mich twar hierin Ändern vortuurtheilen viel tu wenig, inmalten ich tehe, das* auch tehr berühmte Leute darüber meint. GleichtooM aber itt dietes meine unvorgreifliche Meinung, da*s ein. solches Sin - Schauspiel nicht*, ander*, sei, alt ein sehr u,„hi verständiges Mittel, da* menschliche Gemüth auf» aUerkrä(tu,tte *u bewegen und su rühren, dietool darinn die nachdrückliche Einfalle, die tier- licne. Wort, die ,irti</e fteimöildung, die herrliche mutic, die schonen Gemeldt und künstliche Bewegungen zusammenkommen und sowohl die innerliche als auch die beyden oben [T so t] euter- lichen Sinne, 10 dem Gemüth vornehmlich dienen, vergnügen weilten. Gleichtäte nun die Beredsamkeit sowohl tu gutem als bösem Zweck zu gebrauchen, also ist's auch mit diesem neuerton- nenen Beiaegungimittel bewandt, welche* den Menschen zur Geilheit, Kachgier, Hochmuth reizen und auch wir Tugend, Beständigkeit , wahrer Ehre und ungefärbter Frömmigkeit ermuntern kan; also dass meines ermessen* dergleichen Schauspiele im gemeinen Wesen nicht ab*uichaffen, sondern als ein kräftiges in- strument zu Regierung des gemeinen Mannes «u gebrauchen wären. Kur hallen Obrigkeit und Seelsorger billig dahin zu selten, dass damit wohl umbgegangen werde, wie dann einige

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Comoedten »o bewandt, dass sie mehr Schaden alt Nuten bringen, alt mm exempel das togmante Fettin de pierre, darinnen ein Atheist vorgestellt wird.

„Wo* bty den heiligen Vätern gegen die Schauspiele »ich findet, icheinet auf den blassen Missbrauch zu gehen, zumahlen die Schauspiele damals nichts anders waren, alt öffentliche Ausübungen aller ersinnlichen Grausamkeit und Ueppigkeit, dergleichen heut zu tag nicht leicht zu finden und geduldet urird, autgenommen, dass etwa in Spanien das Stiergefecht übrig blieben, wiewohl et öffter bey straff der excommunication von Pabtten verbothen worden. Sonsten scheinet, dost die Öftren ihren Ursprung von der Kirchen-ltutic genommen, denn gleichwie die Passiont-Histori und andere geistliche Begebenheiten durch etliche singende Pertonen, darunter ein Evangelist, so die Erzehlung ausführet und an einander knüpfet, vorgettellet werden, also ist dergleichen auch bey der weltlichen Music nachgethan worden, wie ich dann einige Stuck gesehen, darinnen neben ändern singenden Pertonen il Testo — anstatt des Evangelisten — sich findet, so die Erzehlung ebenmassig ergänzet. Weilen es aber kunstlicher und zierlicher, das Werck auch ohne Einführung eines eigenen Dollmettcher verständlich zu machen, gleichtäte das ein schlechter Mahler, to bey der von ihm entworfenen Jagt setzen müste : hie canis, ille lepus, so hat man diesen Textleser bald abge- schaffet und nunmehr die Öftren anstatt anderer Comoedien eingerichtet."

Consonantenbildung im Gesänge.

Für Gesanglehrer und Sänger, sowie überhaupt Gesang- ausübende dürfte es nicht uninteressant sein, einmal wieder das alle Thema der Consonanlen, dieser Stiefkinder im Gesänge, bebandelt zu sehen, mit dem Zwecke, womöglich dem Stoffe eine neue Seile abzugewinnen. Ich komme sofort zur Sache.

Eine HuuptschwierigkeU ausgeprägter , naturgetreuer Con- sonantenausbildung bieten zunächst die Consonaulen am Eingange der Silben und auf hoben Noten.

Wenn wir nun einen Spiegel zu Hülfe nehmen oder andere Leute beim Sprechen beobachten, so werden wir beim scharfen Hinsehen und scharfen Hinborchen die Geschwindigkeit und Bündigkeit wahrnehmen, mit welcher Lippen und Zunge im Moment die Bitdung der Consonanlen vornehmen, um die Verbindung mit dem nachfolgenden Vocale ebenso unmittelbar anzureihen. Nach Gewinnung dieses Vorbildes und Geheimnisses der Natur bleibt uns nur noch die Nachahmung und Ueber- tragung auf die Bildung der Consonanten im Gesänge.

Beobachten wir nun beim Singen unsere Consonanlenbll- dung, hauptsächlich am Anfange, beim Einsatze der Silben und auf hohen, unbequemen Noten, so werden wir nach obiger Beobachtung im Sprechen, zu unserem grossen Erstaunen wahrnehmen, welche Unbeholfenheit Zunge und Lippen an den Tag legen, den Consonanten bestimmt und rasch zur Erscheinung zu bringen. Anstalt den einen oder die zwei, oft sogar drei Consonanten, welche ein Wort beginnen mit Blilzes- schnelligkeil in Scene zu setzen, brauchen sie übermässige Langsamkeit und verhelfen nach verloroer Zeit dem betreffenden Buchstaben in seinem Erklingen höchstens zum Lallen oder sonstiger Verwischtheil.

Trägt nun diese Unzureichlichkeil im Zustandebringen der Consonanlen am Anfange von Silben wesentlich zur Undeutlichkeit des Textes im Allgemeinen bei, so dass man nur Lauter, aber keine Hillauler beim Gesänge vernimmt, so reiht sich daran noch ein anderer Uebelsland , der Hangel an Anschlag des den Consonanten folgenden Vocales.

Energische, naturgetreue Tbätigkeit der beim Consonanlen- bildeu liauplsächlicl. betheiligten Hundtheile, Zunge und Lip

pen , bewirken ein Vorwärtslocken des Vocals und des An - schlagens der TousäiHe in der obereo-Zahnreibe. Energie erzeugt Energie. Entschiedenheit and Kürze in der Hundbewegung der tippen und Zunge führen unmittelbar eine bestimmtere Handbewegung im Allgemeinen, vor Allem im Oeffaen und im Niederlegen der Kinnlade herbei, dieses Alpha und Omega, soll der Freiheit der Stimmbildung überhaupt eine Gasse gebahnt werden. Lauschen wir also unserer Tbäligkeit beim Sprechen, nicht beim Gähnen die Geheimnisse ab, so ist schon ein weiter Schritt zur Ausbildung des Textes im Gesänge gesehenen.

Dm nun auch den Sänger, welchen es interessirl, speciell auf die Bildung der Consonanten am Schlüsse der Silben aufmerksam zu machen, damil sie nicht übersehen werden, sei es mir vergönnt, ein musikalisches Recepl anzuführen, welches ich seiner Zeit an der Hand der Winter'schen Schule von Seiten des Gesanglehrers und Meisters Gölze in Leipzig entgegennahm. Es wird Vielen bekannt sein, dürfte aber doch als Anregung für Manchen dienen, den Consonanten und ihrem Studium im Gesänge näher zu treten. Ich meine die sogenannte falsche Orthographie.

Nehmen wir das Wort »Freundschaflspflicbl« und ziehen die Anfangs-Consonanlen der zweiten Silbe zur ersten und so fortgesetzt, so entsteht: »Freundsch-aftspfl-icht». Diese Proce- dur der Consonantenverschiebung im Worte lässl sich rück- und vorwärts vornehmen, auf alle Gesangsübungen mit Text und auf alle Gesänge zum Studium der Consonantenüb.ungeo übertragen.

Die Wichtigkeil dieses Experimentes wird Jedermann sofort einleuchten, denn der Sinn, die Synlax des Wortes, wird auseinander genommen, die Elemente desselben treten in den Vordergrund und nehmen unsere Aufmerksamkeit ausschliess- licli in Besitz. Daran schliesst sich beim Verlautenlassen eine ausdrückliche Consonantenbildung, welche nicht mehr die Rolle der Nebensächlichkeit spielt, sondern sich unserm Erfassen ausdrücklich aufdrängt. Kleiss und Ausdauer nach dieser Richtung, Zunge und Lippen in ihrer Consonantenthätigkeit zu üben, sie zu slärken und zu stählen , verwandeln den Consonanten, welcher vorher ein Hinderniss der Tonbildung war, in einen Factor derselben, und der Ueberreichthum der deutschen Sprache an Consonanlen ist nicht mehr eine Calamitäl für Sänger, sondern ein Antrieb und Hülfsmitlel, in seiner Ueber- windung einen Sporn zu ferliger, bestimmter Tonbildung zu suchen.

Auf die Bildung der einzelnen Consonanten zu sprechen zu kommen, schliesst natürlicherweise der Charakter dieser Abhandlung aus; wer sich aber vorangegangene Anregung zu Herzen nehmen und sie als einen Wegweiser benutzen will, weitere Forschung nach gegebener Richtung zu betreiben, wird schon von selbst aus dem Allgemeinen heraus dem Speciellen zugeführt werden. „^ Hug<j

Anzeigen und Beurtheilungen.

Miniim! Si.iK.-r und In Si-ifriz: Grosse Theoretisch-Praktische ViauWhule in drei Banden. Erster Band, erste Hälfte uf 7. —, zweite Hälfte Ji 7. —. Stuttgart J. 6. Cotta.

A. Wenn es auch nicht an einzelnen guten Lehrwerken für Violine bis jetzt fehlte, obgleich auch diese wenigen sich in der Regel nur auf Andeutungen zu beschränken pflegen, wo man im Interesse des Schülers und des Lehrers eine breitere Ausführung gewünscht halle, so war doch schon längst ein Werk Bedürfniss, welches nach allen Seilen hin in gründlicher

und erschöpfender Weise und Mi,irr Berücksichtigung auch der technischen Anforderungen, welche die moderne Geigenliteratur an den Spieler stellt, den strengsten pädagogischen Voraussetzungen eines solid fundamentalen Violinunterrichts gerecht würde, ohne dabei die musikalisch-bildende, in einem Wort die künstlerische Seile aus dem Auge zu lassen. Wir hatten bei dem Studium des ersten bis jetzt erschienenen Bandes obigen ganz vorzüglichen Werkes so ziemlich alle Arbeiten vor uns liegen, welche auf dem pädagogischen Gebiete der Violin- literalur erschienen sind ; wir fanden jedoch , dass dieselben, abgesehen von anderen grossen Mängeln, hauptsächlich an dem einen Cardinalfehler leiden, dass der ersten Lage zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet und ziemlich rasch zu den anderen Positionen übergegangen wird. Der ersten Lage kann aber nicht genug Aufmerksamkeit zugewendet werden, ist sie doch die Grundlage eines tüchtigen soliden Geigenspiels. Nur ein gründliches und stufenweises Fortschreilen kann jene gesunde Basis legen, auf welcher positive Erfolge zu erzielen sind. Und was gründliche, alle möglichen Umstände berücksichtigende Arbeit betrifft, steht das Werk des Herrn Professor Edmund Singer, Kgl. Würllembergischer Concerlmeister und Max Seifriz, Kgl. Würllembergischer Musikdireclor, einzig in seiner Art da. Der ganze erste Band beschäftigt sich, in der richtigen Erkenntniss, dass der Schüler in der ersten Lage einigermaassen sattelfest und beimisch geworden sein muss, ehe er in andere Positionen übergebt, ausscbliesslich mit der ersten Lage und behandelt ferner die Grundelemenle aller Materien der Geigentecbnik und den Vertrag. Das Material ist ein solch reichhaltiges, dass der Schüler anderer Literalurwerke nebenbei eigentlich nicht bedarf.

Abgesehen von den pädagogischen Vorzügen des Werkes möchten wir namentlich auch den Umstand hervorheben, dass sämmtliche Uebungsstücke, auch die einfachsten und leichtesten musikalisch gehallvoll und wie die ganze Methode der Verfasser darauf berechnet sind, mit der technischen Ausbildung des Schülers die musikalisch-künstlerische desselben nicht aus dem Auge zu lassen, damit derselbe nicht einem trockenen Formalismus, einer ausschliesslich dominirenden, den Geist lödienden Mechanik anheimfalle. »Trotz allem Herben«, um die Verfasser selbst sprechen zu lassen, »das die mechanischen Schwierigkeilen dem Kunstjünger in den Weg legen, darf man bei demselben nie die Freude an der Kunst erlöschen lassen; das künstlerische Ingenium desselben muss geweckt, das berechtigte subjeclive Element des Schülers gewahrt und das Kunstgefühl allmälig in die reine Sphäre des geläuterten Geschmackes emporgehoben werden.

Wohlthuend berühren uns in einer Zeit, da in der Kunst eine einseilige technische Ausbildung wahrhafte Orgien feiert, die Worte der Vorrede, dass es heute sich nicht so sehr darum handle, »Virtuosen par excellence auszubilden, als darum, dem Schüler die reichen Schätze unserer classiscben Meisterwerke der Kammermusik zu erscbliessen. Diese immer mehr zum Gemeingut der Menschheit zu machen, ist in erster Reihe der Slreichinslrumentalist berufen. Er findet hier eine Literatur vor, welche zu dem Vorzüglichsten gehört, was die musikalische Kunst aufzuweisen hat.«

Diese Worte bekunden den echten, vom wahren Geist seiner Kunst erfüllten Meister, welcher durch die Erfolge, die er seil einer langen Reihe von Jahren als Lehrer errungen, am schlagendsten die Vorzüglichkeit seiner Methode bewiesen hat, und wenn ein solcher Künstler im Verein mit einem solch tüchtigen Musiker und Musikgelehrten wie Max Seifriz in diesem Werke die Erfahrungen einer langen künstlerischen und Lehr- tuäligkeit der musik-pSdagogischen Well bietet, so sind wir überzeugt, dass dieselbe mit freudiger Hand dasselbe ergreifen wird. Haben doch schon bewahrte Künstler und Pädagogen

wie Heermann in Frankfurt, Bazzini, Director des Conservalo- riums in Mailand, Damrosch und Tottmann sich in äusserst anerkennender Weise über dasselbe ausgesprochen.

Nicht unerwähnt möchten wir auch die von den gesunden pädagogischen Anschauungen der Verfasser zeugenden Stelle der Vorrede lassen, wo sie, nachdem die Schwierigkeil des Geigenunterrichts gegenüber dem Clavierunlerricht hervorgehoben , es offen aussprechen, dass namentlich der Violinspieler, welcher den betreffenden Ton erst mit seinem inneren musikalischen Ohr richtig erklingen hören muss, ehe er im Stande ist, ihn mit Sicherheit zu inloniren, eines, wenn auch nur elementaren Gesangunlerrichls nothwendig bedarf, da das Singen der verschiedenen Intervalle als die beste Gehörbildung anzurathen ist, überhaupt der Gesangunterrichl für jeden Musiker die Grundlage bilden sollte.

Es sind dies zwar keine neuen Wahrheiten, denn dieselben sind schon oi'i und genug von bewährten Pädagogen ausgesprochen worden, aber es freut uns, dass die Ansicht immer mehr sich Bahn bricht, dass nur ein rationeller Gesangunter- richt eine tüchtige musikalische Grundlage zu bilden vermag. Es wird aber noch seine guten Wege haben, bis solche Gedanken sich allgemein verwirklichen werden.

Gehen wir nun auf den Inhalt des ersten Bandes ein, so besieht derselbe aus 15 Abschnitten, von welchen die beiden ersten den theoretischen Theil in erschöpfender Weise behandeln ; die übrigen Abschnitte beschäftigen sich mit den praktischen Erfordernissen; nichts ist den Verfassern entgangen und mit der minutiösesten Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit ist Allem Rechnung gelragen. Namentlich möchten wir die Abschnitte 10—13 hervorheben, welche die Dynamik, die Verzierungen, die verschiedenen Rhythmen und Striche behandeln. Abschnitt XIII enthält 14 Stücke in den 14 Tonarien und in verschiedenen Formen und wie die übrigen Uebungspiecen mit Begleitung einer zweiten Geige. Von der Reichhaltigkeit des letzten Abschnitts möge der eine Umstand zeugen, dass fast alle hier überhaupt in Betracht kommenden musikalischen Formen in demselben ihre Vertretung gefunden und die Verfasser nicht versäumt haben, jeder Piece eine ausführliche Erklärung der Form vorauszuschicken.

Der noch im Laufe des Winters erscheinende zweite Band wird sich hauptsächlich mit den verschiedenen Positionen befassen und sich dem ersten, wie wir dies der Vorrede entnehmen, in der Weiterentwicklung der gegebenen Grundelemenle auf das Engste anschliessen. Sowohl die Tonleitern, accordische Gänge, Doppelgriffe, Stricharten u. s. w. sollen in demselben ihre naturgemässe Steigerung bis zur höchsten Virtuosität finden und ausserdem noch Theile der Technik bringen , zu welchen im ersten Theile der Natur der Sache gemäss selbst die Grundelemente nicht gebracht werden konnten. Für den drillen Band haben bereits Joachim, Bazzini, Auer, Damrosch, Heermann, J. Becker, Lauterbacb u. A. Beiträge zugesagt.

Ferner dürften wir noch anfügen , dass der bis jetzt erschienene erste Band an den Conservalorien zu Petersburg; Slrassburg und Stuttgart, in sämmllichen Seminarien desGross- herzogthums Baden und am katholischen Seminar in Saulgan (Württemberg] eingeführt ist.

Wir schliessen unsere Besprechung des vortrefflichen Werkes mit folgenden Worten der Vorrede:

»Sollte unser Werk für geeignet erfunden werden, den Lehrer in seinem schweren Amte zu unterstützen, den Berufsmusiker zu fördern und namentlich in den Dilettantenkreisen wieder jene Liebe zur Geige und den Streichinstrumenten an* zufachen, wie sie früher lebendig war und jetzt wieder sich zu regen scheint, so würden wir darin den schönsten Lohn unseres Strebens und unserer Arbeit erblicken.«

Wir wollen uns auch gern dieser Hoffnung hingeben und wünschen, dass die Geige wieder mehr en Stelle jenes Instruments (rete, welches den Massendilettanlismus nur begünstigt und jedes freiere musikalische Gefühl immer mehr zu ersticken droht

Novitäten

aus dem Verlage von Breitkopt & Härtel in Leipzig.

Aus einer Reihe neuerer Veröffentlichungen der bewährten Firma Breitkopf & Härlel in Leipzig stellen wir zwei Arbeiten von Ferdinand Hlllcr an die Spitze, welche für die geistige Elaslicltat und Phantasiefrische des greisen Heisters erfreuliches Zeugniss ablegen. Op. 166 betitelt sich Leichte Sonatine für das Kanoforte. Dreisatzig gegliedert beginnt sie mit einem kurzen, den Organismus des Sonatensatzes mehr andeutenden als voll entwickelnden Allegro non troppo, dessen erstes Thema in seiner zarten Grazie an Mozart gemahnt. Darauf folgt eine Menuett in B-dur von frohgemuther, kecker Haltung, mit welcher das mehr in sich gekehrte Gmoll-Trio hübsch contrastirt. Das Finale bildet eib Allegro moderato aus der Grundtonart K-dur. Es ist voll sprudelnden Lebens und glücklich abgeschlossen. — Ein ähnliches GeprUge zeigt die Kleine Suite Op. 107. Sie wird von einem »Prelndio« in H-moll eröffnet, das mit seinen unablässigen, weit und frei ergossenen Sechs- zehnlelpassagen den Charakter des Vorspiels ausprägt. Die an- muthige Gavotte Nr. S gewinnt durch die Betonung der zweiten Viertel etwas Pikantes. Im Gegensalz zu den Slaccalogängen des Hauptsatzes erschein!' das Minore aus G-moll durchwegs streng gebunden. Auch die Abwechslung von kräftigen Unisonopassagen mit zartgelösten Harmonien wirkt gut. Der Choral Nr. 3 (E-moll V.,; entfaltet «in schlicht ernstes Liedtbema, das bei der Wiederholung leicht contrapunktirt wird. Eine Gigue aus H-moll, die fugalomässig behandelt und ziemlich weil ausgeführt ist, schliesst das Werk ab. Da die Suite wie die Sonate leicht spielbar sind und durchwegs genaue Fingersatzangaben enthalten, eignen sich die Compositionen besonders auch zu instructiven Zwecken. Sie werden fähigen Schülern ebenso viel Freude bereiten, als auf ihren Formensinn und ihren musikalischen Geschmack bildend einwirken.

Ein anmuthiges, wenn auch nicht gerade liefgehendes Werk repräsenliren die Acht Clavierititcke aus der Jugendzeit Op. 6 von Hermann Bock. Dass sich der Compoqisl Schumann's Jugendalbum und Kinderscenen zum Muster genommen bat, zeigt gleich das einleitende Stück »Begrössnng« deutlich genug. Der melodische Umriss wie die harmonische Ausgestaltung, Slimm- i'iin nn wie Schlussformeln sind hier durchaus Schumanoisch angehaucht. Auch der zartsinnige Ton des Ganzen erinnert an jenen Meister, dessen EmpHndungstiefe der mutbmaasslich noch jugendliche Epigone freilich einstweilen nicht erreicht. Nr. 1 »Frühlingsfahrl« geht auffälliger Weise aus C-moll und thaut eigentlich erst im Mittelsatz aus Es zu freudigem Leben auf, während der Hauptsatz mehr ein unruhig drängendes Sehnen ausdrückt. Nr. 3 »Frohe Botschaft« (A-dur >/4) spiegelt mit ihrer zarten Liedweise jene Stimmung wieder, welche ein Liebesgruss in der Seele des Mädchens hervorbringt. Auch in Nr. 3 »Traumgesicht« sind es holde Bilder, die an dem Schläfer vorüber gaukeln. Formell zeigt das Stück die nämliche Gliederung wie das vorangehende. Es ist wiederum ein Liedsalz, dessen erster Theil nach einem selbständigen Mittelglied ohne Veränderung wiederholl wird. Vom Titel der folgenden Nummer »Auf der Waldmühle« könnte man schliessen, dass es sich tun lonmalerische Darstellung des Miihlengcräusches und Was- ~i.'i:.. iiliil.-^iers handeln würde, wie sie so manche Claviercom- ponislen, am reizendsten wohl Adolf Jensen m Nr. 3 iBiner Wanderbilder auf diesen poetischen Vorwurf angewandt haben.

Doch ist dies nicht der Fall. Wir erhalten eiaen einfachen Gesang, dessen Weise heileres Behagen ausdrückt. Im Mittelsatz gesellt sich zeitweilig eine zweite Stimme imilirend hinzu. Der Anhang klingt sanft und leise aus. Dagegen bringt Nr. 6 »Auf wogender See> eine hübsche Tonmalerei. Es ist ein bewegter G moll-Satz, dessen auf- und niederflulhende Sechszehntel die Wellenbewegung einer windbestricheoen Wasserfläche treffend charakterisiren. Innige Melodik zeichnet die folgende Liedweise nSlillbeglückta aus, deren liebewarme Stimmung die Adur-Tonart erhöbt. Das letzte Stück des Heftes betitelt sich »Abschied«. Es ist ein Cis moll-Andante von klagendem Ausdruck,' der nur im Mittelsatz hellere Färbung gewinnt, als erhöbe der Gedanke auf ein Wiedersehen das trauernde Herz.

Von entschiedenem Talent, triebkräftiger Phantasie und sicherer Beherrschung der Form zeugen Vier Ciavierstücke von J. Albert Jefferj. Aus dem Namen, wie den Widmungen, die sich den einzelnen Compositionen vorgedruckl Gnden, schliessen wir, dass der Künstler ein Engländer oder Amerikaner sei. Doch Zeigt sich deutlich, dass er die deutschen Meisler gründlich studirt hat und dass namentlich die Musik der Neuroman- liker Schumann, Chopin und Mendelssohn in sein Fleisch und Blut übergegangen ist. Während in dem Notturno Op. 3 und der Barcarole Op. 8 ein träumerisch-zartes Element vorwaltet, sind die Gavotte Op. 4 und das Jagdlied Op. 7 von kräftiger Hallung und saftigem Colorit. Das Notturno, ein Andanlino espressivo aus E-dur, beginnt mit einer Cantilene, deren Schmelz durch ein k langvoll- weiches Accompagnement erhöht wird. Die Arabesken, die das Thema bei der Wiederholung umranken, erinnern unwillkürlich an Chopin , den unerreichten Meister auf dem Gebiete des »Nacbtstückes«. Die »Gavolle aus dem 19. Jahrhundert« Op. l beginnt mit folgendem Thema-

AUfgro cm antma e marcato.

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das sich im Verlauf noch kraftstrotzender gestallet. Das Mittelglied bildet ein Edur-Satz, dessen ruhig-zarter Gesang mit dem Ungestüm des Hauptsatzes wirkungsvoll contrastirt. Die Barcarole, ein Andante con moto aus E-dur, illustrirt mit ihrem leise wiegenden Sechsachlei-Rhythmus die Bewegung des Nachens, der die Fluth durchfurcht, aufs anmulhigste. Weich gelöst, in träumerischem Wohllaut schwebt die Weise dahin. Nur im Mittelsalz kräuselt ein kräftigerer Hauch die Wellen. Der Schluss verhallt in leisen Arpeggien wie llarfenlaul. — Feuriger Schwurig zeichnet das Jagdlied Op. 7 aus, wohl von allen vier C„..iposilionen die frischeste und zugkräftigste. Nach einer vicrlaktigcn Einleitung erklingt das Hanpllhema gleichsam von fröhlichen Hörnern geschmettert folgendermaassen:

Vwac».

marttUato.

Weniger keck tritt das zweite Thema in As-dur auf, dessen Gesang ein graziöser Hauch umspielt. Im weiteren Verlauf wird auch der Klangeffecl der von fernher tönenden Jagdrufe hübsch imitirt und das Ganze mit einer energischen Steigerung abgeschlossen. Wir hoffen dem Componisten, der aus dem Vollen schöpft und dessen sinnliche Frische den Hörer erquicklich anmuthel, bald wieder zu begegnen.

Von 1*11(1 Befiel liegt ein der Grossberzogin Luise von Baden gewidmetes Trio für Kanoforte, Violine und Violnnrell vor, das die Opuszahl 6 an der Slirne trägt. Es erweckt stets ein [günstiges Vorurtheil für einen jugendlichen Componisten, wenn er sich an die grossen Formen macht, wenn er das kunstvolle Gefäss der Sonate, sei es für ein oder mehrere Instrumente mit selbständigem Leben zu erfüllen sucht, statt sich in Genrebildern für Pianoforte und Sbnlicher Kleinkunst auszugeben. So sind wir denn auch'an dies Trio mit einer gewissen freudigen Erwartung herangelreten, die keineswegs völlig getäuscht worden ist. Der erste Satz, ein Allegro maestoso aus D-dtir, beginnt schwungvoll genug mit folgendem Thema, das von Geige und Cello im Einklang vorgetragen wird, während das Ciavier eine kräftig empordringende Begleitungsfigur dazu ertönen lässt:

Violin«.

Alleyrn moderato. .— „

Der Nachsalz, zunächst von Geige and Ciavier eingeführt, dann vom Cello übernommen, sänfligt das Ungestüm -des Hauptgedankens. Die Modulation bewegt sich von A durch F-dur mit schöner Steigerung zur Haupltonarl zurück, worauf sich das Ciavier des Themas bemächtigt. Ein neues energisches Motiv tritt hinzu und giebl den Stoff für die weitere Entwicklung ab. Nachdem auf E ein vorläufiger Ruhepunkt erreicht worden, stimmt das Violoncell das zweite Hauptlhema (Seitensatz) in A-dur an, welches mit seiner ruhig-breiten Cantilene zum ersten Thema und dem vorwärts drängenden Charakter des Bisherigen überhaupt in schönen Gegensalz tritt:

0110.

"/ dolce.

Zunächst löst die Geige das Cello ab, während dieses gemeinsam mit dem Ciavier eine Zweite Stimme bildet. Dann betheiligt sich auch letzlere» an der Hauptmelodie, und fn einem wohllautvollen Strom gehl der ersle 'I heil zu Ende, um hierauf wiederholt zu werden. Die Durchführung ist im Ganzen wohlgelungen. Sie knüpft an das erste Thema an, das zunächst in D-raoll auftritt. In geistreicher Imitation nimmt es ein Instrument dem ändern ab, während der Wechsel der Tonarten die verschiedenartigste Beleuchtung darauf wirft. Auch die Seilenthemen führt der Componist in ähnlicher geschickter Weise durch , wobei es freilich stellenweise etwas mehr nach Contrapunkt als freispielender Tonpoesie duftet. Glücklich gefunden ist der Rückgang zum ersten Tbeil, der übrigens nicht vollständig wiederholt und wesentlich umgestaltet wird. Das ersle Thema erklingt nun in Des-dur zartleise zuerst von der Geige allein, dann vom Cello, zuletzt vom Ciavier vorgetragen. Nachdem auch der Seilensatz nochmals vorübergezogen, ruft der Anbang den Hauptgedanken in Erinnerung und schlicsst kurz und stramm ab. — Obwohl es an einzelnen matteren Stellen 'nicht fehlt und eine gewisse Incongruenz zwischen dem ersten fünf Seilen umfassenden und zudem wiederholten Theil und den folgenden Abschnitten, Durchführung und Repetilion, hervortritt, welch letzlere Hetzel auf 6 Seiten erledigt, würden wir nicht anstehen, das Trio als eine treffliche Arbeit zu bezeichnen, ständen die übrigen drei Sätze auf gleicher Höhe wie der erste. Leider ist dies nicht der Fall. Das Andante aus ! -.lnr (*/4~Takl) Ist ein Liedsatz von ziemlich dünnem melodischen Gehall und etwas verblasster Färbung. Auch der energischere F moll-Abschnill, der conlraslirend dazwischen Irin, vermag uns nicht hinlängliches Interesse abzugewinnen. Das Scherzo, ein Prestosatz in D-dnr, beginnt mit einem reizenden Thema, das sich indess sofort als Nachbildung eines Scliumaon'- schen Originals entpuppt, freilich ohne dessen genialen Humor zu erreichen. Selbständiger erscheint das Trio; es wirkt durch seine ruhigere gesangvolle Haltung und noble Stimmführung gut. In knappem Zwelvierlelrbythmns eilt das Finale dahin. Nach einer Einleitung, deren Motiv das Molllhema des Andante in Erinnerung bringt, tragen Geige und Cello ohne Ciavier das Hauptthema folgendermaassen vor:

Mg».

Cello.

Noch leichter geschürzt sind die folgenden Motive. Erst mit dem glücklich erfundenen zweiten Haupllhema in A- lur, dessen Melodie das Cello in Triolen umspielt, gewinnt der Satz Breite und Steigerung, wie wir sie von dem Finale einer modernen Sonate vor Allem verlangen. Bei einem Ilaydn lassen wir uns die harmlose Laune, mit denen er in manchen seiner Finales gleichsam noch die Feder ausspritzt, gefallen, weil sie zur NaiveUU des Werkes überhaupt summt und weil selbst das kleinste Gebilde vom Zauber der Schönheit verklärt wird. Bei einem modernen Tondichter treten wir mit anderen Anforderungen an derartige Tonstücke heran ; wir verlangen als Ersatz für die göttliche Unbefangenheit jener classischen Heister, die ja doch unwiederbringlich verloren, eine intensivere und erschöpfendere Darstellung des musikalischen Stoffes, mehr dramatische Consequenz, aber auch den Mitteln unserer Technik entsprechend eine vertiefte und reicher abgestufle Färbung. Nach all diesen Richtungen hin lässt unser Trioflnale zu wünschen übrig. Es erscheint überhaupt zu leichtwiegend, um ein Kammermusikwerk abzuschließen und, steht besonders hinter demjenigen zurück, was der erste Satz versprochen hat. Möge der Künstler in künftigen Schöpfungen seine Kraft energischer zusammenfassen und gegen sich selbst strenger sein! Dann werden reifere Früchte seines unbestreitbaren Talentes nicht ausbleiben.

Noch haben wir eines Slrausses von Gesangen zu gedenken, die uns ihrer Empfindungsfrische und feinsinnigen Ausführung wegen Freude bereitet haben, obschon die Liedform bin uad wieder noch organischer gestaltet sein dürfte. Es sind Fünf Lieder für eine Singstimme Op. 2 von Na«rd li-h». Gleich die erste Nummer »Abendsehnsuchl« von Salis-Sewis scheint uns die bedeutendste zu sein. Der Componist hat hier den elegischen Ton, die sehnsuchtsvolle Innigkeit, welche die Strophen des Dichters athmen, vorzüglich getroffen. Auch wegen der etwas freien Form wollen wir nicht mit ihm rechten, da der phantasieartige Erguss der Cantilene durch das Weichzerflossene der poetischen Stimmung entschuldigt, ja gewisser- maassen bedingt wird. Besonders zart und schön declamirt ist der Schluss des Liedes, dessen Vor- und Nachspiel sich decken. — Das zweite Lied »Wir ballen uns einst gerne« von Agnes Engel, welcher die Compositionen dedicirt sind , hüllt sich in die Farben träumerischer Melancholie. Es ist ein Hmoll-Satz, dessen leise gehaltene Melodie sich auf durchgehenden Otrfet- punklen aufbaut. Strophe 4 und S stimmen überein; die ilritle zeigt etwas veränderte Gestalt. Einen ähnlichen Vorwurf behandelt Nr. 3 »Des Nachts in meinem Traume», wiederum von A. Engel. Doch erscheint der melodischeConlour hier bewegter, das Accompagnement freier und klangvoller. Ein längeres Nachspiel lässt die Liebesempfindung schön ausklingen. Das Lingg'sche Lied »Kalt und schneidend weht der Wind« beginnt mit melancholischer Klage, wie sie der Empfindung des vereinsamten Liebenden entspricht. Auch die leidenschaftliche Steigerung, die mit der Strophe »Deinetwegen, süsse Macht« beginnt, lässt sich durch das Gedicht einigermaassen rechtfertigen. Der letzte Abschnitt wendet sich aus Fis-moll nach Fis- dur und bringt die Scblussworte »Was sind Rosen ohne dich T« zu treffendem Ausdruck. Trotzdem vermag das Lied als Ganzes nicht zu befriedigen. Es fehlt die Einheit der Stimmung, die harmonisch gerundete Form , welche durch strophische Gliederung des Gesanges unzweifelhaft besser erreicht worden wäre. Wer das Gedicht als solches mit der Musik vergleicht, wird den Unterschied, die Concenlrition lyrischer Stimmung dort, das Zerfahrene und äusserlich Pathetische hier sofort herausfühlen und mit seinem Unheil über das künstlerische Ver- hällniss nicht im Zweifel sein. Harmloser giebt sich die Schlussnummer des Heftes: »Liebesahnung« (»Wissen es die blauen Blumen T«) von F. Kugler. Die scblicblherzliche Weise spiegelt den Liebesfrieden, den der Singer preist, anmuthlg wieder. Nur können wir nicht recht begreifen, weshalb der Componisl für Vor-, Zwischen- und Nachspiel des Claviers den */8-Rhytb- mus anwendet, während die Singstimme sich im '^-Rhythmus bewegt. — Der Lledercyklus legt für Behm's lyrische Begabung schönes Zeugniss ab. Etwas strengere Logik in der Form, mehr Vertiefung und organische Herausbildung des dichterischen

Gebaltes werden, so hoffen wir, bei künftigen Werfceo nicht ausbleiben.

A. Niggli.

Händel's Teufels-Arie.

Unlängst ging mir oinu Anfrage zu, deren Beantwortung durch diese Zeitung erfolgt, weil sich eine Mitteilung daran knüpft, die für weitere Kreise Interesse haben dürfte.

Herr H. v. Seh. schreibt mir am t. November' »Bei näherem Umgang mit lieyerberr lernte ich durch ihn viele damals unedirte Gesangstücke von Händel kennen, ganz besonders aber empfahl er mir eine Bass-Arie des Beelzebub, die nach seiner Meinung das Grossartigste wäre, was überhaupt [für Basst] componirt sei. Er versprach mir dieselbe in Abschrift zu besorgen. Statt dieser versprochenen Abschrift erliiell ich aber die Todesanzeige. Ich habe nun seit dem Tode von Meyerbeer mir alle erdenkliche Mühe gegeben, diese Arie, von der ich allerdings nicht weiss, ob sie aus einem Oratorium oder einer Oper ist, zu ermitteln, jedoch leider war alle Hübe vergebens.«

Handel hat allerdings den Teufel in einer grösseren Com- position bebandelt, nämlich in dem um (708 zu Rom geschriebenen Osler- Oratorium Reiurretione; und die einzige Arie, welche meiner Ansicht nach hier in Betracht kommen kann, ist ein Stück in C-moll, beginnend »0 t>oi dell' Erebo*. Die Arie zählt nur 88 Dreiachlei-Takte, ist aber in ihrer Anlage so merk'—irdig, in der Composition so fremdartig und im Ausdruck so übermenschlich stürmisch , dass ein gewiegter Fachmann wie Meyerbeer, der wahrscheinlich besser, als irgend einer seiner Zeitgenossen, zu schätzen wusste, welche Kraft erforderlich ist, um eine grosse Gestalt mit wenigen Strichen als vollendeten Charakter hinzustellen — dass derselbe angesichts «ines solchen Salzes sehr wohl zu der Frage kommen konnte, wer ausser Händel im Stande gewesen sein möchte, so etwas zu erfinden. In diesem Sinne, und unter solcher Einschränkung, erscheint mir sein Ausspruch begreiflich. Man muss nur wissen, dass Meyerbeer überhaupt mit Bewunderung von Händel's italienischen Arien sprach , die ihm in grosser Zahl bekannt waren — von denselben Arien, über welche seine namhaftesten musikalischen Zeitgenossen, die sie nicht kannten, unbedingt den Stab brachen. Die einzige Unterredung, welche ich mit diesem in Deutschland vielfach ungerecht be- urtheilten Manne halle, betraf hauptsächlich Händel's italienische Operngesänge, die er zu rühmen nicht müde wurde.

Der Satan heissl in jenem Oratorium nicht Beelzebub, sondern Lucifer (Luciftro) t und das genannte Werk ist vor einigen Jahren als Band 39 in der Ausgabe der deutschen Händel- gesellschaft erschienen. Der beireffende Band (78 Seiten Folio, mit vorgedruckter deutscher Uebersetzungj kann auch einzeln bezogen werden, nämlich gebunden von Breitkopf 4 Härtel, broschirt von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Meyerbeer besass dasjenige Exemplar der Arnold'schen Ausgabe von Händel's Werken, welches der Instrumenten- macher StumpfT. in London an Beethoven sandte. Vielleicht ist Herr v. Seh. im Stande, uns mitzutbeilen, wo sich diese Reliquie jetzt befindet. ( Ar

Berichte.

Lelpilff.

Durch ganz vorzüglichen Vortrag des Haydn'schon Esdnr-Quar- tetts leitete sich der zweite Kammermusikabend im Gewandhaus ein (44. November), so dass der schalkhafte letzte Salz da capo gespielt werden musste. Ebenso verdiente die Ausführung der folgenden Piece, Sonate für Pianoforle und Violine (B dur) von Mozart, uneingeschränktes Lob. Hingegen hallen wir der Wiedergabe des Fdur-0.uarletls Op. r>9 von Beethoven mehrfach noch grösseren volleren Ton und vertierteren Ausdruck gewünscht. — In der dritten Kammermusik i*S. November) spielte die Pianistin Frl. Agnes Zimmer mann mit schön ausgebildeter Technik das durchgangig sehr ansprechende Bdur-Trio Op. 51 von Rubinslein, unterstützt durch die tüchtige Partnerschaft der Herren Concertmeisler Petri (Violine) und Alwin Schröder (Violoncelli; sodann die schwierige Phantasie Op. U von R. Schumann, allerdings ohne hier vollständig den hochgespannten Anforderungen zu genügen; schliessMch ein Arrangement der interessanten Ouvertüre zu »Ariodante« von Handel, Gavolte Op. 444 in D-dur von Reinecke, Canon-Scherzo aus Op. 35 von Jadnssohn. Mit ihr rang um die Palme der Anerkennung die geschützte Sopranistin Frau Schimon-Regan, welcher das Geliert'- sche Busslied von Beethoven gut gelang, desgleichen die beiden Lieder: Siciliano von Pergolese, »Der liebliche Stern« von Fr. Schubert, während das dritte (Annie Laurie von Hochberg) und die uns unbekannte Zugabe ziemlich unbedeutend und deshalb nicht gerade geeignet waren, einen tief einschlagenden Abschluss zu erzielen.

Der Barylonist Herr ' Wald ner aus Wien gab am 48. November im Saale des Gewandhauses eine Concerl-Soir6e, in welcher er

d<:n Fr. Schubert'schen Liedercyltlus «Die schöne Müllerin« vollständig vorführte, und zwar meist in vortrefflicher Weise, indem sich reiche Gestaltungskraft mit einem wohlklingenden ausgiebigen Stimmorgan paarte. Unserer Meinung nach war jedoch das Tempo im vierzehnten Liede »Der Jäger» etwas zu schnell, wodurch die überhasteten Worte die individuelle Ausprägung einbUulea. Ein nicht geringer Theil des Erfolges gebührte der echt künstlerischen Clavierbeglei- tung des Herrn Kapellmeister Reinecke. Am wenigsten konnten wir dagegen mit der Declamation de« Herrn Baxmann (vom hiesigen Staditheater), welche durch Abwechslung und Ausmalung der Handlung den Gesammteindruck vor Monotonie schützen sollte, zufrieden sein. Der Prolog und vor allem der Epilog passten mit ihren wohlfeilen Spässen gegenüber dem ernsten Inhalt der Musik wie die Faust aufs Auge. Nur nebenbei die wohlgemeinte Bemerkung, dass wir an des Sängers Stelle den komischen Anstrich vermieden haben würden, welchen die auf dem Programm nicht angezeigte Ruhepause nach den Schlussworten von Nr. 40: »Ade, ich geh nach Haus«, womit der Künstler sich auf kurze Zeit aus dem Saal entfernte, hervorbrachte. Eine kleine Unterbrechung ist gewiss für Stimme wie Nerven wohlthätig; sie bietet sich aber in unserm Falle viel geeigneter nach dem elften oder zwölften Liede.

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Die Allgemeine MtuIkaUsche Zeitung

erscheint regelmlsBig an jedem Mittwoch

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Allgemeine

Freit: Jibrlich 18 Mk. Vierteljährlich PränuTn. 4 MV. r,uPf. Anzeigen: die gespaltene Petitxeile oder deren Baum 30 ff- Briefe und Gelder werden franco erbeteil.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 6. December 1882.

Nr. 49.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. — Composilionen von Woldemar Voullaire. — Anieigen und Beurlheilungen (Violinschulen [Werke von .'. G. Lehmann, Ludwig Abel und friedr. Hermann!). — Stuttgart. — Der aretinische Congress für liturgischen Gesang. — Berichte (leipiig). — Anzeiger.

Die Briefe Beethoven's an Bettina von

Von Dr. H. Deiterg.

Die biographische Forschung über Beethoven ist bekanntlich noch reich an zweifelhaften und unaufgeklärten Punkten. Unter diesen giebt es wohl keinen, bei welchem bis auf den heuligen Tag die Ansichten sich so schroff einander gegenüberstehen, wie jene drei Briefe, welche er in den Jahren (840 bis I8M in Bettini von Arnim geschrieben hat oder geschrieben haben soll. Dieselben waren noch nicht lange im Nürnberger Alhenäum (1839) durch Merz veröffentlicht, als Schilling die Echtheit derselben in Zweifel zog. Diesen Zweifel nahm A. B. Marx in seiner Biographie auf und stützte denselben durch äussere und innere Gründe; und in gleicher Weise suchte Schi nd ler in der dritten Auflage seiner Biographie die Unmöglichkeit, dass die Briefe von Beethoven in der veröffentlichten Gestalt herrühren könnten, unter derselben Bezugnahme auf Beelhoven's Charakter und Schreibweise darzu- tliun, unter welcher er auch die lange Expectoration Beethoven's über seine Kunst in »Goelhe's Briefwechsel mit einem Kinde« als ganz unbeetbovensch bezeichnen zu müssen glaubte. Auch Otto Jäh n hat die drei Briefe für unecht gehalten. Für die Echtheit erhob sich L. Nohl (in der ersten Sammlung von Briefen Beethoven's) mit Berufung auf M. Carriere, welcher die Originale gesehen hahe; und auch A. W. Tbayer, unter den Lebenden sicherlich der berufenste Beurtheiler biographischer Fragen über Beethoven, tritt im dritten Bande der Beethoven-Biographie für die Echtheit jedenfalls der beiden ersten Briefe ein, während auch er die Echtheit des dritten nicht mehr zu behaupten wagt. Neuerdings ist durch die von M. Carriere besorgte Publication des zweiten Briefes nach der im Nathu- sius'schen Nachlasse vorgefundenen Handschrift die Sache in ein neues Stadium getreten. *)

Der Verfasser dieser Zeilen, welchem die erfreuliche Aufgabe geworden, die Resultate von Thayer's glänzender Forschung dem deutschen Publikum zu vermitteln, hat an der betreffenden Stelle der Biographie (Bd. 3, S. 461) seiner von Thayer abweichenden Meinung kurz Ausdruck gegeben und dadurch gewissermaassen die Verpflichtung übernommen, seine Ansicht ausführlicher zu moliviren. Vorab glaubt er bemerken

  • ) Diese Pnblication erfolgte 4880 im ersten Heft der 'Allgemeinen Conservativen Monatsschrift für das christliche Deutschland« S. 79—82, und ist bereit« In der Allgem. Musikal. Ztg. 1880 Nr. 9, Sp. 485—4 87 vollständig mit allen Varianten des ßettini'schen Druckes, sowie mit der von Carriere geschriebenen Erläuterung zum Abdruck gebracht. "- Red.

XVII.

zu sollen, dass seine erwähnte, alle drei Briefe umfassende Aeusserung erfolgt ist vor der Edition des zweiten Briefes durch Carriere.

Bei der Betrachtung dieser Frage müssen wir nach Lage der Sache von der Betrachtung der inneren Gründe, welche j.i auch von Anfang an die Zweifel hervorgerufen haben, ausgehen und von ihnen aus erst zu der Betrachtung der äusseren Ueberlieferung übergehen. Denn an und für sich würde die äussere Gewähr der Briefe einem Zweifel nicht so leicht unterworfen worden sein, da ja die Adressaten selbst die Herausgeberin war; ihr verdankte Merz 4839 die Möglichkeit sie zu drucken, und sie selbst hat sie im zweiten Bande von »llius Pamphilius und die Ambrosia« I8i8 wieder veröffentlicht. Die Originale der Briefe zu Gesicht zu bekommen, ist freilich bei Beltina's Lebzeiten keinem Herausgeber oder Biographen gelungen ; Merz bat nicht versichern können, sie gesehen zu haben, und Carriere hat in seiner früheren Erklärung, wie ihm Marx ganz mit Recht entgegenhielt, nicht bezeugt, dass er die Briefe in Beethoven's Handschrift gesehen habe ; nicht Schindler, nicht Thayer haben sie gesehen. Dennoch würde man die Echtheit der Briefe nach der Art ihrer Veröffentlichung nicht angezweifelt haben, wenn dieselben sowohl nach den darin enthaltenen biographischen Beziehungen, als auch nach der Schreibweise dem Bilde von Beethoven's Leben und Denken sich organisch eingefügt hätten. Dieses wurde bestrillen, und von da hat der Zweifel an der Echtheit der Briefe seinen Ausgang genommen, der dann seine Stütze auch in der Betrachtung von Bettina's schriftstellerischer Thätigkeit fand. Diesen Weg haben wir also bei der Betrachtung dieser Sache ebenfalls zu gehen, und vorab die inneren Gründe nochmals vorzuführen und zu prüfen. Zu diesem Zwecke erscheint es nolhwendig, da nichl allen Lesern dieser Zeilen der Worllaul der Briefe gegenwärtig sein kann, dieselben hier nochmals mitzutheilen.

Der erste Brief ist vom 41. August 4810 datirt. Im Mai dieses Jahres war Bettina in das ihr nahe verwandte Bircken- slock'sche Haus in Wien gekommen, in welchem Beethoven freundschaftlich verkehrte, und war durch diese Vermittlung mit Beethoven bekannt geworden — eine Thatsache, welche wir theils aus ihrer poetischen Darstellung in »Goelhe's Briefwechsel mit einem Kinde«, theils aus ihren Briefen an Fürst Pückler-Muskau kennen, die sie auch Thayer mündlich wiederholte, und die wir, auch was die Zeit betrifft, zu bezweifeln durchaus keinen Grund haben. Nach ihrer Abreise also schrieb ihr, wie sie mittheill, Beethoven folgenden Brief: ')

4) Wir geben denselben nach Thayer, der ihn nach dem NUrn-

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»Wien, 44. Augast 4840. Tbeuersle Bettine. ')

Kein schönerer Frühling als der heurige, das sage ich und fühle es auch, weil ich Ihre Betanrttechafl gemacht habe. Sie haben wohl selbst gesehet!, dam ich in der Qesellschaft bin, wie ein Prosen *} auf de« Ain.1 der wallt «ich und wii!?t «ich und kann dient fort, bm erao wölHwottende Oalathee ihn wieder ins3) gewallige Heer hineioschaffl4). Ja ich war recht auf dem Trockenei], liebste Belline!>). ich ward von Ihnun überrascht in einem Augenblick, wo der Hissmuth ganz meiner Meister war; aber wahrlich er verschwand mit Ihrem Anblick, ich hab's') gleich weg gehabt dass Sie aus einer ändern Welt sind, als aus dieser absurden, der man mit dem besten Willen die Ohren nicht auflhun kann. Ich bin ein elender Mensch und beklage7) mich über die ändern! ! — Das verzeihen Sie mir wohl mit Ihrem guten Herzen, das ans Ihren Augen sieht, und Ihrem Verstand, der in Ihren Ohren liegt; — zum wenigsten verstehen Ihre Ohren zu schmeicheln, wenn sie zuhören. Meine Obren sind leider, leider eine Scheidewand, durch die ich keine freundliche Communication 8) mit Menschen leicht haben kann. Sonst! — Vielleicht! — hält' Ich mehr Zutrauen gefasst zu Ihnen. So, könnt ich nur den grossen, gescheuten Blick Ihrer Augen verstehen, und der bat mir zugesetzt, dass ichs nimmermehr11) vergessen werde. Liebe Bettine 10), liebstes Mäd- cben! die Kunst! — Wer versteht die, mit wem kann man sich bereden über diese grosse Göttin! — Wie lieb sind mir die wenigen ") Tage, wo wir zusammen schwätzten12), oder vielmehr correspondirten, ich habe die kleinen Zettel alle aufbewahrt, auf denen Ihre geistreichen, lieben, liebsten Antworten stehen. So hab ich meinen schlechten Ohren doch zu verdanken, dass der beste Theil dieser flüchtigen Gespräche aufgeschrieben ist. Seil Sie weg sind , hab' ich verdriessliche Stunden gehabt, Schauenstunden, in denen man nichts tbuli kann ; ich bin wohl an drei Stunden in der Schönbrunoer Allee herumgelaufen, als Sie weg waren, und auf der Basley1*); aber kein Engel ist mir da begegnet, der mich gebanntu) hätte, wie Du Engel. Verzeihen Sie, liebste Bettine '*), diese Abweichung von der Tonart; solche Intervalle muss ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen. Und an Goethe haben Sie von mir geschrieben, nicht war T — dass ich meiden Kopf möchte in einen Sack stecken, wo ich nichts höre und nichts sehe von allem, was in der Welt vorgebt. Weil Du, liebster Engel, mir doch nicht darin begegnen wirst. Aber einen Brief wen!' Ich doch von Ihnen erhallen? — Die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und ich bab' sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt, was wäre ") sonst mit mir geworden? — Ich schicke17) hier mit eigner Hand geschrieben: »Kennst Du das Land«, als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich Sie kennen lernte, ich schicke auch das andere, was ich componirt habe, seit ich Abschied von Dir genommen habe, liebes, liebstes Herz!

Herz, mein Herz, was soll das geben, Was bedränget Dich so sehr? Welch ein fremdes, neues Leben t Ich erkenne Dich nicht mehr.

Ja, liebste Beltine18), antworten Sie mir hierauf, schreiben Sie mir, was es geben soll mit mir, seit raeit. Herz ein solcher Rebelle "') geworden ist. Schreiben Sie Ihrem treusten Freund —

R-'thoven.«

berger Athenäum abdruckte. Die Anmerkungen enthalten die Varianten in »Ilius Pamphllius« mit Ausnahme der Interpunktion.

< l »TheuKrste Freundin» S) Fisch i) in das 4) hinein schäm 5) Freundin 6) hab es 7) beklag 8) Komunlkation t) nimmer 4«) Freundin H) wenige 41)schwazten

(S) -und auf der Bastey« fehlt 4t) gepackt 45) Freundin 4*) wir 47) schick 48) Freundin 49) solch ein Rebeller.

Die Varianten in den beiden verschiedenen Editionen, von den kleineren abgesehen, welche durch verschiedene Deutung einer unleserlichen Handschrift entstanden sein könnten, sind willkürliche Aenderungen, die nur von Bettina selbst gemacht sein köbnet); denn man wird doch nicht annenmen wollen, dass der erste Herausgeber lere die Worte »und auf der Basic y willkürlieh zugesetzt, oder ans einem im Originale gelesenen »Freundin« willkürlich »Bettine* gemacht halle. Eine wirkliche Pietät für ein vorliegende« authentisches Original verbietet dergleichen Willkürhcbkeiten. Docb -wollen wir das als nebensächlich gelten lassen.

Was den Inhalt des Briefes selbst betrifft, so ist biographisch festgestellt, dass Beethoven in der Zeit, als ihn Bettina kennen lernte, in der That von tiefem Missrnulhe erfüllt war, da »seine Heiralhspartie sich zerschlagen hatte«, d. h. seine lauge Jahre gehegte Hoffnung, sich mit Therese v. Brunswick zu vermählen, aus unbekannten Gründen vernichtet worden war. Hierüber möge man den 3. Band der (Thayer'sehen Biographie nachlesen. Zwei Lieder von Goethe, die Beethoven in jener Zeit componirt, werden in dem Briefe erwähnt: »Kennst du das Land«, welches gerade zu der Zeit, als er Bettina kennen lernle, also im Mai 4810, entstanden sein soll,1) und >Herz mein Herz«, welches er nach ihrer Abreise, also noch im Sommer 1840, geschrieben habe. Beide Lieder erschienen Ende 4840 mit mehreren anderen zusammen und fallen daher allerdings in jene Periode; zur genauen Feststellung des Datums fehlen weitere Angaben. Doch stehen auf einem Skizzenblatte Beethoven's, welches sich in 0. Jahn's Besitz befand, 2) Skizzen von »Kennst du1 das Land« und von »Freudvoll und leidvoll«, ein Umstand, der nach gewöhnlicher Wahrnehmung — man erinnere sich der Noltebohm'schen Untersuchungen über Beethoven's Skizzenbücber — auf gleichzeitige Composition der beiden Stücke schliessen lässl. Die Musik zu Egmonl wurde im Winter 4809/40 componirl, ihre erste Aufführung war am i4 Mai 4840, und somit musste damals die Musik längst fix und fertig sein. Daraus ergiebt sich die höchst wahrscheinliche Vermuthung, dass auch das Lied »Kennst du das Land« bereits früher in Angriff genommen und keineswegs für Bellina oder zur Zeit ihrer Anwesenheit componirt war; sie mag in ihrer Erinnerung das von Beethoven ihr milgetheille Lied als eben componirt irrthümlich angesehen haben. Dass das andere Lied »Herz mein Herz« mit dem Abschiede von Bettina ib Verbindung gebracht wird, leidet unseres Erachtens an grosser innerer Unwahrscheinlfchkeit. Thayer hat die gewiss zutreffende Bemerkung gemacht (III, S. 97), dass es nicht Zofall sein könne, dass gegen Ende des Jahres 1809, als Beelhoven's Hoffnungen, die Erwählte als Gattin zu besitzen, am lebhaftesten waren, auch die zur Composilion gewählten Lieder- texle Beziehungen zu seinen damaligen Empfindungen hatten. Dass er, nachdem seine Hoffnungen zerstört waren, so bald nachher wieder einen solchen Text zur Hand genommen — gerade in dieser so sehr unfruchtbaren Zeit —, ist schwer glaublich, vielmehr durchaus wahrscheinlich, dass auch dieses Lied etwas früher anzusetzen sei.

Ueberhaupt scheint uns, wenn wir die Verhältnisse gerade jener Wochen erwägen, der zärtliche Ton sehr auffällig, welchen Beethoven in dem Briefe anschlägt. Allerdings will Schindler wissen, Beethoven sei in jenen Jahren in Bettina »recht vernarrt« gewesen und deshalb noch später von Freunden geneckt worden. Schindler konnte nur das letztere wissen ; über die

4) Die Worte «als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich sie kennen lernte«, erhalten ihre Erläuterung durch Bettina's Erzählung an Fürst PUckler, dass Beethoven das Lied gerade in jenem Momente »für sie« componirt habe.

1) Vgl. den von den Antiquaren Bacr, Cohen und Lemperlz herausgegebenen Katalog der Musikaliensammlung 0. Jahn's, S. It.

Zeit von BeetboveD's Bekanntschaft mit Bettina selbst hatte er keine Kenntniss, und in welche Zeit wir jene Hittheilung verlegen wollen, wie sie überhaupt zu verstehen ist, bleibt un- (,-ewiss. Für Beethoven war damals eine von ihm lange gehegte liefe Neigung zerstört worden, Betlina aber war seit Jahren die Braut Achims von Arnim; unter solchen Verhältnissen erscheinen diese Liebesäusserungen anstössig, und soviel wir Beethoven's Charakter kennen, unbeelbovensch, da gewisse Scherze, die er sich sonst wohl in Briefen an Frauen erlaubt hat, im Vergleich zu diesem ernsthaft, ja schwerraüthig gehaltenen Briefe nichts beweisen.

Auffällig ist auch, dass er sieb in dem langen Briefe fast uusschliesslich mit der Adressatin beschäftigt, ihrem Geist und ihrem Einflüsse auf ihn das höchste Lob zollt (wie oft lesen wir Aehnliches in den anderen, von Bettina herausgegebenen Briefwechseln), von sich jedoch ausserordentlich wenig sagt. Was er von seinen) Gebore und von der schriftlich geführten Unterhaltung schreibt, stimmt auch nicht ganz mit sonst bekannten Thatsacben ; Beethoven bat den Gebrauch der Conver- sationshefle erst eine Reibe von Jahren später als Regel angenommen , und nach den gewöhnlichen Nachrichten machte ihm sein, obwohl schon sehr geschwächtes Gehör um das Jahr 1810 Unterhaltung, Mnsikhören und eigenes Spiel noch nicht unmöglich. Doch kann es, wenn nicht als Regel, doch als gelegentliches Hülfsmiliel, namentlich bei der Unterhaltung mit einer Dame, auch schon damals angewendet worden sein.

Die obigen Bemerkungen lassen es sehr schwer erscheinen, den Brief, wie er geschrieben ist, für Beethovenscb anzuerkennen, und insbesondere machen ihn die Aeusserungen über die beiden Lieder im höchsten Grade bedenklich. Ein Moment haben wir nach Mittbeilung des zweiten Briefes noch nachzutragen und über den Stil sprechen wir erst, nachdem wir sie alle übersehen. Das Endurtheil kann erst nach erlangter Ueber- sicht über die ganze Frage gefallt werden.

Der zweite Brief ist nur ein halbes Jahr später dalirl; wir geben ihn nach der neuen Edition Carrieres. ',

»Wien am 10. Februar Ihm. Liebe liebe Bettina ! ')

Ich habe schon zwei Briefe von ihnen und sehe aus Ihren Briefen an die Tonie3], dass Sie sich immer meiner und zwar viel zu vortheilhaft erinnern — ihren ersten Brief habe4] ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen und er hat mich oft seelig') gemacht, wenn ich ihnen auch nicht so oft schreibe, und sie gar nichts von mir sebeii, so schreibeich ihnen doch*) <000 mal7) lausend Briefe m Geaankeu. — Wie sie sich in Berlin in ansehung des Weltgeschmeisses8) finden, könnte ich mir denken, wenn ich's nicht voninnen gelesen hätte, schwätzen) über Kunst ohne Ttialen 11 l l l Die beste Zeichnung hierüber findet sich in Schillers Gedicht »die Flüsse« wo die Spree spricht — sie heirathen liebe Bettina10), oder es ist schon geschehen , und ich habe sie nicht einmal zuvor noch sehen können, so ströme denn alles Glück ihnen und ihrem Galten zu, womit die Ehe die ehelichen segnet — Was soll icl ihnen von mir sagen »Bedaure mein Geschick« rufe ich mit, der Johanna aus, rette ich mir noch einige Lebensjahre , so will11) auch dafür wie für alles übrige Wohl und Webe dem alles ir. sich fassenden dem Höchsten danken — An Goethe wenn sie ihm von mir schreiben suchen sie alle die Worte aus, die ihm

4) Allg. conservat. Monatschrift für das Christi. Deutschland. Jan. 4880. In den Anmerkungen lassen wir die wichtigeren Varianten der ersten Ausgabe (Aj und des llius Pamphilius (B) folgen.

t) Geliebte, liebe Beltine A, Geliebte liebe Freundin B 3} tn Ihren Bruder A 4) hau A 6) selig B 6) doch fehlt in A T) tausend mal B 8) Weltgeschmeiss B t) schwatzen B, vieles Schwütien A 10) Beltine A, Freundin B II) will ich A

meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken , ich bin eben im Begrif) ihm selbst zu schreiben wegen Egmont, wozu ich die Musik gesezt i, und zwar blos aus Liebe zu seinen Dichtungen, die mich glücklich machen, wer kann aber auch einem grossen Dichter genug danken,, dem kostbarsten Kleinod einer Nation?

Nun nichts mehr liehe gute B. '). ich komme4) diesen Morgen um i 5) erst von einem Bachanal, wo ich sogar6) viel lachen musle7), um heute beinahe eben so viel /.u weinen, rauschende Freude treibt mich oft gewalthätig8) in mich selbst zurück. Wegen Clemens vielen Dank für sein Entgegenkommen, was die Cantate9), so ist der Gegenstand für uns10) hier nicht wichtig genug, ein anderes ist's11] in Berlin, — was die Zuneigung, so hat die Schwester davon eine so grosso portion 1J), dass dem Bruder nicht viel übrig bleiben wird, ist ihm damit auch'gedient? Nun lebu) wohl, liebe liebe B. u) ich küsse

dich 15) auf deine Stirn und drücke damit wie mit einem

Siegel alle meine Gedanken für dich auf. — schreiben sie bald,

bald, oft ihrem ")

Beethoven.i Adresse (von anderer Hand)

»Von Wien. An Fräulein Bettine v. Brentano

Visconti Laroche bey Herrn von Savigny in Berlin

Monbijon-Platz Nr. I.i") Auf der Rückseile um das Siegel von Beethoven's Hand:

»Beethoven wohnt auf der Mölker Bastey im Pascolatischen Hause.«1*)

Bei diesem Briefe ist uns von jeher ein erhebliches Bedenken biographischer Art aufgestiegen. Beethoven hat die Musik zum Egmont nicht, wie in dem (riefe so absichtlich hervorgehoben wird, aus reiner Liebe zu Goethe's Dichtungen geschrieben, soudern zufolge eines vom Hoflheater erhaltenen Auftrages; es war gleichzeitig auf eine Aufführung von Goethe's Egmonl und Scbiller's Teil abgesehen gewesen, und Beethoven hatte, wie Czerny bezeugt, ausdrücklich den Wunsch ge- äussert, der Teil zu erbalten. Die Aeusserung im Briefe, er sei eben im Begriffe, wegen Egmonls an Goethe zu schreiben, erscheint ausserdem nur dann recht natürlich, wenn es sich um eine eben fertig gewordene Composition bandelte. Nun war aber, wie bereits gesagt, die Egmontmusik bereits im Anfange des Jahres t Hi o fertig, ehe Bettina überhaupt nach Wien kam, und im Mai dieses Jahres aufgeführt worden. Im ersten Briefe war auch schon Goethe's gedacht; ist derselbe echt, so war dort die Stelle, des Egmont zu erwähnen, und es fällt auf, dass dies nicht geschehen ist. Hat Beethoven diesen zweiten Brief geschrieben , so hat er entweder eine bewusste Unwahrheit geschrieben, was ihm nicht zuzutrauen ist, oder er bat Tbatsachen, die nur um eio Jabr zurücklagen, in auffallender Weise vergessen, was von einem Beethovenkenner wie Thayer immerhin für möglich gebalten wird.

Andere biographische Bedenken bietet dieser Brief nicht, wenngleich auch hier der zärtliche Ton, namentlich am Schlüsse, nicht gerade angenehm berührt. Die Verschiedenheit der Lesart betreffend, so ist zu bemerken, dass in der ersten Herausgabe durch Merz ein Bestreben bemerkbar ist, Unebenheiten

1) Begriff A B I) gesetzt A B I) Betline A, Freundin B

4) kam A 5) * Uhr A, vier Uhr B t) to gar A 7) mußte A B 8) gewaltthatig wieder A, gewallthtflig B ») Cantate betrifft A

40) uns fehlt in A 4l) M sie A 41) diese so sehr eingenommen A 48) lebe A 4«) Betline A, Freundin B 45) im Orig. ein durch- strichcnes Wort, dafür in B »so mit Schmerzen«, A ohne Lücke 46) an Stelle des Im Or. unleserlichen Wortes hat A »Freunde«, B »Bruder« 47) fehlt in A B 48) fehlt in B

des Stiles, die io Ilius und Pamphilius und der neuesten Edition gemeinsam hervortreten, wegzuschaffen. Das Hesse auf ein wirkliches Original schliessen. Es lässt sich gar nicht leugnen, dass dieser zweite Brief schon in der Susseren Form, wie wir weiter unten anzuführen haben, aber auch in Einzelheiten des Inhalts mit unzweifelhaft Beethoven'scbeo Briefen Verwandtes bietet. Die Aeusserung am Anfange, dass man sich seiner viel zu vortbeilhafl erinnere, ist ein Ausdruck der Bescheidenheit, der auch in anderen Briefen (z. B. denen an Erzherzog Rudolf) begegnet; wie auch die kurz vor dem Schlüsse enthaltenen, sein Leben und eine projeclirte Cantate betreuenden Aeusserungen nicht nach willkürlicher Brandung aussehen; einer, der den Brief unterschob, würde den letzten Punkt wahrscheinlich deutlicher gemacht haben.

Was die Darstellung in diesem Briefe, sowie seine äussere Beglaubigung betrifft, haben wir für spater noch Einiges nachzutragen. Doch muss schon hier — für den Fall, dass er ganz oder zum Theil als echt erscheinen sollte — ein kurzer Rückblick auf den ersten Brief geworfen werden. Wer diesen zweiten Brief und namentlich den Anfang desselben unbefangen liest, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass, als er geschrieben wurde, ihm ein anderer nicht vorhergegangen war, und um wenigsten ein so ausführlicher, wie der erste, den wir jetzt lesen; denn wäre das der Fall gewesen, so war eine Entschuldigung, wie er sie giebt — da er ja auf einen zweiten Brief antwortet und demnach auf den 'ersten schon früher geantwortet hätte — gar nicht nöthig, und auch die Abwehr der zu vorteilhaften Erinnerung nicht mehr an der Stelle. Auch würde auffallend sein, dass er in dem zweiten Briefe erst die Absicht ausspricht, an Goethe wegen des Egmont zu schreiben, als hätte er denselben eben vollendet, während derselbe schon vor Betlinens Aufenthalt in Wien fertig war. Es sind dies kleine and scheinbar unwichtige Bedenken, welche jedoch zu den übrigen hinzukommend ins Gewicht fallen; sie deuten darauf hin, dass die beiden Briefe sich nicht wohl mit einander vertragen, dass vielmehr, wenn der zweite echt sein sollte, der erste es nicht sein kann. Sind beide unecht, so kommt es auf diese Betrachtung nicht weiter besonders an. (Fortsetzung folgt.)

ComposStionen von Woldemar Voullaire.

Es dürfte heul zu Tage ziemlich selten mehr vorkommen, dass ein Componist seine Thätigkeit mit der musikalischen Bearbeitung von Psalmen und geistlichen Liedern eröffnet und dass das erste Producl, welches er der Oeffentlichkeit über- giebt, ein Werk von der schmerzlichen Inbrunst des Gebetes ist: »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir«. Schon aus diesem Grunde erregen die Compositionen von Woldemar Voullaire, so viel uns bekannt eines Schweden, dessen Erstlingsarbeiten vor mehreren Jahren erschienen und von dem gegenwärtig wieder neue Tondichtungen vorliegen, ein gewisses Interesse. Wir haben es mit einer ernst angelegten, streng religiösen Natur zu Ihun, die sich formell an die Romantiker, namentlich an Mendelssohn und Gade anlehnt und nicht gerade eine originelle und reiche Productionskraft zu besitzen scheint, deren Hervorbringungen indess mit dem Stempel eines dem äusser- licben EITect aus dem Wege gehenden, gegen sich selbst slreng- gesionlen , edel und warm empfindenden Künstlers an der Slirne tragen.

Das Gebet *Ava tiefer Noth tckrei ich tu dir* Op. l hat Voullaire für eine Sopranslimme und Chor mit Orgelbegleilung geschrieben. Es ist ein Andante sostenuto aus E-moll (*/g-Takt). Der Gesang, der das Flehen der zerknirschten Seele nicht mit

dramatischem Pathos, aber schlicht und schön ausdrückt, wird von einem wesentlich polyphon behandelten, in strenggebundenen Achteln dahingleitenden Accompagnement gelragen, wie es für die Orgel passt. Nachdem die Solostimme den Text vorgeführt und mit A-moll geschlossen bat, tritt der vierstimmige Chor ein und wiederholt seinerseits den Satz, während der Solosopran eine selbständige Melodie dazu ertönen lässt. Am Schluss, der die Worte »Wer kann vor dir bleiben?» noch eindringlicher illustrirt, treten zu dem Solosopran vier weitere Einzelstimmen, welche dann der Chor wiederum aufnimmt. Die letzten Takte verklingen pianissimo in der Tiefe', als fasste die Betenden ein Schauer vor der Nähe des Herrn.

Einen ähnlichen Vorwurf behandelt Op. 2. Es i 4 dar l'i. Psalm, den Voullaire durch eine A l tstim me vortragen lässt, während wiederum die Orgel begleitet. Das Tonstück beginnt mit einem Adagiosatz in G-moll, dessen klagende Weise den Worten : »Wie lange , o Herr , willst du meiner gar vergessene, wobl entspricht. Die Ausdrucks weise erinnert an die Solosätze io Mendelssohn's Psalmen, namentlich im 4*., wobei übrigens von directen Reminiscenzen nicht die Hede ist. Mit den Worten »schaue doch und erhöre mich, Herr, mein Gott« wachst die leidenschaftliche Innigkeit des Gesanges, der dann bei der folgenden Stelle »dass ich nicht im Tode entschlafe« stillschauernd zur Tiefe sieigt, als öffnete sich schon die Gruft. Mit dem vertrauensvollen »Doch ich hoffe darauf, dass du so gnädig bist« tritt die G dur-Tonart ein und es gestaltet sich das Lied zu einem choralartigen Hymnus, der die Freudigkeit des gläubigen Herzens schön austönt. Das ziemlich lange Stück verlangt, dass die verschiedenartigen Stimmungsnüancen mit einem gewissen dramatischen Accent hervorgehoben werden, bietet übrigens einer tüchtigen Sängerin eine keineswegs undankbare Aufgabe dar.

Mit Op. 3 sehen wir Voullaire zum ersten Mal das Gebiet der Claviercomposilion betreten, insofern demselben nicht etwa der ohne Opuszahl erschienene »Deutsche Siegesmarsch* für Pianoforte vorangegangen ist. Letzterer ein marschmässiges Allegro maestoso in A-dur ist kräftig und schwungvoll gebalten, ohne sich gerade hoch über das Niveau derartiger Gelegen- heitscompositionen zu erheben.

Die 6 Pianofortestücke Op. 8 verrathen in ihrer durchschnittlich strengen Gebundenheit und ernsten Charakter den Organisten, der sich nur allmälig dem freieren und beweglicheren Wesen des Ciavierstils accomodirt. An der Spitze steht ein Scherzo aus E-moll, das in seinem ganzen Habitus wiederum an Aehnliches bei Mendelssohn erinnert, ohne freilich des letztem leichte Grazie zu erreichen. Das »Rnhelied« Nr. t ist ein Largbelto aus As-dur, durch Schlichtheit und schöne Canlilene ansprechend, ohne tiefer zu dringen. Gleiches gilt von der Romanze Nr. 3, über der ein eigenartig schwermüthiger Hauch liegt. Das zweite Heft wird von einem Andaule con moto in D-moll eröffnet. Es bat Präludiencharakter und belegt abermals Voullaire's Vorliebe für strengen Satz und die Künste des Contrapunktes. In Nr. 5 begegnen wir einem Lied ohne Worte, in welchem schöne Melodik mit stimmungsvoller Declamation Hand in Hand geht. Den Scblrss macht eine Sarabande aus B-moll. Sie ist von einer gewissen ernsten Energie, die auch der Millelsatz aus Des-dur nicht verleugnet und die zum typischen Charakter dieser Tanzweise passt.

Eine anmuthige Vocalcpmposilion bildet das Spanische II', .-/, nachtslied Op.4, welchem von Emunuel Geibel mit gewohnter Meisterschaft übersetzte Verse zu Gründe liegen. Die Liedweise (Andante moderato Es-dur %) hat etwas sinniges, fromm- angehauchtes und wird durch eine bei aller Durchsichtigkeil wohllautvolle Begleitung gehoben. Den Refrain »Slillet die Wipfel, es schlummert mein Kind« hält Voullaire auch musikalisch fest, wodurch die Form noch geschlossener wird. Nicht weniger werthvoll, ja unseres Erachtens das Beste, was der Componist bis anbin veröffentlicht hat, sind die bei J. Rieter-Biedermann erschienenen Drei Lieder *Auf meines Kindes Tod' nach Dichtungen von J. von Eichender? Op. 5. Die ergreifende Poesie EichendorfTs hat hier Gesänge erzeugt, die ihr an Schönheit und Tiefe des Ausdrucks wenigstens nahe kommen. Voullaire denkt sich die drei Lieder im Zusammenhang vorgetragen und nur durch eine kurze Pause von einander geschieden, weshalb er auch die Tonarten correspondiren liissl, Das erste Lied »Von fern die Uhren schlagen« gehl aus G-moll. Es ist ein Andante sostenuto, dessen erster Tbeil wehmülhig leise klingt, als lauschte der Sänger hinaus auf das Klopfen des verirrten Kindes. Erst mit den Worten »wir armen, armen Tborent schwillt der Gesang stärker und leidenschaftlicher an, um mit der Scblusswendung »Du fandest längst das Haus« wieder ruhiger zu werden und wie in schmerzlicher Verklärung auszutönen. Es folgt ein Adagio aus D-dur »Hier ist so tiefer Schalten«, dessen friedevolle Weise den Charakter eines Schlummerliedes an sich trägt. Der Schluss »Schlaf wohl, mein süsses Kind« wirkt durch seine Schlichtheit um so rührender. Das dritte Lied »Mein liebes Kind, Adel« steht in G-dur und ist etwas bewegter gebalten. Auch hier zeichnet sieb die Melodie durch natürlichen Fluss und warme Empfindung aus. Der Sänger nimmt von dem geliebten Kind Abschied, schmerzbewegt aber nicht ohne tröstliche Hoffnung auf ein Wiedersehen dort oben. — Gegenüber so vielem Ueberladenen, Geschraubten, Pathetisch- hohlen, was uns heul zu Tage gerade auf dem Gebiet des Einzelgesanges begegnet, mutbet dies Liederheft in seiner Einfalt und Gemülbsliefe zwiefach erquicklich an. — Das neueste Werk Voullaire's Op. 6 betitelt sich nFrüMingsaUntm* und uin- fasst 11 Ciavierslücke, in denen der Componist eine Reihe von Bildern, wie sie der liebliche Lenz gestaltet, musikalisch zu schildern sucht. Es ist das Heiterste, was der Tondichter bis jetzt hervorgebracht und keineswegs ohne poetischen Reiz. Doch stehen die Stücke nicht auf gleicher Höhe ; manches wiegt gar laicht, anderes gemahnt mehr an gelrocknete Blumen oder an Eluden, als an Veilchenduft und Sonnenglanz. Hübsch läutet Nr. \ »Frühlingsalioen« den kommenden Lenz ein. In Nr. 3 »Lau wehen die Winde« webt in der Thal etwas von jenem sanften, süssen Hauch, den Uhland besingt. Ansprechend drückt der Ddur-Satz Nr. 5 das Behagen aus, welches den Wanderer beim Durchschweifen der blülbenlicblen Flur ergreift. Nr. 9 ahmt den Schlag »der Wachtel im Saatfeld« nach, wahrend in Nr. < < die schmetternden Hörner aus dem Wald ertönen. Mit einem warmen H-dur-Salz, dessen Arpeggien das Wogen der Kornfelder illustrirt, schliesst das Heft ab. Möge die heilere Stimmung, aus der die Stücke bervorgetrieben, dem Componisten treu bleiben und sich in Schöpfungen offenbaren, die weniger auf der Oberfläche schwimmen, in denen sich vielmehr ein bedeutsamer geistiger Inhalt in vollendeter Form offenbare! Da Voullaire durch eine Reihe von Schöpfungen dargethan hat, dass er seine Kunst nicht als einen müssigen Zeitvertreib betrachtet, sondern es ehrlich und ernst damit meint, dürfen wir um so zuversichtlicher auf ein« Erfüllung

unsere« Wunsches hoffen. . „. ..

A. Nigglt.

Anzeigen und Bcurtheilnngen. Violinschulen.

4. Theoretisch-praktische EleBeitv-VUlluehile von J. t. Lrlmumn. Op. 20. Leipzig, Breitkopf & Harte). 5 Jl.

5. VUlU-Sdmle von Litlwlg ibrl. Cöln, P. Tonger. Zwei Theile ä 4 Jl.

3. Vi*lln-Srhule von Metlr. lenuu. Leipzig, C.F. Peters.

Zwei Theile.

Arn neue Violinschulen, die Irolzdem einander nicht im Wege stehen, sondern sehr gut neben einander ihren Platz behaupten werden. Das Werk von Lehman n ist eine Elemen- tar-Violinschule im guten Sinne des Wortes, wie sie" für Semi- iiarien und die meisten Privat-Violinspieler sich passend erweist. Der erste Band von Abel's Schule dient demselben Zweck, und da sie sehr instrucliv gehalten ist, auch im zweiten Band die Kunst des Violinspiels auf eine hohe Stufe führt, so verdient sie Allen angelegentlich empfohlen zu werden, die wirklich zum Parnass hinauf wollen. Dasselbe gilt auch von II e r- in ;i ii n's Werk, welches in conciser Fassung auf engem Raum einen reichhaltigen Lehrstoff darbietet. Hermann und Abel sind anerkannte, in der Praxis bewährte Violinlehrer.

Stattgart.

A. Den Concerlreigen eröffnete Herr Eduard Strauss aus Wien, welcher vom 1. bis 8. October mit seiner Kapelle unser für derartige sogenannte Kunslleistungen allem Anschein nach sehr empfängliches Publikum erfreute. Jeden Tag ausverkaufter Festsaal der Liedorballe t Herr Eduard Slrauss kann mit seinem Stuttgarter Aufenthalt zufrieden sein und er hat auch nicht verfehlt, vor seiner Abreise dem kunstliebenden Publikum der schwäbischen Residenz seinen öffentlichen Dank abzustatten. Der Herr Hofballelmeisler scheint demnach seine Leistungen sehr hoch zu taxiren und dem Publikum , welches an dergleichen musikalischen Harlequinaden, wie sie hier geboten wurden, Gefallen findet, eine hohe Stufe künstlerischen Geschmackes und Unheils zuzuschreiben. Gönnen wir ihm diese Ansicht, gönnen wir aber dem Publikum auch die derbe Leclion, welche ihm durch den Herrn Hofballelmeister wider dessen Willen erlheilt wurde. Dasselbe geberdete sich wahrhaft wie toll, und wir mussten uns fragen, ob wir in Stuttgart seien, in Stuttgart, woselbst eine so vorzügliche Kapelle wie das Kgl. Hoforohester und so viele treffliche Künstler, die Carl'- sche Kapelle nicht zu vergessen, sich Jahraus Jahrein bemühen, die edelsten Schätz« der musikalischen Literatur in vorzüglicher Ausführung dem Publikum zu bieten?

Das erste Abonnement-Concert zum Besten des Witlweo- und Waisenfonds der Mitglieder der Kgl. Hofkapelle und der Kgl. Hofbühne fand Dienstag den 17. October unter Mitwirkung des Pianisten Carl Schuler aus Stuttgart stall. Eröffnet wurde dasselbe mil der Symphonie Nr. (t in B-dur von Josef Haydn, ei nein jugendfrischen, von köstlichstem Humor, namentlich im letzten Satz belebten Werke, welches von der Kapelle mil gewohnter Meisterschaft und künstlerischer Vollendung gespielt wurde. Die zweite Nummer brachte das Esdur- Concerl für Pianotorte von Beethoven. Es wäre unbillig, Herrn Schuler technisches Können und ernstes Streben abzusprechen, er hat etwas gelernt. Aber niemand kann über seinen eignen Schatten springen. Um Beethoven zu spielen, dazu gehört ein liefas Eindringen in den Geist seiner gewaltigen Schöpfungen, ein warmes, liebevolles Eingehen in das Kleinste, Unscheinbarste, denn hier »t nichts Phrase; jede Note hat ihre Bedeutung und sieht im engsten organischen Zusammenhang mit der dem Werke zu Grunde liegenden Idee. Von einem tieferen Erfassen dieses Geistes haben wir aber nichts empfunden. Herr Schuler bot uns eine rein technische Wiedergabe des herrlichen Werkes, und auch bezüglich der technischen Seite hätten wir ein schöneres Legate, eine grbssere Poesie und Wärme des Tons und hie und da mehr Klarheil und Durchsichtigkeit des Spiels gewünscht. Manche mögen vielleicht unser Urtbeil zu strenge finden, wer aber in einem Abonnemenl-Concert als Solist auftritt, an dessen Leistungen stellen wir auch die gröss- len Anforderungen, und uns war die herrliche Wiedergabe dieses Concerlü durch unscrn trefflichen Pruckner vor einigen Jahren in noch gar zu frischer Erinnerung. Ueberhaupt möchten wir gleich zu Anfang unserer diesjährigen Concert-Chronik bemerken, dass wir Niemandem zu Gefallen noch zu Leide schreiben, wir geben einzig und allein unserer künstlerischen Ueberzeugung Ausdruck, und wem die nicht gefällt oder vielmehr nicht passt, dem können wir eben nicht helfen. Fräulein Löwe, Hofopernsängerin, trug hierauf mit ihrer immer noch sympathisch berührenden Stimme drei Lieder hübsch und stilgerecht vor; das zweite Lied »Sterne mit den goldnen Füss- clien« von Hornstein schien uns nicht recht in den Rahmen solcher Concerle zu passen, welche das Beste oder doch das Bedeutendere der Literatur vorführen sollen, das gleiche gilt vom Lassen'scheo Liede; überhaupt gehört in solche Concerte die grosse Arie. Dem Liedvortrage folgte eine Suite von Georges Bizet: »L'ArltLsieone« für Orchester. Das Werk enthält manches Piquante, es ist von echt französischem Esprit erfüllt, aber ziemlich leichte Waare ist sie doch diese sogenannte Suite. Man nennt ja heute alles Suite, dem man sonst keinen Namen geben kann; es geht derselben wie der Motette Ende des 17. Jahrhunderts, da man auch jedes mehrstimmige Vocalstück Motette nannte, und die diametralsten Bestrebungen sich hier zusammenfanden. Herr Schuler spielte dann noch die von Tausig für Ciavier verballhornte Toccate und Fuge in D-moll von Bach und Nouvelle Soiree de Vienne ebenfalls von Tausig; hier schien sieb tlerr Schüler mehr in seinem eigentlichen Elemente zu befinden. Die brillante Eiecutirung der Oberon- Ouvertüre bildete den Schluss des Concertes. Schliesslich möchten wir uns die Frage erlauben, ob in Anbetracht der akustischen Mängel des Königsbausaales den Blechbläsern nicht eine grössere Schonung der Lungen, namentlich in den symphonischen Werken der älteren Meisler anempfohlen werden könnte, da die Wirkung des Streichquartetts durch den oft gar zu energischen Ansatz der Naturtöne völlig aufgehoben wird.

Am T*ge darauf, den (8. October, fand im Festsaale der Liederballe das schon längst durch meterlange Plakate angekündigte Concc-rt des Mulatten Brindis de Salas aus Cut*, der Miss Anna Bock, sowie der Herren Sootbeim und Gustav Wendel statt. Die Reclame halte nicht verfehlt, das Spiel des schwarzen Geigers als ein phänomenales auszuposaunen. Es ist dies nun einmal so Sitte geworden und der heillosen Institution der Impresari haben wir es zu danken, dass Kunst und Künstler in einem Tone und in einem. Stile aii- gepriesen werden, dass man sich oft auf einem Jahrmarkt zu befinden glaubt. Hiegegen muss namentlich die Fachpresse einmal entschieden Front machen, und das beste Mittel, um diesem immer mehr überhandnehmenden Unfug ein Ende zu machen, wird sein, dass man in solchen Fällen eine rücksichtslose Kritik übt. Schon im Interesse jener echten Jünger der Kunst, welche es grundsätzlich verschmähen, die Reclam- posaune ziehen zu lassen, weil sie zu hoch von ihrer Kunst und von, sich selbst denken und welche am meisten unter der Urteilslosigkeit des grossen Haufens leiden, welcher sich sein Urtbeil entsprechend der Grosse der Plakate bildet, ist es von Nüthen, diesem Unwesen energisch entgegen zu treten. Brindis de Salas hat Tüchtiges gelernt, er verfügt über keine unbedeutenden technischen Mittel, aber sein Spiel ist matt, monoton und verschwommen, es fehlt demselben die Kraft und Bestimmtheit, auch die Reinheit lässt viel zu wünschen übrig. Wir konnten im ersten Concert nur einige Nummern mit anhören, desto gründlicher haben wir das zweite genossen, wel

ches Freitag den 17. October stattfand. Herr Brindis spielte das Allegro aus dem ersten Violinconcert von Paganini, die Beethoven'sche Romance in F und eine Polonaise von Wieniawski. Das Paganini'sche Concerl ist viel zu schwer für Brindis und es war nichts weniger als ein Genuss, denselben sich mit den enormen technischen Schwierigkeiten desselben abplagen zu hören und zu sehen; er spielte dasselbe herunter schlecht und recht, und nicht nur viele Noten, sondern ganze Takte fielen unter das Pull, und Herr Kapellmeister Carl hatte sichtliche Mühe das Ganze zusammen zu halten. Von Beethoven möge Herr Brindis seine Finger lassen, den versteht er nicht. Selbstverständlich war der Beifall ein ungeheuerer, denn einen Mohren, welcher Violine spielt, siebt und hört man nicht alle Tage. Fräulein Bock spielte das Concert von Weber, »Sei mir gegrüssl« von Schubert und die Rigoletlo-Phantasie von Liszl, ebenso im ersten Concerl die Cismoll-Sonate von Beethoven mit einer Technik und Kraft, aber auch mit einer Geschmacklosigkeit und Itohheit der Auffassung, gegen die allen Ernstes Protest erhoben werden muss. Unsere Concertsäle sollen der Kunst geweihte Stätten, aber keine Schmiedwerkslällen sein. Den innern Beruf zur Kunst müssen wir der Dame vollständig absprechen, und es ist Pflicht der Kritik, auf solch unberufene Ciavierfinger nachdrücklichst zu klopfen. Ueber den Gesang des Herrn Sontheim wollen wir schweigen, möge er die Ausübung des edlen Gesanges Berufeneren überlassen. Die Carl'scbe Kapelle war der einzige Lichtpunkt in diesem Concerte; sie erfreute uns mit der Wiedergabe der Mendelssohn'schen Ouvertüre »Meeresstille und glückliche Fahrt' und einem von Liszt wirksam orchestriren Schubert'schen Marsche; auch in der Begleitung der Solopiecen erwies sich dieselbe wiederum als tüchtig.

(Fortsetzung folgt.)

Der aretinisehe Congress für liturgischen Gesang.

Mailand, im September 4881.

Am 1. September d. J. wurde in Arezzo, dem Geburlsorte des Benedictinermöncbes Guido, ein Denkmal enthallt, dessen Aufschrift A Guido Monaco* lautet. Eine wiirdige Gestalt im Mondisgewande erbebt sieb auf einem schmalen Piedeslale. Das Antlitz des Mouches ist nicht sehr ausdrucksvoll, eher dem Gesiebte eines Schulmeisters, als dem eines »Gründers der Musik« entsprechend. In der Thal halte der moderne Bildhauer Recht, wenn er in Guido mehr einen ausgezeichneten Schulmeister, einen unübertroffenen Singlehrer, als einen phantasievollen Tondichter darstellen wollte. Guido Monaco erwarb sich seine unsterblichen Lorbeern weder als Schöpfer schöner Ge- stnge, noch als Erfinder des Monochordes, noch als Träger der verschiedentlich ihm angedichteten Verdienste, sondern als Verbesserer, nicht aber Erfinder der Noienschrift und als ausgezeichneter Knaben- siogmeisler. Guido von Arezzo ist einer jener wenigen glücklichen mittelalterlichen Tonmeister, welche die Nachwelt kennt und nennt. Ebenso verdiente Meister sind in der heutigen Zeit weder gekannl noch genannt. In der Vorhalle des Palazzo degli Uffizi, jenes weltberühmten Qorentinischen Gebäudes mit den unsterblichen Kunstwerken, steht das Standbild Guido's, des »Erfinders desTonsysteras«(t), neben den Standbildern von Cosimo und Lorenzo de Medici, Dante, Petrarca, Macchiavelli, Galilei, Orcagna, Giotto, Benvenuto Cellini, Leonardo da Vinci, Michelangelo u. s. w., in der That, .inmitten einer illustren Gesellschaft. Die Toscaner verehren in Guido einen Meisler der Tonkunst, welcher dem Michelangelo ebenbürtig sei in seiner Kunst. Ein nur oberflächlicher Blick in die Blatter der Musikgeschichte wird wohl dieses Uebermaass der Anerkennung, wenn vielleicht auch nicht auf sein richtiges Maass zurückfuhren, so doch massigen.

Der schlichte Benedictlner hallo es sich wohl nicht träumen lassen , dereinst neben den genannten Männern zu stehen; er, der von seinen Milbriidern im Kloster Pomposa zu Ferrara wegen seiner hervorragenden Begabung derart angefeindet wurde, dass er es vorzog, das Kloster zu verlassen. Er Iheilte eben das Schicksal vieler Jener, welche sich in einer oder der anderen Beziehung auszeichnen, sei es durch Kenntnisse oder moralische Vorzüge. Am allerwenigsten liiittn sich aber Guido träumen lassen, an der Logenbrüstung des Aretiner Theaters als »Spiritus familiaris« abgebildet und dazu vemrtheilt zu sein, von diesem erhabenen Standpunkte der Aufführung des »Mephistopheles« von Arrigo Boilo beizuwohnen, dem Festspiele zu Ehren der Enthüllung des Guidonischen Denkmales!

An dem Piedestale des Denkmales sind zwei Basreliefs angebracht, deren eines die Singscbule Guido's darstellt, beiläufig in der Weise des Gemäldes von Berlin!, wahrend das andere einen Traum Guido's darstellen soll, in welchem ihm sieben Engel als Symbole der sieben diatonischen Tonstufen erscheinen. Schon langst ist die Fabel, nach welcher dem Guido die Erfindung der sieben Tonstufen oder die Einführung derselben in die abendländische Musik zugeschrieben wird, historisch widerlegt. Dem Bildbauer konnte es aber immerhin freistehen, diese Mythe künstlerisch zu reproduciren, während der zweite Versloss des Bildhauern uicht leicht zu entschuldigen ist und von der Ignoranz der betheiligten Kreise zeugt. Guido hält in einer Hand ein Antiphonar, welches mit der Nota quadrala nolirl ist. Die Nota quadrala wurde aber erst beiläufig hundert Jahre nach Guido eingeführt. Diese Schnitzer finden eine stupende Fortsetzung in zahlreichen Hymnen, Festgedichten und Memoiren, welche zu Ehren Guido's in den Festlagen vertbeilt worden und welche in überschwanglicher Weise die Grossthaten Guido's verherrlichen. Man nimmt aber gern diese Curiosiläten mit in den Kauf, wenn man sieht, wie aufrichtig die Italiener und insbesondere die Toscaner ihren Guido verehren, ja wie volksthümlich Guido in Arezzo ist. Bei Gelegenheit der Enthüllungsfeierlichkeit wurden Volksfeste abgehallen , Regionalausstellungen arrangirt, und zwar eine pädagogische, eine agricolare und eine Musikinstrumenten-Ausstellung. Wettlaufe und sonstige unvermeidliche Spectakel, wie die Musik von dreissig Bürgerbanden, deren Mitglieder in abenteuerliche Trachten gekleidet waren, liessen den zurückgezogensten aretinischen Kleinbürger Tag und Nacht nicht tur Ruhe kommen. Das Municipium in Arezzo, welches schon 4869 die Errichtung des Denkmales angeregt hatte, bot in den Tagen der Enthüllung seine ganze Pracht und Herrlichkeit auf, und so halte das Fest das Gepräge eines Volksfestes.

Es war ein sehr glücklicher Gedanke, dass bei dieser Gelegenheit ein internationaler europa ischer CongressfOr liturgischen Gesang in Arezzo abgehalten werden sollte, einCongress, welcher hiedurch das Andenken Guido's ehren und zugleich wissenschaftlichen Studien obliegen sollte. Der Coogress versammelte sich aber erst neun Tage nach der Enthüllung und sonderbarerweise erachtete es der vorbereitende Congress-Ausschuss nicht für passend oder für geralhen, Ins Denkmal in corpore zu besuchen. Der Con- gress spielte sich nur innerhalb der Mauern der Kirche San Maria della Pieve ab. Die Sitzungen fanden vom 44. bis 49. September drei Mal im Tage statt, die Coogre&isten hatten kaum Zeit, die nüthige Nahrung einzunehmen, noch die nüthige Erholung im Schlafe zu finden. Die Debatten drehten sich um Einen Punkt, welchen auszusprechen ein Jeder scheute, aber nicht meiden konnte; eine Angelegenheit, welche schon durch viele Jahre die musikalischen Ge- mUlher des Clerus in Aufregung versetzt, nämlich: die neuerliche Herausgabe der Medicaea durch den Verleger Pustet in Regensburg, eine Ausgabe, welche durch die Congregation der Riten empfohlen, befohlen, als authentisch erklärt wurde, oder wie immer die diplomatischen Ausdrucke heissen mögen, welche von einzelnen Congres- sisten als Für und Wider in dieser Angelegenheit gebraucht worden sind.

Man kann den aretinischen Congress eine musikpolitische Versammlung nennen, da der eigentliche Zweck Derjenigen, welche den Congress in Scene gesetzt haben, in gewissem Sinne ein politischer gewesen ist, nämlich um gegen die neue Ausgabe Front zu machen. Einige Namen, welch« in der wissenschaftlichen Welt Bedeutung haben und insbesondere auf dem Gebiete des Cantus Planus glänzen, mussten dazu herhalten, nach Aussen dem Ganzen ein Air zu verleihen, während andere Musikgelehrte, welche gekommen waren, am im Verkehre mit Männern, welche einen Theil ihrer Wissenschaft pflegen, einander anzuregen, arg enttauscht worden sind, so zwar, Jass einige der Letzleren das Ende des Congresses gar nicht abwarteten und schon früherdasWeitesuchten. Schon in den vorberathen- den Acten, welche aber erst spater veröffentlicht wurden , hätte ein aufmerksames Auge den Angelpunkt der Debatten erblicken können. So schrieb Cardinal Bartoiini an den Präsidenten des Beför- deruiigscomitek, Abbe Suerrlno Amelli in Mailand, am l. April 188S: »In der Eigenschaft als Präsident des Congresses werde er wohl die Mitglieder des aretinischen Congresses und ihre Discus- sionen in Maass zu halten vermögen, damit die praktische Frage über den actueüen Gekrauch der von dem heil. Stuhle durch das Organ der heiligen Congregatioo der Riten vorgeschlagenen Typenausgabe von Pustet respectirt werde * Und Herr Amelli

fügt in einer »Beleuchtung« zu diesem Briefe, welche er Im Juli-Hefte einer »Musica snc.ra« veröffentlichte, hinzu: »Das Feld der Wissen

schaft scheint nach unserem Ermessen von Jenem der Autorität verschieden, so dass man durchaus nicht argwöhnen darf, dass der.Con- gress in Arezzo canonische Autorität in Anspruch tiehme, etwa wie ein Concil oder eine Synode....» Und weiter fährt er fort. »Dortbin (nach Arezzo) werden die reichen Erträgnisse der Ernte, welche mit grosser Sorgfalt auf dem neuen, noch nicht ganz erforschten Gebiete der musikalischen Archäologie gesammelt wurden, getragen, dort werden die kostbaren Funde der neuen Wissenschaft mit edlem Enthusiasmus enthüllt werden, so zwar, dass wir hoffen können, dass jene Wahrheit erglänze, welcher Niemand widerstehen kann.« Der Gegensatz der Kirche, als der höchsten Autorität für die Beschlüsse des Congresses, wider die wissenschaftliche Forschung kam mehrfach zur Sprache, und insbesondere Abb* Per r iot, Superior des grossen Seminars in Langres, wusste in «einer glatten Weise die Gegensätze abzuschleifen, indem er hervorhob, dass die Congregation der wissenschaftlichen Restanrirung des Kirchengesanges nicht entgegentreten könne, dass sie wohl eine abgekürzte Ausgabe empfehlen solle, aber eine, welche ein wissenschaftliches Princip habe. Schwerere Geschütze wurden von einem anderen Franzosen (Dessus aus Parisj und einem Spanier (Juan de Castro) geschleudert. Von ihren Lippen kamen die Vorwürfe ärgster und gröbster Art: man hätte er hier nicht mit mercantilen Angelegenheiten zu thun, mit der Kunst solle nicht Handel getrieben werden etc.

Für Denjenigen, welcher aus wissenschaftlichen Gründen zum Congresse gekommen war, waren diese Dinge ein Gegenstand des Abscheues. Lassen wir auch diese treibenden Motive ausaer Acht und beschäftigen wir uns mit dem eigentlichen Gegenstande und dam Resultate des Congresses.

Wer nach all dem Gehörten meinen würde, man halle beim Congresse eine eingehende wissenschaftliche Bemängelung der Ra- tisbona gehört, der irrt sich sehr. Fast Alle — mit wenigen Ausnahmen — waren von vorneherein Überzeugt, dass die Medicea den Anforderungen der echten musikalischen Liturgik nicht entspreche, aber Keiner rückte deutlich mit der Sprache heraus. Es wurden Schriften vertheilt, welche die neue Ausgabe angriffen und in welchen die Vorwürfe einzeln abgehandelt wurden; so: 4. dasGraduale enthalte nicht die echten gregorianischen Gesänge; t. es bestehe keine Einheitlichkeit in der Disposition der Gesänge, dieOfficien des Supplementes zum Graduale seien nicht conform den Regeln des Kirchengesanges, die beiden Bücher stimmten weder mit der Tradi- tion noch untereinander; S. das Vesperale wimmle von Fehlern und Widersprüchen, di« Notation des Vesperale sei nicht conform der de» Graduale, das System der Modi entbehre der Einheit; ». die Hymnen weisen grosse Incorrectbeilen auf; endlich S. diese Ausgabe sei schlechter als alle die letzthin herausgegebenen Ausgaben des Cantus Planns.

(Forlsetzung folgt.)

Berichte. Lelpug.

Im achten Gewundhausconcert (30. November) repro- ducirte sich Herr James Kwast aus Köln mit einem selbstcompo- nirlen Clavierconcerl (Manuscript), erklärlicherweise mit wenig Erfolg; denn den musikalischen Gedanken gebrach es auffällig an Ausarbeitung wie an Originalität, auch das häufig verwendete Effecl- stuckchen des »Perlenregens« verfehlte seinen Zweck. Mehr Gluck hatte er als Claviervirtuos, namentlich im Vortrag von Mendelssohn's Präludium und Fuge in E-moll und einer allfranzösischen Gavotl > unbekannten Meisters; dagegen liess die sonst sehr gewandt gespielte Liszt'sche Transcription des Wogner'schen Spinnerliedes einige Finessen vermissen. Als gutgeschulte italienische Coloretursängerin errang sich Signora V a r e s i die Gunst des Publikums, klein und dann zwar klang Ihre Stimme, aber lelcbtbeflügelt und graziö« schweote sie Ober alle Schwierigkeiten fort. Nach der feinen geistreichen Cavatine aus Rossini's»Barbier« (»(/na voce poco f<u) fiel allerdings die Scene und Arie aus »Lucla di Lammermoor" von Donizelli (»71 dolce mufto») ihrer malleren Farben wegen merklich ab. Der Schluss und Glanipuokt des Abends war RoDerl Schumann'.« zweite Symphonie (C-dur), eine Musterleistung des Orchesters, welches schon als guten Anfang die Concerl-Ouverture (A-dnr) von Julius Rielz, die Märchenstimmung des ersten Theiles und den Schwung der ändern, zu schöner Wirkung gebracht hatte.

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Einzeln: 4. Mein Herz ist im Hochland. U! 4,—. S. FUrKinen. ufO,75. 8. Einen schlimmen Weg ging gestern ich. .4M, — .

4. Du süsse Dirn'von Inverness. Jlt,—. B. John Andersen, mein Lieb'. M 0,75. t. 0 sah' ich auf der Haide dori. JH.---. 7. Leb' wohl, mein Ayr. Jt 4,15.

Op. SO. Sieben Lieder von Thomas t««rc für elieflipÜBHp.

Cplt l Jl 50 ty.

Einzeln: 4. Licht sei dein Traum. .4t 4,—. a. Es kommt)eine Zeit, eine trübe Zeit. Jt 4,—. 3. Wenn durch die Piazzett« Jl 4,—. 4. Leis' rudern hier, mein Gondolier. .* (,—.

5. Die Bowle fort. 6. Wie manchmal, wenn des Mondes Strahl. .* 4,15. 7. Friede den Schlummerern. Jt l,—.

Op. Sl. Vier Balladen von Allin dinningban für eine Sl«g-

»lini»e. Cpll 5 Jt — Jp.

Einzeln: 4. Gordon von Brackley. Jl 4,75. S. Der Geächtete .41 4,50. 3. Das Madchen von Inverness. .44,75. 4.Carllslc Thor. Jl 4,50. Op. r,S. Sechs Ce»uge von Walter Scott für eine Sligsthnr.

Cplt 6 JH SO ty.

Einzeln: 4. Jock von Harzeldean. .14,.10. 1. Wiegenlied 4t 4,—. ». Das Madchen von Isla. Jl 4,50. 4. Barthram'.« Grablied. Jl 4,45. 5. 0 sag' mir, wie dich freien. .M 4,15.

6. Klage der Irenzerwittwe. .41 4,15.

Op. 63. Sechs CeaUge von Alfred Tennjson u. Felicia lawuM.

Cplt 6 Jl BÖ SSt.

Einzeln: 4. Die Schwestern. Jl *,«. i. Wiegenlied. Jl 4,»5.

3. Claribel. 4. Weit entfernt. .4M, — . 5. Mutter, o sing mich zur Ruh'. Jl 4,—. 6. Der letzte Wunsch. .U 4,75.

Op. .-;.(. Donald Caird ist wieder da. Gedieht von Walter Scott für Tenor oder Baryton mit M'annerchor und Orchester oder Pianoforle.

Partitur .M 3,50. Orchester-Stimmen .// 6,- . Ciavierauszug Jt 2,50. Solo- und Chorstimmen .4t 1,35. Op. 58. Vier Gesatge von J. (i. lerder f. eine mitllere Stirn»*. No. I. Erlkönigs Tochter. Jl 3,—. No. 1. Darlhula's Grabgesang. Jl 4,50. No. 3. Edward. .* 2,50. No. 4. Lied der Desdemona. ,U l,—.

Op. 6l. Sechs Lieder für eine tiefe Stiwme. Cplt. 5 Jt — &.

4. Perlenfischer (Roquette). Jl 0,78. — i. Gesang des Efn-

siedels. .* 4,76. 3. Ea bat so grün gesäuselt (Müller). —

4. Auf den Bergen (Lemcke). .40,75. — 5. Die Heimatb- glocken (ürban). Jl 4,75. — «. An die Nachl(Sbeley). Jl 4,15.

Verleger: J. Hieter-Biedermann in Leipzig und Winlerthur. — Druck von Breitkopf & Harte! in Leipzig. Expedition: Lelpzlf, Rabensteinplair. 1. — Redaclion: Bergedorf bei Hamburg.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 13. December 1882.

Nr. 50.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Die Entslohungszeil der Leonoren-Ouverlüre Nr. 4, Op. 418. — Die Briefe Beethoven'» an Beitina von Arnim. (Forlsetzung.) — Anzeigen und Beurlheilungen (Musikalische Studienköpfe von La tlara. Fünfter Band. — Samson et Dalila, Opera en S Aclcs de Ferd. Lemaire, Musique de Camille Saint-SaBns. — Les Heatitudes (Die Seligkeiten), Poeme de Madame Colomb, Musique de C6ur Frank. — Bearbeitongen von Hans v. BUlow. — Tanzwelsen aas Opern von Gluck, bearbeitet von H. v. BUlow. — Verzeichnis! des Musikalien-Verlaga von Breitkopf & Härlel in Leipzig). — Stuttgart. (Fortsetzung.) — Der aretinische Congress für liturgischen Gesang. (Fortsetzung.) — Berichte (Leipzig). — Nachrichten und Bemerkungen. — Anzeiger.

Die Entstehungszeit der Leonoren-Ouvertüre Nr. l, Op. 188

von Dr. Alb. Lerlnsokn.

Dieser Aufsatz war bestimmt, vor der Veröffentlichung Goslav NoUebohm vorgelegt zu werden, um ihn zu einer Meinungs- Uiisserung zu veranlassen, ob er auch jetzt noch und namentlich nach der Publication des zweiten Beelboven'scben Skizzenbuchs un der von ihm in den Beelhoveniana aufgestellten Ansicht über die Ouvertüre Op. 138 festhalte. Inzwischen ist nun leider dieser vortreffliche Mann gestorben, und es bleibt zweifelhaft, wie er sich gegenüber nachstehenden Bemerkungen verhallen hätte. Vor seiner Arbeit über die Entstehungszeit der Ouvertüre nahm man an, sie sei die älteste der Ouvertüren und von Beethoven wegen zu leichten Charakters zurückgelegt worden. Notlebohm nun suchte zu beweisen, hauptsächlich auf Grund verschiedener Skizzen zu diesem Werk, sowie zur Cmoll- Sympbonle, dass jenes erst (807 und zwar für eine projectirte Aufführung der Oper in Prag geschrieben sei, die aber unterblieb, nnd seine Ansicht ist heute, man kann wohl sagen, allgemein recipirt Nun veröffentlichte er aber 1880 ein Skizzen- buch aus den Jahren 1803—(804, aus dem er verschiedene chronologische Schlüsse zog, die einige Angaben der Beelho- veniana verbessern. Dadurch aber wurde seinen Argumentationen zu Op. (38 die Hauptstütze entzogen , die schon ohnedies nicht Ober allen Zweifel sicher war.

Um vollständig klar den Stand der Frage darzulegen, muss man vor Allem, abgegeben von den Skizzen, alle Beweisstücke und Nachrichten kennen, welche die Geschichte der Ouvertüre betreffen. In Folgendem seien sie kür/, aufgezählt.

In der über Beetboven's Naehlass abgehaltenen Auclion kaufte der Verleger Haslinger ein Packet verschiedener kleiner Composilionen und fand darunter die Abschrift von Partitur und Orcheslerslimme einer anbekannten Ouvertüre, mit Cor- recturen von Beelhoven'a Hand. In der ersten Violinstimme war von Ihm die Bezeichnung hinzugefügt »charakteristische Ouvertürei. Haslinger zeigte die bevorstehende Veröffentlichung in der Allg. Musikal. Zeitung von (828 an and tbeilte eine Angabe des Violinspielers Schoppanzigh mit, wonach dieser sieh einer »vor einigen Jahren von Beethoven abgehaltenen Probe dieser Ouvertüren erinnerte. Dass die Ouvertüre für die Oper bestimmt war, musste bald klar werden wegen der Benutzung der Plorestan-Arie. Es entstand also die Frage, wie sie sich in chronologischer Hinsicht zu den anderen. Ouvertüren verhalle. Seyfried in dem (831 ersuliieneuien Buch »Beethoven'* XVII.

Studien« u. s. w. gab an, sie sei für die Prager Bühne compo- nirl worden. Dass in der That im Jahre (808 eine Aufführung der Oper in Prag beabsichtigt wurde, und dass in Wien die Rede ging , Beethoven wolle dazu eine neue , leichtere Ouvertüre schreiben, wissen wir auch aus einem Zeitungsbericht von ( 808 ; dass dies geschehen, darüber wissen wir nichts, aus der Aufführung der Oper wurde damals nichts. Zu der Notiz von Seyfried bemerkt nun Haslinger, die erwähnte Ouvertüre werde noch im Lauf des Jahres erscheinen. Sie erschien auch, aber auf dem Titelblatt war das Jahr 1805 als Enlgle- hungszeit angegeben. Damit stimmt Schindler in seiner erst (840 erschienenen Biographie, und berichtet ferner, Beethoven habe die Ouvertüre auf den Ralh seiner Freunde zurückgelegt, und darauf für die erste Aufführung die jetzige Nr. J geschrieben, ohne dass jedoch irgend eine Quelle für diese Notiz angegeben wird.

Bei dieser Sachlage fällt sogleich die Abweichung zwischen Seyfried und Haslinger auf. Seyfried lebte in den Jahren, die hier bei Feststellung der Chronologie in Betracht kommen, in fast täglichem Verkehr mit Beethoven und war als Kapellmeister im Theater an der Wien 1805 und (806 bei den Proben zu der Oper beschäftigt. Da fand sich nun diese niemals öffentlich gespielte, aber offenbar für die Oper bestimmte Ouvertüre. Dass es nicht die bei der ersten Aufführung (805 gespielte grosse und merkwürdige Ouvertüre war, musste ihm als Dirigent klar sein. Von dem Plan, eine leichlere Ouvertüre für Prag zu schreiben, konnte er durch seinen Verkehr mit Beethoven wissen (vielleicht war er gar selbst der Urheber jener Zeltungsnotiz), und wenn er sieb also dessen später erinnerte, so lag die Vermutbung durchaus nahe, die aufgefundene Ouvertüre sei für Prag componirt worden. Dass er sich etwa der Musik erinnert hätte, ist schon an sich nicht glaublich , dt er sie höchstens hätte aus Beethoven's eigener Partitur kennen lernen können; auch deuten seine Worte nicht im geringsten darauf hin. Vielmehr ist seine Angabe nur eine allerdings nicht ganz grundlose Conjectur. Wenn nun Haslinger, der ja dieselbe kannte, dennoch das Jahr (805 angab, so mussten ihm offenbar Nachrichten zugekommen sein , wonach diese Zahl als die richtige und Seyfried's Conjectnr als irrlhümlich anzusehen war. NoUebohm meint, es bleibe unerklärlich, wie Haslinger zu der Zahl kam. Nun, unerklärlich ist es ja offenbar nicht; er hatte eben Ursache, sie für die richtige zu halten, und man imi.w annehmen, dass er sich erkundigt hatte, bevor er von Seyfried's Angab« abwich. Unaufgeklärt allerdings bleibt tu, denn wir kennen die Quelle nicht, aus der er schöpfte. Sie mag alto ebensowohl eine zuverlässige, als eine ansichere

SO gewesen sein, obscboa das Brstere das Wahrscheinliche ist, da doch ohne Zweifel einige Mühe aufgewandt wurde, das Richtige zu erfahren. Allerdings rnüssle man die Haslinger'sche Datirung auf sich beruhen lassen, wenn sie allein dastände. Glücklicherweise kommt nun die Schindler'sche Erzählung hinzu, wodurch wir über die Geschichte der Ouvertüre zur Genüge aufgeklärt werden. Entkleidet man sie der bei Schindler nicht seltenen theatralischen Färbung, so geht sie dahin, die Ouvertüre sei bei dem Fürsten Lichnowsky probirt und dann von Beethoven bei Seite gelegt worden, und selbst Nottebobm stellt die Wahrheit dieser Thalsacben nickt in Abrede, wenn er sie'auch in ein späteres Jahr verlegt. Dafür ist aber, wenigstens vor der Hand, kein Grund vorhanden; bei der Uebereinslimmung von Schindler und Haslinger muss man sowohl an den Thalsachen als an der Jahreszahl festhalten. So gut wie Jener kann auch Dieser durch Erkundigungen Näheres über die Entstehung des Werkes erfahren haben. Jedenfalls standen ihnen ganz andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit zu Gebote, als uns; es gab ja noch Leute, welche sich der ersten Aufführungen der Oper und der damit verknüpften Thatsachen erinnern konnten. Nottebohm, der, wie schon angeführt, Haslinger's Angabe für unerklärlich hält, stellt die Ver- muthung auf, da zu jener Zeit, wie er aus Concerlberichten erweist, nur zwei Ouvertüren bekannt waren, die grosse in C-dur in zweiter Gestalt und die in E-dur, so habe Haslinger, dem bekannt wurde, dass die Ouvertüren- zu der ersten Aufführung <805 und zu der Wiederaufnahme 4806 nicht dieselben waren, fälschlich angenommen, die aufgefundene unbekannte Ouvertüre sei die (805 gespielte. So ist es aber sicherlich nicht gewesen. Allerdings bekannt waren nur jene zwei Ouvertüren ; wohl aber mochten sich noch Musiker entsinnen, dass die in C eine Umarbeitung erfahren hatte , wenn ihnen auch der Umfang derselben nicht mehr gegenwärtig sein konnte. Wenn wirklich Jemand auf den Gedanken kam, die unbekannte Ouvertüre sei die bei der ersten Aufführung" gespielte, so waren genug Leute da, ihn eines Besseren zu belehren, voran der Kapellmeister Seyfried. Man bedenke doch, dass die Ouvertüre in C eine solche war, dergleichen an Anlage und Ausführung bis dahin unerhört war, mit Stellen, wie das Trompetensignal und die Violinpassage, deren Auffälligkeit wohl im Gedäcbtniss haften bleiben musste. Dass also kundige Leute, wie z. B. Seyfried, diese Ouvertüre mit dem verhällnissmässig zahmen Op. 138 verwechselt haben sollten, ist in keiner Weise anzunehmen, und ebensowenig, dass Haslinger, der (8(0 nach Wien gekommen war, auf seine eigene Hand , ohne Rücksicht auf gute Gewährsmänner die Zahl (805 adoptirt haben sollte. Nottebohm ist auf seine Vermulhung denn auch erst gekommen , nachdem ihn die chronologische Betrachtung einiger Skizzen zu der Ueberzeugung gebracht hatte, Haslinger habe sieb geirrt, und er nun diesen Irrthum zu erklären suchte. Betrachten wir also nunmehr Notlebuhm's Argumentation auf Grund der Skizzen. Sie geht dahin :

Die vierte Symphonie wurde erst (806 fertig; die fünfte Symphonie kann nur nach ihr fertig geworden sein. Also ist I. die fünfte Symphonie nicht vor (806 fertig geworden. Nun finden sich verschiedene Skizzen zur fünften Symphonie zusammen mit solchen zu Op. (38. Die Stellung und Beschaffenheit dieser Skizzen soll nun ergeben, II. dass die Ouvertüre begonnen wurde, als die Symphonie ihrem Abschluss ziemlich nahe war.

Polglich, schliesst Nottebobm aus I und II, kann III. die Ouvertüre nicht vor (806 entstanden sein.

Diese Schlussfolgerung hat, neben anderem Bedenklichen, vor Allem die eine ganz offenbare Blösse. Wenn auch wirklich die Symphonie ihrem Abschluss nahe war (was den Thatsachen gegenüber kein entsprechender Ausdruck ist), so könnte im

merhin die Ouvertüre erst dann begonnen und doch viel früher beendigt worden sein. Es ist bekannt, dass Beethoven gleichzeitig an verschiedenen Werken zu arbeiten pflegte. Während der Composition der Oper war er mit der vierten und fünften Symphonie, dem Concert in G, dem Tripelconcert und den Quartetten Op. 59 beschäftigt. Die Vollendung dieser Werke musste selbstverständlich zurückstehen gegen die der Oper, also auch der Ouvertüre. Schon diese einfache Betrachtung slösst die Schlussfolgerung über den Haufen. Eine Symphonie, die »dem Abschluss ziemlich nahe ist«, ist doch keine Nalurgewalt, die in gesetzmässigem Verlauf der Vollendung zustrebt, sondern eine persönliche Schöpfung, die man nach Belieben , nach den Umständen, Dringlichkeit anderer Arbeiten u. s. w. liegen ISsst. So wurde die vierte Symphonie später begonnen als die fünfte und doch eher vollendet, offenbar, weil sie dem Componisten leichler von der Hand ging, and ebenso die Ouvertüre, aus dem einfachen Grund, weil sie fertig werden musste.

Es hindert mithin nichts, die Skizzen etwa in den Sommer (805 zu verlegen. Die endliche Vollendung der Symphonie fällt erst in das Jahr 1808, d. b. in diesem Jahre wurde sie zum ersten Mal aufgeführt, und so würde allerdings eine beträchtliche Zeit dazwischen liegen. In der Thal aber passl der Ausdruck »dem Abschluss nahe« für die Skizzen gar nicht. Selbst wenn der Entwurf fix und fertig vorliegen würde, so würde auch das nicht zwingen, anzunehmen, die Symphonie müsse nun auch bald nach denselben vollendet worden sein. Denn von dem blossen Entwurf bis zur fertigen Partitur ist doch, namentlich bei Beethoven's Art zu arbeiten , noch ein weiter Weg. Aber solcher vollständiger Entwurf liegt uns gar nicht vor; es handelt sich nur um einige wenige Bruchslücke. Vom ersten Satze bringen sie nichts, können uns daher nicht darüber belehren, wie weit dieser zur Zeit ihrer Niederschrift bereits vorgerückt war. Vom Finale sind nur die ersten drei Takte des Themas vorhanden. Während wir vom ersten Satze annehmen müssen, dass derselbe im Entwurf zu jener Zeit schon ziemlich fertig war, da schon aus viel früherer Zeit Arbeiten dazu bekannt sind, haben wir zu solcher Annahme beim Finale keine Berechtigung. Aus den Skizzen ersehen wir nur, dass Beethoven damals nach der Ueberleilung vom Scherzo zum Finale suchte und dabei den Vierviertel-Takt schon vor Eintritt des Themas beginnen lassen wollte. Aus dem Arbeiten an diesem Punkte mag man wohl schliessen, dass das Scherzo im Entwurf schon ziemlich feststand, bis auf diese Ueberlei- tung und bis auf den Schluss des Trio, zu dem zwei Skizzen vorbanden sind ; es scheint, als wenn Beethoven damals an die Ueberleilung vom Trio zum Scherzo noch nicht gedacht hal. Das Adagio betreffen nur zwei ganz kurze Bruchstücke, bei denen es schon gewagter ist, einen Schluss auf den Standpunkt der Arbeit zu ziehen. Mil Ausnahme einer einzigen Skizze von vier Takten ist keine, so wie sie dasteht, in der Partitur enthalten , vielmehr sind sie noch wesentlichen Veränderungen unterworfen worden, wie ja aus dem Ausgeführten schon er- hellt. Man isl also nichl berechtigt zu behaupten auf Grund so gearteter Skizzen, dass, als Beethoven die Skizzen zu Op. 138 schrieb, die Symphonie «ihrem Abschluss nahe war«, und wäre sie es selbst mehr, als die Skizzen erweisen, gewesen, so wäre das frühere Vollenden der Ouvertüre schon durch die Dringlichkeit hinreichend motivirt. Somit steht in der That nichts im Wege, die Skizzen in das Jahr (80B zu setzen.

Ein Umstand allerdings ruft einiges Bedenken hervor. Notlebohm theilt an einer anderen Slelle (Beelhoveniana S. (Off.) einige Skizzen zur fünften Symphonie mit, welche dieselbe noch ganz in ihren Anfängen zeigen. Es sind eigentlich nur gewissermaassen Gedanken-Embryonen. Da nun dieselben mit Skizzen zur Oper zusammenstehen, die Arbeit an der Oper, wie man früher annahm, erst Ende 4804 begann, so wären diese Skizzen etwa in den Anfang des Jahres 1805 zu setzen (s. ». a. 0. S. 16), und man hätte die auffällige Thatsache, dass nur wenige Honale zwischen ihnen und jenen anderen Skizzen liegen, in denen die Arbeit schon in einem vorgeschrittenen Stadium erscheint, während doch Beethoven gleichzeitig mit der Oper und den Entwürfen zu anderen grossen Werken in Anspruch genommen war. In Noltebohm's Argumentation tritt dies Bedenken nicht scharf hervor; ohne Zweifel aber liegt es seiner Betrachtung zu Grunde und ist auch nicht ohne Weiteres abzuweisen. Hier tritt nun das (880 von Nottebohm publicirle Skizzenbuch helfend ein und beseitigt auch dies letzte Bedenken. Aus demselben ergiebt sich nämlich unzweifelhaft, dass die Composition der Oper nicht 1805, sondern spätestens Anfang des Jahres l mit, wahrscheinlich schon Ende <803 begonnen wurde, und sind demgemäss, wie Noltebohm selbst sagt, seine Angaben in den Beethoveniana zu berichtigen. Danach würde also zwischen den beiden Skizzen-Gruppen die hinreichende Zeit von etwa l Vj Jahren liegen.

Demnach steht nichts im Wege, die Angaben Haslinger's und Schindler's als vollkommen zutreffend anzuerkennen und zu der alten Datirung zurückzukehren, wonach Op. 438 den ersten Versuch einer Ouvertüre zur Oper darstellt. Manchem wird, wie ich meine, dieses Resultat lieb sein. Der Gedanke, Op. 138 sei erst nach der grossen Cdur-Ouvertüre geschrieben, hat etwas Widerstrebendes, und man wird sich nicht gern dazu verstehen. Das könnte natürlich nichts verschlagen, wenn durchaus zwingende Beweisgründe vorhanden sind. An denen fehlt es aber gar sehr, wie wohl aus dem Vorigen hinreichend klar ist. Innere Gründe aber sprechen lediglich für die alte Datirung. Wüsste man gar nichts über die Geschichte der drei Cdur-Ouvertüren, so würde schon eine Betrachtung ihres musikalischen Inhalts auf die richtige Ordnung führen. Die Aehn- lichkeiten von Op. < 38 und Op. 71 sind: eine Einleitung, in der der Hauptton der Ouvertüre noch nicht festgestellt wird, de"r allgemeine Charakter des Hauptihemas und die Art der Einführung desselben durch allmäliges Emporsteigen auf der Dominante, ferner die Herübernabme der Tenor-Arie aus der Oper. Alles Dies ist aber in Op. 71 unendlich grossartiger und überwältigender ausgeführt, und man muss sich verwundern, dass sich Beethoven hätte auf den einfacheren und beschränkteren Standpunkt zurückversetzen können, von dem aus Op. l 38 com- ponirt ist.

Herr Thayer, der die Meinung Noltebohm's adoptirt, meint im dritten Bande seiner Biographie, idie vielen beredten Betrachtungen über die erstaunliche Fortentwicklung von Beel- hoven's Schöpferkraft, wie sie sich in dem Fortschritt von Nr. l zu Nr. 3 zeige, seien mit einem Schlage der Tborheit und Lächerlichkeit verfallen.« Nun, an Stelle dieses voreilig fortis- simo angestimmten Triumph- und Hohn-Liedes dürfte wohl besser ein Adagio lamentoio treten über den Irrtbum, dem selbst so vorlre.lflic.-he Forscher wie Nottebohm gelegentlich verfallen können und in den andere Leute Gefahr laufen, mitverwickelt zu werden.

Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim.

Von Dr. H. »i'iti-rs.

(Fortsetzung.)

Entscheidende Argumente, gegen welche auch die grössle Pietät gegenwärtig nichts mehr anzuführen vermag, bietet der dritte Brief. Derselbe soll im August 4 84 S aus Teplilz geschrieben sein und bal folgenden Wortlaut: '

t) Ich gebe denselben, da mir das Athenäum nicht zu Gebote steht, nach Schindler, mit den Varianten in Ilius Pamphilius.

Liebe gute Bettine! ';

Könige und Fürsten können wohl Professoren machen und Geheimera'the u. B. w.~ und Titel und Ordensbänder umhängen, aber grosse Menschen können sie nicht machen, Geister, die über das Weltgeschmeiss hervorragen, das müssen sie wohl bleiben lassen zu machen, und damit muss man sie in Respect halten :i) ; wenn so zwei zusammen kommen, wie ich und der Goethe, da müssen auch grosse4) Herren merken, was bei unser Einem als gross gelten kann. Wir begegneten gestern auf dem Heimwege der ganzen kaiserlichen Familie. Wir sahen sie von weitem kommen, und der Goethe machte sich von meiner Seite6} los, um sich an die Seite zu stellen ; ich mochte sagen was ich wollte, ich konnte8) ihn keinen Schritt weiter bringen ; ich drückte meinen Hut auf den Kopf, knöpfte7 meinen Oberrock8) zu, und ging mit untergeschlagenen Armen mitten durch den dicksten Haufen. — Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Erzherzog9) Ru- dolph hat1") den Hut abgezogen, die Frau Kaiserin hat gegrüsst zuerst. — Die Herrschaften kennen mich. — Ich sah zu meinem wahren Spass die Procession an Goethe vorbei defili- ren. Erstand mit abgezogenem Hute tief gebückt ander Seile. Dann hab' ich ihm auch") den Kopf gewaschen, ich gab keinen'2) Pardon und hab' ihm alle13) seine Sünden vorgeworfen , am meisten die gegen Sie , liebste Bettine! u) wir hatten gerade von Ihnen gesprochen. Gott l hätte ich eine solche Zeit mit Ihnen haben können, wie der, das glauben Sie mir, ich hätte noch viel, viel mehr Grosses hervorgebracht. Ein Musiker ist auch ein 15) Dichter, er kann sich auch durch ein paar Augen plötzlich in eine schönere Welt versetzt fühlen, wo grössere Geister sich mit ihm einen Spass machen, und ihm recht tüchtige Aufgaben machen. Was kam mir nicht alles in den Sinn, wie ich Dich ') kennen lernte, auf der kleinen Sternwarte, während des herrlichen Mairegens17), der war auch ganz fruchtbar 18) für mich, die schönsten Themas schlüpften damals ans Ihren Blicken in mein Herz, die einst die Well noch entzücken sollen, wenn der Beethoven nicht mehr dirigirt. Schenkt mir Gott noch ein paar Jahre, dann muss ich Dich wieder sehen, liebe, liebe Betline 19J, so verlangt's die Stimme, die immer recht behält in mir. Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben. Ihr Beifall ist mir am liebsten in der ganzen Welt. Dem Goethe habe ich meine Meinung gesagt, wie der Beifall auf unser Einen wirkt, und dass man von seines Gleichen10) mit dem Verstand gehört sein will; Rührung passt nur für Frauenzimmer (verzeih1 mir'si, dem Mann11) muss Musik Feuer aus dem Geist schlagen. Ach liebstes Kind, wie lange ist's11) schon her, dagg wir einerlei Meinung sind über alles 11! — Nichts ist gut, als eine schöne, gute Seele haben, die man in allem erkennt, vor der man sich nicht zu verstecken braucht. Man muss was sein, wenn man wag scheinen will; die Welt muss einen erkennen, sie ist nicht immer ungerecht. Daran ist mir zwar nichts gelegen, weil ich ein höheres Ziel habe. — In Wien hoffe ich einen Brief von Ihnen, schreiben Sie bald, bald und recht viel; in acht Tagen bin ich dort, der Hof geht morgen, beule spielen sie noch einmal. Er bat der Kaiserin die Rolle einstudirt, sein Herzog und er wollten, ich solle was von meiner Musik aufführen, ich hab's beiden abgeschlagen, sie sind beide verliebt in chinesisch Porzelan15), da ist Nachsicht von Nölhen**), weil der Verstand die Oberhand verloren hat, aber ich spiele11) zn ihren Verkehrtheiten nicht auf, absurdes

1) Liebste gute Freundin 1) »u. l. w.« fehlt 8) haben

4) diese grossen S) von meinem Arm 6) könnt 7) and knüpfte 8) Ueberrock «) Herzog 40) hat mir 44) noch 4«) kein U) all 44) Freundin, 45)-ein. fehlt. 4«) Sie 47) dem herrlichen Mairegen 48)ganzfrachtbarauch 49) liebste liebe Freundin 30) Seinesgleichen 14) Manne IS) ist es II) Porzellan »4) vonnötben 1t) spiel.

Zeug mach' ich nicht auf gemeine Kosten mit Fürstlichkeiten, die oi* »na dar Art Schulden kommen. Adieu , Adieu Beste, Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Herien und erquickte mich da, Musicanten erlauben sich «lies.

Gott wie lieb' ich Sie l TepliU, August 4841.

Dein trauester Freund und tauber Bruder Beethoven.»

Dieter dritte Brief ist Bettina'a Verriither. Zu den bereits friili nach seinem Hervortreten angeführten Gründen gegen seine Schnell sind seit jener Zeit so zwingende neue hinzugekommen, dasa auch der besonnene Forscher, der hohe Verehrer der Schriftslellerln nicht mehr für seine Echtheit eintasteten wagt. Bei Aufzählung der zahlreichen Momente kann iah es Dicht vermeiden, die früher und insbesondere in Tlmyer's drittem Bande angeführten Gründe hier Eu wiederholen, und darf dabei wohl mit Thayer's Zustimmung verralhen, dass ein Theil derselben zuerst von mir ausgesprochen und dann von Thayer angenommen wurde.

Die allgemeine biographische Voraussetzung des Briefes ist richtig: Beethoven war im Sommer 1811 zur Herstellung seiner Gesundheit in Teplitz , und zwar zum zweiten Male ; er war 18 i t ebenfalls dort gewesen. Hier ist nur eine kleine Schwierigkeit : Beethoven war in demselben Sommer auch in Karlsbad und Franzensbruna. Br war am 7. Juli in Teplitz angekommen, spätestens in den ersten Tagen des August nach Karlsbad gekommen, wo er bereits am 6. August ein Concert gab, von da nach Franiensbrunn gereist, wo er jedenfalls bereits am 41. August war (demnach füllt die Reise nach Karlsbad doch wohl noch iri den Juli), und kehrte von da nach Teplilz zurück. Hier war er jedenfalls am 4 6. September und blieb bis gegen den Ocloher, Es erscheint hiernach sehr unwahrsoheinlioh, dasa er im August überhaupt ip Teplitz war, wenn der Auf* enthalt an den beiden anderen Orten irgendwelche Wirkung für ihn haben sollte, und das Datum »August 4841» erscheint als biographisches Versehen, welches von Beethoven kaum herrühren dürfte. Die unbestimmte Datiruog »August« ist an sich schon auffällig und verrätheriscb, da Beethoven sonst den bestimmten Tag anzugeben pflegt.

Dies ist jedoch nur ein geringes Bedenken im Vergleich zu denen, welche noch folgen.

Beethoven war damals in Teplilz nicht allein mit Goethe zusammen, der am 48. Juli dortbin gekommen war; er war auch — and das war den früheren Beurtheilero bis auf Tbayer entgangen — zusammen mit Bettina von Arniin, welche am 14, Juli mit ihrem Gallen Achira von Arn i m and ihrer Schwester Frau von Savigny dorthin gekommen war (Thayer III, S. 404). Nun ja, könnte man sagen, er schrieb den Brief, als er nach Teplitz zurück kam, Bettina aber wieder abgereist war. Leider aber schrieb sie über ihre dortigen Erlebnisse auch noch an andere Personen ; und so lesen wir den» in einem Briefe an den Fürsten Pückler-Muskau1) gerade dasEreignjss, welches den Hauptinhalt des obigen dritten Briefes bildet, in einer Weise erzählt, welche den Brief an Betlina in entscheidender Weise erläutert. Jener Brief an Pückler ist ein wirklicher, nicht von Bettina zu literarischen Zwecken zugerichteter Brief, und war von ihr nicht zur Herausgabe bestimmt ; sie bat die wörtliche Herausgabe desselben sicherlich Bioht erwartet. Hören wir ihre Erzählung an Pückler :

»Indem kam auf dem Spaziergange ihnen entgegen mit dem ganzen Hofstaat die Kaiserin und Herzoge; nun sagte Beethoven: Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht. — Goethe war nicht der Hei-

4) Briefwechsel des Fürsten Pückler-Muskau, I. S. 90.

nnng, und ibm wurde die Sache unangenehm ; er machte sich ans Beetboven's Arm los, und stellte sich mit abgezogenem Hut an die Seite,') während Beethoven mit untergeschlagenen Armen mitten zwischen den Herzogen durchging, und nur den Hut ein wenig rückte, während diese sich von beiden Seiten theilten, um ihm Platz zu machen, und ihn alle freundlich grüsslen ; 2) jenseits blieb er stehen, und wartete auf Goethe, der mit tiefen Verbeugungen sia hatte an sich vorbei gelassen. — Nun sagte er: Auf Euch hab' ich gewartet, weil ich Euch ehre und achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angelhan. Nachher kam Beethoven zu uns gelaufen und erzählte ans alles, und freute sich ganz kindisch, dass er Goethen so geneckt habe.«

Dass es sich hier um ein und dasselbe Ereigniss handelt, weiches stellenweise fast mit denselben Worten erzählt wird, ist sofort klar; nur ist in der angeblich Beethoven'schen Darstellung die Sache noch weiter übertrieben , wie vermuthlich schon in dem Briefe Bettioens an Pückler. Ganz so unhöflich, wie ihn der erstere Brief erscheinen lägst, ist er also doch nicht gewesen; er »rückte den Hut«, grüsste also , wenn auch vermuthlich nicht sehr geschickt. Er würde also , wenn er jenen Brief geschrieben hätte, nicht allein etwas Unwahres berichtet, sondern sich zugleich einer Unhöflichkeit gerühmt haben, deren er denn doch, bei all seiner Formlosigkeit im Verkehre, nicht fähig war. Aber was die Hauptsache ist: er erzählte unmittelbar nachher Bettina [den Vorfall, welchen sie sich, wie aus der Ferne, von ihm schreiben lässt. Und jeder etwaige Einwand, er balle die Sache erst längere Zeit nachher nach Bet- tina's Abreise ihr nochmals erzählt, fällt durch die Worte des Briefes: »wir begegneten gesternc u. s. w. Dieselbe Geschichte erzählt er ihr heule mündlich und schreibt sie ihr morgen wie an eine ganz Entfernte,9) die von derselben noch nichts weiss!

Dazu kommt eine weitere, auffällige Uebereinstimmung in beiden Briefen. Ehe die Begegnung mit den kaiserlichen Herrschaften staltfand, waren Beethoven und Goelhe in einem Gespräche über das Verhalten zu hohen Personen begriffen. In ihrem Briefe an Fürst Pückler lässt Bettina Beethoven folgendes sagen: »Einen Orden können sie einem wohl anhängen, aber darum sei man nicht um das geringste besser; einen Hofrath, einen Geheimerath können sie wohl machen, aber keinen Goelhe, keinen Btelboven, also das, was sie nicht machen können, und was sie selber noch lange nicht sind, davor müssen sie Respecl haben lernen, das ist ihnen gesund.« Jeder sieht, dass hier ganz dieselbe Betrachtung, zum Theil wieder mit denselben Worten angestellt wird, und in derselben Beziehung zu der erzählten Thatsacbe, wie im drillen Briefe an Bettina. Wird wohl jemand glauben, Beethoven habe ihr dieselben Worte, welche er ihr als an Goethe gerichtet erzählt, Tags nachher als seine Betrachtung geschrieben?

Und dasselbe ist über die Worte Beetboven's zu sagen, die er bezüglich des Beifalls, den der Künstler erwartet, Betlina gegenüber geäussert haben soll. »Dem Goethe hab' ich meine Meinung gesagt« (lässt ihn Beitina schreiben), »wie der Beifall auf unser einen wirkt, und dass man von Seinesgleichen mit dem Verstand gehört sein will.» Und im Briefe an Pückler- MjWBk.au läsat sie Beethoven eben diese Betrachtung mit denselben Gründen aussprechen. »Ihr müsst doch selber wissen,«

4) Im Briefe an Bettina: »Der Goethe machte sich von meiner Seite los, um sich an die Seite zu stellen — erstand mit abgezogenem Hute tief gebückt an der Seile.« Also dasselbe Ereigniss fast mit denselben Worten erzahlt.

1) »Fürsten und Schmiwen machten Spalier, die Herrschaften grüsslen zuerst« im Briefe an Betlina.

1) »Schenkt mir Gott noch ein Paar Jahre, dann muss ich Dich wiedersehen« u. ». w.

lässt sie ibo zu Goethe sagen, »wie wohl es lliut, von tüchtigen Hunden beklatscht z» sein; wenn Ihr mich nicht anerkenne», und als Euresgleichen abschätzen wollt, wer soll es denn thun?«

Die angeführten Gründe möchten schon hinreichen, darzu- ihun, dass diejenigen im vollen Rechte waren, welche in dem dritten Briefe ein Elaborat Bettineos erkannten ; und doch bringt jede aufmerksame Betrachtung des Briefes deren noch weitere. Dia Aeusserungen der Zärtlichkeit gegen Bettina, deren Augen auf seine musikalische Phantasie gewirkt, deren Brief auf seinem Herzen gelegen habe, die Anrede mit Du, das »Gott wie lieb ich Sie« am Schlüsse, ist nicht allein der Juogvermäblten gegenüber sehr anstössig, sondern auch aus anderem Grande für Beethoven damals unmöglich. Sein Herz war damals ander- weilig gefesselt. Im Jahre vorher hatte er Amalie Sebald in Teplilz kennen gelernt und zu ihr eine so tiefe Neigung ge- fasst, dass es noch nach fünf Jahren in seinem Herzen gerade so war «wie am ersten Tage» , .nid eben sie sollte er im Jahre 1811 in Teplitz wiedersehen. In einer solchen Zeit ihm dergleichen Liebeserklärungen gegen eine andere, gegen eine erst seit Jahresfrist Vermählte in den Mund legen, beisst ihn eine Lächerlichkeit begehen lassen, deren er nicht fähig war. Bei- Üoa kannte jene anderen Beziehungen nicht, wie sie ja überhaupt mit Beethoven's sonstigen Lebensbeziehungen wenig bekannt war — nennt sie doch in dem Briefe an Fürst Pückler den »Herzog Rainer« ils den, welchem Beethoven Unterricht gab — während ihre Gewohnheil, Männern, welche sie bewunderte und mit denen sie befreundet war, eine Art von Liebesscbwärmerei für sie zuzuschreiben, wie wir namentlich aus.Pückler's Briefwechsel entnehmen, ein — wir wollen sagen poetisches Bedürfniss für sie war.

Die geringschätzige Art, mit welchem in den dritten Briefe Beethoven über Goethe spricht, steht in auffallendem Gegensätze zu den früheren Aeusserungen höchster Bewunderung und zu der Tbatsacbe, dass er diese Bewunderung auch später noch hegte, wie u. a. die Widmung von »Meeresstille und glückliche Fahrt» ergiebt. Von Bettina geschrieben, sind diese Beethoven zugeschobenen Aeusserungen viel weniger auffallend, und hier ist besonders die Aensserung ve*rätherisch: BeeU- hoven habe Goethe seine Sünden gegen Bettina vorgehallen. Sbflte Beethoven wirklich, als Goethe in jener Zeit aus bekannter Veranlassung die Beziehung zo I!«Uin?. löste, für Bettina gegen den grossen Dichter Partei genommen haben? Sollte nicht vielmehr Bettina selbst noch lange nachher ihrem Uabehagen über jenus Erlebniss Ausdruck gegeben haben T

Wir erwähnen zum Schlüsse noch des scheinbar geringfügigen Dmstandes, der aber in der Reihe der Beweisgründe gegen diesen dritten Brief nicht fehlen kann, dass unter den Mitgliedern der kaiserlichen Familie, denen Beethoven begegnete, auch Herzog (es musste beissen Erzherzog) Rudolf genannt wird. Erzherzog Rudolf war damals, wie aus einem am (t. August an ihn gerichteten Briefe Beetboven's (Thayer III, S. 207) hervorgeht, nicht in Teplitz gewesen. Das nahe Ver- hällniss Beetboven's zu diesem Prinzen, welches schon seit einer längeren Reihe von Jahren bestand, macht es vollständig unmöglich, dass Beethoven gerade mit diesem Namen eine Verwechslung sollte begangen haben.

Die Gründe, aus welchen Beethoven diesen dritten Brief nicbt geschrieben haben kann, sind so zahlreich und zwingend, dass die Frage bezüglich desselben schon hier als abgeschlossen betrachtet werden kann. Diesen Brief hat Bettina von Anfang bis zu Ende selbst geschrieben, wobei sie stellenweise Ansichten und mündliche Aeusserungen Beethoven's wiedergab, ganz in derselben Weise, wie sie ihrem eigenen Eingeständnisse zufolge vielfach auch sonst in ihrer schriftstellerischen Thätigkeit verfahren ist. Die inneren Gründe sind bei diesem Briefe vollständig entscheidend; sie haben auch den bisher eifrigsten

Verfechter der Autbenticttät der Briefe, den wackeren Thayer, bezüglich dieses dritten Briefes genöthigt, seine bisherige Ansicht aufzugeben.

Nun könnte gesagt werden, und es ist dies auch von Thayer ;esagt worden : mag der dritte Brief unecht sein, darum brauchen ;s die beiden anderen immer noch nicht zu sein ; sie waren iann eben die authentischen Originale (Tbayer III, S. 450), nach welchen der dritte nachgeahmt wurde. Diese Nachahmung hätte dann also doch Betlina selbst ausgeführt, da sie ja die Herausgeberin ist. Aber uns scheint diese Argumentation überhaupt wissenschaftlich unmöglich. Betlina hat die Briefe in >Ilius Pampbilius« zusammen, als etwas einheitlich Zusammen- ;eböriges, herausgegeben, ohne irgend einen Unterschied be- merklicb zu machen; sofern sie überhaupt eine Gewähr der Vutlienticitül beanspruchen wollte, hat sie dieselbe für alle drei Briefe in ganz gleicher Weise beansprucht. Ist daher nachgewiesen, dass einer der Briefe unecht ist, so ist auch die Gewähr für die übrigen erschüttert. Das Zeugniss Bettinens kann nicht mehr genügen, die beiden ersten für echt zu halten, und es erhalten die aus dem Inhalt derselben entnommenen Bedenken, auch wenn sie für sich allein nicht überzeugend sein sollten, verstärktes Gewicht. Wer ihre Echtheit beweisen will, muss von der Autorität Betlioens ganz absehen und dieselbe auf andere Gründe stützen. —

Hier sind nun zunächst noch die bisher nicht im Einzelnen geprüften Eigentümlichkeiten der Schreibweise ins Auge zu fassen. Auf diese hat namentlich Marx seine Ansicht von der Unechtheit aller drei Briefe gegründet. »Vergleiche man,« sagt er, »alle veröffentlichten Briefe und sonstigen Aeusserungen Beethoven's mit jenen Beltinenbriefen, so wird man zwei durchaus verschiedene Persönlichkeiten herauserkennen, die eine schlicht, bisweilen sogar ungelenk, stets ungeschminkt, oft grosssinnig, selbst wo sich Mangel tieferer Bildung vorrUth; — die andere federgewandt, scböngeislerisch, eitel aufgeregt, moplirt; welche von beiden ist Beethoven?«

In solchen Dingen das Richtige zu finden ist nun Sache einer gewissen Fähigkeit des Nachempfinden«, und so sorglos Marx in historischen Dingen verfährt, so wenig erquicklich oft seine musikalischen Expeclorationen sind, so bat man ihm doch die Fähigkeit, dem Künstler und in ihm auch dem Menschen nachzuempfinden-, hisliar Kbftl abgnspri>c,li«n. Er hat to den angeführten Werten die Natur Beelboven's, wie sie in der Mefamhl seiner Briefe hervortritt, unseres Eraobtens ganz richtig gezeichnet. Wer sich der Beelhoven'schem Briete im Zusammenhange erinnert,1) auch derjenigen, in welchen Verehrung zu den Adressaten ihn zu Bemühung und Sorgfalt bei seinen Aeusserungen aufforderten, der wird wissen, dass er des fliessenden Stiles und der grammalischen Correctheit in der Sprache keineswegs ebenso mächtig war wie in der Musik ; dass er dagegen auf der anderen Seite in der Regel sehr bestimmt weiss, was er sagen will, dass er sieb seiner Empfindungen, seiner Gedanken und Absichten ganz klar bewusst ist und sie auch bei mitunter ungelenker, ja fehlerhafter Form doch dem ändern deutlich zu machen versteht. Er geht ohne viele Umschweife auf die Sache zu , die ihm am Herzen liegt, er sucht nicht lange nach dem Ausdrucke, sondern wählt den, der sich ihm am einfachsten bietet, und trachtet nicht nach Schmuck und weitläufiger Umschreibung. Wohl kann er herzlich und warm schreiben, wohl malt sich in seinen Briefen öfter die lebhafte innere Bewegung, die sie eingegeben bat; ist er von lebhaftem Interesse für die Person erfüllt, schreibt er in künstlerischer Begeisterung oder auch einmal in unwilliger Erregung, so kann er eine gewisse natürliche Beredtsamkeit entwickeln,

4) Es lind deren von Thayer, Nobl, Koch«! u. A, so viele pnfcli- cirt, das« wir von besonderen Cilaten abstehen.

die überzeugt und Blddruck macht. Fielet sich ihm dabei Inigesucht ein treffender bildlicher Ausdruck, z. B. ein der Mythologie entlehnter, so wende! er ihn einfach und ohne sonderliche Pr'ittension an. Wo er sich über seine Kunst äussert, erkennt man den überzeugten und erfahrenen Künstler, der über seine Frage nachgedacht hat; er überrascht mitunter durch Gp- danken, die weitere Perspecliven eröffnen, aber die Darstellung leidet gerade in solchen Fallen mitunter an Unklarheit, weil ihm die treffenden Worte fehlten. Niemals aber sehen wir ihn in gesuchte, philosophisch sein sollende Betrachtungen sich verlieren ; alles künstliche Zergliedern der eigenen Empfindung, alle Sentimentalität'und Schwärmerei, alles absichtliche und gesuchte Pathos ist ihm völlig fremd. Ein Brief, in welchem von den schönsten themen die Rede ist, die aus schönen Augen in sein Herz schlüpften, oder in welchem gesagt wird »Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben« — wohlverstanden, weil die gewöhnliche Liebe und Werbung ausgeschlossen ist — macht sich schon durch das Gesuchte und Künstliche des Gedankens und die affectirte Darstellung allein verdächtig. Dem Manne, der in seinen Tonwerken so sehr alle Ziererei, alles AfTectiren und Phrasenmachen vermeidet, wird man auch nicht in seinen Worten, ja hier noch weniger, auf diesem Wege zu begegnen erwarten.

Wer nun aus der »Günderode«, aus »Goelhe's Briefwechsel mit einem Kinde», ans »Ilius Pampbilius« u. s. w. sich das schriftstellerische Bild Beltinens vergegenwärtigt, wird , wie wir meinen, den vollen inneren Gegensatz keinen Augenblick verkennen ; er wird gerade hier das unklare Schwelgen in sub- jecliver Empfindung, das Sicbgefallen in einer gewissen Mannigfaltigkeit der Zergliederung und Darstellung derselben finden; dabei, in scheinbarer Formlosigkeit, welche den Ton des Gespräches oder des vertrauten Briefstils nachzuahmen strebt, ein durch Lebhaftigkeit der Phantasie und 'ausgebreitete Lectüre unterstütztes Geschick der Diction. Wer anhaltend ihre Schriften gelesen, wird auch manche Manieren ihrer Ausdrucksweise unschwer'erkennen.

(Fortsetzung folgt.)

Anzeigen und Beurtheilungen. iilkalliehe Stiditlköpfe von Li Itn. Fünfter Band: »Die Frauen im Tonleben der Gegenwart«. Leipzig, .Breitkopf 4 Hartel. 4 .H

Die formgewandte und fleissige Musfkschriftetellerin Marie Lipsius in Leipzig, die sieb unter dem Pseudonym: La Mara durch ihre populär gehaltenen und doch keineswegs oberflächlichen Arbeiten vortheühaft bekannt gemacht hat, lässt ihren vier Bänden »Musikalischer Studienköpfe« so eben einen fünften folgen. Derselbe dürfte wohl noch grössere Verbreitung finden, als sie den übrigen bereits zu Theil wurde. Denn er behandelt mit viel Geschick ein Thema, das von vornherein einen besonderen Reiz besitzt und namentlich auch unsere Damenwelt anziehen wird, nämlich: »Die Fr»«en im Tonleben der Gegenwart«. Die Verfasserin hat l i Charakterköpfe ausgewählt, worunter \ i der Kategorie der Pianistinnen, eine (Frau Normann-Neruda) derjenigen der Geigerinnen, 4 < dem zahllosen Geschlecht der Sängerinnen angehören. Eine das Buch eröffnende Lichtdrucktafel führt uns die Damen in ihrer leiblichen Erscheinung hübsch gruppirt vors Auge. Die Darstellung hält sich, wie die Vorrede mittheilt, fast durchgängig an die biographischen Angaben der betreffenden Künstlerinnen selbst. Sie erfreut durch stilistische Anmuth und eine gewisse vornehme Discretion, die der Scandalsncht keinerlei Conces- sionen macht und sich überall an den Kern der Sache hält. Einzelne Charakterbilder wünschte man freilich noch schärfer

umrissen, detaillirter ausgeführt, individueller behandelt. So wird z. B. Frau Clara Schumann, welche La Mara mit Fug an die Spitzt ihrer Gallerie stellt, etwas kurz abgethan und wir erfahren über ihre künstlerische Wesenheit nicht viel mehr, als was schon Franz* Ltszt in seinem poesievoll geschriebenen Aufsatz vom Jahre 1855 über diese »weihevolle, pflichtgetreue und strenge Priesterin der Kunst« gesagt hat. (Vlde Bd. IV, S.. 187 der Gesammelten Schriften, deutsch bearbeitet von L. Ramann). Auch Adeline Patti hätte wohl eine etwas ein- lässlichere, ihre specifische Grosse, wie ihre künstlerischen und menschlichen Schwächen (unter welch letzteren der masslose Geldschacher nicht scharf genug gegeisselt werden kann], in gebührendes Licht setzende Besprechung verdient. Dafür entschädigen übrigens andere Aufsätze durch lebhaftes Colorit und eine Fülle bedeutsamer Einzelzöge. So tritt uns beispielsweise der Charakterkopf Marie Will's in greifbarer Piastilr entgegen und mit bewundernder Theilnahme verfolgen wir die Schicksale dieser wahrhaft grossen Künstlerin, die sich aus ärmlichen Verhältnissen mit eiserner Willenskraft emporringt, sich zunächst als Clavierpielerin ausbildet, dann erst mit anfänglich schwacher Stimme zu singen beginnt, nach ihrer verhängnissvollen Verehelichung mit dem Ingenieur Franz Will sieben Jahre lang an einem Brustübel krankt, das sie zum Schweigen verdammt, dann erst bereits eine Dreissigerm zur Bühne übergeht, mit beispielloser Energie sich trotz ihres mangelhaften Wortgedächtnisses ein umfassendes Repertoir, darunter die grössten Wagner'sehen Rollen aneignet, im heroisch- pathetischen Stil die nämlichen Triumphe feiert wie als Colo- ratursängerin und heute noch in ihrem 50. Lebensjahre- an stimmlicher Fülle und Ausdrncksgewalt ihres Gleichen sucht. Vorzüglich sind, um blos noch einige Namen zu nennen, die Porträts der Frau Viardot-Garcia und der liebenswürdigen Desiree-Artöt getroffen, ebenso diejenigen der Claviermeiste- rinnen Sophie Menter, Ingeborg von Bronsart und Annette Essi- poff. Möge das graziöse, für jeden Gebildeten leicht verständliche Büchlein, das sich vermöge seiner schönen, der Firma Breitkopf & Härtel würdigen Ausstattung besonders auch als Weihnachts- oder Neujahrsgescbenk eignet, zahlreiche Freunde und Freundinnen finden! A NiaoK

Samson et Dalil», Opera en 3 Actes de Ferd. Lemaire avec traduction Allemande de Rieh. Pohl, Musique de Ca- mille Saint-Saens. Paris, Durand, Schoenewerk&Co. Leipzig, Leuckart. Ciavierauszug 261 Seiten gr. 8. Preis .ff 43. 50.

Dieses erstere grössere Opernwerk, welches von dem talentvollen Componisten bekannt wurde, ist auch in Deutschland zur Aufführung gekommen, hat abernichtdurchzudringenvermocht. In Hamburg z. B. erlebte es nur zwei Aufführungan, hatte also ein gleiches Schicksal mit Boito's Mefistofele, dem es auch in Manchem gleicht. Beide Opern entstammen Componisten, denen eine gewisse Originalität nicht abzusprechen ist, die aber noch nicht reif genug sind, um sich bei uns ihre eigne Bahn brechen zu können. Ob namentlich biblische Stoffe auf unserer jetzigen Bühne eine Heimath finden werden, wäre wohl noch zu bezweifeln; wenn hier z. B. die Dalila aus einem gewöhnlichen Lustweibe in die Tochter des philistäischen Oberpriesters verwandelt wird, so kann man dies nicht als eine Veredlung, sondern nur als eine Erniedrigung des ganzen Vorganges ansehen, denn der Vater wird dadurch mit in die Gemeinheit hineingezogen. Für den Textdichter lag hier allerdings eine grosse Schwierigkeit vor, aber diese hätte ihn lehren sollen, dass der Stoff für ein Bühnenwerk nicht geeignet ist. Die Musik bietet manches geschickt und leicht Gestaltete, aber im Vocalsatze reicht die Kunst des Autors nicht weit, namentlich bemerkt man solches bei den mehrstimmigen Gesängen. Mit einer pas senden Vertreterin der DalUa möchte die Oper immerhin noch eine Zukunft haben. Doch wer vermag heutzutage das Schicksal von Bühnenwerken vorberzusagen!

Let Bratitudcs (Die Seligkeiten), Poeme de Madame Co- lomb, traduclioD Allemapde de G. Fr. Reiss, Musique de Cesar Franck. Glavierauszug 308 Seiten gr. 8. Preis 15 Francs. Paris, Brandus & Co. mit Verlagsrecht für alle Lander.

Dieses Werk, noch jüngeren Datums us die Oper »Samson et Dalilat, ist .von einem Umfang, dass ein ganzer Concert- abend damit ausgefüllt wird. Die Seligpreisungen aus der Bergpredigt Christi sind hier predigtartig ausgelegt und musikalisch breit illustrirt. Der Inhalt umfasst somit das ganze Leben in fast allen Vorgingen; sogar der > Satan < ist eingefügt, des Ef- fecles oder Contrastes wegen. Der Composition bieten sich hier entschieden günstige Momente, die Fr. Franck auch mitunter sehr geschickt benutzt hat. Das Ganze ist in Wort und Musik nicht ein starker Ton, aus dem innersten Zeitbewusst- sein herausgesungen, sondern repräsentirt eine vermittelnde sanfte Anschauung, von welcher wir wünschen, dass namentlich die erregten Landsleute des Componisten in sie eingehen möchten. Zu erhöhen wäre die Wirkung ganz erheblich, wenn die musikalische Gestaltung sich von der aufgeregten modernen Weise losgesagt und das alte- classische Modell zum Muster genommen hätte. Das hat aber der Componist nicbt ge- than, er steckt ebenfalls ganz und gar im Heutigen und findet vielleicht nicht mehr den Weg in's gelobte Land zurück.

Bülow, I. T., Aus seinen Conoertprogrammen. 3 Bände.

Daraus Nr. U und 45. (Band III.' Preis .11 4,80 und

uT3-. Auserlesene Clavier-F.tüden von Fr. Chopin. In-

structive Ausgabe. F. Mendelssohn-Bartholdy. Rondo capriccioso für

Piaooforte. Op. t i. Neue Ausgabe. Preis Jl 2,50. Polacca brillante für Pianforte von C. M. v. Weber

Op. 72. Kritisch verbesserte Ausgabe. Preis .4 2,—.

Weber, Aufforderung zum Tanz Op. 65. Preis uf 2,—.

Verlag von los. Aibl in München 4880. Nicht der Componist, der Dirigent und Redner im Gewand- häuse tritt uns bei den vorliegenden Werken entgegen, sondern der Clavierspieler v. Bülow, der uns seine Concertprogramme entwickelt und seine auf pianistischem Gebiete gesammeilen Erfahrungen an neuen Herausgaben von Compositionen bekannter Meister zur Anwendung bringt. Er zeigt sich uns hier von seiner besten Seite als Fachmann, denn als Ciaviervirtuose steht Bülow in der ersten Reihe. Hervorragend sind seine Repro- ductionen der Beethoven'schen Ciaviersonaten, seines Steckenpferds, von denen mehrere seinen Concertprogrammen beigefügt sind. — In bekannter Anspruchslosigkeit bietet er uns mit seiner neuen Herausgabe etlicher Chopio'scher Etüden kraft seines Motto's : »Multum, non multaa. Es liegt ihm, wie er im Vorwort bemerkt, fern, den vielen billigen Ausgaben Chopin'- scher Compositionen Concurrenz zu machen. Vielmehr will er einige weniger bekannte Etüden, die ihrer Complicirtheit wegen nicht leicht zugänglich sind, gründlich beleuchten und denselben die ihnen etwa bis jetzt noch fehlende Anziehungskraft verleihen. Immerhin ist es ein Verdienst, zu versuchen weniger beachtete Compositionen eines besseren Autors, besonders wie im vorliegenden Fall zu instructiven Zwecken, dem Publi- cum näher zu bringen. Die elegante Ausstattung seitens des Verlegers documentirt schon die Absicht, die Ausgabe einem kleineren Kreise Auserkorener zu reserviren, denn theure Ausgaben anderweitig billiger edirter Werke finden heutzutage keinen grossen Markt. — Auch die übrigen erwähnten Werke,

die nach der Liste des Verlegers 3 Bände füllen, sind von beiden Theilen hübsch ausgestattet und wollen wir nicht unem- pfohlen lassen.

Gleichfalls sei die Aufmerksamkeit der Clavierspieler gelenkt auf eine andere Publicalion unseres Autors, die

Ttuwebei aus Opern von Ritter von tiliek, für Pianoforte

bearbeitet von I. Tm Bülsw München, Jos. Aibl.

4 Hefte: Orpheus, Alceste, Iphigenie in Aulis, Armide.

Nur die beiden ersten Hefte, welche Orpheus und Alceste

behandeln, liegen uns vor, aber wahrscheinlich sind auch die

letzten Hefte bereits erschienen. Wir können die interessante

Sammlung Allen empfehlen, die an diesen älteren Tanz weisen

Vergnügen finden.

Veneienltt itt lulk»Ura-Verli«ei Tm Breltktpf t ttrtcl

in Leipzig. Systematischer und alphabetischer Theil

nebst Anbang. Vollständig bis 4884. Mit Nachtragen

bis zur Gegenwart.

Vorbemerkungen und systematisches Verzeichniss :

CXXXH Seiten.

Alphabetisches Verzeichnis« nebst Anhang über die

Gesammlausgaben : 74 4 Seiten.

Der vor einigen Jahren herausgegebene Katalog dieser Firma erscheint hier in neuer, bis auf die Gegenwart fortgeführter Ausgabe, so dass man die gesamraten musikalischen Publica- tionen der ersten Musikverlagshandlung unseres Jahrhunderts in einem sehr übersichtlich angelegten und schön gedruckten Verzeichnisse beisammen hat.

Stuttgart.

(Fortsetzung.)

Einen vollen ungetrübten Genuas gewährte uns das erste Populäre Concert des Stuttgarter Liederkranzes, welcher unter der trefflichen und bewährten Leitung des Herrn Professor Speidel slehl. Was eine sorgfältige und geschmackvolle Zusammenstellung des Programms ausmacht, konnte man in diesem Concert, welches am z5. October stattfand, erfahren, und der Eindruck war daher auch, zumal die Leistungen durchweg treffliche waren, ein wirklich harmonischer. Mit einer Novität, einem Concert für Violine mit Begleitung des Orchesters von Ignaz Brüll führte sich Herr Concertmeister Lauterbach aus Dresden ein. Herr Lauterbach ist ein ganz vorzüglicher Geiger, und sein Spiel voll Geist, Kraft und Feuer, seine Technik eine tadellose. Auch das neue Werk von Brüll gehört zum Besten, was die neuere Literatur fü r Geige hervorgebracht, und unterscheidet sich dasselbe in äusserst vorteilhafter Weise von vielen ähnlichen Compositionen. Wir haben es hier mit einer wirklich schönen Composition zu Ibun , mit einem Werk, das eben so reich an intensivem musikalischen Gehalt ist, als dasselbe von tüchtigem Wissen und Können des Componisten Zeug- niss ablegt. Wir begegnen in demselben keinen technischen Tummeleien, alles wuchst organisch aus der musikalischen Idee heraus; Soloinslrument und Orchester sind al« gleichberechtigte Factoren behandelt, die sich in die Ausführung des musikalischen Gedankens theilen. Es ist eine gesunde Musik, die wir in diesem Werk zu hören bekamen, eine Musik voll gesunder Kraft, voll des melodischsten Wohllauts und darf dasselbe mit vollem Recht dem Besten der Violinliteratur zugezählt werden. Wie wurde dasselbe aber auch von dem trefflichen Künstler gespielt! Namentlich die Wiedergabe des Adagio, ein reizender, vom Dufte echter Poesie umwobener Satz — wie reizend ist das Zwiegespräch zwischen Violine und Clarinette—, riss die Zuhörer zu warmem, ungeheucheltem Beifall hin. Von dea übrigen l'ii'-cen , mit welchen der Künstler uns noch erfreute, eine Cavaline von Raff und nuc Concertetüde eigener Composilion, in welcher er sein technisches Können glänzend entfalten konnte, war es namentlich das Abendlied von Schumann, welches er unübertrefflich schön wiedergab. In Herrn Kammersänger Dr. G u n z aus Hannover lernten wir einen tüchtig geschulten Sänger kennen, dessen seelenvoller, warmer und durchdachter Vortrag, wenn auch die Jahre nicht spurlos an der Stimme vorübergegangen, unwillkürlich zu Herzen dringt. Er sang »An die Musik« von Schubert, »Abends« von Franz, die »Forelle« von Schubert (letzleres Lied trug er uns etwas gar zu realistisch vor),die »Cavaline« aus Paulus, sowie »Mondnacht« von Schumann, «Serenade« von Haydn und »Der Hidalgo« von Schumann. In der Cavatine merkte man am deutlichsten, dass der Sänger in der Höhe in getragenen Sachen sich nicht allzu viel mehr zutrauen darf, aber im Ganzen documentirle er den geschmackvollen Sänger, den denkenden Künstler. Der Liederkranzchor, welcher sich unter Speidel zu einem der besten Männergesangvereine Deutschlands heraufgeschwungen, erfreute uns mit der ausgezeichneten Wiedergabe der Lenau'schen Sturmesmythe von Franz Lachner, einem grossartigen Chor, der wieder einmal unwiderleglich darthat, dass die alten von so manchem jungen Fante verachteten Kapellmeister auch etwas verstanden; weiter wurde der »Gondelfahrer« von Schubert, ein reizender Chor im Volksliedton von Jüngst und ein solcher von Sucher gesungen. Die Orchesterbegleilung des Violincon- certs und der Sturmesmytbe, sowie jene zurMendelssohn'schen Cavatiae wurde von der Carl'schen Kapelle in tüchtiger Weise ausgeführt.

Ein reinen wahrhaft künstlerischen Genuss im höchsten Sinne des Wortes bereitete uns die Samstag den 28. October stattgefunden erste Quartettsoiree dei Herren Singer, Seybolh, Wien und Cabisius. In ganz vollendeter Weise spielten die Künstler die Quartette in B-dur von Mozart, Es-dur Op. 4S7 von Beethoven und G-moll von Haydn. Das sind echte, wahre Künstler; sie wandeln nicht die grosse Heerslrasse, sie übe» die Kunst um ihretwillen aus, weil sie selbst die höchste Befriedigung in der Wiedergabe der herrlichen Meisterwerke Baden, die sie mit ihrem Singer als geistigen Führer voran, in vollendeter Weise interpretiren. Wie spielten sie das Esdur- Quartett von Beethoven, welches sowohl in technischer als musikalischer Hinsiebt die höchsten Anforderungen stellt; nur solche Künstler können ein Werk, das so lief in die geheimnissvollen Gänge de« Seelenlebens hinabsteigt, würdig Interpret! ren.

Dienstag den 3l. October fand das Abonnement-Con- c e r t- Nr. 2 unier Mitwirkung des Herrn Gusla v Holländer, Concertmeisler am Conservatorium in Köln statt. Die Einleitung bildete die schon des öfteren uns vorgeführte farbenprächtige Ouvertüre zu Kalidasa's »Sakuntala« von Goldmark. Es ist mehr das satte Colorit, welches den Hörer besticht, als der eigentliche musikalische Gehalt. Mit berückenden Farben weiss er zu schildern und gestaltende Phantasie kann ihm in seinen Instrumentalwerken nicht vollständig abgesprochen werden, wenn auch eine sinnliche Glulh der Empßndung in denselben vorherrscht, die stark an das Realistische streift. Herr Holländer introducirte sich mit einem Concerte für Violine in D-dur Op. M von Fr. Gernsheim, welches uns, etwa den zweiten Satz Andante a/fettuoio ausgenommen, keine sonderlichen Sympathien eingeflösst hat. Sowohl der erste wie der letzte Salz entbehren des organischen, von einer Grundidee beherrschten Charakters und bieten nur dem Spieler vollauf Gelegenheit, sein technisches Können zu zeigen. Gespielt wurde das sogenannte Concert von Herrn Holländer ganz vortrefflich; er besitzt einen schönen und sympathischen Ton, sein Spiel ist rein und seine Technik eine wohlausgebildele. Weiler spielte

derselbe noch eine Romanze und eine Concerlpolonaise eigener Compositioo. Erstere Piece würde mehr ansprechen, wenn sie etwas kürzer und nicht gar so weit ausgesponnen wäre; die Polonaise erhebt sich nicht über die Durchschnittshöhe derartiger Opera. Einen grossen Genuss gewährte uns wiederum Herr Hofopernsänger H romada ; derselbe sang »Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig« aus den Scenen zu Goetbe's Faust von Schumann. Wir haben schon wiederholt in diesen Blättern auf diesen ausgezeichneten Lieder- und Oratoriensänger aufmerksam gemacht, und es ist nur höchlichst zu bedauern, dass derselbe mit seiner vollendet geschulten und sympathisch zu Herzen dringenden Stimme , sowie dem tief durchdachten, echt künstlerischen Vortrag und seiner ausgesprochenen musikalischen Begabung, durch den auf Lebenszeit abgeschlossenen Contract an die hiesige Hofbühne gebunden ist und dasjenige Gebiet, aufweichen) er Meister ist und sich einem Stockhausen würdig anreihen dürfte, nicht in dem Maasse pflegen kann, wie es im Inleresse der Kunst zu wünschen wäre. Den Schluss des Concertes bildete die erstmalige Wiederholung der Cmoll- Symphonie von Brahms. Auch dieses Mal machte das Werk, welches in der vorigen Saison unter des Componislen persönlicher Leitung hier aufgeführt wurde, wiederum einen grossartigen und gewaltigen Eindruck auf uns. Diese Symphonie ist und bleibt die bedeutendste , welche seit Beethoven's neunler geschrieben wurde, und wenn das Publikum sich auch heuer wieder ziemlich kühl und reservirt verhielt, so liegt dies ganz gewiss nicht an dem Werke selbst. Wir möchten hier an den Lichtenberg'schen Ausspruch erinnern: »Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstosseo und es klingt hohl, muss denn das immer die Schuld des Buches sein ?«

Mittwoch den 8. November erfreute uns unsere treffliche einheimische Künstlerin, die Pianistin Frau Johanna Klinke rf u ss in einer zu Gunsten der unter dem Proleclorale der Königin stehenden Olga-Heilanstalt slallgefundenen Musik-Soiree mit ihren trefflichen Leislungen. Sie spielte die Variationen und Fuge über ein Thema von Händel von Brahms, Sarabande, Gigue und Bourree von Bach, sowie Piecen von Stark, Linder, Schumann, Grieg, Ahert, Henselt, Chopin und Liszt. Sie entfaltete wiederum alle die Vorzüge, welche wir bei dieser Künstlerin hervorzuheben stets in der angenehmen Lage sind ; saubere, auf das feinste ausgebildet Technik — sie ist eine Schülerin Leberl's und Pruckner's —, geistige Beherrschung des Stoffes, Verschmähen aller äusserlichen Effectmittel. Die 24 Variationen von Brahms müssen öfter gehört sein, um sie ganz zu erfassen und zu verstehen; in geistreicher Weise ist das Thema sowohl harmonisch wie rhythmisch variirt, und wenn auch bei manchen Variationen wir aussagen mussten, dass hier Händel vollständig Brahms geworden , so sind dieselben doch ein bedeutendes Werk. Die eigene Individualität soll sicherlich nicht bei Bearbeitung eines fremden Themas ganz in den Hintergrund tre- ten, aber der Componist darf doch nicht so weit gehen, dass die eigene Physiognomie, die originale Eigenthümlichkeit des ursprünglichen Gedankens, welche unter allen Umständen gewahrt werden muss, verloren geht. Mit der Fuge können wir uns nicht befreunden, sie ist bizarr und unschön. Die Sarabande, Gigue und Bourree von Bach spielte Frau Klinkerfuss auf einem Clavi- cymbel von F. Ring vom Jahre 1700. Herr Klinkerfuss erwarb vor einiger Zeit dieses seltene Instrument und verwandte grosse Mühe und Fleiss darauf, dasselbe historisch treu wieder herzustellen. Dasselbe besteht aus zwei Manualen, von welchen das obere einsaitig — die Herstellung der zweiten Saite ist Herrn Klinkerfuss nicht geglückt —, das zweite zweisaitig ist. Es machte einen eigentümlichen Eindruck, auf die Klänge eines Bechslein, diese kraftlosen näselnden Töne zu hören; noch eigenthümlicher und fast peinlich berührte es uns aber, nach zwei auf demClavicymbel begleiteten Gesängen von Bach und Duranle ohne alle und jede Vermittlung ein Lied von Josefine Lang (und dazu ein Gedicht von Heine) auf dem Con- cerlflügel begleitet zu hören. Auf eine etwas sorgfältigere Zusammenstellung der Programme dürften unsere Concertgeber, wir sprechen hier im Allgemeinen, schon etwas mehr bedacht sein. Der vocale Theil wurde von Frau Müller-Bergbaus erledigt. Nicht unerwähnt soll die treffliche Begleitung des Herrn Hofmusikus Hummel sein.

(Scbloss folgt.)

Der aretinischc Congress für liturgischen Gesang.

(Fortsetzung.)

Die Abfassung desjenigen Graduales, welches gewöhnlich mit dem Namen «Medicaea« bezeichnet wird, weil dasselbe unter Panl V. von der medicäischen Druckerei in Rom 4644 herausgegeben worden ist, fallt in die Zeiten des Verfalles des Cantus Planus. Von Vielen wird behauptet, dass sich an der Redaction desselben Pierluigi Pa- lestrina und Guidetti, der Schüler Palestrina's, betheiligt haben; die Theilnahme des Ersteren ist mit Recht angezweifelt. Die Regensburger Ausgabe entnahm das Anliphonar der venetianischen Ausgabe von P. Liechtenstein aus dem Jahre 4507. Einige Gesinge der neuen Sammlung sind alleren Ausgaben aus der genannten Zeit entnommen, andere Gesänge ganz frei erfunden. In der That herrscht in Folge dessen nicht volle Einheitlichkeit in dem Werke; ferner sind gewisse GesHnge, welche von Alters her nnr in zwei Kirchenlönen, dem zweiten und siebenten, gehalten waren, hier in allen Tonen gehalten ; was aber am meisten die Gegner der neuen Ausgabe anzufechten scheint und was sie aber merkwürdigerweise zum grossen Theile ganz verschweigen, ist dies, dass die neue Ausgabe einfachere Tonginge vorzieht und die reiche Melismatik der alten Gesänge so viel als möglich beseitigt. Die Versammlung ging über die neue Ausgabe zur Tagesordnung Über, und so oft auch der Bearbeiter der neuen Ausgabe als beredter Anwalt und Vertreter der Pustet'schen Verlagshandlung und ihres Verlagswerkes der Versammlung die Re- commandation der neuen Ausgabe von Seiten der Riten-Congregation vorführte, blieb die Versammlung bei dem Schlusswort«: »Alors Ratisbonne aura vecu et St.Gregoire revivra.. (Also Regensburg wird ausgelebt haben und der beil. Gregor wiedererstehen.)

Wenn man die Debatten und ihre Ergebnisse zusammenfasse so ergeben sich folgende hauptsächliche Gesichtspunkte: 4. Im Gegensatze zu der jetzt bestehenden Verschiedenheit und Verderbt- beit der in den Kirchen aufliegenden Choralbücher soll fortan die grösslmögliche Uebereinstimmung mit der alten Tradition bestehen ; ». da die wahre, einzig sichere Tradition beim Vortrage des liturgischen Gesanges zumeist in Vergessenheit gerathen ist, mnss der Choral, welcher mit wenigen Ausnahmen in gleichen und gestossenen Tonen ausgeführt wird, in freier, rhythmischer Declamationsweise nach dem lateinischen Accentregeln vorgetragen werden; 3. zu diesem Behufe ist es nothwendig, dass die modernen theoretischen Werke über den Cantus Planus, welche diesen Anforderungen entsprechen, verbreitet, die diesbezüglichen wissenschaftlichen Studien unterstützt und gehoben werden und der praktische Unterricht mit vollem Eifer und in einheitlicher Methode betrieben werde. Endlich sprach der Congress auch die lebhafte Hoffnung aus, dass der Vor- r,a n g des Canlus flrmus vor aller Übrigen liturgischen Musik als der der Kirche eigentümliche Gesang allgemeiner anerkannt und vom Clerus, den Chordirigenten und Organigten respectirt werde.

In der That eine Fülle schöner Bestrebungen und frommer Wünsche. Es ist nur bedauerlich, dass der Congress einen Beschluss gefasst hat, demzufolge ein grosser Theil der tüchtigsten Forscher von dem Kreise der ordentlichen Mitglieder des zu dem Zwecke der wissenschaftlichen Verfolgung zu creircndon Vereines ausgeschlossen wird, da nur Katholiken ordentliche Mitglieder des internationalen musik-archäologischen Vereines »Guido von Arezzo* sein können. Denn wenn es auch den anderen Confessionen Angehörigen freigestellt ist, als correspondirende oder ausserordentliche Mitglieder dem Vereine beizulreten, so ist zu befürchten, dass viele tüchtige Männer dem Vereine nicht beitreten und darauf verzichten werden, ihre wissenschaftlichen Arbeiten in die musik-archäologische Revue des neuen Vereines einrücken zu lassen, wenn ihnen alle Rechte der Abstimmung über Vereinsangelegenheiten genommen sind. Vergebens waren die Vorstellungen, dass dieser Beschluss in Deutschland peinlich berühren würde, gerade dort, wo von Gelehrten verschiedener Confessionen ausgezeichnete Arbeiten über die einschlägigen Materien veröffentlicht worden sind; vergebens die Ermahnung der

deutschen Congressisten, vergebens war die Erinnerung des greisen P. dort, dass es sich hier um ein Werk der Kunst und Wissenschaft handle, welches Allen gemeinsam zukomme; vergebens die Erklärung des irländischen Vertreters, dass vor beiläufig vierzigJahren in England eine gregorianische Gesellschaft von Protestanten gegründet worden sei, nach deren Ausgabe des Cantus Platins erst die Katholiken wieder angefangen hatten, Choral zu singen — die Engherzigkeit der von einigen nicht dem Priesterstande aogebörigen Heiss- spornen angefachten Gemüther mehrerer selbstsuchtiger Franzosen und Italiener siegte. Wohl legten die deutschen und österreichischen Congressisten nachher einen Protest gegen diesen Beschluss prolo- collarisch ein, aber der Leck konnte nicht mehr ganz behoben werden. Wäre der Beschluss dabin gefasst worden, dass über die eigentlich liturgischen Fragen der katholischen Kirche nur Katholiken abstimmen können, so hätte Niemand dagegen etwas einwanden können, und hoffentlich gelingt es sowohl im Interesse der Kunst und Wissenschaft, als auch behufs Beschleunigung der nöthigen Re- staurirung des Kirchengesanges, den Beschluss in dieser Weise zu modificiren. Durch diese Fassung könnte sich Niemand zurückgesetzt sehen, und es wäre dem Bestreben derjenigen Congressisten Genüge geleistet, welche sich durch diesen Bescbluss vor der Riten-Congregation für das Erdreisten, gegen die von der Congregation empfohlene Ausgabe Front zu machen, salviren wollten.

Indessen, bis es selbst mit Hilfe der gediegenen Arbeiten von allen Seiten dahin kommen wird, dass man aus den wissenschaftlichen Forschungen auch praktische Behelfe für den wahren Planus- Gesang wird ziehen können, wird noch viel, viel Zeit vergehen. Denn die dazu nöthige Arbeit wird Generationen angestrengt beschäftigen l Man wurde der notwendigen Restaurirnng des Kirchengesanges schlechte Dienste erweisen, wollte man allzu früh Schlüsse und Hegeln für die neu zu inslallirende Praxis ziehen. Es giebt einige Musikgelehrte und Musiker, welche Überhaupt die Möglichkeit der Wiederherstellung der alten Tradition anzweifeln, ja dieselbe direct in Abrede stellen, so z.B. P. lito Korn m UM er, der Rector des Seminars in Metten. Andere glauben wieder die richtige Tradition gefunden zu haben und gerathen, da Jeder für sich das Monopol der Richtigkeit in Anspruch nehmen will, untereinander in Streit oder gehen mit Noblesse über die Forschung des Nebenbuhlers hinweg, wie z. B. Ahhi- Raillard, Dom Pothier. Die erste Pirtei hat ebenso Unrecht wie die zweite. Die Wissenschaft darf einerseits vor Allem nicht die Waffen strecken, bevor sie nicht die nöthigen Stu dien gemacht, andererseits darf sie aber auch nicht allzu früh unum- stössliche Grundprincipien aufstellen wollen. Man kann heute noch nicht wissenschaftlich die (Hauptunlerschiede des mozarabiachen, ambrosianischen und gregorianischen Gesanges feststellen. Man weiss, dass der Gesang der ersten Christen sich an die hebräischen Weisen angeschlossen bat und kennt nicht die allmälige Differenz!- rung der beiden Tempelgesänge, die endliche Krystallisirung des christlichen Gesanges zu dem gregorianischen Gesänge, der Grundfeste des Kirchengesanges. Wir besitzen ferner erst aus dem neunten Jahrhundert Kirchengesangbücher; die früheren Zeiten ange- hörigen Bücher sind verloren gegangen, und die Vermnthung, dass einzelne aus dieser Zeit erhalten sind, entbehrt der Aulhenticität und der wissenschaftlichen Begründung.

Wohl ist auf anderem Wege festzustellen, dass eine ständige Tradition, wenigstens seit Gregor (um 600) im Kirchengesange bestanden hat. Aber welche Alterationen der Gesang vom sechsten bis neunten Jahrhundert erlitten Iwt, ist nicht sicher festzustellen ; ebensowenig kann man sagen, dass der Kirchengesang vom neunten bis sechzehnten Jahrhundert die ganz gleichen Eigenschaften behalten habe, da ja Diejenigen, welche die Conformitäl der verschiedenen dieser Zeitepoche angehangen Gesangbücher behaupten, über die genaue Auslegung und Uehertragung in die moderne Notation nicht einig sind (Lambilotte, Bonhomme, Datijnu, Cloc't, Raillard, Hermes- dorff, Polhier), während Fetis direct behauptet, dass die von ihm verglichenen S*6 Manuscripteaosdieser Zeit in mannigfachem Widerstreite untereinander stehen.

(Fortsetzung folgt.)

Berichte.

Leipzig-.

Deber die Pianistin und Componislin Fräulein Luise Adoipha Le Beau aus München, welche am 4. December im Mnsiksaale Seilz ein eignes Abendconcert gab, können wir unser Urtheil dahin zusammenfassen, dass die Dame als talentvolle Clavierspielerin und durch die Liebenswürdigkeit ihrer Werke dazu berufen erscheint, in Salonkreisen ihr Glück zu machen. Sie gab uns aus ihrem, wie aus den Opuszahlen ersichtlich, schon betrachtlich angewachsenen Compositionsvorrath Folgendes zum Besten: Ballade »Im Skngersaal Op.ll, drei Lieder Op. 14, zwei CellostUcke ans Op. 11 (preisgekrönt 4881), für Ciavier Originalthema mit Variationen Op. 8, Trio f.ir Pianoforte, Violine und Violoncello Op. 45, — alle durch die Bank aus weichem schönfiihlenden weiblichen Herzen concipirl. Von anderweitigen Claviernummern gelangen ihr am besten: Bouree aus der A moll-Suite von J. S. Bach, zwei Priludien aus Op. 18 von Chopin und Rigaudon aus Op. 1.04 von Joach. Raff, während die Beethofeo'- sche Sonate Op. 78 sich hätte noch geistig tiefer fassen und technisch ausgefeilter spielen lasseu. Als Vermittler ihrer Werke standen der Künstlerin zur Seite: im Gesänge Herr Concertsänger R. Wollersen, im Violinpart Herr Concertmeister Schradieck, als Cellist Herr Alwin Schröder, welcher ausserdem das in Nr. 44 lauf. Jahrg. d. Bl. besprochene Capriccio von J. Kiengel meisterlich ausführte.

Die hiesige Singakademie gab am 4. December ein gutgelungenes Concert unter Leitung ihres Dirigenten Richard Hofmann. Die Chöre waren mit Fleiss und Liebe zur Sache eingeübt, was besonders in den dreistimmigen Frauenchören a capella Op. 46 von Franz Wüllner und im Uhland'schen Braullied Op. 40 von Adolf Jensen hervortrat. Von tüchtigen Leistungen der Solisten regislriren wir: »Der Fischen, Ballade von M. Hanptmann, von FrSul. Caroline Boggstöver mit metallreichem Alt stilvoll vorgetragen; Sarabande und Tambourin für Violine von Jean Maria Leclair (Herr Concertmeister Petri); »Rolands Schwanenlied* von Meinard us (Herr R. Wollersen); den Vogel aber, so zu sagen, schoss Frl. Luise Verhulst ab, indem sie mit ihrem hellen klaren Sopran die Tauben-Arie aus

Händel's »Acis und jGalalca* in vollendeter Weise sang nnd dafür rauschenden Beifall erntete. Einen erbeiternden Abschluss bewirkte die launige Romanze vom GSnsebuben aus Op. 4 45 von Robert Schumann.

Nachrichten und Bemerkungen.

4t Aus Bonn, SO.Nov., wird uns geschrieben: In dem gestrigen städtischen Abonnement-Concerte brachte Friedrich Gerns- hei m, der hochbegabte Tondichter, welcher in Rotterdam gegenwärtig eine hervorragende Stellung einnimmt, seine neue zweite Symphonie (in Es-durj und seine »Agrippina» zur Aufführung. Das neue Instrumentalwerk, unter italienischem Himmel concipirl, erlebte einen- durchschlagenden Erfolg und muss als eine der bedeutendsten symphonischen Tondichtungen der neueren Zeit bezeichnet werden. Geistvollste Beherrschung der Form, interessanteste Rhetorik und Melodik, markige, schöne Gedanken und üppige, ihrer eigenen Schöne frohe Instrumentation, deutsche Tiefe nnd deutscher Ernst, vermählt mit italischer Klarheit, Wärmeund Anmuth, sichern der Composition einen dauernden Platz auf jedem guten Concerl- pro'gramm. Die enthusiastische Aufnahme, welche der Symphonie bei ihrer ersten Aufführung in-Rotterdam fand, hat sich in der Geburtsstadt Beethoven'* wörtlich wiederholt und wird auch in Stuttgart, wo sie, wie ich höre, auf einem der nächsten Programme der dortigen Hofkapelle steht, gewiss nicht ausbleiben. (Aus der Frankfurter Zeitung vom *. Dec. 4881.)

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Yerlag Tod Breitkopf und Härtel In Leipzig. Gustav Nottebohm.

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Ein Skliienbuch von Beethoven. Aus dem Jahre 4808. In Auszügen dargestellt. 8°. Jt k. —

Hoxartlana. Von Mozart herrührende und ihn betreffende, zum grossen Theil noch nicht veröffentlichte Schriftstücke. Herausgegeben von Gustav Noltebohm. 8°. Jt 4. 50. Diese lidin« PnbUkition bittet reich« Be» Mitthrilungm Ober Mourt, Tod

denen Wittwe und Schwuler »n Breitkopf t Hlrtel gerichtet, diranter aber 40

bisher noch nicht gedruckte Briete Mozart'«. Ein grosser Theil derselben war

0. Jthn bei Abfassung seiner Biographie unbekannt.

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Liebchen (Heine).

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4. Jetzt wird sie wohl Im Garten gehen (Prulz). — 1. Unter

den Zweigen(Heyse). — l. Nachllied (Mosen). — 4. Frlih-

lingsgruss (Eichendorff). — 5. Flohen die Wolken (Boden-

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80$-. No. S. »Holdseliger Jugend Prangen l« 50 3p.

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stimme mit Begleitung des Pianoforte. 4 Jl 80 9p. Einzeln:

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forte. » Jt 50 3p.

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No. 4 in Esdur. 50 3p. No. 5 in E moll. 4 .*.

Köckert, Ad., Op. 10. Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. Complet 4 Jl 50 3p. Einzeln : No. 4. Wiegenlied, von Ad. Köckert. 50 9p. No. 1. Das Veilchen, von Jul. Mosenthal. 50 9p. No. 8. Die Kapelle, von Ludw. (/Aland. SO 9p. Petenen, W., Op. 1. Zwei Lieder ans V. von Schtffrt't Trompeter von Stiftungen für Männerchor im Volkston componirt.

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n. 45 A. Sauret, Emile, Op. 47. 3'"='Hoc tarne pour Violon et Piano, l .*

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oder Piaaoforle. Für Violoncell und Pianoforte .* 4,15. Hofmann, Heinrich, Op. 64. Cantate für Altsolo, Chor u. Orchester (Orgel ad libitum). Partitur Jt 40,—. Orchesterstimmen Jl 43,50. Ciavierauszug mit deutschem und englischem Text vom Compo- nisten ,// 4,—. Singstimmen mit deutschem u. engl. Text Jl 3,50. Klarler-Concerte alter und nener Zeit. Bach, Beethoven, Chopin, Duslet, Field, Henselt, Hummel, Mendelssohn, Mozart, Reinecke, Ries, Schumann, Weber. Zum Gebrauch beim Conservatorium der Musik in Leipzig genau bezeichnet und herausgegeben von Carl Reinecke.

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Ddur. Jlt.—.

Licderkreis. Sammlung vorzüglicher Lieder tnd Besänge für eine Stimme mit Begleitung des Pianoforte. Dritte Reibe. No. 154. Hermann, R. L., Ein Früblingslied. »Am Gitter dort«.

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Reinecke, Carl, Op. 473. Für kleine Bände. Sechs leichte Suiten für Pianoforte. (Als Vorstudien zu des Componisten »Ernstes und Heiteres«. Op. 445.)

No. 4. Suite im Umfange von fUnf Tönen für die rechte Hand. Jt 4,15.

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X thal, 6ard)trini,fititlMtn, firahms, (Elimtliiiit, Chopin, Clrinniti, Cr.imtr, (nrfdjmann, floiiijrlti, Bu|ftk, Binn-nmii, rfrniii. Clitik, Itiiiiatl, 4anqn, geller, t)ni|>U, Ijeriun,, {)iimmcl. ftnlldirtiintr, Ulriujcl, fiunrr, ftaljler, ftraufr, fiuhlait, Ci^jt, t'orljlui], Cntnbi|C, Alruhtl>.|nl|ii, HUi|i-rlirrr, JHo}itrt, «lulltr, llitolai, ^rnjolrff, tttiiudir, Hnbiti|l(in, Siarlatti, 9d)Mh(rt, Sdjutnann, Xhalfina. »agntr, Htbtr, Vilhtlin.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 20. December 1882,

Nr. 51.

. Jahrgang.

Inhalt: Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. (Schluss.) — Neuere Cliviermusik aus dem Verlage von Bote & Bock in Berlin. — Anzeigen und Beurteilungen (Literatur [Wilhelm Fritze, Ein musikalisches Charakterbild von Robert Musiol. S. W. Dehn's Lehre vom Contrapunkt etc., zweite Auflage, neu bearbeitet von Bernhard Scholz. Ratgeber für Musiker, von Bernh. Brahmig. Der angebende Klavierstimmer, von Heinr. Wohlfahrt. Der praktische Musikdirector, von F. L. Schubert. Die Violine, von F. L. Schubert. Chorgesang-Studien, von Benedikt Widmann. Die strengen Formen der Musik, von B. Widmann. Kleines TonkUnstler-Lexikon, von Paul Frank], Tristan-Ausgaben;. — Stuttgart. (Scbluss.) — Der aretinische Congress für liturgischen Gesang. (Scbluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

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In Folge der Erklärung des Herrn Dr. Chrysander, dass es ihm überhäufter Geschäfte wegen schlechterdings unmöglich sei, die Redaction der Allg. Musikal. Zeitung länger zu führen, haben wir uns entschlossen, dieses Blatt mit dem Ende des laufenden Jahres aufhören zu lassen, da bei der Unmöglichkeit, für den jetzigen Redacteur einen vollen Ersatz zu finden, die Fortführung dieser Zeitung ohne Werth für uns ist.

Die noch ausstehende Schlussnummer 52 wird in bedeutend erweitertem Umfange etwas später und mit dem Register des gegenwärtigen Jahrganges zugleich erscheinen.

J. Rieter-Biedermann.

Die Briefe Beethoven's an Bettina von Araim. Von Dr. H. Delterg.

(Schlau.)

Nun betrachte man, im Bewusstsein dieses tief innerlichen Gegensatzes, noch einmal die Briefe aus diesem Gesichtspunkte. Der erste Brief begann mit einer Aeusserung der Freude über den in jenem Jahre (18)0) besonders schönen Frühling, darum so schön, weil der Schreiber Bettinens Bekanntschaft gemacht habe. Man kann über subjective Eindrücke schwer rechten; uns erscheint jene Betrachtung sentimental und unbeetbovensch ; dabei ist sie auch (was wir oben hätten erwähnen können) sachlich unmöglich, da Beethoven nicht denselben Frühling, der ihm eine grosse Lebenshoffnung zerstörte und ihm ein Hissgescbick brachte, welches ihn während des ganzen Sommers zum Schaffen unfähig machte, einen besonders schönen nennen konnte. Lesen wir weiter, so treffen wir auf folgenden Passus: »Sie, haben wohl selbst gesehen, dass ich in der Gesellschaft bin, wie ein Fisch auf dem Sand, der wälzt sich und wälzt sich und kann nicht fort« u. s. w. Diese Art selbständiger Anreibung eines ergänzenden Gedankens, den die regelmässige Prosa grammatisch unterordnen würde (der sich wälzt u.s. w.), ist unserer Schreibweise nicht natürlich, sie ist eine bewusste Annäherung an den Gesprächston, und sie ist ganz Bettina'scher Stil. »Wir haben einen nasskalten April, ich merks an Deinem Brief, — der ist wie ein allgemeiner Landregen« (Goetbe's Briefw. m. e. K., Brief vom April l 808). »Er ist mein einziger Freund [Stadion] hier, die Abende, die er frei hat, bringt er ganz bei mir zu, da liest er die Zeitung u. s. w. (Goetfae's Briefw. m. e. K., Bd. II, S. 3l); oder I, S. SO »und ein Apfel, den mir die Geliebte XVII.

schickte, den hab' ich auch gleich verzehrt«. Und so in dem dritten Briefe : »Was kam mir nicht alles in den Sinn, wie ich dich kennen lernte, während des herrlichen Hairegens, der war auch ganz fruchtbar für michi.

Beethoven spricht in dem Briefe in verbindlichen Ausdrücken über den Eindruck, den Bettina auf ihn gemacht, über »den grossen gescheuten Blick ihrer Augen» und dergleichen mehr. Die Zusätze, die sie sich erweislich in Goetbe's Briefen gestattet hat, die Briefe, die sie den pietätvollen Pamphilius an sie schreiben l'ässt, zeigen zur Genüge, dass sie der poetischen Versuchung, sich dergleichen Schönes sagen zu lassen, nicht leicht widerstand. Insbesondere sind die Worte über die geschriebenen Unterbaltungszettel, »auf denen Ihre geistreichen, lieben, liebsten Antworten stehen«, gänzlich unbeethovensch und geziert.

Wenn Beethoven über seine Kunst spricht, geht er einfach auf die Sache los und ist gleich mitten darin. Die Einleitung »Liebe Bettina — liebstes Mädchen — die Kunst l wer versteht die, mit wem kann man sich bereden über diese grosse Göttin' — ist affectirt und nicht nach Beelhoven's Art; aber es ist Bettinens Schreibweise, vgl. G. Briefw. I, S. igt »Ach Goethe! Musik, ja Musik ! hier kommen wir wieder auf dies beilige Kapitel :« Und wenn sie anderswo sagt: »da Musik unbegreiflich ist, so ist sie gewiss Gott«, so dürfen wir sie auch in obiger Stelle dafür verantwortlich machen, dass sie die Musik selbst eine Göttin nennt, was Beethoven fremd ist.

»Seit Sie weg sind«, beisst es weiter in dem Briefe, »bab' ich verdriessliche Stunden gehabt, Schaltenstunden , in denen man nichts thun kann*. Der Ausdruck »Scbattenstunden« kommt keinem einfachen Briefschreiber natürlich in die Feder, er ist refleclirt und künstlich. Bd. I, S. 33 des Goethe-Briefwech-

54

-eis sagt Bellina: »und die Schaltenslunden mit der silbernen Mondsichel and den Sternen brächten den Freund«.

Er nennt sie »Engeln und schreibt entschuldigend »Verzeihen Sie diese Abweichung von der Tonart, solche Intervalle muss ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen«. Die bildliche Anwendung des Wortes »Intervall« ist hier unklar und dilellanlisch ; von Beethoven kann sie nicht herrühren.

Ob endlich Beethoven sich bei einem Briefe die Zeit genommen , eine ganze Dichterstropbe, welche beiden bekannt war (»Herz mein Herz«) in einen Brief hinein zu schreiben — selbst wenn wir glauben wollten, das Lied sei in Folge des Abschiedes von Bettina componirt — erscheint im Hinblicke auf seine sonstige Correspondenz sehr zweifelhaft.

Dass der Brief im übrigen fliessend, ohne jede Unebenheit, ja anmuthig geschrieben ist, verstärkt nur das Gewicht der Gründe gegen Beetboven's Autorschaft. Von Anfang bis zu Ende trägt er das Siegel Bettina'scben Stiles und Bettina'scber Emp6ndungsweise. Wir werden nicht umhin können, das über den dritten gefällte verwerfende Urtheil schon jetzt auch auf den ersten auszudehnen.

Bei dem zweiten Briefe steht die Sache etwas anders. Neben einzelnen zweifelerregenden Stellen enthält er solche, deren Ausdrucksweise als Beetbovensch anzusprechen ist. Heber die bescheidenen Einleitungsworte ist schon oben gesprochen. Dass er ihr »4000 mal tausend Briefe« in Gedanken schreibe, hat ebenfalls Analogien. Die halb geschäftliche Art, wie er einige noch zu besprechende Gegenstände einführt, mit ihrer fehlerhaften und lückenhaften Ausdruckweise : »was die Cantate — was die Zuneigung« (wo das »betrifft» in der ursprünglichen Fassung fehlt) , ist ganz nach seiner sonstigen Art; wie überhaupt die äussere Form des Brief««, wie er jetxt publicirt ist, mit seiner vernachlässigten Interpunktion, den Gedankenstrichen, dem um ermittelten Uebergange von einem Gedanken zum ändern, überhaupt einer stellenweise bemerkbaren Ungelenkigkeit des Stiles an die sonsl bekannte Schreib-1 weise Beelhoven's erinnert. Daneben begegnen wir wieder Stellen, die bedenklich machen müssen. Die Worte: »Ihren ersten Brief hab' ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen und er hat mich oft selig gemacht« enthalten eine Beethoven nicht eigene Sentimentalität, entsprechen aber Bellina's Schreibweise (Briefw. I, S. 33 «er verlangt immer mehr, und mich macht das selig«). Auch den Ausdruck »Weltgescbmeiss» findet man selbsl in den unzufriedensten Ergüssen Beelhoven's sonsl nicht. Die zärtliche Aeusserung am Schlüsse »Nun leb' wohl, liebe, liebe Bettine, ich küsse . . . auf Deine Stirne und drücke damit wie mit einem Siegel alle meine Gedanken für Dich auf« zeigt Betlina'sche Ausdrucksweise, vgl. Briefw. H, S. 2(5 »der Hund, von dessen Lippen Lieder fliessen, die ich schliessen kann mit einem Siegel, die dann viel schöner singen« u. g. w., S. SIS »dass Deine Lippe die Seele auf der meinen als Dein Eigenthnm besiegelt«. Das Siegel also ist ein Bettina geläufiges Bild. Wir sehen uns demnach, während bei den beiden anderen Briefen die Sache sehr klar liegt, bei dem zweiten in mancherlei Schwierigkeiten verwickelt, welche die Sache nicht so einfach erscheinen lassen. Läge die neueste Publication nicht vor, so würde die Annahme hier am nächsten liegen, dass Betlina einen wirklichen Brief Beethoven's wörllich benulzt, aber durch eigene Zusätze erweitert habe, ganz so, wie sie es mit Goethe'schen Briefen gemacht hat. Inwieweit diese Ansicht vor der neuen Herausgabe durch H. Carriere bestehe, diese Frage sei bis zum Schlüsse aufbewahrt.

Ueber den dritten (Brief brauchen wir eigentlich, nach der zwingenden Gewalt der sachlichen Momente, bei den stilistischen uns nicht weiter aufzuhallen; es wird niemanden auffallen, dass sie gerade hier sich am deutlichsten zeigen. Wir haben es wieder mit einem fliessend und hübsch geschrie

benen Ergüsse zu (hun, der in einheitlichem Zuge fortgeht und nirgendwo Lücken und Einschiebungen vermutben lässt. Nach dem bescheidenen Tone des zweiten Briefes, der für Beethoven in seinen Briefen auch sonst charaklerislisch ist, steht ihm der übermässig selbstbewusste Ton am Anfang des dritten (»wenn so zwei zusammen kommen, wie ich und der Goethe« u. s.w.) nicht an und widerspricht seiner Natur; und ebenso widerspricht der ironisch-wegwerfende Ton, in welchem er sich nachher über Goethe auslässt, völlig seiner Verehrung für den Dichter. Die Nennung eines bekannten und berühmten Namens mil dem Artikel (»der Goelbet) ist nichl Beelboven'sche, wobl aber eine sehr beliebte Bettina'sche Manier. Wenn sie ihn sagen lässt: »dem Mann muss Musik Feuer aus dem Geist schlagen«, so vergleiche man G. Briefw. I, S. 355') »und ich hoffe, er [Dein Wille] soll Feuer aus dem Geist schlagen«, oder Günderode I, S. 76 »aber es schlägt Feuer aus mir, dass ich ihn fassen will«, um die Phrase als eine Betlina'sche zu erkennen. Und wenn er zum Schlüsse der jungen Frau sagt: »Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Herzen und erquickte mich da«, so wiederholt Bettina nur, was sie selbst an Goethe geschrieben bat, vgl. Briefw. I, S. S9I »Diese Briefe, deren einer um den ändern an meinem, Herzen gelegen hat.i

Obige Parallelstellen sind bei der Lectüre gesammelt; wir sind überzeugt, dass sie sich leicht vermehren liessen. Sie genügen, um in Verbindung mil den schon vorher angeführten Argumenten die Ueberzeugung zu begründen, dass die gegen die Echtheit der drei Briefe geäusserten Bedenken sehr wohl begründet gewesen sind. —

Wie steht es denn nun mit der änsseren GewihrT ist dieselbe denn in der That so zwingend , um alle jene Bedenken als nichtig erscheinen zu lassen ?

Dieser Frage hat der verehrte Thayer eine besondere Betrachtung im Anbange des 3. Bandes des Beethoven gewidmet, in welchem er die Echtheit jedenfalls der beiden ersten Briefe festzuhalten sucht, während ihm auch die Unecblbeit des drillen noch nicht über allem Zweifel steht. Er fassl die Frage nach der Echlheil vorzugsweise als eine Frage nach der hislo- rischen Glaubwürdigkeit Betlina's von Armin. Dieser Standpunkt würde berechtigt sein, wenn wir es bei dieser Edition mit einem historischen oder biographischen Forscher zu Ibun hallen, der unsere Kennlniss Beelhoven's miltelsl sicherer Gewähr zu bereichern beabsichtigte. Wer mit Bettina's schriftstellerischer Thätigkeit bekannt ist, weiss recht gut, dass dieser Standpunkt bei Beurtheilung dessen, was von ihr ausgegangen, nicht eingenommen werden kann. Sie will überall nur Dichterin sein, und hat ihre Schriften durchaus nicht in der Absicht herausgegeben, unsere historische Kenntniss zu bereichern. Insbesondere ist allbekannt, dass sie es liebte, Erlebnisse, Unterhaltungen, Betrachlungen in die Form eines Briefwechsels zu kleiden und sie dadurch aus dem Bereiche der Wirklichkeit in das der Poesie emporzuheben. »Als ich mit der Dichterin bekannl wurde,« erzählt M. Carriere in der bereits erwähnten Publication. »las sie mir Dinge, über die wir gesprochen hallen, am folgenden Tage als Briefstellen von ihr selbst oder den Freunden vor, und als das Buch gedruckt war und Schlosser auf vieles Unhistorische hinwies, sagte sie : »Ich hab' es ja »Die Günderode« genannt und gar nicht gesagl, dass alles ein aller Briefwechsel sei.« Ganz so gesland sie Varnhagen ein, dass in ihrem Königsbuche mit der Wahrheit auch Dichtung sei. An »Goelhe's Briefwechsel mit einem Kinde« braucht nur erinnert zu werden ; niemand zweifelt daran, dass dieses

4) Die Briefe des l. Bandes gehen bis mit < 808, fallen also lange vor die Bekanntschaft mit Beethoven. Daher würde der etwaige Einwurf, er habe sich den Ausdruck vielleicht aus Betlina's Redeweise angeeignet, wegfallen.

ein poetisches und durchaus nicht ein historisches Buch ist und sein will, und dies um so weniger, als ja die historische Grundlage dieses Buches neuerdings durch N. Löper's Publicalion klar gestellt ist. Die poetische Freiheil — um nicht zu sagen Willkür — mit welcher sie mit Goethe's Briefen umgeht, weglässt und hinzuerfindet, Gedichte sich zueignet, die nicht an sie gerichtet waren, insbesondere sich Angenehmes über den Eindruck ihrer Aeusserungen (z. B. über Musik) von dem Dichter sagen lUsst, bildet ein vollgültiges Pendant auch zu diesen Beethovenbriefen. Was Löper in der Einleitung zu den »Briefen Goelhe's an Sophie Laroche und Bettina Brentano« (p. LX fg.) sagt, genügt vollständig, um die Berechtigung unseres abwehrenden Standpunktes auch für den entschiedensten Verehrer der Dichterin zu beweisen. Dass es die Dichterin ist, vergessen die, welche bezüglich der Beethovenbriefe, sowie des langen Berichts an Goethe über die Unterhaltung mit Beethoven (in dem Briefwechsel) eine, wenn auch bei letzterem etwas begrenzte Autlienlicität in Anspruch nehmen; wir stehen bei beiden auf demselben Boden Bettina'scher Dichtung, welche Unterhaltungen mit dem Heister, Betrachtungen und Empfindungen, welche sich an dieselben anschliessen, in die Form von Briefen gebracht hat. Wir wissen wohl, dass man hier sagen könnte, es sei immer etwas anderes: ein grösseres Buch ediren, welches als poetische Leistung gellen will, und ein paar einzelne Briefe als von einem bestimmten herrührend publi- ciren. Diesen Unterschied macht ein methodisch geschulter, klar und logisch denkender Philologe oder Historiker; der phantastischen Dichterin , die überall nur sich selbst sieht und geben will, ist diese Unterscheidung nicht zuzutrauen. Jedenfalls kann dem dritten Briefe gegenüber dieser Einwand nicht bestehen; er liefert den vollgültigen Beweis, dass sie, wie andere namhafte Männer, so auch Beethoven zum Gegenstande ihrer poetischen Phantasie gemacht hat. Wir nehmen an, dass sie . rer Natur folgend, zu einer Zeit, wo die Gesetze historischer Kritik namentlich auf musikalischem Gebiete noch lange nicht durchgedrungen waren, in gutem Glauben an die poetische Be. . shtigung ihres Verfahrens gehandelt hat, und nehmen dadurch auch im wesentlichen den Makel weg, welchen dasselbe auf ihren Charakter werfen könnte. Ihre persönliche Glaubwürdigkeit z. B. in lediglich vertrauten Mittheilungen, sei es schriftlichen oder mündlichen, zweifeln wir durchaus nicht an ; für jene Art schriftstellerischer Publicalionen aber hat sie selbst eine historische Glaubwürdigkeit schwerlich in Anspruch genommen. Das scheint sie selbst gewissermassen eingestanden zu haben. Sowie ein wirklicher biographischer Forscher ihr entgegentrat, der bezüglich jener Beelhovenbriefe nicht Poesie, sondern Geschichte haben wollte, war sie verschlossen. Und dann veröffentlicht sie dieselben Briefe wieder in dem Buche »llius Pamphiliuso, welches doch auch nur eine poetische Produ- clion sein will; einer solchen werden aber regelmässig nicht Schriftstücke einverleibt, welche als historische Documente gelten sollen. Diese Stellung der Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit bringt in die Angelegenheit, die uns hier beschäftigt, ein gänzlich fremdes Element.

So bleibt denn zum Schlüsse nur noch übrig, die rein äussere Gewähr der Briefe an uns vorüberzuführen, welche sich naturgemäss zu der Frage zuspitzt, ob Originale dieser Briefe existiren und wo sie sich befinden. —

Die erste Herausgabe der Briefe erfolgte, wie bereits im Eingänge bemerkt, 1839 in dem Nürnberger »Athenäum für Wissenschaft, Kunst und Leben» durch den Buchhändler Julius M er z, der sie zu diesem Zwecke von Betlina erhalten hatte. Hat er die Originale, d. h. von Beethoven geschriebene Originale der Briefe in Händen gehabt? Nein. Das ergiebt sich völlig klar aus den von Thayer (vgl. Bd. III, S. 460) durch Vermittlung des Consuls Wheeler mit Merz geführten Verhand

lungen. Letzlerer hatte Tbayer mitlheilen lassen, er habe seiner Zeit die Briefe von Bettina von Arnim für das Athenäum erhalten, aber nach der Veröffentlichung »die Originale« seiner beslimmlen Erinnerung nach an Frau von Arnim zurückgeschickt. Darauf wurde er von Thayer nochmals dringend um schriflliche Zusicherung gebeten, »dass er die Briefe nach dem Original abgedruckt haben, und antwortete hierauf am 33. September <863 wörtlich: »Ich kann bezeugen, dass ich die im Januarheft des Athenäums von <839 erwähnten Briefe Beet- hoven's seiner Zeit in Händen gehabt, aber wieder zurückgegeben habe.« Auch Thayer bat gefühlt, dass in dieser Antwort der Kernpunkt der Frage umgangen ist; es ist mit nichten in derselben erklärt, dass er die Originale Beethoven's in Händen gehabt, es wird vielmehr das Wort »Originalen mit Vbsidit vermieden. Im Jahre 1863 konnte Merz wohl wissen, dass und aus welchen Gründen die Echtheit der Briefe angezweifelt worden, er konnte ferner wissen, dass inzwischen viele Briefe Beethoven's bekannt, von manchen das Facsimile milgetheilt worden war; seine Antwort musste also dahin lauten: dass jene Briefe ihrem Alter und ihrer Handschrift nach mit anderen unzweifelhaft echten Briefen übereinstimmten. Diese Antwort hat er nicht gegeben, und hiernach verliert sein Zeuguiss für das, was wir wissen wollen, jede Beweiskraft, wenn man nicht gar das Gegenlheil daraus folgern darf.

Noch weniger Bedeutung hat die Publication der Briefe durch Cborley in Schindler's englischer Ausgabe («H. Chorley hat ebenfalls die Briefe von Bettina erhallen , hat aber selbst erklärt (vgl. Marx II, S. 433), nicht Originale Beethoven's, sondern Abschriften in Händen gehabt zu haben. Bemerkenswert)] ist hier, dass diese Abschriften allem Anschein nach nicht für ihn hergerichtet, sondern bereits vorhanden waren; »ich erhielt sie,« erzählt er, »am Tage nach dem ersten und einzigen Besuche , den ich ihr machte, und sie war auf dem Punkte abzureisen.« In solchen Momenten hat man in der Regel nicht Zeit, drei ausführliche Briefe zu copiren.

Dann hat Bettina selbst die Briefe mit geringen und unwesentlichen Abweichungen, über welche früher berichtet und geurtheilt werden, im zweiten Bande von llius Pamphilius (S. 2l:t fg.) herausgegeben. Es geschah dies unter der Einkleidung einer Sendung für die Autographensammlung des Adressaten (Nathusius) ; diese Sendung wird eingeleitet durch nochmalige begeisterte Ergüsse über Beethoven. Hier aber ist nun eins zu beachten, was auch Thayer nicht entgangen ist: Bettina hat, obgleich sie alle drei Briefe publicirt, doch nur einen gesendet, vgl. II, S. l 4:1 »den von Beethoven«, S. <68 »den Brief von Beethoven halt ich mit beiden Händen — und ich gebe hin den Brief«, S. 178 »eben hab ich Beethoven's Brief abgeschrieben der jetzt dein ist«, S. 178 »der Brief von Beethoven! ich hoffe du bewahrst ihn« u. s. w. ') Dies stimmt nun in überraschenderweise zu der Thatsache, dass sich im Nathusius'schen Nachlasse wirklich (vgl. Carriere) nur ein Brief gefunden hat, und beweist, dass dort auch mehrere nicht vorhanden waren, beweist aber noch nicht die Echtheit dieses Briefes. Seiner Publication durch Carriere müssen wir unsere Betrachtung noch schliesslich zuwenden; die beiden anderen, der erste und dritte, sind nunmehr, man möchte sagen, durch Bettina's eigenes indirectes Geständnis* definitiv ausgeschieden, wie sie dies aus inneren Gründen schon längst waren.

Zunächst sei hier bemerkt, dass der Name Carriere's auch früher schon durch L. Nobl in diese Frage hineingezogen worden ist; ihm hatte Carriere erzählt, er habe die Briefe 1839 bei Bettina von Arnim gesehen und sie zur Herausgabe ermuntert, und als er später die gedruckten Briefe gelesen, habe ihn

l Die Worte S. 205 »Hier lege ich die Briefe des Goethe und des Beethoven für deine Autographensammlung bei« beziehen sich auf zwei Briefe verschiedener Personen.

seine ErinneruDg keine Abweichung von den Originalen, erkennen lassen. Hierin wird sich Carriere gewiss nicht geirrt haben; aber er bat Dicht gesagt, dass jene Originale Beet- hoven'sche Originale gewesen, dass ihm Beethoven's Handschrift bekannt gewesen und dass die Handschrift jener Betlina'- schen »Originale« mit ger ihm bekannten Beethoven'scben Handschrift übereingestimmt habe. Marx hatte demnach vollständig Recht, wenn er dieses damals abgegebene Zeugniss für die Entscheidung der Echtheit der Briefe als ungenügend erklärte.

Bei der neuen Publication durch Carriere steht die Sache insofern anders, als er nunmehr jenes »Original« selbst in Händen gehabt; von ihm als Gelehrten muss man erwarten, wenngleich er es auch diesmal nicht ausspricht, dass er nunmehr die Handschrift Beelboven's aus anderen inzwischen bekannt gewordenen Briefen und Faksimiles kannte und jenen Brief mit denselben verglich. Der Brief, wie er pnblicirt ist, hat nunmehr in manchen äusserlichen Punkten die Form wie Beethoven schreibt, ohne die erforderlichen Interpunktionen, mit Gedankenstrichen zwischen den Sätzen, mit unleserlichen und durchstricbenen Worten ; dergleichen nachzuahmen, würde freilich eine Absicht zu täuschen kundgeben, für welche kein poetischer Zweck mehr als Erklärung dienen dürfte. Auch hat das Schriftstück äusserlich die Gestalt eines Briefes; es beisst von den Worten »Beethoven wohnt auf der Mölker Basley im Pascolatischen Hause«, sie seien geschrieben gewesen »auf der Rückseite um das Siegel von Beethoven's Hand«. Letzleres heisst nun freilich weiter nichts, wie von derselben Hand, welche den Brief geschrieben ; dass dies Beetboven's Hand gewesen, dafür übernimmt einstweilen nur der Herausgeber die Verantwortung. Und dass das Schriftstück überhaupt die Form eines Briefes hatte, ist auch an sich nicht beweisend; wenn Merz und Carriere sich erinnerten, die »Originale« der siinirat- lichen drei Briefe gesehen zu haben, so hatten demnach auch diese, also auch der unzweifelhaft unechte dritte, die äussere Gestalt von Briefen. Dass mit diesem Zweifel auch an dem zweiten Briefe ein starker Vorwurf gegen Bettina ausgesprochen wird, können wir nicht hindern : nachdem sie auch bezüglich Goethe'scher Gedichte die lesende Welt in die unrichtige Vorstellung eingewiegt, dieselbe seien an sie gerichtet, seien nach Briefslellen von ihr gedichtet gewesen,1) weiss man nicht, wie weit man ihr dergleichen, in ihrem Sinne poetische Fictionen zutrauen darf, und hat jedenfalls das Recht, die schwerwiegenden Bedenken rückhaltlos auszusprechen. Es muss immer wiederholt werden, dass Betlina vor dem lesenden Publikum die Briefe als ein untrennbares Ganzes behandelt und für alle die gleiche Geltung in Anspruch genommen hat.

Und doch trägt, wie wir bereits früher gesagt haben, gerade dieser zweite Brief neben einzelnem Bedenklichen ganz entschiedene Spuren Beethoven'schen Ursprunges, und dieser Umstand, in Verbindung mit der Thatsacbe, dass sich gerade dieser Brief und nur dieser in dem Nachlasse von Nathusius, welchem Bettina auch wirklich nur einen Brief schickte, vorgefunden bat, wirft für die Echtheit dieses Briefes ein starkes Gewicht in die Wagschale; zumal ja die Thatsache, dass Beethoven überhaupt einen Brief oder Briefe an Bettina geschrieben, auch von uns niemals bezweifelt worden ist. Beethoven hätte, wenn der Brief echt sein sollte, bezüglich der Egmontmusik einen allerdings sehr starken Gedächtnissfebler begangen und hätte sich stellenweise, namentlich am Schlüsse, der Redeweise Bellinens in auffälliger Weise bedient. Wir stehen bei dem Briefe für jetzt vor einem Rälhsel, welches nur Carriere lösen kann. Ein strenges philologisches Gewissen kann sich bei seiner Publi-

1) Auch hier dürfen wir einfach auf Löper a.a.O. S. XL fg. verweisen, wo ihr Standpunkt »der künstlerischen Abrundung und des psychologischen Interesses« zu ihrer Rechtfertigung angeführt wird.

cation nicht vollständig beruhigen. Ihm war, wie seine einleitenden Worte ergeben, wohl bekannt, dass die Echtheit der Briefe angezweifelt war, und die Gründe, aas welchen dies geschehen war, konnte er als wissenschaftlicher Mann nicht unterschätzen. Er giebt ferner selbst zu erkennen , wie genau er über den Charakter und den Ursprung der Schriften Bettina'«, welche die Form von Briefwechseln haben, unterrichtet war. Diesem Stande der Sache gegenüber durfte er sich nicht begnügen, einfach den Text abzudrucken ; er musste das Facsi- mile veröffentlichen und so alle, welche jemals Beethoven'sehe Briefe gesehen, in den Stand setzen, selbst zu urlheUen. Er wird es nicht verhindern können, dass, so lange dieses nicht geschehen, ein Scrnpel auch bezüglich des zweiten Briefes übrig bleibt. Man wird sich einstweilen immer noch fragen dürfen, ob nicht die unzweifelhaft Beethoven'scben Anklänge in dem Briefe sich dadurch erklären, dass ein wirklicher Brief Beethoven's zu Grunde liegt und von Bettina mit Zusätzen versehen ist.

Mit den beiden anderen Briefen, dem ersten und dem dritten, sind wir jetzt, und nicht am wenigsten durch Carriere's Veröffentlichung, vollständig fertig. Er giebt sich freilich der sanguinischen Hoffnung hin, dieselben »seien wohl noch im Ar- nim'schen Archiv zu suchen». Man wird wohl lange suchen müssen und schliesslich nichts linden. Sollte wirklich jemals ein angeblich Beethoven'scbes Manuscript der beiden anderen, und namentlich des dritten Briefes sich finden, dessen Unecbl- heit, wir möchten sagen mathematisch erwiesen ist, so würde die Sache wieder in ein neues Stadium treten , und der mehr oder weniger günstige Schein, der jetzt auf den zweiten gefallen ist, mit einem Schlage wieder verschwinden. Nein, gerade der Umstand, dass Bettina nur einen geschickt, und dass sich nur einer gefunden hat, entscheidet gegen die beiden anderen, wenn es eines Argumentes gegen dieselben überhaupt noch bedürfte. Wer die Stellen in Ilius, durch welche die Sendung begleitet wird, die empfindungsvollen Aeusserungen über Beethoven aufmerksam prüft, wird erkennen, dass Bettina etwas ihr Tbeures und Unersetzliches dem Freunde zu Liebe weggiebt; der schmerzhaft-bewegte Ton würde nicht passen, wenn es nur ein Brief aus mehreren wäre , wenn sie noch andere, die ähnliche und noch stärkere Liebesäusserungen enthielten, zurückbehalten hätte. Und da sie nun einen Brief sendet, aber doch, ohne zu sagen, dass sie noch mehrere besass, noch zwei andere dazu abdrucken lässt, haben wir, man möchte sagen, ihr eigenes poetisches Zeugniss, dass sie diese jedenfalls selbst gedichtet bat.

Für besonnene Forschung, welche nicht nur den Charakter Beethoven's und die einschlagenden biographischen Momente, nicht nur die Geschichte der Veröffentlichung der Briefe, sondern auch den schriftstellerischen Charakter Bettina's — und nur auf diesen kommt es hier an — ins Auge fasst, steht die Sache so, dass von einer Echtheit des ersten und des dritten Briefes fürderhin nicht mehr gesprochen werden kann, dass auch bei dem zweiten starke Bedenken bleiben, welche aber in ebenso starken Gründen für seine Echtheit ihr Gegengewicht haben. Diese Bedenken zu verscheuchen, und den Brief als unzweifelhaft echt und Beethovensch zu betrachten, werden wir nicht anstehen, wenn uns in der oben angedeuteten Weise die feste und unabweisbare Ueberzeugung gewährt wird, dass die Handschrift des Briefes in der Thal die Handschrift des grossen Meisters ist.

Neuere Ciaviermusik ans dem Verlage von Bote & Bock in Berlin.

Von neuen Claviercomposilionen aus dem Verlage der Firma Bote & Bock in Berlin stellen wir einige Werke bewährter Mu siker an die Spitze, deren Name schon die Originalität und Tüchtigkeit der künstlerischen Arbeit verbürgt.

Friedrich Klei, der Meister im grossen Satz, wie auf dem \ -m iirlinii K Gebiet der Kammermusik, giebl uns in seinem Op. 79 Sechs Impromptus für Pianoforte, in denen der Künstler von der Arbeit an seinen ungefähr gleichzeitig entstandenen grösse- ren Schöpfungen, den Clavierquintetlen Op. 75 und 7ii und dem Itequiein in As Op. 80 auszuruhen scheint. Mit Ausnahme der drillen und vierten Nummer sind sämmlliche Stücke kurze Andanlesälze von liedartigem Charakter , Iheilweise heiler gestimmt und äusserst schlicht gehallen wie die ruhig vor sich liinsingende Gdur-Weise Nr. < und das anmuthige Ddur- Sälzciien Nr. t, theilweise ernsteren Empfindungen Kaum gebend wie die ubendliedarlige Nr. 5 aus As und die Schluss- nummer, ein Liebesgedicht voll Innigkeit. Nr. 3 ist ein ziemlich weit ausgeführtes Vivace aus G-dur, das durch melodischen Heiz, wie geistreiche llarmociir-iruug fesselt. Der Preis gebührt indess dem Prestosalz Nr. 4 aus Es-moll, in welcher Tonart wir sonst nur düstere Trauermarsche oder die leidenschaftliche Klage eines Manfred zu hören gewohnt sind, während hier die schalkhafteste der Grazien ihr Wesen treibt und den Hörer mit einer Fülle lieblicher Tonblumen bewirfl. Das Ungestüm des Hauptsatzes wird \on einem Esdur-Allegrotlo unterbrochen, dessen Stimmen neckischen Fallern gleich übereinander gaukeln. Preslissimo , aber zugleich geisterhaft leise jagt die Coda dahin, bis zuletzt der Esdur-Accord wie Morgen- gUnz nach einem Sommeriiachlstraum aufleuchtet.

Voll Schönheil sind Zwei Ciavierstücke Op. 80 von fr. ÜenuhelM) dem Irciriichen Rheinländer, dessen eben erst bei J. Kieler-Biedermann erschienene zweite Symphonie aus Es- dur, ein prächtiges Tonwerk, bald von sich reden machen wird, üie erste unserer Clavierpiecen ist ein »Lied« betiteltes Andanlino aus A-dur, dessen zarlinnige Canlilene von einer Triolenbegleilung leise umspielt wird. Bedeutender erscheint die Gavotte Nr. t, die mit folgendem energischen Thema einsetzt :

Die weitere Entwicklung des Hauptsatzes gestallet sich noch kraftvoller , wahrend das müsellenartige Trio äussersl zart und wohllautend ist. Die harmonischen Durchgänge von G nach Es und Ge8-dur, sowie weiterhin nach H und B-dur wirken hier besonders schön. Ein poetischer Gedanke des Componislen war es, nach der Repetilion des ersten Tbeils nochmals ans Trio zu erinnern, um dann mit wenigen kräftigen Strichen abzu- schliessen.

llrlurlch Stiehl, der bekannte Orgelvirluose, der sich auf dem Gebiete des musikalischen Genrebildes nichl weniger gewandt zeigt, als im strengen Salz, bietet uns mit seinen »Mosaik« benannten In Clavicntiicken Op. 161 wiederum einen

Slrauss anmuthiger Tonblülbeii dar. Bei Nr. l, das uns mit seinem fröhlichen Schwingen an einen Kinderreigen gemahnt, dürfte die Tempobezeichnung »Allegreltoi besser passen als die vorgeschriebene »Andantino«. Der Spieler schlägt, von der harmlosen Lust der Weise fortgerissen, unwillkürlich ein rascheres Tempo an. Aus dem ersten Heft mögen noch der Cmoll-Salz Nr. 6, ein feines Charakterstück und das gesangreiche Andante con molo aus B-dur Nr. 5, das Henselt's »Re- pos d'amour« in Erinnerung ruft, specielle Erwähnung finden. Von den Stücken des zweiten Heftes wollen wir blos Nr. l 0 erwähnen, ein Fis moll-Gebilde, in welchem holde Beredtsam- keit mit leidenschaftlichem Ungestüm wie Sonnenglanz mit Wolkenschatten kämpft. Noch sei betont, dass die sorgsamen Fingersalzangabeu und leichte Spielbarkeit sämmtlicher Nummern solche insbesondere auch zu pädagogischen Zwecken als anregende und geschmackbildende Vorlragsslücke brauchbar machen.

Noch leichler geschürzt, aber keineswegs ohne poetischen Reiz ist Bernhard Hollf's Bunte Reihe Op. 105, ein Cyklus von sieben Clavierslücken, die sich in ihrer knappen, meist lied- mässig gegliederten Form den kleinen Charakterstücken des Schumann'schen Jugendalbums oder den ähnlich gearteten Bluellen Kirchner's anreihen, freilich ohne durchschnittlich die Gemüthsliefe der erslere» oder die geistreiche Feinheit der letzteren zu erreichen. Ein zarler Liedsalz aus C-dur, durch den in der Thal etwas von Schumann'scher Innigkeit haucht, eröffnet die Reihe. Voll Anmuth sind das coupletartige Gdur- Allegrello Nr. 3 und das Wanderlied Nr. 5, das freilich stellenweise -i.n'k an ein Schumann'sches Muster anklingt.

Durch hübsche Erfindung und geschickte Faclui zeichnen sich Zwei Härcheti Op. 20 von tiuUf Schumann aus. Das erste behandelt eine Jahrmarklsscene. Einem einleitenden, Im Marsch- iliYilimus gehaltenen Allegretlo folgt ein Vivace, das uns mitten ins Gewühl des Marktes hineinführt. Von koketter Grazie ist der Allegrosalz im '/,,-Rbythraus, dessen Moti\e die weitere Entwicklung beherrschen. — Das zweite Märchen trägt den Titel »Burgfrä'.ilein«. Der Hauptsatz, ein rühriges G moll-Allegro schildert das Treiben der Zwerge, während der Miltelsalz, ein Moderalo aus B-dur den Gelang der Jungfrau von weichen Ar- peggien wie von Harfengetöo umspielen la'sst.

Zum Schluss gedenken wir der l dur-Sonate für Pianoforle Op. 1 von Fritz KaufmnnD, dessen frisches, auch den grösseren Formen gewachsenes Talent sich bereits durch eine Reihe Com- positionen (wir erwähnen beispielsweise die Streichquartett- Variationen Op. 8 , sowie ein Claviertrio aus C-rooll) auf erfreuliche Weise bekundet hat. Die Sonate fesselt durch phra- tasievollen Zug und organisches Wachslhum, wenn sie auch nicht in allen Abschnitten gleichwertig erscheint. Sie beginnt mit einem Allegro con spirito, dessen erstes Adur-Thema den linier wie ein Frühlingsgesang anmulhel. Auch die Zwischenglieder sind lebensvoll gestaltet; dagegen will uns das zweite Haupllhema in E-dur mit seinen schwingenden Vierlelstriolen weniger gefallen. Wir finden es für einen Sonaleusalz zu leicht wiegend und physiognomielos, während der Durchfiibrungs- Ibeil den motivischen Stoff geschickt verarbeitet und eine energische Steigerung herbeiführt. Das Scherzo (Mollo vivace */4, A-moll) ist sehr pikant; auch das Adur-Trio, dessen Thema zunächst elfenhafl leise hereinschwirrl, um sich allinälig zu dröhnender Schallkrafl zu steigern, wirkt gut. — Den dritten Satz bildet ein Adagio quasi Andante aus F-dur. Zarlgebunden und weilalhmig zieht sein Gesang dahin, um zuletzt leise zu verlöschen. Das Ganze hülle wohl etwas kürzer gefassl, sein EmpHndungsgehalt mehr concentrirt werden dürfen. Von allen vier Sätzen geben wir dem Finale den Preis, einem Allegro vivace, dessen vorwärts drängendes, von fröhlichem Schlussgefühl erfülltes Wesen die ersten Takle illustriren :

Allegro vivact.^'

-E^pfri^JlIgp^EE

^ ' ' —r -1-1 '——' ^—t-^—l—*

Auch das zweite Thema hal melodischen Schwung und wird durch den Componisten mit graziöser Laune ausgebeutet. Einzig bezüglich der Einführung des AnHante-Abschnitles in der Mitte liesse sich vielleicht mit ihm rechten. Uns stört er etwas die Harmonie des Tongebildes , das sonst in einem einheitlichen Zuge dahinströmt und glanzvoll abgeschlossen ist. A. Niggli.

Anzeigen und Beurtheilungen.

Literatur.

Wilbel* Frllie, Ein musikalisches Charakterbild von lUbrrt «!!. Dem in in. A. Franlz. 4883. Mit Portrait. 88 S. kl. 8. Pr. 50 ty.

Die Biographie eines Frühgeslorbenen . denn Fritze ist am 17. Februar l HÜ in Bremen geboren und am H. Juni 4881 in Stuttgart gestorben, nachdem er Opus l—20 im Druck veröffentlicht, aber kaum vermocht hatte, seinen Namen allgemeiner bekannt zu machen. Seine umfangreichsten Compo- silionen, zu denen ein Oratorium David gehört, sind nicht gedruckt. Es ist dankenswert)!, dass Herr Husiol ein Lebensbild von Fritze gezeichnet hat; man lernt daraus noch mehr, als der Verfasser eigentlich beabsichtigt hat, da man aufs neue den grundverkehrlen Bildungsgang gewahrt, welchen das Gros der modernen Musiker nimmt. Auch der arme Fritze war nicht glücklicher.

S. W. llehu's Lehre vom Contrapunkt, de m Canon und der Fuge. Nebst Analysen von Duetten, Fugen etc. von Orlando di Lasso, Marcello, Palestrina u. A. Zweite Auflage, neu bearbeitet von Bernhard Srhnlz. Berlin, W.Weber. 1883. 192 Seilen gr. 8. Dehn halte über den Conlrapunkl ein verhältnissm'ässig kleines Heft niedergeschrieben, welches im mündlichen Unterricht ausgelegt und durch Analysen classischer Sätze illuslrir-l wurde. Vor etwa 20 Jahren edirte der—Herausgeber diese Arbeiten, und heute publicirl er die zweite Auflage so umgestaltet, wie Fr. Kiel, einer der ältesten und bedeutendsten Schüler Dehn's, es wünschte und vorschlug. Das Buch hat dadurch an praktischer Brauchbarkeit wesentlich gewonnen.

\. Ratgeber für'Musiker und Freunde der Tonkunst bei der Wahl geeigneter Musikalien. Von Bernhard Bräh«lr. S.Auflage. 1888. US Seiten 8.

2. Der angebende KUiimfiMrr, von Brlirith tUhlfahri. 1881. 45 Seiten 8.

3. Der praktische Muikdirectcr oder Wegweiser für Musikdirigenten , von F. L. Stkabert 3. Auflage. 1882. 98 Seiten 8.

4. Die VUline, ihr Wesen etc. von F. L. Schäkert. 3. Auflage. 1882. 132 Seiten 8.

5. Ckugesaig-Slidiea für die oberen Chorklassen höherer Mädchenschulen und Vorbereitungskurse der Singakademien und Oratorienvereine von Beieilikt W idminn. (1888.) 70 Seiten 4. Pr. .// 1. 60.

6. Ilt itreigei Fcnwi der Musik, in klassischen Beispielen dargestellt etc., von leiedlkt Wldaui. (1888.) 122 Seiten 4. Pr. Jl 2.70.

7. Kleine» Tonkün«ller-l,e*iraii etc., herausgegeben von P»l frank. 7. Aufl. 1881. 276 Seiten kl. 8. Pr. 1 .H.

Sümmlliche sieben Schriften sind im Verlage von Carl Merseburger in Leipzig erschienen und schüfen zu einer Reihe unterrichtlicher und populärer Werke kleineren Unifanges, welche diese Handlung publicirt hat. Die kleinen Octav- büchlein haben sich Manchem als nützlich erwiesen ; aber die beiden Schriften von Widmann sind sonderbare Compilalionen. Da wird uns eine »Chorschule« geboten, bei welcher als Haupt- Übungen Duelle, also So/ogesänge von Händel und Bach figu- riren, und die Händel'schen Stücke (Kammerduetlen mit italienischem Text) werden überdies noch verhunzt, indem die ursprünglichen Worte unterdrückt und deutsche geistliche (!) Texte an deren Stelle gesetzt sind. »Crvdtltd ne lontanaraa* heisst hier »Alle Menschen müssen sterben« — *In/iammatc, taettote« heissl »Schenk1 uns Gnade, schenk' Erbarmen« — »N6, di voi non vo' fdsrmi, tieeo Amom heisst ^Ich erhebe mein Gemülhe, o mein Gott und Hern. Dabei entwendet er der Ausgabe der HUndelgesellschaft heimlich die Begleitung, denn es ist nicht einmal die Quelle angegeben. Mit einem solchen Buchmacher sollte man eigentlich nur vor dem Slrafrich- ter verhandeln. Köstlich l der Eine schreibt eine Schmähschrift über diese Clavier-Begleilungen der Händelausgabe, der Andere maust sie uns!

Frank's Tonkünstler-Lexicon liefert für \ .M viel Material, in welchem wir auch manche brauchbare Nachricht gefunden haben. Leider sind die Biographien dem Umfange wie der in- nern Behandlung nach so ungleich gearbeitet, dass dieses Büchlein dadurch als eine offenkundige" Parleischrift erscheint. Ein so launisches Verfahren bekundet geringen Respecl vor der Sache, die doch eine grosse ist und eine so allgemeine Bedeutung besitzt, itass sie über die Interessen des Herrn Frank wie des Verlagshauses Carl Merseburger weil hinausreicht. Wenn der Verfasser an meiner, vermeintlich »schroff conservaliven« Hallung keinen Gefallen findet, so hal er volle Freiheil; aber ich will ihm doch ganz ehrlich sagen, dass er gerade das von mir hätte lernen können, was ihm als musikhistorischem Schriftsteller noch fehll, nämlich die Neigung und Fähigkeil , angesichts einer musikalischen Sache persönliche Stimmungen und Vorurlheile — wie sie mehr oder weniger Allen ankleben — zu vergessen und für die Erzielung einer objectiv gerechten Darstellung alle Kraft einzuselzen. Möge ein solches Bestreben bei der nächslen Auflage seines Lexirons wahrzunehmen sein !

Tristan-Ausgaben.

Breilkopf & Härlel als Verleger der Wagner'sehen Oper »Tristan und Isolde« haben ausser der Partitur und .dem vollständigen Ciavierauszug in der jüngsten Zeit eine Reihe von Ausgaben publicirt, die wir hier der Iteihe nach aufführen wollen.

Im Juni dieses Jahres führte die Hamburger Truppe bei ihrem misslungenen Londoner Opernunlernehmen auch den Trislan englisch auf, zu welchem Zwecke Textbuch und Ciavierauszug englisch erschienen:

Trislan and Isoida — Trislan und Isolde. (Breitkopf & llärlel's Textbihliothek Nr. 151C.) 58 Seiten i.

Trislan and Isoida. Vocal score. 260 Seiten Lex.-8. Der Ckmeraiiszug (Vocal Score) ist nur englisch, das Textbuch englisch und deutsch. Die Ueberselzung ist eine gemeinsame Arbeit von H. und F. Corder. Diese Oper war leider die unglücklichste von allen, welche die Hamburger Gesellschaft in London herausbrachte, und ist dadurch wohl für lungere Zeit an eine englische Aufführung nicht zu denken.

Trislan und Isolde. Ciavierauszug für Pianoforle allein mit Beifügung der Textesworte und scenischen Bemerkungen. 186 Seiten Lex.-8.

Eine solche Ausgabe ist für Ciavierspieler, welche, ohne zu singen, sich die Musik reproduciren wollen, natürlich weit bequemer, als der eigentliche Clavicrauszug. Einzeln erschienen unter ändern : t. Vorspiel und Isolden's Liebeslod. Partitur Pr. .// 5. 50.

Orcheslerstimmen Jt 9.

1. Lyrische Stücke für eine Gesangstimme: fünf verschiedene Gesänge , die sich zum Einzelvortrag eignen , und das Duett von Trislan und Isolde. IV. :;o ./; bis .//' l. 75.

3. Trislan's Gesang, Ueberlragung für Ciavier von H. Ehrlich. Jl 1.15.

4. Musikalische Bilder aus Tristan und Isolde, für Ciavier von Joseph Rubinstein. Erstes Bild: Liebesscene. .ff 3. 50. — Zweites Bild : Tristan's Tod. .// 3.

5. Musikalische Bilder etc. für Ciavier, Violine und Violon- cell von Alfr. Pringshfim. Heft l: Seefahrt. Jl l. — Heft II: Liebesnachl. ,//:: 7...

6. Symphonische Stücke elc. für Ciavier zu vier Händen von Albert Heintz. Erster Aufzug: Jl 3. 75. — Zweiler Auf-

^ug: Jl 4. — Driller Aufzug: Jl 3.

7. Vorspiel zu Trislan für Harmonium, Pedalflügel oder Orgel von A. W. Gottschalg. Jl (.75.

g. Angereihte Perlen aus Trislan für Ciavier zusammengefügt von Alb. Heinis. Heft I: Jt 1. 75. — Hefl II: Jl ». 75. — Hefl III: Jl 1.25.

Hiermit dürfte den Liebhabern schon eine ziemliche Auswahl geboten sein.

Stuttgart.

(Schluss.)

Das am M. November staltgefundene Abonnement- Concerl Nr. 3 brachte als Einleitung eine durch Erfindung nicht geradehervorragende, »Hamlet« betitelte, Concerl-Ouver- türe von Niels W. Gade. Die zweite Nummer, ein Concerlstück für Violoncell in Form einer Gesangsscene von Jules de Swerl wurde vom Componislen selbst gespielt. Der Solist de Swerl ist uns lieber als der Componist. Derselbe dürfte wohl einer der bedeutendsten Cellisten der Gegenwart sein; er verfügt über eine enorme Technik und namentlich über eine Kraft und einen Schmelz des Tones, wie wir ihn noch bei keinem ändern Cellisten gehört haben ; er \veiss seinem Inslrumenl die mannigfaltigsten Klangfarben zu entlc'-kei und verfüg! überhaupt Mi.-t eine Mannigfaltigkeit des Tones, dass sein Spiel zur Bewunderung hinreissen rmiss. Seine Composition erregle jedoch weniger Enthusiasmus; so etwas Flaches und Unbedeutendes und planlos Zusammengewürfeltes haben wir denn doch selten ge

hört, und wir haben im Interesse des Künstlers es aufrichtig bedauert, dass er durch sein Opus sich selbst um den Beifall brachte, welcher seinem Spiele unbedingl gebührt halle. Wenn nur >lie ausübenden Künstler nicht immer die Marotte hätten, auch Componisten \\ tout prix sein zu wollen. Ferner erfreute de Swerl uns noch mit einer Itomanze von Tschaikowsky und dem von ihm orcheslrirlen Scherzando »Vanitas Vanitatiim« von Schumann.

Die drille Nummer brachte uns das Vorspiel zu »Parsifal«. Dasselbe enthält die wichtigsten Motive des Werkes und beginnt mit einer über Terz, Quint und Sexte aufsteigenden, von Streicher und Holzbläser unisono angestimmten sogenannten Melodie, welche nach der Belehrung des Wagnerinlerprelen wiederum in drei Motive zerfällt, das Erlösungs-, Wunden- und Speermotiv ; die Melodie wiederholt sich von der Tiefe nach der Höhe fortschreitend, bis das von Posaunen und Trompeten zunächst piano vorgetragene Gralmoliv erscheint, an welches forlissimo das Glaubensthema sich anschliesst. Wir hören dann wieder das von den Saiteninstrumenten vorgetragene Gralmoliv, das von Streicher, Holz- und Blechbläser abwechselnd angestimmte Glaubenslhema, um dann zur Einleitung des Dramas hinübermodulirend, nocli auf mehrere Motive anzuspielen. Dies der kurz skizzirte Inhalt des Vorspiels. Wollen wir unser musikalisches Urtheil über dasselbe abgeben, so kann dies nur ein negatives sein; die dürre Reflexion waltet in einem so hohen Grade hier vor, dass ein rein musikalischer Genuss ganz ausgeschlossen ist. Man halte uns doch nicht entgegen, Wagner wolle hier keine absolute Musik schreiben, seine Werke seien vom Worte unzertrennlich und könnten nur in Verbindung mit demselben verslanden und empfunden werden. Wir kennen überhaupt nur absolute Musik , und sei es nun eine Oper, ein Oratorium oder eine Symphonie, wir wollen Musik hören, die unmittelbar zum Herzen spricht; wir wollen Musik hören, die dem tiefsten Born künstlerischen Empfindens mlsprungen, durch innere Wahrheit Herz und Gemülh packt.

Eine wahrhafte Erlösung war die darauf folgende Cmoll- Symphonie von Beethoven; das ist wahre Musik, hier sprich! ein gewaltiger Genius zu uns. Noch sei beigefügt, dass Fräulein Sophie l'r lisch, die jugendliche Soubrette des Hof- Iheaters drei Lieder von Raff, Volkmann und Taubert sang. Ersleres Lied : »Immer bei dir« wurde in einem solch schläfrigen Tempo gesungen, dass die Wirkung des schönen Liedes ganz verloren ging; wahrscheinlich mussle die Sängerin sich der subjecliven Auffassungsweise des Herrn Winlernitz fügen. Lieder wie das Taubert'sehe passen ganz und gar nicht in den Rahmen ernster Concerte; derlei Stimmgymnastik mag dem grossen Haufen gefallen, wir bedauern aber im Interesse des künstlerischen Ernstes, welcher in solchen Concerlen wallen soll, derlei Produclionen auf dem hohen Seil. Im Uebrigen verfügt Frl. F ritsch über eine sehr hübsche, tüchtig geschulte Stimme.

Einen herrlichen Genuss gewährte uns Pablo de Sa rasa t e in seinem am l 5. November im Festsaale der Liederhallo gegebenen Concerte. Sarasate ist ein vollendeter Künstler nach jeder Seite hin; mit einer geradezu fabelhaften Technik vereinigt er eine Glulh und Seele der Empfindung, die ihn zu einem der grössten Geiger aller Zeilen stempeln; vor einem solchen Künstler hal die Krilik zu verstummen und nur den Genius zu bewundern, der aus ihm zu uns spricht. Er spielte das neueste Werk für Violine von Bruch, eine Fantasie, mit Begleitung des Orchesters und der Harfe, unter freier Benützung schollischer Volksmelodien; es isl dies eine wirklich schöne, gehallvolle und im ersten Satz wahrhaft ergreifende Compo- silion, welche seine beiden Violinconcerte bedeutend überragt. Weiter hörten wir noch eine Fantasie über Carmen und Maurische Tänze eisener Composjlioii. in welchen der Künstler seine colos&ale Technik zeigen konnte; musikalischen Gehalt besitzen dieselben nicht. Unsere vollste Anerkennung müssen wir dem um unser musikalisches Leben so verdienten Capeil- raeister Carl und seiner Kapelle aussprechen, welche nicht nur die beiden Fintasien von Bruch und Sarasate sehr gut begleitete, sondern auch durch die tüchtige Esecutirung der Ouvertüre Op. lii von Beethoven, wie durch das vortrefflich gespielte Scherzo aus dem Sommernachutraum, Andante aus der tragischen Sinfonie von Schubert, ihre schon oft erprobte Leistungsfähigkeit wiederum von neuem bekundete.

Freitag den 47. November fand das zweite populäre C o n c e r t des Liederkranzes statt. Als Solisten fungirten Fräulein Dyna Beumer, erste Coloratursängerin der Pasdeloupcon- certe in Paris und des Coventgartenlheatera in London, sowie die Pianistin Frau Woronetz-Berthenson aus Moskau. Letztere ist eine Pianistin, von denen zwölf auf ein Dutzend gehen ; es fehlt ihr nicht nur die fein ausgebildete Technik, sondern auch das specilisch musikalische Element geht ihrem Spiele ab. Am besten spielte sie ein Pastorale von Scariatti und das im Tempo übrigens überhastete Spinnlied von Mendelssohn ; ganz verfehlt sowohl nach der technischen als nach der musikalischen Seile war die Wiedergabe der Kreisleriana von Schumann und der G moll-Ballade von Chopin. Wie die Dame uns vollends mit den Zigeunerweisen von lausig, einem ganz abscheulichen Werke , dessen enorm technischen Anforderungen sie auch nicht im Geringsten gewachsen ist, plagen konnte, ist uns unbegreiflich. Die Sängerin Fräulein Beumer verfügt über eine sehr schöne und tüchtig geschulte Stimme und wir können es nur lebhaft bedauern, dass sie ihr herrliches Organ und ihre musikalische Begabung nicht in den Dienst der wahren Kunst stellt und Schund wie die bekannte Arie aus Traviata von Verdi, Valse de »Mireille« von Gounod u. s. w. zum Besten giebt. Dass die Dame, welche der deutschen Sprache mächtig ist, auch die Haydn'sche »Idylle« französisch sang, muss entschieden gerügt werden. Wenn man solch hohe Honorare verlangt, so dürfte man in einer deutschen Stadt auch nach dieser Seite hin dem Publikum gegenüber etwas mehr Rücksicht üben. Wir geben uns der zuversichtlichen Hoffnung hin, dass in künftigen Fällen die Direction dafür besorgt sein wird, dass wir nicht den ganzen Abend mit französischen Nasallauten geplagt werden. Der M&nnerchor des Liederkranzes erfreute uns unter der tüchtigen Leitung des Herrn Professor Speidel mit Chören von Müller, Eyrich, fiaumgartner und Schumann. Namentlich des Letzteren Chor aus der Rose Pilgerfahrt, ein wahres Juwel der Mä'nnerchorliteralur, wurde ganz vortrefflich gesungen, während in dem prächtigen Chor von Eyrich : »Das macht das dunkelgrüne Laub« sich schon im dritten Verse eia bedenkliches Fallen bemerklkh machte.

Sonnlag den 19. November fand im Kursaale des benachbarten Cannslatt ein gemeinschaftliches Concert des in diesen Blättern schon öfter erwähnten Schubert Vereins mit dem dortigen Männergesangverein Concordla statt. Der Schubertverein unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Nolz sang in gewohnter vortrefflicher Weise den Jäger-, Geister- und Hirtenchor aus Scuubert's Rosamunde und Mirjam's Siegesgesang vom gleichen Cooiponisten; namentlich die Wiedergabe des letzteren herrlichen Werkes war eine solche, dass der Verein stolz auf diese Leistung sein darf. Die Partie der Mirjam sang eine Schülerin des Professor Schimon Fräulein Merk aus München ; die Dame besitzt eine hübsche und gut geschulte Stimme und lässt sich derselben bei fortgesetztem ernstem Studium ein günstiges Prognostiken stellen. Auch Herr Notz selbst erfreute uns mit der treulichen Wiedergabe des »Aufenthalt« von Schubert; unbegreiflich war es uns jedoch, wie die Dame, welche das Lied begleitete, statt der vorgeschriebenen Achtellriolen mit einer Consequenz sondergleichen ein

fache Achtel spielte. Die Instrumentalbegleitung der Chöre lag in den bewährten Händen der Carl'schen Capelle.

Montag den SO. November gab Sarasate nochmals ein Concert und zwar spielte er das Violinconcert von Beethoven, drei Sätze aus der JAafl"sehen Suite G-moll Op. 180, Nocturne in Es von Chopin und Airs russes von Wieniawsky. Wir haben hier nur das zu wiederholen, was wir bereits früher über den gottbegnadeten Künstler gesagt, und wenn auch über die Auffassung des lleethoven'sehen Concertes mit ihm zu rechten wäre, so wollen wir unsern kritischen Bedenken gegenüber solch herrlichem Spiel weiter keinen Ausdruck geben. Unsere Anerkennung sei auch hier wiederum der Carl'schen Capelle ausgesprochen, welche ausser der Begleitung der Beethoven'- scben und Kali"scheu Cornposition die Nachklänge von Ossian von Gade, BayaderenUnz aus der Rubinslein'sehen Oper !'<— ramors und das Nachspiel zu Manfred von Reinecke spielte : letzteres musste wiederholt werden.

Das vierte Abonnementconcert fand am 28. November unter Mitwirkung der K. Sächsischen Kammervirtuosin Fräulein Mary Krebs statt. Es bereitet uns stets eine grosse Freude, dem Spiel dieser treulichen und dabei so anspruchslosen bescheidenen Künstlerin zu lauschen. Sie spielte das Dmoll-Concert von Rubinstein, Pedalskizzen Nr. 3 und i von Schumann und ein sehr schweres, aber auch sehr undankbares Präludium in D-dur, ein nachgelassenes Werk von Mendelssohn. Vom Publicum stürmisch gerufen, spielte sie noch die Beethovensche Polonaise. Möge uns die Künstlerin noch recht oft erfreuen, sie wird uns stels willkommen sein. Fräulein Hieser vom hiesigen Hoflhealer trug eine schöne Arie aus der Oper Mitrane, componirt im Jahre 1686 von Rossi, vor; leider fehlt der Stimme der Sängerin in hohem Grade die Schule; die beiden Register sind gar nicht ausgeglichen und so presst sie die Brusttöne bis zum c1 und noch höher hinauf, was der Stimme einen scharfen grellen Klang giebt. Die Capelle spielte die Ouvertüre zu Euryanthe, das Scherzo »Fee Mab« aus der Sinfonie »Romeo und Julie« von Berlioz, sowie die Cdur-Sin- fonio von Mozart. Unsere vollste Hochachtung müssen wir unserer IrelTlichen llofcapelle bezüglich der Eiecutirung des Berlioz'schen Scherzo's ausdrücken. Wer sich schon einmal die Partitur dieses Scherzo's angesehen hat, der weiss zu be- urtbeilen, was dazu gehört, um dieses mit allem erdenklichen Raffinement und allen möglichen Chicanen instrumentirtc Stück so zu spielen, wie dies Seitens der Capelle geschah. Tieferen musikalischen Gehall vermögen wir der Piece nicht zuzusprechen; «instrumentaler Veitstanz« könnte man auch als Ueber- schrifl setzen.

Montag den 4. November fand der erste Ka nun e rmu - sikabend der Herren Pruckner. Singer und Cnbisius unter Mitwirkung des Herrn Hofsüngers Hromada sind. Der Abend war dem Gedächtniss des am SS. Juni l Ski gestorbenen Joachim Raff gewidmet und es wurden mit Ausnahme der ersten Nummer, welche uns das Beethoven'sehe Trio Op. 70, das sogenannte Geistertrio brachte, ausschliesslich Hairsche Com- posilionen ausgeführt. Die chromatische Soliäte für Ciavier und Violine Op. »19 ist ein Werk von interessanter, ja geradezu geistreicher Ihematischer Arbeit, aber die Reflexion do— mjnirt, die Inspiration fehlt. Gespielt wurde das sehr schwere Opus von unseren treulichen Künstlern Pruckner und Singer ganz meisterhart und die hohe Vollendung der Reproduction führte uns über manche trockene und inhaltlose Stelle angenehm und leicht hinweg. Das Trio für Pianoforle, Violine und Violoncell in G-dur Op. H! ist dagegen ein schönes Werk und gehört zum Besten, was Ralf geschaffen. Herr Hromada sang in gewohnter treffliclier Weise fünf Lieder von demselben Componisten, unter welchen wir namentlich »Kclice notte, MaHella« Op. 50 und Riccio's letztes Lied aus Maria Stuart her- \orheben möchten.

Freitag den 6. December gab der Tenorist Herr Anton Schott im grossen Saale des Kiinigsbau's unter Mitwirkung der Herren Hofmusiker Fohmann und Hummel ein sehr zahlreich besuchtes Concert. Herr Schott sang Lieder von Beethoven, Schubert, Schumann, Stark, Wagner, Nicolai und Cornelius. Die gut geschulte Stimme hat ihre filüthezeit bereits überschritten, und wir möchten überhaupt bezweifeln, ob die hohe Lage jemals mehr intensiven Klang gehabt hat, denn wir vermögen Herrn Schott für einen Tenor nicht zu halten; es ist eine künstlich hinaufgeschraubte Barytonstimme. In getragenen Liedern fällt Herrn Schott schon das Fis schwer, die Töne klingen dumpf, gepresst und unrein. Im Uebrigen ist er jedoch ein Sänger, welcher mit Geschmack und musikalischem Verständniss singt, wenn auch sein Vortrag etwas gesucht und manirirt ist; auch vermissten wir die lebenswarme Empfindung. Herr Hofmusikus Fohmann erfreute uns wieder einmal nach längerer Pause mit seinen herrlichen Hornvorträgen; dieser Künstler bläst nicht, sondern er singt Hom. Die Clavier- begleitung sämmtliclier Piecen wurde von Herrn Hummel in trefflicher Weise ausgeführt.

Am 4 S. December fand unter Mitwirkung der Frau Joachim aus Berlin und des Herrn Capellmeisters Professor Gernsheim aus Rotterdam das fünfte Abonnementscc*M;ert statt.. Frau Joachim sang eine Arie aus der Oper Alceste von Gluck und drei Lieder von Schubert, Schumann und Brahms und bewährte in allen diesen Vorträgen die bedeutende Künstlerin. Freilich sind die Jahre nicht spurlos an der Stimme vorübergegangen, aber was die Sängerin bietet, ist künstlerisch vollendet. Herr Professor Gernsheim dirigirte sein neuestes Werk, eine Sinfonie in Es-dur, welche aufs neue wiederum den tüchtigen und gewandten Musiker bekundete, welcher das technisch formale Gebiet der Kunst vollständig beherrscht. Die Sinfonie besteht aus 4 Sätzen : Allegro tranquillo , Tarantella, Nocturno und Finale. Bezüglich des ersten und letzten Satzes haben wir namentlich die Kraft und Energie der Hauptthemen hervorzuheben wie die interessante thematische Arbeit. Die Tarantella ist ein feuriger, leidenschaftlicher und lebenswarmer Satz, während das Nocturno diesen drei Sätzen gegenüber etwas abrillt. Das Werk wurde vorzüglich gespielt, ebenso die D dur-Sinfonie Nr. 4 von Mozart und das vom Hofcapell- meisler Albert instrumentirte H moll-Präludium und die Gdur- Fuge aus dem wohltemperirten Ciavier von Bach.

Der aretinische Congress für liturgischen Gesang.

(Schlau.)

Man siebt, mit welcher Vorsicht hier zu Werke gegangen werden rauss. Einzelne Hauplprincipien sind von Allen angenommen, aber dieselben genügen nicht, den Gesang gegenwärtig danach einzurichten. Das Verdienst, diese wichtigen Principicn erkannt und aufgestellt zu haben, fallt neben anderen Genannten und Ungenannten vorzuglich einigen Benediclincrn zu , unter welchen in neuester Zeit P. Potbier durch Kenntniss und wahrhaftes Verständniss des Cantus Gregorianus hervorragt. Aber auch Pothler geht zu weit, wenn er behauptet, dass die Modiflcationcn In den verschiedenen Epochen bis zum sechzehnten Jahrhunderte ganz unbedeutend gewesen seien, da ja selbst zu einer und derselben Zeit wie der des Cotlonius Im eilten Jahrhunderte die Tradition nichts weniger als einheitlich gewesen ist und gerade dieser Umstand die Meisten veranlagst bat, das Notationssystem zu vervollkommnen. Und darin liegt ja gerade auch das Verdienst Guido's, welcher eine für seioe Zeit (am 4000) ausgezeichnete Unterrichtsmethode erdachte.

Abgesehen von dieser contemporaren Verschiedenheit des liturgischen Gesanges, sind ja doch entsprechend den Phasen der Übrigen die Kirche schmückenden Künste auch solche beim Cantus Planus anzunehmen, und diese wissenschaftlich festzustellen, wird eine der schwierigsten Aufgaben der musikalischen Archäologie seio.

Die musikalische Archäologie hat einige Grundsätze Über den gregorianischen Gesang aufgestellt, welche sich Über die Varianten in den verschiedenen Epochen erheben und auf welche nicht einmal die Uebertragung der alteren Neumen-Notation in die Nota quadrata einen Einfluss hatte. Diese Grundsätze sind In Folg« der wissenschaftlichen Vergleichung der sogenannten Neumen-Notation a points superposes mit der guidonischen Notation festgestellt worden. Vor Allem der Grundsatz, dass der Rhythmus des gregorianischen Gesanges analog dem Rhythmus der Rede ist. Mit dieser Erkenntniss ist viel Licht in die Beschaffenheit des ältesten Kirchengesanges gebracht. Der zweite Grundsatz ist negativer Art: Die Form der Neu- men zeigt weder den proportionellen Werth der Lunge, noch den der Tonstärke an. Wohl ist es aber durch andere Hilfsmittel, wie die Tonarien und die spateren SchlUsselbezeichnungen, möglich, die Tonalität der einzelnen Gesänge festzustellen. Die übrigen Grundsätze betreffen die nähere Beschaffenheit der Neumen, ihre Einthei- lung in Gruppen und ihre Separirung. Es wird zunächst die Aufgabe sein, mit diesen Behelfen ein Werk herauszugeben, in welchem die einzelnen Notationen der verschiedenen Jahrhunderte untereinander gestellt, die Verschiedenheiten und die Gleichartigkeiten nachgewiesen werden. Vielleicht gelangt man auf diesem Wege zu einer Vulgata, einer Handschrift, welche der ältesten und echtesten Tradition so nahe als möglich kommt. Dies muss man sich aber stets vor Augen halten, dass die mundliche Tradition durchbrochen ist, dass nicht einmal die Benedictiner und Cistercienser eine authentische mündliche Tradition vindiciren können. Die Feststellung der letzteren wäre dann die Sache der Praktiker, welche auf Grund der wissenschaftlichen Ergebnisse die fragmentarische mundliche t'eber- lieferung rectificiren und uniGciren könnten. Jedoch werden dann wahrscheinlich die Forderungen der modernen Praxis von den Ergebnissen der aufgefundenen Tradition abweichen, und zwar werden die einzelnen Nationen, entsprechend ihren physiologischen und ethnographischen Eigentümlichkeiten, Veränderungen vornehmen, wie es sich schon jetzt bei der Ausführung des Chorales am Congresse gezeigt hat. Die Deutschen sangen in einfachen Tongangen, ohne jene reiche Ornamentirung, welche die herrlichen Gesänge der französischen Benedictiner aufzuweisen hatten. Nichtsdestoweniger war der Gesang der Deutschen (bei welchen Übrigens ein Holländer, ein Irländer, ein Slave und zwei Deutsche sich betheiligten), erhebend, einfach, würdig. Man musste sich sagen, dass der Choral, wenn er in Deutschland und Oesterreich so vorgetragen würde, nicht so viele Gegner hatte, als es jetzt der Fall ist. Ich borte in deutschen Landern noch nie den Choral so schön vortragen. Die Franzosen declamirlen besser, liorirten feiner; aber war es Zufall oder Regel, ihre Stimmen erreichten beiweilem nicht die Klangfülle der Deutschen; sie sangen so, was man mit dem Kapellmeisterausspruche »ohne Ton« zu bezeichnen pflegt. M i t Ton, aber mit schrillem, schnarrendem Tone sangen die Italiener, vielmehr hämmerten die Italiener den Choral. Wer die italienischen Kleriker singen hörte, hätte nimmermehr geglaubt, dass er im Lande des »bei canto-sei; nur ein Umstand erinnerte an den «Canlus fioralus«, nämlich die geschmacklosen Orgelstücke mit den lästigen Passagen und Fiorituren. In einer musikalischen Hinsicht zeichneten sich die Italiener aus: sie modulirten oft nach eigenem Ermessen in beliebigen Tongängen, welche aber nichts weniger als dem Charakter des gregorianischen Cantus Planus entsprachen. Zumeist waren es Gänge auf Tonic« und Dominante.

Die einzelnen Nationen werden wohl immer ihre Eigentümlichkeiten im Gesänge behalten; die Bestrebungen nach vollkommener Vereinheitlichung des Cantus Planus in allen Ländern scheiterten vorzuglich an diesen Eigentümlichkeiten, gegen welche selbst ein energischer Kaiser wie Karl der Grosse vergebens .ifocht. Man acceptirte damals den »römischen Gesang«, aber modificirte ihn nach den natürlichen Bedürfnissen der Kehle und des Geschmackes.

Eine andere Frage, und zwar eine Frage von höchster Bedeutung ist, ob es möglich sein wird, das Stadium des frei zu reclti- renden Cborales mit dem Stadium der mensurirlen, taktschlag- mässigen, mehrstimmigen Musik zu vereinbaren. Der Congress beschäftigte sich nicht mit dieser Frage; ihm wir die Aufgabe gestellt, über den »wahren Charakter des gregorianischen Chorales« zu debatliren und er kümmerte sich nicht weiter um die übrigen Arten der liturgischen Musik. Ja Einige gingen sogar so weit, zu erklären, es gäbe, oder vielmehr es solle keine andere liturgische Musik geben, als den einstimmigen gregorianischen Gesang. Dieser solle die musikalische Bibel aller Kirchenmusiker sein, was nicht in ihr enthalten sei, solle in Bann und Acht gesprochen sein. Heisst das nicht geradezu der historischen Entwicklung der Musik, der Menschheit ins Gesicht schlagen? Sollte dies etwa der Satz besagen: »Reverti- mini ad fontem St. Gregorii«? Die grössle Hochachtung vor dem unsterblichen Kunstwerke des Chorales vorausgeschickt, muss man doch zugeben, dass die heutige Zeit mit der Polyphonie doch zu eng verwachsen ist nnd man dieses erhabene Natur- und Geistesproducl der abendländischen Völker denn doch nicht so geradebin aus der Kirche werfen kann. Selbst zugegeben, die Kirche müsse vor Allem den Text der Gesänge zu Gehör bringen, was bei der mehrstimmigen Ausführung nicht möglich sei, so muss man doch die Frage stellen: Wer vom Volke versteht denn den lateinischen Text? Die romanischen Völker vielleicht eher, die deutschen aber gar nicht. Die vorangestellte Frage geht aber dahin, ob es möglich ist, in den Seminarien und Kirchenmusikschulen den Choral der Tradition getreu zu lehren. Bisher sind keine ausreichenden Beispiele für die Vereinigung der beiden Gesangsarten in Einer Schule gegeben. Verhällnissmässig leicht dürfte sich die Sache in den Klerikerseminarien bewältigen lassen, da in denselben eventuell nur Choral gelehrt werden könnte und schon hieraus der Liturgik ein wesentlicher V oftheil erwachsen würde. Denn wer unsere Zustände kennt, wird in den Schmerzens- ruf der Congressislen über den gänzlichen Verfall des Chorales mit einstimmen. Aber wie die Vereinigung in den eigentlichen Kirchenmusikschulen, deren Hauptaufgabe vorläufig doch die Pflege der men- surirten Musik ist, vor sich gehen wird, darüber werden erst die Versuche eine Aufklärung verschaffen. Keinesfalls darf man die wahrhaft grosscn Schwierigkeiten, welche einem modern geschulten Sänger das Studium des Chorales bereiten wird, über die Achsel ansehe». Es wird wahrscheinlich nölbig sein, die kleinen Sänger schon im ersten Jahrgange Choral zu lehren, damit sich der Tonsinn gleich vom Anfange der musikalischen Studien an die freie Rhythmisirung und die fremde Tonalltat gewöhne. Selbst da werden die Schwierigkeiten schon bedeutend'sein, immerhin aber leichter zu bewältigen, gerade so wie ein Kind, dessen Eltern verschiedene Muttersprachen sprechen, beide Sprachen leichter und mit richtigerer Betonung sich aneignet, als ein mit einer Sprache grossgezogenes Kind, welches schon erwachsen eine zweite Sprache lernt. Diesem wird man schon den »Ausländer», den »Fremdling« in dem neuen Sprachbereiche anhören. Alle jene Chöre, welche heute in einem relativ vollendeten Maasse den gregorianischen Choral gemäss den Klieren Traditionen vortragen, wie die Benedictiner in Solesmes und in Emaus, üben gar keine andere Musik als nur Choral, und die Novizen müssen erst allmälig der ihnen angeborenen und anerzogenen Rhythmik und Tonalitat entwöhnt werden. WUrden dieselben nicht immerfort und ausschliesslich darin Uebungen machen, würden ihre mönchischen Gewohnheiten nicht dem Charakter des Chorales cooform sein.', sie sängen nie und nimmer den Choral in der angegebenen Weise.

Dies kann man aber nicht von den modernen Kirchensängern verlangen, welche tbeils von der Kirche nicht einmal das tägliche Brod für das Leben verdienen, sondern im Theater und in »Vergnü- g'ungsorten« ihr Einkommen erwerben müssen, theils aber Dilettanten sind, welch letzteren man am allerwenigsten zumulhen kann, ihre angeborene und anerzogene musikalische Fertigkeit durch ein Susserst schwieriges Studium zu metamorphoiiren, weil dieser letztgenannte Theil der KirchensBnger gar oft nur aus Selbstgefälligkeit und in der Hoffnung eines zu erhäschenden Solos zurVerherrlichung des Gottesdienstes beiträgt. Man sieht also, die Ursachen liegen sehr lief. Will die Kirche einen entsprechenden Gesang haben, dann muss sie auch alle jene Institute ausgiebig unterstützen, welche es sich znr undankbaren Aufgabe machen, Kirchengesang zu pflegen und zu tradiren. Die alten schola; cantorum müssen im modernen Sinne neuerrichtet, respective hinreichend dotirt werden. Sonst bleiben alle Wünsche und Vota des Congresses auf dem Papiere, und der blinde Eifer derjenigen Helsssporne, welche nur Choral in der Kirche hören wollen, findet in der Wirklichkeit sein helles Gegenspiel darin, dass nur »moderne« Kirchenmusik aufgeführt wird. Schon zu der Möglichkeit der Ausführung in der Weise derjenigen deutschen und anderen Sänger, welche in Arezzo den Choral nach der Regensburger Ausgabe vorgetragen haben, gehört ein gehöriges Stück Vorarbeit, in starker Wille und eine grosse Hingebung. Dm nur diese Muster in Oesterreich und Deutschland zu erreichen , bedarf es der soeben angegebenen Mittel im vollen Maasse.

Unter diejenigen Fragen, welche derCongress berührt hat, über deren Beantwortung er aber nicht klar wurde, weil die Vorstudien noch nicht genügend gediehen sind, gehörte auch diejenige in Betreff der Orgelbegleitung zum Chorale. Die Einen behaupteten, es sei überhaupt dieselbe nicht zuzulassen, höchstens als Vor-, Zwischen- und Nachspiel, die Anderen hielten dieselbe für nothwendig und dem Charakter des Chorales entsprechend. Diejenigen, welche für die Orgelbegleitung sind , differenziren über die Art derselben. Sollen alle Töne des Chorales auf der Orgel mitgespielt werden oder nur die wichtigeren? Welche sind aber als die wichtigeren zu bezeichnen? fragen Andere. Sollen Dissonanzen in der Harmonie oder nur als Vorhalt, am Anfang und Ende oder nur in der Mitte zugelassen werden ? Die allergrösslen Schwierigkeilen bieten aber die Fragen über die Cadenzirung der verschiedenen Kirchentöne und die Anwendung der Subsemitonien. Eine ganze Fülle ungelöster Probleme reiht sich an diese Frage an. In der Thal haben Diejenigen, welche den Choral ohne Orgelbegleitung ausführen wollen, vom historischen

Standpunkte aus vollkommen Recht. Die Orgelbegleitung entspricht durchaus nicht dem' ursprünglichen traditionellen Wesen des Chorales, welcher einstimmig in freier rhythmischer Weise vorgetragen worden ist und dessen Finaltöne sich der mehrstimmigen Behandlung widersetzen. Gerade die mehrstimmige Ueber- und Durcharbeitung des Chorales hat Ihn zum Falle gebracht und nicht ohne historische Berechtigung ist das sechzehnte Jahrhundert die Zeit des Verfalles des Chorales. Von da an war der Choral sowohl tonal als rhythmisch durchbrochen. Und wenn der berühmte Organist und Accompagnateur des Chorales, Herr Couturier aus Langres, behauptet, dass die Begleitung sich an die Art der Mehrstimmigkeit Pa lestrina's halten solle, so sticht er mit dieser These — ganz abgesehen davon, dass die Regeln der Zeit Palestrina's allen damaligen Ton kunstlern zukommen und es ein Unrecht an den mit Palestrina gleichzeitig schaffenden und ihm vorangehenden Meistern der Tonkunst ist, nur von der Polyphonie Palestrina's zu sprechen — in ein Wespennest, denn Palestrina ist zum grossen Theile deshalb so volkslbüm- lich, weil er dem Zuge seinerzeit beiweitem mehr nachgab, als viele seiner Zeitgenossen, um von seinen Vorgangern zu schweigen. Nichtsdestoweniger ist aber beute die Orgelbegleitung, wenn sie auch dem historischen Charakter des Chorales nicht entspricht, nothwendig, weil eben der Geschmack der modernen Zuhörer unbedingt dieses Salz verlangt und ohne dieses die dargebotene Speise nicht gustirt, vielleicht auch nicht einmal verdaut. Und in der Art der Begleitung wird es nöthig sein, wenn der Organist die Ohren der Hörer nicht in Unruhe versetzen will durch seine ungewohnten Harmoniegänge und die sonderbare Art der jetzt ungewohnten Begleitung im alldiatonischen Sinne, vorläufig dem modernen Gesehmacke. Rechnung zu tragen, was in der That bisher bei der Orgelbegleitung des Chorales von den Benedictinern in Emaus beobachtet worden ist. Sollte aber der Choral nur ab und zu oder nur zu einem Theile der liturgischen Gesänge verwendet werden, dann könnte allerdings der Choral un- begleitet vorgetragen werden, und es könnte zur Rechtfertigung hiefür das ästhetische Gesetz des Gegensalzes oder jenes der Abwechslung angerufen werden.

Diese und ähnliche Fragen sind nur Nebenfragen im Verhältnisse zu den bereits oben berührten grundlegenden Principien. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind auch die didaktisch-pädagogischen Fragen über die Unterrichtsmethode, die Behandlung der Stimmen Überhaupt, die Organisirung des ganzen Cboralunterrichtes in zeitlicher, örtlicher und sonstiger Beziehung. Alle diese vitalen Punkte wurden am Congresse entweder nur mit wenigen Worten oder gar nicht berührt. Füglich konnte dies auch nicht von dem Congresse verlangt werden, welcher aber immerbin, anstatt manche unnütze Debatte zu führen, die durch fünf Tage in fünfzehn langen Sitzungen übermassig bis zur Abspannung angestrengten Kräfte fruchtbringender hätte verwerthen sollen, als es geschah; nichtwenig Schuld daran hat die ganz unparlamentarische Führung des Congresses und die Art der Behandlung der Gegenstände, wenn auch der Präsident vom besten Willen beseelt war, aber in Folge der Unkennt- niss der nuthigen Formen die Verhandlungen unnütz hinauszog.

So bot denn der europäische Congress für liturgischen Gesang ein Doppelgesicht: das eine hell und klar, das andere finster und dunkel. Hoffentlich gelingt es künftigen Bestrebungen, die hässlichen Zuge des zweiten Antlitzes zu verwischen, dieselben dem ersten Gesichte gleich zu formen. SolltediesabernichtderFallsein, solllendie Schattenrisse nicht erhellt werden können, dann würde das Bedauern, dem Congresse angewohnt zu haben, ein dauerndes, bleibendes.

»Non lasciate ogni speranza, voi ch' entratel« niess es bei unserem Eingange zum Congresse; wir aben wollen jetzt rufen: »Non lasciamo ogni speranza, noi ehe usciamo l» (»Lassen wir, die wir hinaustreten, nicht alle Hoffnung l«)

Berichte. Leipzig1.

Der vierteKammermusikabend imGewandhaus'(l. Dec.J wies ein vorzügliches Ensemblespiel auf; das innige, anmuthig heitere Gdur-Quartett von Mozart und Beethoven's grossartig angelegtes Esdur-Quartett Op. 74 erfuhren eine tadellose Wiedergabe. Zwischen beiden stand das Ciavierquintett Op. 70 von S. Jadassohn, das in seinem leichten Fluss viel Ansprechendes hat und von den ausübenden Künstlern meisterlich vorgeführt wurde, bei gründlicher Prüfung jedoch eine gewisse Oberflächlichkeit nicht verläugnet.

Am 3. December hielt der Bach-Verein unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Herrn Heinrich von Herzoge n- berg sein erstes Kirchenconcert in diesem Winter ab und zwar wie herkömmlich in der Thomaskirche. Gleich der Eingangschor »Sie werden aus Saba Alle kommen«(aus der gleichnamigen Cantate) war eine [glänzende Leistung des vortrefflich einstudirten Chores , i|,r schlössen sich der Choral »Ei nun, mein Gott, so fall ich dir«, sowie aus den beiden anderen Cantalen die Chöre »Aus tiefer Nolb schrei ich zu iln... »Wenn meine Trübsal« und »Wachet auf, ruft uns die Stimme«, endlich der Schlusschora! »Gloria sei dir gesungen« ebenbürtig an. Der Hörer empfing liier in der That einen tiefgehenden Eindruck von der Kraft, Majestät und Schönheit Bach'scher Kunst; auf der ändern Seite aber kann sich der Unparteiische im Hinblick anf die stabile Gleichförmigkeit des Programms nicht der Wahrnehmung verschliessen, dass die Concerte des Bachvereins, dem

ausserdem so ausgezeichnete Kräfte wie das Gewandhausorchesler zur Verfügung stehen, noch mehr Anziehungskraft und Leben gewinnen könnten, sobald ausser den Cantaten auch die Übrigen Gattungen Bacb'scber Werke in belebender Abwechslung dem Programme einverleibt würden und, um noch einen Schritt weiter zu gehen, auch die kleineren Schöpfungen Händel'». Zum Schluss sei in Kurze der Solisten lobend gedacht, welche zum Gelingen wesentlich beitrugen: der Sopranistin Frl. Luise Verhulsl, des Bassisten Herrn Joseph Waldner und des Organisten Herrn Paul Homeyer.

[155] Hamburg, 7. Dec. 4881.

Gcmäss den Bestimmungen des Programms beehrt sich das unterzeichnete Comite' hiermit die Namen derjenigen Herren Sub- scribcnten zur Kenntniss zu bringen, welche ihr Unternehmen durch Baar-Beiträge gefördert haben. Dieselbe Liste nebst einem Verzeich- niss der Subscribenlen auf die Preiswerke und Cassa-Berichl wird ausserdem allen Subschbenten Anfang n. J. direct zugestellt werden.

Das Comite

für die Preis-Concnrrenz für gechg Violoncello- Composltlonon.

Verzeichniss der Baar-Subscribenten :

Herr J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterlhur . .* «00. —

Die Philharmonische Gesellschaft in Hamburg ... - 400. —

Herr Karl Grädener in Hamburg ........ - 80. —

- Dr. 6. Hachmann in Hamburg ....... - 100. —

- G. S. Kopeke in Hamburg ......... - 10. —

- J. Lipmun m Hamburg ......... - 50. —

- Heinr. v. Oblendorff in Hamburg ...... - 400. —

- Jacob Fini in Hamburg ......... -40.—

- Jttl. Scholtl in Hamburg ......... -400. —

- Senator A. Tesdorpf in Hamburg ...... - 50. —

- PlBI Warbnrg in Altona ......... -400.—

- Beinbold Begai m Berlin ......... - 10. —

- Assessor Herrn. Bejl in Berlin ....... - 10. —

- Jnl. Reichenheim in Berlin ........ - 10. —

- J. B. Bridson in Bolton le Moors ...... - 413. —

- Assessor R. Bildj in Cöln ........ - 10. —

- ilfr. Schlieper in Elberfeld ........ - 10. —

- Commerzienreth Ladenbarg in Frankfurt a. M. . - 50. —

- Dr. Roderich Zelii in Jena ........ - 5. —

- Herrn. Ziegenhain in Karlsruhe ....... - 5. —

- Cons. C. Schneekloth in Kiel ....... - 10. —

- Reg. -Präsident v. Diest in Merseburg ..... - 10. —

Frau StrOTe in Moskau ........ 5 Kl.. = - 40. —

Herr Joseph Werner, Kammermusiker, in München . . - 5. —

- Otto Bondy in Wien .......... - tu. —

- Otto BondT, U Graben, in Prag ...... - 50. —

- Dr H. Durege, Prof., in Prag ....... - It. —

- F. Hegenbarth in Prag .......... - 4 o. —

- int Baiek, TonkUnsller, in Prag ...... - 5. —

- Bruno Wilfert, TonkUnstler, in Prag ..... - 10. —

- Dr. lagen Herxfeld in Wien ....... - s. —

- Commerzienrath A. Simons in Wiesbaden ... - 50. —

- Dr. Bront in Coburg .......... -400. —

[«>«] Im Verlage von Julius Haitianer, Königl. Hofmusikalienhandlung in B r e s l a u , ist erschienen :

Für gemischten Chor , Soli und Orchester

von liiistav Flfieel.

Op. 22.

Partitur ........... Jt 9.

Orchesterstimmen (Abschrift) . . . n. - II. Oberstimmen ......... - *.

Ciavierauszug (vom Componislen) . . . - 6.

Neuer Terlag von Breitkopf & Hftrtel in Leipzig.

^ Robert FransT

Portraitbüste in Lebensgrösse

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G. F. Händel's Werke.

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(DekerelnitlmmtDi mit der Aufgabe dt- r DntKl» Ilindcl-Grsf llsrbnf». Bis jetzt erschienen :

Aris und Galatea.*

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Cäcilien-Ode.

Ciavier-Auszug l Jl n. Chorstimmen k 50 !p n.

Deborah.

Chorstimmen ä 1 Jt 10 ^ n. (U"r OUricr-AnsiaK erachvint später. i

Dettinger Te Denm.

Ciavier-Auszug » M n. Chorstimmen ä 50 ty n.

Herakles."

Clavter-Auszug ».//». Chorstimmen a 4 M n.

Josna.

Ciavier-Auszug l Jt n. Chorstimmen k 4 M n.

Israel in Aegypten.*

Ciavier-Auszug 3 Jt n. Chorstimmen k 4 Jt 50 fy n.

Judas Muccalmiis."

Ciavier-Auszug :< .ff u. Chorstimmen ä 90 $r n.

Smlomo.*

Clavier-Auszng i .// i, Chorstimmen ä 1 Jt 10 3jl n.

Samson.*

Ciavier-Auszug :i ,* n. Chorstimmen ä 90 3]/ n.

Saol.*

Ciavier-Auszug t jt n. Chorstimmen ä 75 3} n.

Snsanna.

Ciavier-Auszug « Jt n. Chorstimmen t :.../,-,

Theodora.

Ciavier-Auszug S Jt n. Chorstimmen .< i~, .y „

Tranerhymne.

Ciavier-Auszug l Jt n. Cborstimmen ä 75 ^ n.

Textbücher zu den mit * bezeichneten Werken ä 10 ^ n.

Indem ich mir erlaube, auf diese billige und correcte Prachtausgabe aufmerksam zu machen, bemerke ich, dass dieselbe die einzige Ausgabe ist, welche mit der Partitur der Deutschen

Händel- Gesellschaft völlig übereinstimmt, wesshalb ich sie ganz besonders auch zum Gebrauche bei Aufführungen empfehle.

Ausgabe ber Qeutfdjen ljiiitörlcjr|"rlird|nft. flis |um 3at)r 1S8-? (Inft folgcnbr 75 fläntr in 33 Jahrgängen rrfdiirnrn:

XI. IV.

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(Oratorien, etc.

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gQorflimmtn, draginaM}. B. Caf M Ilieltr-Sirtctmiiitn.

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ULtapKrauij. B. Caf M ]Uct(i-Bi(t(rmiinn.

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ItüorHirnnKn, drapitcanij. n. Inl l'ti Bitlir-Bittirrinann.

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XIII. i'iilciuirrtic fcirrtinimulik 38

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I. Jmniiitlirfir iOnDin-ßurtu 2

VII. Concerte im ®rrb,e|}er 21

IX. 12 (Onulcoiurvtc 28

X.1 12 gr»fe Concerte für atrei^inprnraentt. 30

XIX. | üiimiiuruiiilik. 37 Sonaten nni Crios für

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32

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Die Allgemeine MaHikalJKcbe / ,iimr erscheint rege l massig »n jedem Mittwoch und ist durch alle Poatimter und Buchhandlungen Sb beziehen.

Allgemeine

r,,i.; Jährlich Im Mk. Vlertaljibrliche Prinnm. 4 Mk. 50 Pf. Anzeigen : die gespaltene Pctitzeile oder deren Kaum 30 PL Briefe und Gelder werden fruLCO erbeton.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Redacleur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 27. December 1882.

Nr. 52.

Angegeben im Mär/ 1884.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Die Erfindung des accompagnirten Recilalives durch Alessandro Scarlalti. — V. F. Cerveny in KöniggrBlz und sein Reich von Blechblasinslrumenten. (Mit 97 Abbildungen.) — Deutsche Musiker in Schweden. Von Dr. A. Lindgren. U. .1. G. Naumann. (Schluss.) III. J. M. Kraus. IV. G. J. Vogler. — Bernhard Gugler. — Carl Emil v. Scliafliäull. — Franz von Holslein's Lieder- compositiooen. — Unvollendete Aufsätze dieser Zeitung. — Nachwort des Herausgebers. — Anzeiger.

Die Erfindung des accompagnirten Recitativcs durch Alessandro Scarlatti.

Die Einführung des accompagnirten, d. h. mit vier Saiteninstrumenten begleiteten Recitativs in die Bühnenmusik, und damit in die Musik überhaupt, wird dem alteren Scarlatli zugeschrieben. Seine Erfindung ist freilich noch nie genau definirl; die Angaben darüber sind vielmehr höchst unbestimmt. Dies bezieht sich zunächst auf das Aeusserliche, auf Werke und Daten. Man bezeichnet eine Oper Namens Teodoro vom Jahre 4695 als das Werk, welches die erwähnte Neuerung enthalten soll. Niemand hat diese Oper gesehen oder die Erfindung bezeugt.

Scarlatli bat wirklich ein solches Werk geschrieben ; es heisst aber Teodora, nicht Teodoro, oder mit vollem Titel »tu Teodora Augusta» und ist im Jahre 1693 componlrt. Mir glückte es, die Musik in einer gleichzeitigen Handschrift aufzufinden, welche diese Angaben enthält. Die Oper »Teodora Augusta« kam sch'on l 685 in Venedig auf die Bühne mit Dom. Gabrieli's Musik, und (687 in Bologna mit Perti's Zusätzen und Aende- rungen; noch 4 6D5 fand eine Aufführung in Turin statt. Es war also hinsichtlich des Textes oder Stoffes ein populäres Stück, an welchem sich verschiedene Componisten versuchten. In der Handlung kommt die Scene vor, welche später durch die Kaiserin Maria Theresia in die Geschichte eingeführt ist, dass die Fürstin ihren kleinen Sohn auf den Armen dem Volke zeigt und dadurch dasselbe zum Kriege entflammt. Was nun Scarlatli's Musik anlangt, so ist in derselben ein begleitetes Recilativ der angedeuteten Art überhaupt nicht zu finden. Demnach ist diese Oper bisher nicht nur irrthümlich betitelt und dalirt, sondern auch ohne Grund zu einer geschichtlichen Berühmtheit erhoben.

Dadurch möchte man nun veranlasst werden, denen beizustimmen, welche die Erfindung des accompagnirten Recitativs dem Alessandro Scarlatti überhaupt und zwar schon deshalb absprechen, weil dasselbe zu seiner Zeit, ja bereits vor ihm, allgemein vorhanden. war. Die Thalsache ist nicht zu bestreiten; schon ein Blick auf Lully's und Purcell's Compo- sitionen bezeugt dieselbe. Aber eine genauere Kenntniss lehrt zugleich, dass dies doch etwas Anderes ist, als das, was man im folgenden Jahrhundert unter einem accompagnirten Recilativ verstand; denn letzteres besitzt eine formell abgeschlossene feste Form, die dem Recilativ Lully's und seiner Zeit und Vorzeit fehlt, deutet daher auf Jemand, der dasselbe zuerst mit XVII.

einem Stempel versah, welcher dann von den folgenden Componisten als Norm betrachtet wurde. Und ich habe nie bezweifelt , dass nach seiner ganzen Art und Kraft Alessandro Scarlalti dieser Mann gewesen ist und dass er den Versuch schon in seiner früheren Periode gemacht bat; mit anderen Worten, ich habe immer geglaubt, dass für die auf uns gekommene Nachricht über seine Erfindung wirklich ein thatsäch- licher Grund vorhanden war. Nachdem sich die Angabe hinsichtlich der »Teodora Augustao als Irrthum erwies, konnte es sich also für mich nur darum handeln, das Vertnisste in einer anderen Scarlatti'schen Oper zu suchen, und zwar in einer noch im 17. Jahrhundert geschriebenenen.

Das früheste Werk dieser Art von Scarlatti, welches mir zu Gesichte kam, ist in einer gleichzeitigen Handschrift betitelt:

La Rosaura

Melodrama del Si-_rr. Alessandro Scarlatti.

Die erwähnte Handschrift befindet sich im Britischen Museum (Add. MSS. 14,167). Dieselbe ist undatirt und um 1690 geschrieben. Gleichzeitig nenne ich sie, weil die Musik aus demselben Jahre stammen dürfte. Auch bei Rosaura handelte es sich um eine beliebte Handlung für die damaligen Theater. Eine Rosaura erschien 4689 in Venedig und Brescia, verändert in Bologna 4691 und anderswo; gleichfalls 4689 kam in Wien eine Oper Rosaura heraus, die einen anderen Componisten und sogar einen anderen Dichter hatte. Welchen dieser beiden Texte Scarlatti aufs neue in Musik setzte, vermag ich nicht anzugeben, es dürfte aber wohl noch zu entscheiden sein. Kür uns kann hier zur Feststellung der Zeit der Composition genügen, dass »Rosaura« in den Jahren I689<—4691 die Theater lebhaft beschäftigte, denn in jene Zeit weist uns auch die ganze Fassung der Musik. Das Werk hat den bescheidenen Umfang der Opern, die in den Jahren 4 680—4 690 geschrieben wurden und die offenbar Scarlatti's Vorbilder waren. Vieles zeichnet er ihnen mit Glück nach, aber Einiges auch so, dass man die Nachahmung als solche nicht verkennen kann. Dies lässt sich u. a. bei den strophischen Liederp bemerken, von denen drei in Rosaura vorkommen. Sie sind recht hübsch, namentlich das erste »/n quei bei turnt« Act I, Sc. k; aber die Melodien sind nicht eigentlich liedmässig, sondern ganz arienhart gehalten. Hätte Scarlatti sich völlig frei gefühlt, so würde er liier also nicht Lieder, sondern Arien geschrieben haben. Aber Lieder standen im Text, und einige meisterhafte Sätze solcher Art zierten die besten damaligen Opern.

Die Arien haben meistens die reifere Dacapo—Gestalt, unln—

8*

scheiden sich aber nicht merklich von denen seiner Zeitgenossen. Schon der Anfang zeigt dies. Zwei Takte Recilativ beginnen das Werk, worauf eine kleine, von kleinen vierstimmigen Zwischenspielen durchflochtene Arie einsetzt. Aehnlich haben viele andere Stücke ritornell-artige Instrumentalspiele, die während des Gesanges pausiren, welcher nur vom Basse und vom Cembalisten begleitet wird. Der ganze erste Act verläuft in einer Weise, die Scarlatti's Vorgängern und alleren Zeitgenossen wesentlich gleich ist; Melodiebildung, Begleitung, Gesangscbmuck, Arienform, Recitativ, alles ist so ziemlich dasselbe. Dabei gewährt es nun ein besonderes Vergnügen, die Züge wahrzunehmen, die von dem bisherigen musikalischen Gesichle der Zeit abweichen — und diese sind es, welche dem Werke seinen eigentlichen Werlh verleihen. Das Duett gegen Schluss des ersten Acts zwischen Celindo (Tenor) und Hosaura (Sopran) »Son fedele — Son deluia* hat ein kleines Recitativ zur Einleitung und endet in einem zweistimmigen Recitativ, deutet also, wann auch erst schüchtern, die freier dramatisch gehaltenen Duette der späteren neapolitanischen Schule an, für welche Scarlatti die ersten wirksamen Vorbilder lieferte. Ein noch reicheres Beispiel dieser Art erscheint im zweiten Acte (Sc. 3) und wird von denselben Hauptpersonen gesungen; ein einfaches Recitativ des Celindo leitet es ein, darauf folgt reci- tativisches und sodann arioses Duo, letzteres mit einem ordentlichen Da Capo, so dass hier sämmtliche Formen vereinigt sind. A-uch das Duett, mit welchem die Oper schliesst, gehört der freieren oder — wie wir im Hinblick auf Steffani und Händel sagen müssen — leichteren und kunstloseren Form an, die von Späteren nachgeahmt und bis zur modernsten Gestalt unablässig weiter ausgebildet wurde.

Aria. li Largo attai.

(Violino I.) *=TM

'Violino II.)

(Viola.)

Roiaura.

(Soprano.)

Aber wichtiger, als die genannten Duette, sind andere Sätze dieser Oper. -Dem zweiten Duett vorauf geht eine Arie der Rosaura in E-moll: das Largo 4/4 wird durch ein Andante l2/„ als Mittellheil abgelöst, worauf jenes Largo als Vorder- und Hauptsatz wiederkehrt, aber nicht ein einfaches da Capo macht, sondern recitativisch abbricht und so in die folgende Scene verläuft. In der voraufgehenden ersten Scene dieses zweiten Actes spricht Rosaura ihre schmerzliche Unruhe tChe pena ehe dolor« etc. noch in herkömmlicher Weise arios aus, obwohl dies Worte sind, die von späteren Componisten immer recitativisch gegeben wurden. Wird hier also gleichsam die Grenzscheide sichtbar zwischen dem alten Arioso und dem neueren accompagnirten Recitativ, so muss man zugleich sagen, dass Scarlatti dieselbe nicht überschritten, mithin die Möglichkeit, welche der Text ihm bot, nicht benutzt hat und insofern hinter seinem Dichter zurückgeblieben ist. Aber das hier anscheinend Versäumte holte er später vollauf wieder ein. Der Hauptreiz dieses kleinen Werkes liegt eben darin, dass dem Tonselzer mit jedem Acte der Mulh zu wachsen scheint, und zwar in denjenigen Aeusserungen, die im Dramatisch-Musikalischen über das Bisherige hinausschritten.

Erst der dritte Act bringt in seiner letzten Hälfte dasjenige, worauf es uns eigentlich ankommt. In der achten Scene, welche die klagende und endlich verzweifelnde Rosaura mit Arien und Recitaliven allein ausfüllt, sehen wir, wie zum Schluss, mitten in einer Arie, das wahre accompagnirte Recitativ plötzlich und völlig unerwartet durchbricht. Das ganze Stück, und damit der Schluss dieser Scene, sei hier milgetheilt.

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Ce - fifi - do m - fe - a>/ Ao - <iu-ra, Ao - <au- ra mo - re.

So etwas war bisher io keiner Oper geboteo. Es lässt sich also wohl begreifen, dass dieser kühne Versuch einen unaus-' loschlichen Eindruck auf die Hörer machte und deshalb auch in der Erinnerung haften blieb. Stellte'sich doch das Unerwartete

zugleich so schön, so musikalisch ergreifend und so nntürlicli vorl Wie sollte man ihm also nicht sofort Heimathsrcchl zuerkennen? — Nachgeahmt wurde es anfangs freilich sehr selten, selbst von Scarlatti — was meiner Ansicht nach daher rührte, dass es hier als ein Aeusserstes der Seelenerreguog auftrat und deshalb längere Zeit auch nur für eine derartige Situation passend befunden wurde. Aber auch hierin liegt, dass Scarlatti mit seinem Wagniss ein Wegweiser wurde und etwas ganz Anderes lieferte, als das bisherige ungeklärte Gemisch von lirrit.iti\ und Arioso.

Hiermit glaube ich nun das Stück gefunden zu haben, an welchem sich die Tradition von Scarlatti's Erfindung des accom- pagnirlen Hecitativs bildete, und zugleich dürfte damit der Sinn dieser Erfindung genügend delinirt sein.

Die historische Wichtigkeit und der musikalische Werth dieser kleinen Oper veranlassten mich, Hrn. Robert Eitner auf seine Anfrage nach einem passenden Scarlatti'sehen Werke zunächst diese Hosaura zur Herausgabe vorzuschlagen. Die Freunde der älteren Opernmusik werden das Werk also demnächst in Hrn. Eitner's Sammlung älterer Opernpartituren gedruckt vor sich haben. TM

V. F. Ccrvcny in Königgratz und sein Reich von Blechblasinstrumenten.

Von Prof. Dr. T. SchnfliüiiH.

Wir haben es hier mit einer in der Welt sehr wohl, in den musikalischen Zeitungen beinahe unbekannten grossarligen Fabrik musikalischer Instrumente zu thun, die in ihrer Leistung und dem neuen Weg, den sie bahnte, wohl einzig dasteht. Sie hat uns eine ganz neue Welt von Blechblasinstru- menlen geliefert, mit einer Mannigfaltigkeit von Tonfarben, gegen welche selbst das Saitenquartelt oder-Quintett farblos dasteht. Dieses neue Reich von Blechblasinslrumenten in ihrer ganzen Fülle und Mannigfaltigkeit nahm seinen Ursprung wenige J.ilin.- vor der Mitte dieses Jahrhunderts, nämlich im Jahre 1842.

Die erste Trompete in unserer historischen Zeit war wohl die Trilonschnecke*), sie besteht aus einer konischen Röhre, die aber, wie bei allen Schnecken, spiralförmig zusammen gewunden ist. Die Schale dieser Schnecke wird oft 15 Cenlimeter lang. Die Spitze der Schale ist beim vorrückenden Aller sehr häufig abgebrochen und bietet da ein natürliches Mundstück. Man findet auf antiken Gemälden den Triton, einen Sohn des Neptun, gewöhnlich i« Begleitung seines Vaters Neptun, mit seiner Tritonschnecke, in die er bläst, das aufgeregte Meer beruhigend. Davon hat unsere Schnecke den Namen Schnecke des Triton erhallen, in dessen Mund man sie immer fand. Noch bedienen sich die Talaren hie und da solcher Schnecken als Kriegstrompeten. Auch in Ceram, dergrössten Insel aus der Amboina - Gruppe , benutzen die Alforesen diese Schneckenschalen als Kriegslrompelen, indem sie in die oberste Windung ein Loch hineinschneiden und da die Schale anblasen. Neben diesen Schalen wurden Thierhörner, hohle Zähne vom Narwal gebraucht. Es sind alles einfache konische Röhren, die oben angeblasen ihrer Form halber einen durchdringenden, weithin vernehmbaren Ton geben, der im Stande ist, die weit von einander entfernt liegenden Truppen zusammen zu rufen ; denn ich habe nachgewiesen, dass sich die Kraft des Tones bei Lippensprechinslrumenlen allgemein verhalle wie die Dicke der vibrirenden Luftsäule und wie die Fläche, durch welche die Tonwelle in die Luft dringt. Die Blasinstrumente der Hebräer waren nur verlängerte Thierhörner; Thierhörner, selbst ein Ochsenhorn gebrauchten die Jäger zu ihren Rufen, und unser Cornetlo (Zinken) , ein kleines Hörnchen , wurde noch bis zu Anfang des Jahrhunderts gebraucht. Es gab mitl-

Linne nennt sie Murci Tritonium, Lamarck: Triton i am va- ricgalum.

lere und hohe Zinken, die Bas^ziuke bildete unser Sefpbnt. Es ist nahezu i Meier lang, ohne Mundstück, ein l'.oiius aus Holz von 10,8 Centimeter Weite unten. Es ist also «o lang, dass es ein Mann nicht bandhaben kann, da es länger ist als ein Mensch im Durchschnitte.

Erst der Canonicus von Atixerre, Eduard (luillaume, kam auf den Einfall, das lange Rohr scblangenarlig zu krniwinrn, so dass die sechs Grifflöcher, von denen es an der Seite durchbohrt war, in den Bereich der beiden Hände kamen, während das Mundstück an den Mund des Bläsers reichte.

Es wurde schlangenförmig in zwei gleichen LängenbSIflen aus zwei Bohlen von Nussbaumholz herausgeschnitten, ausgehöhlt und dann die zwei gleichen Hälften zusammengeleimt, zuletzt mit Leder überzogen, dass die beiden Hälften fest aneinander haften blieben, wenn Speichel in die Röhre kam.

Die Röhre unseres Fagotts, der aus dem Serpent hervorgegangen, auch von gleicher Länge ist, iiümlich 2,6 Meier (8 Fuss) hat man einfach über der Mitte zusammengefaltet, die Messingröhre, welche den Anfang des Fagotts bildet, schlangenförmig dem Mund zu gebogen, das S genannt, so dass das Fagott nur noch ),.t Meter (i Fuss) lang ist.

Das Instrument hatte, wie alle allen Blasinstrumente, blos 6 Grifflöcher für die diaionische Scala, von denen drei auf der ersten untersten Krümmung des Serpents (der sogenannten Feldschlange) für die Finger der rechten Hand, die drei anderen für die Finger der linken Hand an der zweiten der ersten entgegengesetzten Krümmung der Schlange angebracht waren.

Wir sehen, die sechs Grifflöcher sind in zwei Partien ver- theilt, jede zu drei Grifflöchern. In jeder Partie steht ein Griffloch von dem anderen ca. 6 Cenlimeter entfernt - - die beiden Partien sind aber durch einen Abstand von 31 Centimetern von einander getrennt, obwohl, wie es natürlicher erscheint, zwischen beiden Partien auch nur der gewöhnliche Zwischeoraum von S Cenlimctern stattfinden sollte, denn die Töne der Scala folgen ohne Unterbrechung gleichmässig aufeinander.

Der Grundion des Serpents war das grosse G; der gewandte Bläser konnte aber noch zwei Töne unter dem Grundlone mittelst seiner Lippen hervorbringen, nämlich das /' und E. Vom a an sprang die Luftsäule in die Octave bis g1 über, die indessen nur durch einen »gepresslen« Ton erhallen werden konnte.

Alle ausgesprochen konischen Röhren haben die Eigenschaft, durch kesselförmige oder Rohrmundslücke angeblasen, den Grundton anzugeben, der ihrer Länge entspricht, dagegen geht die Theilung in Aliquoltheile schwieriger von stallen, da die Aliquoltbeile im Conus von verschiedener Länge und deshalb bald länger, bald kürzer werden; denn wenn der Schwingungsknoten einer cylindrischen Pfeife in der Mitte der Röhre liegt, so rückt er im konischen Trichter, vom Kerne aus gemessen, über die Mille hinauf und zwar, wie ich nachgewiesen habe, verkehrt, im Verhältnis-; der Quadrate des Durchmessers der Pfeife in der Mille und des Quadrates des Durchmessers der oberen Mündung.

Cerven^ war es , der systematisch diesen Conus seiner Röhre zu Grunde legle, indem er die Kunsl erfand , konische Messingröhren in allen beliebigen Verhältnissen und Dimensionen aus einem Stücke zu ziehen. Cerveny's neue Instrumente unterscheiden sich von denen der Blechblasinstrumenle des vergangenen Jahrhunderts dadurch, dass sie den Grundion angeben, der ihrer Länge entsprichl, während unsere Trompeten und Hörner noch einmal so lang gemachl werden müssen. Ich habe deshalb schon vor 18 Jahren in einem Berichte über die musikalischen Instrumente in der Allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung in München vom Jahre 1854, IV. Abschnitt S. 170 vorgeschlagen, unsere gegenwärtigen Rlechblasinslru- mente in Halb-Instrumente und Ganz-Instrumeote eiazutheilen. Zu den Halb-InsIrunienlen gehören alle unsere früheren Blechblasinstrumente, Trompeten, Hörner etc. Wir sehen, die Blechblasinslrumenle, bei welchen beide Lippen fun- giren, reichen aus der grauen Vorzeit bis zu Anfang dieses Jahrhunderts unvermindert in ihrer einfachen L'rkraft bis zu uns herauf. Sie charakterisiren die Zeiten, aus welchen sie in unsere Hunde kamen, in ihrer Knft, Macht, in ihrer ernsten grossen Würde. Der hebräische Priester blies zum Gottesdienste, verkündete mit seiner Tuba die Stunde des Tages und der Nacht. Die Kriegslrompele ermuthigle das feurige Sclilacht- ross, das Hörn im Kriege leitete die Actionen der Truppenkörper (später Flügelhorn) und rief unter dem Getümmel der fürstlichen Parforce-Jagden die in dem Walde zerstreuten Jäger zusammen; selbst die Jagdhunde, die Rüden, comman- dirle das Jigd-Cornelt.

An fürstlichen Höfen war die Trompete das allgemeine musikalische Jubelinstrument, gewöhnlich aus Silber gebaut. Der Trompeter lud zur Tafel des Mittags und Abends : Trompeter zogen unter Paukenschlägen auf Rossen jedem fürstlichen Festzug voraus, führten die glänzenden Riller zum Turniere, Trompeten begleiteten den Fürsten zu seiner Braut und mit Sour- dinen in den Trompeten die Leiche des Laodesherrn zu Grabe. Die Hoflrompeler gehörten zum fürstlichen Haushall, und unser bayerischer Hof unterhält noch vier Hoflrompeler und einen Hofpauker.

Man kannte eigentlich im l 5. Jahrhundert m Deutschland nur drei Arten von Trompeten:

4. die Feldtrompele (tuba campestris),

2. die Clareta, Hochlrompele, und

3. das Thürmerhorn, die tiefste Trompete.

Als sich die Harmonie immer mehr zu entwickeln begann, vereinigten sich Trompeter mit ihren Trompeten_verschiedener Stimmung zu einem Chore ; sie bildeten eine Zunft, zugleich mit den Paukern, vom Gesetz geschützt, mit Privilegien, und Küiser Ferdinand II. war der erste, welcher l 623 der Zunft der Trompeter viele Privilegien erlheille. Diese Zunft stand zu'ihrer Zeit in hober Achtung, ebenso die Künstler auf der Trompete. Der Italiener Hon. Fantino war als künstlicher Trompeter, der die ganze Scala auf seiner Trompete blies, durch ganz Italien berühmt, und man erzählt mit grosser Bewunderung von dem Spiele Fanlino's, den unser Hieronymus Frescobaldi, überaus lieblich, auf der Orgel des Cardinuls Bourges begleitete.

Nachdem bei fortschreitender Entwicklung der Civilisalion das menschliche Gefühl weither, schlaffer wurde, begann sich auch die Musik mehr Zu entwickeln und sich in ihren mannig- falligen Formen den mannigfaltigen Nuancen des verfeinerten Gefühles anzuschmiegen , und da war es natürlich , dass man auch die Instrumentalmusik mehr in das Bereich des Gesanges zu ziehen anfing und deshalb auch unablässig an der Vervollkommnung der musikalischen Instrumente arbeitete.

Wir sehen, die Blasinstrumente, bei welchen beide Lippen fungiren, haben sich vorzüglich als kriegerische und Jagd- Instrumente durch Jahrlausende in ihrer Einfachheit und unvollkommenen Besonderheit erhallen , bis sie erst mit Anfang dieses Jahrhunderts nach vielen misslungenen Versuchen immer weiter geführt und nach der Mille dieses Jahrhunderts auf einen so hohen Grad der Vollendung gebrachl worden sind, dass an die Stelle der Kriegslrompelen und Jagdhörner mit ihren mangelhaften Nalurscalen eine Heilte und ein Complex von Blechblasinslrumenten getreten ist, die unser Saltenquar- lelt, dabei aber inderganzen Eigenthümlicbkeit ihres Toncbarak- lers, ihrer Tonfarbe repräsentiren.

Wir haben ?.. B. in Öerven^'sBarojylon, das unsern Saiten- Contrabass repräsentirl, ein <6füssiges Bis, im Phonikon Cer- veny's ein l efüssiges G durch die ganze chromatische Scala bis

zum dreigeslrichenen a. Ja, Cerven^ hat ein Quartett aus seinen neuen Cornetts zusammengestellt, die ein charakteristisches Seitenslück zu unserm Sailenquartelt bilden, und er hat auf Wunsch des.Kaisers Alexander III. von Russland noch einen liefen Bass dazu erfunden, der unsern Conlrabnss repräsenlirt, daher Contrabass-Cornetl genannt, das schon durch seine Leichtigkeit und seinen geringen Umfang sich merkwürdig von den übrigen Conlrabass- Instrumenten unterscheidet. Schon in ihrem ersten Ansehen bilden diese fünf Cornelt-Instrumenle in ihrer verhältnissmässig abnehmenden Grosse zu einander einen gewissermaassen ästhetischeren Anblick, besser noch als unser Conlrabass, das Violoncell, die Bratsche und die Violine. Ueber- haupl sind alle Metall-Blasinstrumente in einer ganz neuen verbesserten, auf einem wissenschaftlichen Princip gegründeten Form aus der Öerveny'schen Fabrik im letzten Jahrzehnte hervorgegangen.

Die Blech-Blasinstrumente gehören einer eigenen Art von akustischen Instrumenten an. Ich möchte sie Lippen-oder Sprech-Sch na rr werke nennen: denn das Inslrumenl. welches den Ton in diesem Instrumente erzeugt, das sind die zwei Lippen; sie vibriren in der entgegengeselzteu Weise, in welcher die zwei Blüllchen des Fagott- oder Hoboe-Mundstücks vibriren. Sie vibriren in eben der Weise, wie wenn man z. B. Wasser in den Mund nimmt und in feinen Tropfen wieder aus dem Munde heraussprilzt. Das Volk nennt dies humoristisch : einen spanischen Nebel machen.

Je weniger breit derjenige Theil der Lippe ist, den man wirken lassen will, desto höber wird der Ton ; je breiler der Theil der Lippe ist, der schwingen soll, desto tiefer wird der Ton. Diese verschiedene Breite wird durch das sogenannte Muudslück bestimmt. Ein Ring, der an die Lippe gedrückt wird und also die Breite des Theiles der Lippe beslimmt, der schwingen soll, dieser Ring verlüufl sich in eine halbkugel- Törmige Vertiefung, der Kessel genannt, oder verjüngl sich wie beim Hörn bis zum Durchmesser der Ilornrühre, dass die Lippen ungehinderl schwingen können. Aus diesem Kessel gebt die vibrirende Luft durch eine Oetfoung im Grunde des Kessels in das Blasinstrument selbst. So z. B. beträgt die OefT- nung des Mundstückes bei der c-Trompele (6.5mm, die Länge der schwingenden Lippe Ul deshalb ebenso gross, wahrend bei den liefen Blasinstrumenten, welche unsern Conlrabass repräsentiren, das Mundslück S,5 Cenlimeter weit ist. Die Schwingungszeit der vibrirenden Lippe wird regulirt durch die stehenden Schwingungen der Luftsäule im Inslrumenle, mil welchem das Mundslück verbunden isl.

Bei keinem musikalischen Blasinstrumente, vor Allem mil kesseiförmigem Mundstück spielen die beiden Lippen eine so grosse, ja die Hauplrolle; sie sind das eigenlliche Wesen, das Leben, die Seele des tönenden Instrumentes, ja bei der Trom- pele z. B. hat auch die Zunge mitzuwirken; der Zungensloss bildet das Charakteristische der Trompete. Bei der Flöle bringt schon die eine Lippe Seele in die todlen Nolen des Flageolels und der Blockflöte; allein sie können den Tönen ihres Instrumentes nur Ausdruck und Gefühl verleihen — den Ton, durch die Grifflöcher bedingt, nur wenig erhöhen und verliefen. Bei den eigentlichen Blasinstrumenten mit kesseiförmigen Mundslücken bilden die Lippen zum grossen Theil die Scala selbst. So haben wir z. B. bei unserm oben beschriebenen Serpenl nur sechs Grifflöcher, also eine diatonische Scala von sieben Tönen ; aber die Lippen bewirken noch mehrere tiefere Tone unter dem Nulurlon unseres Inslrumenles. Die neuen Serpenls gaben das Contra-/?, konnten aber noch wenigstens zwei Töne liefer blasen, nämlich das A und '.'; über die Oclave hinaus kann das Instrument wenigstens noch sieben Töne der Scala hervorbringen. Das Serpent hat, wie wir bereits gesehen, sechs Grifflöcher in zwei Gruppen verlbeilt. Von den ersten drei Grifflöchern liegt eins 5,4 Centimeler entfernt, dagegen ist die nüchsle Serie von GrifTlöchern, d. h. das drille Griffloch vom vierten im Ganzen 31 Cenlimeler entfernt und trotz dieser sechsmal grösseren Enlfernung des drillen vom vierten als die des ersten vom zweiten und die des zweiten vom dritten, beträgt der Unterschied, wenn in.in das drille Griffloch nach dem vierten ölTnet oder schliessl, nur einen halben, höchstens bis einen ganzen Ton. Mersenne sagt, er wolle die Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung einem glücklicheren Genie überlassen.

Das Räthsel wäre leicht zu lösen gewesen. Mersenne hatte selbst alle seine damals üblichen Bassblasinstrumente mit derselben Stellung der sechs Löcher gezeichnet. Die drei unteren Grifflöcher, welche für die Finger der linken Hand gebohrt sind, stehen immer in einer bemerklichen Entfernung von den oberen drei GrifTlöchern ab, welche der Finger der rechten Hand zu decken hat.

Die Grosse der Grifflöcher, welche, wie schon der Name sagt, die Finger zu decken haben, sind natürlich von einer solchen bestimmten Grosse, dass sie der Finger vollkommen verscbliessen kann.

Das Griffloch soll die Röhre des Instrumentes oder.seine Länge verkürzen, also höher stimmen , nämlich den unter dem Griffloche liegenden Theil des Luflkegels des Instrumentes un- thätig machen; das würde jedoch nur nahezu gelingen, wenn das Griffloch so gross als der Durchmesser der Röhre wäre. Wenn wir jedoch ein kleines Griffloch, das durch einen Finger oder auch durch eine Klappe verschlossen werden soll, in die Röhre des Instrumentes bohren, so wird die Wirkung des unter dem Griffloche liegenden Luflkegels nur theilweise vernichtet, er wirkt noch immer verliefend auf die Luftsäule des Instrumentes. Das Griffloch muss also so lang in die Höhe gerückt werden, bis der unier dem Griffloche liegende Luflkegcl der Röhre auf die darüber liegende Luftsäule so gewirkt bat, dass die gesammle Vibrationszeit bis zur Schwingungszahl des verlangten Tones erhöht geworden, also vermehrt worden ist.

Dass die Luftsäule nämlich unter dem offenen Griffloch noch weiter schwingt, mit der gesammten Lufl.säule des Instrumentes, beweisen die sogenannten Gabelgriffe an der alten Flöte und der gedrückte sentimenlale Ton des Instrumentes, der namentlich von der Zeit des Werther her so viele Liebhaber zühlt. dass der lebendige frische Ton der Böhm'schen Flöte, deren Grifflöcher an Grosse beinahe dem Durchmesser der Bohrung gleich kommen, anfangs nur schwierig als Flötenton anerkannt werden wollte. Darum liegl auch zum grössten Theil die grosse Entfernung des dritten vom vierten Griffloche an unserm Serpent.

Dadurch ist auch das Rälhsel Mersenne's gelöst. Das unterste Griffloch der oberen Dreilöchergruppe ist 31 Centimeler von dem obersten der untersten Gruppe entfernt — das obere Griffloch hat also eine retardirende Luftsäule von 3 J Centimeter hinter sich, während das oberste Griffloch der untersten Gruppe von dem nächsten unter ihm liegenden nur 5, 4 Cenlimeler entfernt ist und ebenso von dem weiter hinter ihm liegenden wieder um 5,4 Centimeter entfernt liegt.

Bei einer gespannten tönenden Saite giebt die Hälfte der Saite die Octave. Bei der Pfeife ist dies nicht der Fall; denn die Pfeife, wenn sie in ihrer Mille abgeschnilten wird, hal nun ii\ Bezug auf die um die Hälfte verkürzte Lunge einen doppelt so grossen Durchmesser oder eine doppelt so grosse Weite erhalten ; sie wird also deswegen an und für sich tiefer stimmen, das Griffloch also schon deshalb höher gesetzt werden müssen. So sind unsere Fagott«, im Durchschnitte etwa t '/2 Meter lang, die Hälfle wäre also 1,3 Meter; an dieser Stelle möchte man meinen, sollte der Fagott die Oclave geben; 'allein das Griff

loch, welches die Oclave ertönen lässt, liegl über «4l/j Centimeler höher gegen das Rohrmundstück zu.

Gerade bei unserm Serpent zeigt sich die ganze Macht des kesselförmigen Mundstückes; denn das Serpent gehört zu den unvollkommensten Blasinstrumenten des vergangenen Jahrhunderts. Bei seinen sechs Grifflöchern musslen erst die Lippen eine eigentliche reine Scala hervorbringen.

Die Stellung der Grifflöcher über einander an der Seite des Instrumentes hängt von der Form der Bohrung des Rohres und vom Verbältniss des Durchmessers des Bohrloches zum Durchmesser der Bohrung ab.

Je geringer der Durchmesser des Griffloches ist, desto höher muss'es an dem Instrumente hinaufgerückt werden; je gro'sser das Griffloch ist, desto liefer kommt es an dem Instrumente zu stehen. Man hat es deshalb innerhalb gewisser Grenzen ganz in seiner Gewalt, die Grifflöcher höher binaufznrücken, wenn man sie kleiner macht. Bei Anwendung von Klappeu, welche die Löcher bedecken, wie das Böhm bei seiner neuen Flöte zuerst gethan, kann man natürlich die Grifflöcher beinahe so gross als den Durchmesser des Instrumentes nehmen, so dass der Ton so frei klingt, als wenn das Instrument bis zu diesem Tone abgeschnitten worden wäre.

Deshalb erklärt La Borde: Der Bläser dieses Serpents muss das feinste musikalische Ohr besitzen, seine Töne bald durch Anspannen, bald durch Nachlassen der Lippen zu verliefen oder zu erhöhen suchen. Will er mit einem ändern Instrumente blasen, so muss er die Tonhöhe des zu begleitenden Instrumentes wohl untersuchen, um seine Lippen nach der Tonhöhe des zu begleitenden Instrumentes zu reguliren, nament- lich die Töne d, dis etc. mit dem zu begleitenden Instrumente in Einklang bringen.

Wegen der elgenthümlichen Tonbildung durch die beiden Lippen, durch welche Tonbildung sich diese Art von Instrumente charakterisiren, habe ich diese Instrument« Lippenoder Sn^rech-Sch narr werk e genannt.

Sie gehöre« eilen darum zu den am schwierigsten zu erlernenden musikalischen Instrumenten; denn der Bläser hat hier seine Töne nicht gebildet vor sich, wie z. B. auf dem Ciavier oder der Clarinetle — der Bläser muss sie auf seinem Instrumente selbst schaffen ; ein gutes, gebildetes, musikalisches Gehör ist daher bei einem Bläser von Blech-Blasinstrumenten das erste Erforderniss.

Die vibrirende Luftsäule im Instrumente bildet entweder einen Conus, dessen enges Ende der Lippe zugekehrt ist, oder eine enge cylindrische Röhre, die sich zuletzt erweiternd immermehr in ein Conoid verläuft. Ein Zwanzigstel der ganzen Röhrenlänge unter der Hälfle der cylindriscben Röhre fängt sich dieser unlere Theil des Instrumentes langsam zu erweitern an, bis er sich beinahe plötzlich 4 Cenlimelei vom untern Ende angefangen rasch zu einem Trichter mit einwärts gebogenen Seiten erweitert, deshalb Schalltrichter, Scballbecher, Stürze genannt. Bei vielen Metall-Blechinslrümenlen erweitert sich das Rohr vom Anfange bis zum Ende langsam regelmässig zu einem Conus, wie z. B. beim Flügelborn, dagegen bei der Trompete gehl diese Erweiterung beinahe plötzlich rasch von statten. Diese Form bedingt ihren brillanten schmetternden Charakter; dagegen erhallen wir durch die rationelle Erweiterung .des Instrumentes eine merkwürdige Kraft und Fülle des Tones. Der Ton im cylindrischen Theil der Trompete ohne Schallbecher ist unbedeutend, nur in der Nähe wahrnehmbar; die hölzernen Sourdinen, welche bei Trauermarschen in den Schallbecher der Trompeten gesteckt werden, liefern schon einen schlagenden Beweis. Erst wenn sich der Querschnitt, der in der Röhre schwingenden Luftsäule erweitert, wächst der Ton mit dem Querschnitte, und am Ende, wenn der grösst mögliche Querschnitt seine Schallwellen in die Luft sendet, wird der Schall zum Trompetenschall.

Bei tönend schwingender Luftsäule hängt natürlich die Stärke des Schalls von der tönenden Masse ab, welche die Tonwellen aus dem Schallbecher sendet. So ist der Schall in der hohen < - Trompete 8<mal grösser, als ihn die Lippen im Mundstück erzeugen.

Von der Länge eines Blasinstrumentes hängt unter den bekannten Verhältnissen die relative Höbe des Tones ab, die Fülle des Tones von der Dicke der vibrirenden Luftsäule; dagegen die Kraft des Tones von der Fläche, unter welcher die Tonwelle in die Luft tritt.

Ich muss hier «wieder erinnern, was bisher nicht bekannt war, dass die relative Kraft des Tones oder der Schallwelle, welche aus der Pfeife tritt, von der Grosse der Pfeifenöflnung abhängt, aus welcher die Schallwelle in die Luft tritt. Bei gleichbleibendem Verhältnisse der Kraft, welche den Ton erregt, hängt der quantitative Ton immer von der Höhe der Pfeife ab.

Bei zwei Pfeifen, bei welchen alle tonerregenden Verhältnisse gleich sind, welche nämlich dieselben Verhältnisse im Aufschnitt, denselben gleichen Zufluss der Luft erhalten, hängt die Kraft des Tones lediglich von der Kreisfläche ab, durch welche die Schallwellen in die Luft treten.

Bei zwei Orgelpfeifen, welche dieselbe Länge, dieselbe Weile am Aufschnitt, dieselbe Kernspalte besitzen, hängt die Stärke des Tones nur von der obersten Kreisfläche ab, durch welche die Ton wellen in die Luft treten. Die Kraft desselben Tones, hier ohne seine Tonhöhe zu ändern, wächst, je mehr sich der Pfeifenkörper nach oben kegelförmig erweitert. Derselbe Ton nimmt immer mehr und mehr an-Kraft ab, ohne seine Tonhöbe zu ändern, je mehr sich die Pfeife kegelförmig zusammenzieht.

Bei einer verkehrt konischen Pfeife wächst der Ton so lange, als die wachsende Divergenz der Seiten noch «wn musikalischen Tod möglich macht oder die )i\i.-ti-n/ einer ebenden Tonwelle Innerhalb der Grenzen des Pfeifenkörper» möglich ist.

Wir finden dies Im Leben selbst «o Tiäufig bestätigt. Wir hören das Gerassel eines Wagens, der auf der Strasse z. B. vor der gewölbten Durchfahrt eines Palastes vorbeifährt, auf der Sirasse zwischen dem Wagen und dem Thorc des Gebäudes in gewohnter Weise. Stehen wir in der Durchfahrt selbst, so wird das Gerassel so stark, dass wir den Wagen neben uns rollen zu hören glauben, und das Gerassel wächst an Kraft, je höher, weiter und länger die gewölbte Durchfahrt ist.

Die Schallbecher sind deshalb bei allen röhrenförmigen Blech-Blasinstrumenten nolhwendig, bei welchen die erste erregende Tonwelle aus den Lippen strömt und eine bedeutende Kraft ausübt; nur darf das Instrument keine Seitenöffnungen haben ; denn mit der SeilenöOhung und der Zahl dieser Seiten- ÖHnungen verschwindet die Wirkung des Scballbechers immer mehr. Den schönsten Beweis giebl uns die Clarinette. Die Clarinette erhält durch den Schallbecher vier Register. Das erste Register, wenn alle Klappen geschlossen sind, ist das sogenannte Schalmei-Register oder, wie oft in der Partitur steht, Chalumeau. Hier ist der Schallbecher in seiner vollen Wirkung. Je mehr Grifflöcher geöffnet werden, desto mehr verliert der Schallbecher an seiner Wirkung. Nach der ersten Octave wirkt der Schallbecher nur noch schwach, und hier beginnt das zweite Register, und da wirkt der Schallbecber nur noch durch vier Töne der Clarinetlscala bemerklicb.

Beim dritten und vierten Register bat der Schallbecher seine Wirkung ganz verloren. Wenn wir mit dem Grundtone der Clarinette r anfangen, endet das Schalmei-Register mit derOc- lave e1 und begreift die Töne f1 g1 o1 61. Das dritte bginnl mit A1 c2 bis cj; das vierte beginnt mit d3 durch die ganze Oclave

bis zum rf*. Daher ist die Stürze bei allen Blech-Blasinstrumenten mit Klappen nur bei den untersten Tönen von Wirkung, z. B. bei dem Klappen- oder Kenthorn, gerade so wie bei den Clarinelten. Blech-Blasinstrumente mit Klappen kommen auch mehr und mehr ausser Uebung.

Eine interessante Erläuterung über die Wirkung des Schallbechers liefert uns Cerven^'s Schal Ihorn — es ist eine Art Barylon. Cerven^ hat aber den Schalltrichter oben wieder kugelförmig zusammengezogen, wie dies beim Becher des sogenannten englischen Horns der Fall ist , so dass die Oeffnung wieder kleiner wird, so wie eben der Durchmesser war, da, wo er sich am Ende des Instrumentes in die Kugel des Scliall- bechers auszuweiten beginnt. Der Ton des so kräftigen Bary- tons ist dadurch äusserst weich und milde geworden, ton voll, aber ohne das Durchdringende des gewöhnlichen Barytons.

Bei den ersten Helall-Blasinstrumenlen unserer Zeit war der grösste Theil der Messingröhre cylindrisch, nur am Ende begann die Röhre konoidisch zu werden und breitete sich zuletzt zu der sogenannten Stürze aus , wie unsere alten Jagdhörner beweisen und die ältesten Trompeten. Erst Öerveny verstand es, die Röhre seiner Metall-Blasinstrumente durch den grössten Theil ihrer Länge und zuletzt ganz konisch und zwar aus einem Stücke zu ziehen, und schon dadurch gewann sie an Fülle des Tones,' den man unter gleichen Umständen bei allen gleichen Blasinstrumenten vermissle, obwohl dadurch wieder neue Schwierigkeilen anderer Art entstanden, welche Cerveny gleichfalls glücklich bemeisterle.

Alle Metall-Blasinstrumente, Lippen-Schnarrwerke, geben im Allgemeinen ihre Töne nur dadurch, dass sich die Luftsäule fort und fort in immer gleiche Tbeile Iheilt, in die sogenannten Aliquoltbeile , wie bei den Orgelpfeifen durch Labien angeblasen. Die Luftsäule in der cylindrischen Röhre Iheilt sich bei starker Pressung der Lippe zuerst im cylindrischen Rohre in vier gleich lange Theile, sobald die Trompete oder das Hörn ihren eigentlichen Grundion angeben, den aber nur höchst selten Bläser zur Ansprache bringen können. Beim weitern Spiele der Lippen theill«sicb die tönende Luftsäule in acht Theile, welche die Octave des Grundlones geben, welcher der ganzen Länge der Röhre entspricht. Es ist dies die Oclave des Grundlones, die man eigentlich bei unserer Trompete, Waldborn als Grundton benutzt, den wir z.B. *' nennen wollen. Wenn sich bei starker Anspannung der Lippen die Luftsäule in zwölf gleiche Theile theill, so erhalten wir die Quinte G. Theill sich die Luftsäule in < 6 Tbeile , so erhallen wir die Oclave vom sogenannten Grundton der Trompele, nämliche. Tbeill sich die vibrirende Luftsäule in zi Theile, so erhalten wir g, und dies ist der eigentliche Grundton, von dem man im Orchester Gebrauch macht.

Die vibrirende Saite theilt sich in

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1134567891011(2(3 Schwingnngazeiten.

An einer tonenden cylindrischen Luftsäule finden wir beim Erscheinen des Grundions die Luftsäule in zwei gleiche Theile gelbeilt, die durch eine ruhende Luftschicht in der Mitte ihrer Länge geschieden sind. Man kann also unter diesen Umständen die Anzahl der Schwingungsknoten in einer solchen Luftsäule durch die obigen Schwiuguugszablen ausdrücken. Wir haben beim Grundton einen Schwingungsknoten, bei der Oclave zwei Schwingungsknoten u. s. w.

Man sieht, die Töne rücken immer näher zusammen, je kleiner die Aliquotlheile werden. Die erste Theilung der Saite in zwei Theile giebt uns die Octave, und nur bei Lippenblasinstrumenten gelingt es, diesen grossen Sprung durch die Quinte zu vermitteln. Erst In der zweigestrichenen Octave treten die Töne so nahe zusammen , dass sie 'unsere Scala bilden ; allein auch da ist die Quarte zu hoch, sie ist mehr /ii als f\ dagegen die Sexte und Septime zu tief.

Dies ist indessen die eigentliche Lage, in welcher die Trompeten , Hörner etc. im Stande sind, eine Melodie zu blasen, wie sie z. B. Händel oft von seinen Trompeten fordert. In unseren Tagen, wo die Trompeten mehr als Tonfarben benutzt werden, ist unter hundert Trompetern nicht Einer im Stande, diese Töne rein zu blasen.

Man sieht, die Hörner, Trompeten konnten mit ihrer mangelhaften Scala nie in eine andere Scala und andere Stimmung gebracht werden als in die, welche der Grundton angab. Man musste deshalb für jede Stimmung ein besonderes Hörn bereit halten. Das erste Hörn stimmte E (die früheren bei der Jagd gebrauchten Waldhörner stimmten Es], und man hatte dazu Hörner, die /'. G und B stimmten. Wegen der Kostspieligkeit kam man auf den naheliegenden Gedanken, an das hohe Hörn Rohrstücke anzustecken, um es so zu verlängern und also tiefer zu stimmen. Da diese angesetzten Rohre immer länger wurden, je tiefer man das Instrument stimmen wollte, so wand man auch diese Ansatzstücke wie das Hörn selbst kreisförmig zusammen, weshalb diese Stücke in der gewöhnlichen Sprache Krummbogen oder einfach Bogen hiessen, die man an die obere Oeffnung des Horns steckte und auf diese erst das Mundstück. Da mit jedem Schritt weiter in die Tiefe die Aufsatzstücke länger werden mussten, so musste man sie, um sie handhaben zu können, in mehrere Windungen krümmen. Setzte man diese Aufsätze oder Krummbogen alle mit einander zusammen vereinigt auf das Hörn, so konnte man das Hörn sogar um eine Octave vertiefen. Denn die Hörner und Trompeten bestanden früher aus einer geraden Röhre, die so lang war, dass sie auf eine Unterlage gelegt oder beim Umzüge von einem Manne auf der Schuller getragen werden mussten, wenn sie der Hornist benutzen sollte. Der Gebrauch dieser Hörner war deshalb sehr beschränkt. Die Allen hatten schon in einen Halbkreis gekrümmte Hörner; die Kunst, das Rohr zu krümmen, war aber wieder verloren gegangen ; denn Röhren aus Silber oder Messing Hessen sich nicht krümmen, ohne abzuknicken. Da kam ein Instrumentenmacber in Paris <660 auf den Einfall, seine Hornröhren mil Blei auszugiessen; nun Messen sie sich vorsichtig biegen und in jede Form bringen. Halle die Röhre ihre Kreisform erhallen , so schmolz man das Blei vorsichtig und Hess es wieder aus der Röhre herauslaufen.

Erst in den neuesten Zeilen kam man auf den glücklichen Gedanken, diese verschiedenen Aufsatzbogen mit einem einzigen Hörn und mit einander zu verbinden, so dass man die Tonwellen aus dem Mundslücke einfach durch das Hörn oder zuerst durch jeden beliebigen Ansatzbogen und dann erst ins Hörn dringen lassen konnte.

Schon im Jahre 1790 halte flagget in London zwei Hörner mit einander verbunden, die nach Belieben, jedes für sich, durch ein einziges Mundstück angeblasen werden konnten. Das eine Hörn, das längere, stimmte d, das zweite es. Ein Ventil, wie man es in der neuesten Zeit braucht, mit einem Drücker versehen, leitete, wenn man es seitwärts drückte, die Tonwelle des Mundstückes, statt in das d-Horn, in das es-Horn.

Abt Vogler hat im Finale seiner Symphonie aus C-dur blos die diatonische Scala als Thema benutzt. Kein Hörn konnte natürlich die diaionische Scala angeben. Vogler benulzte deshalb zwei Hörner in F und G.

Der Bass hatte die absteigende Scala

£^

Zur Ausführung dieser Scala standen ihm im A'-Hörne der Dreiklang r.-n-f. im G-Horne der Dreiklang h-g-d zu Gebole. Diese zwischen einander geschoben, gaben die Scala

c a f c h g d.

Es fehlte noch das e, das durch die C-Trompele ersetzt wurde, wie die folgende Partitur deutlich zeigt:

Aus dem Finale von Vogler's C-Symphonie. Presto.

rQ-

Tromba in C.

Corni in C.

i'.mi »i in F.

Bass.

r

«p

//

Dieser Mühe, zur Herstellung einer Scala zwei Hörner und eine Trompete verwenden zu müssen, wurde man, wie schon bemerkt, durch die Ausführung der sogenannten Maschine überhoben, welche alle Krummbogen mil sich verban-d, und durch sie war es möglich, wie schon bemerkt, die Tonwellen aus dem Mundstück nach Belieben durch das Nalur- horn, oder durch den ersten, zweiten, dritten, oder durch den zweiten und dritten Bogen, oder durch alle drei Krummbogen gehen zu lassen.

Die Krummbogen des Nalurhorns sind hier beim Schritt durch einen Halblon lang gezogen zu einer Art Gabel gebogen, Fig. IV ggg — beim Schritt durch einen Ganzion in einfacher, zuneh

mend in die Länge ge-

Fig. I.

zogener Windung am Hörne befestigt, Fig. IV iii, da ihre beiden Enden immer nach einander mil demselben Pistoncylinder oder mit demselben Walzencylinder verbunden werden müssen.

Die sogenannte Maschine besteh) gewöhnlich au> drei neben einander angebrachten Ventilen , Fig. I abc. Der Haupllheil der Maschine besteht aus einem kurzen Cylinder aus Messing, den im Querschnitt Fig. II zeigt und welcher recht- ... '

winklig auf seine

Achse zweimal von krummen Röhrchen durchbohrt ist. Ihre1 Windungen liegen um einen Quadranten der Peripherie des Cylinders auseinander. Diese Röhrchen sind von der Röhre des Instrumentes gleichsam eine Fortsetzung. Dieser doppelt durchbohrte Cylinder, den die Mechaniker Piston nennen, bewegt sich in einem äussern dicht anschliessenden Cylinder luftdicht und wird in demselben auf- und niedergeschoben wie der untere Theil der Zugposaunen.

In die Sussere Hülse, in welcher sich der Piston auf und nieder bewegt, mündet von der linken Seite der Anfang der Hornröhre i, auf der rechten Seite die Fortsetzung des ganzen Hornes < Man sieh,l in der Figur, der tönende Luftslrom, der aus dem Mundstücke von der Seite </ kommt, wird nun nach rechts abgeleitet und wird gezwungen, durch den absteigenden Krummbogen zu gehen, aus welchem er auf der linken Seite wieder zurückkehrt und nach rechts abgeleitet in das Hörn r zurückkehrt. Etwas tiefer darunter, etwa 4 5 mm, ist der Cylinder von einer geraden Röhre durchbohrt, die nur eine Forlsetzung der Hornröhre ist, wie die punktirlen Linien in der Figur I anzeigen. Eine Spiralfeder im untern Theile des äusse- ren Cylinders drückt den Piston in die Höhe, so dass die einfache gerade Röhre, von welcher der Pislon unten durchbohrt ist, mit der Hornröhre communicirt. Oben aus dem Piston steigt als Verlängerung seiner Achse ein Draht empor mit einem Knopfe, g, g, g, auf welchen sich der Finger legt. Will der Spieler einen Krummbogen benutzen, so drückt er den Knopf und mit ihm den Pislon so weit nieder, bis die doppelle Durchbohrung 6 ' mit dem Hornröhre communicirend als Fortsetzung derselben gilt.

Slalt des Pistons bedient man sich in oeuarer Zeit ebenfalls eines sehr niedern Cylinders, der in derselben Weise doppelt durchbohrt, sich jedoch um seine Achse dreht, also nicht mehr auf- und abgeschoben wiid. Er ist gleichfalls doppelt durchbohrt, aber in anderer Weise. Die durchbohrenden Röhren sind nun in einem flachen Bogenstück gekrümmt nach Fig. III A und /(. Sie sind wieder Fortsetzung der Hornröhre 6, c, d. Dreht man das kurze Cylinderchen oder Rädchen A um

Fig. III.

den vierten Theil seines Umfanges von der rechten zur linken, so kommt die Oeffuung der Röhre a über die Mündung der Röhre « zu stehen. Die Röhrenslückchen im Rädchen erhallen nun die Stellung in Fig. B, d. h. die tönende LuftsUule wird nun genöthigl, durch den Krummbogen < hinab und durch den ändern Theil des Krummbogens /' wieder berauf durch den zweiten Canal wieder in die Fortsetzung der Hornröhre d zu treten. Wie in der Zeichnung I und IV zu ersehen, sind gewöhnlich drei Gabelbogen an einem Instrument mit einander verbunden.

Die Pistons-Schubventile werden blos mittels des Fingers niedergedrückt oder geschoben ; eine Spiralfeder unter dem Pislon in der Hülse drückt den Piston wieder in seine ursprüng

liche Stellung empor, wo er die vibrirende Luftsäule ungehindert in das Nalurhorn ziehen läset.

DieCylinderventile werden stall des Drückers durch Tasten mittels eines Stechers um den vierten Theil ihres Umfangs gedreht. Die Walzenmaschine kann und darf überhaupt nur an dem obersten Theile der Röhre der Blasinstrumente angebracht werden ; sie kommt deshalb immer innerhalb der Windung des Blasinstruments, d. h. zwischen der äusseren Windung desselben zu liegen, Fig. IV a, 6, c. Bei den Pistons kann man die Achse der Pislons mit ihrem Knopfe so weit verlängern, bis sie ins Bereich der äussersten Windung und der Finger kommt.

Fig. IV.

Bei den Radchen oderCylindern ist eine complicirte Vorrichtung nölhig, bei kleinen Rädchenmaschinen ist auf die Achse des Rädchens eine Kurbel, wie z. B. an einem Spinnrade, oder ein Scheibchen, Fig. IV k k k, gesteckl. Ueber der Kurbel isl an der äussersten Windung eine Taste d e f befestigl, die sich um ihre Achse niederdrücken lässl. Um die Achse isl in einem Federhause l l l eine Uhrfeder gewunden, welche die niedergedrückte Taste wieder in die Höhe hebt und in ihre alle Lage bringt. Das Ende der Taste isl hinler der Achse rechtwinklig abgebogen und drückt mit diesem Ende einen Stift nieder, der an seinem anderen Ende mit der Kurbel oder dem Scheibchen /,/,/. verbunden ist. Drückt man die Taste nieder, so schiebt das Stäbchen die Kurbel des Rädchens und somit das Rädchen um den vierten Tbeil des Umfanges des Rädchens abwärts in der Richtung des Pfeils Fig. III A und die beiden Oeffnungeo der Durchbohrung des Rädchens kommen nun mit den Oeff- nungen des Krummbogens in Verbindung, Fig. IM B e f.

Diese sogenannte Maschine ist von außerordentlicher Wichligkeil für unsere gegenwärtige, so glänzende und gleissende Farbenmusik herangewachsen. Durch sie sind unsere Metallblasinstrumente zu einer Vollkommenheit gebracht worden, die sie den Holzblasinstrumenlen ebenbürtig macht, ja sie bieten uns einen so ausserordentlichen Reichthum in den verschiedensten Tonfarben und Tonnüancen, die wir mit unseren Holzblasinslrumenlen nie erreichen können, und darum sind sie in ihrer ausserordentlichen Mannigfaltigkeit intcgrirende Theile unseres modernen Orchesters geworden.

Eines Schubvenliles halle sich schon, wie wir gesehen, Charles Clagget bedient; aber erst der ursprünglich deutsche Joseph Meifeld, Hornvirtoose und Lehrer des lim ns am Pariser Conseivalorium, gesl. (867, halle eigentlich die drei Schub- venlile an seinem, Hörne angebracht; nur gebrauchte er, da seine Ventile den Durchmesser der llornröhre halleo, slall für jeden Krummbogen ein Ventil, deren zwei, das eine, welches niedergedrückt der vibrirenden Luftsäule den Weg in den Krummbogen öffnete, das andere, welches den Strom aus dem Krummbogen wieder in die Hornrö'hre zurückleitele.

Der ausgezeichnete Blasinstrumentenmacher Adolph Sax gab seinen Ventilen einen grb'sseren Durchmesser und seinen grossen Pislons, wie wir gesehen, eine horizontale doppelle Durchbohrung; er verwandelte also die zwei Ventile Meifeld's in eines, wie wir sie bei unseren Luftpumpen längst gebraucht, und begründete dadurch unsere gegenwärlige Maschine mit Pislons.

Man erhält mit den drei Ventilen und ihren Drückern oder Tasten sechs Scalen. Bei dem D-Hörn z. B. haben wir die Naturscala in fl. Sie heisst:

d a d fti a c d e

g

a c d.

Drückl man den ersten Hebel nieder, benulzt also den ersten Bogen, so wird das Hörn um einen Ton liefer, man erhält nun die Scala i . drück! man den zweiten Hebel, giebt es die Scala des d's-Hornes, drückl man den drillen Hebel nieder, so bekommen wir die //-Scala. Verbindet man den ersten und drillen Hebel mil einander, also den C-Hebel mit dem /f-llebel, so haben wir eine Verbindung von zwei Tönen mehr, nämlich die -4-Scala.

Verbinden wir die drei Hebel mit einander, so erhallen wir die As-Seal».

Die drei Hebel schreiten nämlich mil einander immer um einen ganzen und einen halben Tou in die Tiefe, vom D aus durch Cit nach dem ganzen Ton H, fügen wir also zur Slimmung des dritten Hebels H noch den ganzen Ton hinzu, so sind wir im A, und einen halben Ton weiter gelangen wir zum zweiten und drillen der zwei Hebel, also alle drei mit einander verbunden ins A. Jede dieser Scalen hat ihre eigenen Halblöne, welche den übrigen Scalen fehlen, und so erhallen wir durch die drei Hebel eine vollkommen chromatische Scala, die natürlich aus den sechs Veränderungen dieser Krummbogen einfach ausgewählt und zusammengesetzt wird, wie die nachstehende Notenlabelle lehrt.

C-Horn. 1. Drücker.

H-Horn.

3. Drucker.

B-Horn.

2. Drücker.

Cu-Horn. 2. Drücker.

A-Horn.

1. n. 3. Drücker.

As-Horn.

1.2.3. Drucker.

k^. UrJU~fl l JJ J ^..i—

Die Zahlen über den Noten zeigen die DrUcker oder Tasten der Maschine an.

So benutzte nämlich Adolph Sax, früher in Paris, die Idee des Pariser Hornisten Meifeld und verwandelte die zwei Ven- lile für jeden Ton in eins, indem er den Durchmesser seines Schubvenlils vergrösserle und dasselbe mit zwei Canälen durchbohrte, also die beiden Ventile in eins verwandelte. Sax brachte dann solche Schubventile an seinem Hörn und den übrigen Blechblaginslrumenten an.*) Schon Carl Joieph Sax, der Vater Adolph's, machte eine Heine von Versuchen. die besten Verhältnisse bei Verfertigung der Blasinstrumente aufzusuchen, und setzte dabei sein Vermögen zu. Der Sohn Adolph baute auf den Versuchen seines Vaters fort, benutzte vor allem die drei Pislons an seinem Instrumente, wodurch er eine ganz chromatische Scala erhielt — und dies ist eigentlich sein wahres Verdienst. Diese drei Ventile brachte er an allen seinen In- strumenlen an und schuf eine Menge moditicirler Blechblas- instrumenle, denen er seinen kurzen Namen vorsetzte. So haben wir von l 843 an ein kleines Saxhorn, ein Saxhorn in B, ein Tenor- , ein Barylon- , ein Bass- und ein Contrabass-Sax- horn, ein Saxophon ; unier den gewöhnlichen Blechblasinslru- merilen Posaunen, Cornels a l'istbn, Trompeten etc., die er alle mit seinen Pislons versah. Die Instrumente von Adolph Sax

  • In Oesterreich erfand Prof. Keil am Prager Conservatorium der Musik im Jahre 1836 die erslc Cyliiidcrmaschine. Die Erfindung verkauflc er an Jo«. Kel. Biedel in Wien, der sie privilegirtr.

verbreilelen sich rasch in Frankreich, alte Musikkörper der Armee wurden mit den Instrumenten von Sax vtrsehen.

Die Erfindung des Sax wurde, auch aussertialb Frankreichs, überall, wo Blechblasinslrumente gebaut wurden, mit Jubel aufgenommen. Die Instrumente des Sax gelbst aber erfreuten sich in Deutschland keiner brillanten Aufnahme; die Qualität ihres Tones war bei den Deutschen nicht beliebt.

Die Haschine ermöglicht es, dass z. B. auf dem Hörn die ganze chromatische Scala hervorgebracht werden kann; allein die Reinheil gewisser Töne dieser Naturscala hängt von zwei Hauptbedingnissen ab : von der Stellung der Maschine am Bohre des Blechinstrumentes und von der Form der Röhre selbst.

Der Reinheit der Scala im Ventilhorn halber setzte der ehemals berühmte Blecliblasinslrumentenmacher Leopold UHI- marm in Wien (im Jahre (H.'iii unter die Scala seiner Blechblasinstrumente nothgedrungen folgende Zeichen bei, welche, um immer rein zu blasen, genau beobachtet werden musslen. Töne, welche durch etwas Treiben des Alhems höher gestimmt werden müssen; Töne, welche durch starkes Nachlassen des Alhems entweder theilweise oder ganz gebildet werden müssen; Töne, welche durch starkes Treiben des Athems entweder theilweise oder gani gebildet werden müssen. Daher kam es, dass an das gewöhnliche Instrument gewöhnte Bläser auf den ganz rein gestimmten Instrumenten Cerveny"s gewisse Töne immer unrein wiedergaben, weil sie gewohnt waren, z. B. bei dem OphikleTd in F die Töne H, C, Cit mit schwachem, mit abgeschwächtem Alhem zu blasen.

Wenzel Frau Cervenf.

Es war der tüchtige Bläser aller Bleohblasmstrumenle und zugleich Fabrikant von Melallblechblasinslrumenten au Köhig- grätz bei Prag, Wenzel Franz drrcrny, der seme Blechblas- ioslrumente nach einem neuen Princip zu conslruiren anfing. Während die Messingrohre der früheren Blechblasinstrumente immer cylindrisch von engem Durchmesser sich erst später oder gar zuletzt konisch zu erweitern begannen, gab er seinen Blechblasinstrumenten eine viel regelmäßigere weitere konische Form; die tönende Luftsäule war deshalb voluminöser, die Töne darin voll, dick und klingend. Allein damit erwuchs eine kaum zu überwindende Schwierigkeit in Bezug auf die Con- strnclion der sogenannten Maschine und auf, die Stelle des Rohres, an welcher die Maschine angebracht werden musste. Während die Schwingungsknolen in einer cylindriscben Pfeife in der Hälfte der Pfeifenlänge oder in regelmäßigen Unier- abtheilungen liegen, rücken die Schwingungskaoten in einer nach oben sich erweiternden Röhre aus der Mille nach oben, und ich habe bereits entwickelt, dass die Länge oder Höhe der konischen Pfeife zu der Höhe, in welcher sich der Schwingungsknolen von dem Kerne an gerechnet in der Pfeife findet, sich zu einander verhalten wie das Quadrat des grössten oberen Durchmessers der Pfeife zum kleinsten über dem Kerne.

Die konischen weiten Röhren geben ihren eigentlichen Grundion, den man bei gewöhnlichen Blechblasinslrumenten nie hört, sehr leicht an, dagegen erhält man die hohen Aliquol- theile nur schwierig oder in gewöhnlicher Weise gar nicht, während man bei den gewöhnlichen Blechblasinstrumenten, Hörn und Trompete, den Grundton gar niclit berücksichtigt, dagegen die hohen Aliquottheile der Scala sehr leicht erhält.

Der Ton, die Klangfarbe der neueren Ganzinstrumenle ist deshalb eine andere, vollere, eigentümliche geworden, mit unserem gegenwärtig musikalisch gewöhnten Gefühle im vollsten Einklang sich befindend, die anders geworden sind als zur kräftigeren Zeit des verflossenen Jahrhunderts. Unser Serpent z. B. stammt aus den alten Zeiten. Der Serpent wurde, seit ihn der Kanoniker Ed. Guillaume <590 tragbar in Schlangenform gebracht, in Frankreich vorzüglich in den Kirchen zur

Begleitung des Choreies gebraucht (ich habe ihn z. B. noch in den dreissiger Jahren im Dome zu Lyon gehört), auch bei den Mililärmusiken sah ich ihn noch In meiner Jugend verwendet. Dies Instrument allein ist «in Beweis, wie sehr sich das musikalische Ohr mit der Zeit verändert luii. Mersenne (1640) bewundert dies Instrument, und wenn er auch sagt, dass der so kräftige Ton zwanzig Sänger beherrsche, so kann er, voo einem Knaben angeblasen, durch die süsse Zartheit seiner Töne den zartesten Gesang, des Singers lebende Stimme nachahmen. Anders H. Berlioz, £30 Jahre darnach. Er ist wüthend über die Wildheit des Instruments. »Der in der Thal barbarische Ton dieses Instrumentes« , sagt er, »hätte viel besser zu dem blutigen Gottesdienste der Druiden, als zum Kalholicismus ge- passt, ein ungeheuerliches Denkmal des Verstandes und der Geschmacks- und Gefüblswahrheil, welche seit unvordenklichen Zeiten über den Gebrauch der Tonkunst beim Gottesdienste in unseren Tempeln entschieden habe.«*)

Unsere Zeit hat aus dem für den sei. Berlioz so schrecklichen barbarischen Instrumente .durch Cervfny ein Instrument gebaut, wie «s Hersenne vor 130 Jahren gehört. Das Serpent der neuesten Zeit hat Ocrveny Phonikon genannt.

Zugleich nahm fturvcny seit dem Jahre 48i3 mit der Maschine aus den bisher üblichen Piston-Cylindern bestehend, eine neue Umformung, ein« grosse Verbesserung vor, die er im Jahre 1873 zur Vollendung brachte und ein Patent dafür erhielt. Es gelang endlich öerveny\ die Cylindermaschine in liegender Form herzustellen, wie er selbst sagt. Hit dieser Walzenmaschine, wie er sie nennt und auf der Londoner Ausstellung < 850 noch nicht gefunden, gelang es ihm endlich 1873 seiner Walzenmaschine die lange gesuchte Vollendung zu geben und sie bei der Wiener Ausstellung zur Geltung zu bringen.

Die Hebelverbindung des Taslens mit der Peripherie der Walze oder des Rades kam nicht selten bald in Unordnung. Um diesem Uebel abzuhelfen, erfand der ältere Sohn Cerveny's, Jaroslav, eine höchst sinnreiche Vereinfachung des sonst com- plicirten Hebelmechaoismus in der Art, dass der Finger direct mittelst eines Stechers auf das Scheibchen oder den Krumm' zapfen der Achsen der Walze wirkt. Der Tasten liegt also gerade über der Walz«, die nun auf den ersten Theil des Rohres gestellt, ist, während das Kederhaus des Hebels, das mit dem Tasten verbunden, die Walze wieder in ihre alte Stellung zurückzieht und an der ehemaligen Stelle der Walze steht. Dabei hat er eine einfache Vorrichtung zur beliebigen Spannung der Uhrfeder angebracht, welche den Hebel und die Walze wieder in ihre alte Stellung zurückführt, wenn der Finger darüber nachlässt. Ausserdem halle er die sich drehende Walze konisch geformt, wobei eine Feder sie in ihre Lagen drückte, so dass sie auch bei dem längsten Gebrauche nie undicht werden kann. Die Figur V zeigt Genren^'s neueste Walzenmaschine , drei Walzen unten mit ihren Drückern darüber,, welche von drei Federhäu- '"' '

sern ausgehen, welche die Drücker heben und dadurch die Walzen wieder zurück drehen.

Die Slelle, an welcher eigentlich die sogenannte Maschine

  • ) Berlioz konnte ausser dem Serpent noch manches andere Be- sitzlhum der alteren Tonkunst nicht ausstehen, z. 6. Orgeln and Fugen. Als er einmal in Cherubini's Gegenwart Busserle »Ich mag die Fugen nicht leiden« — erwiederle dieser: »Seien Sie unbesorgt, die Fuge mag Sie ebenfalls nicht leiden.« CAr

angebracht werden müsste, war bei diesen weilen Röhren außerordentlich schwierig zu finden, um die Maschine so zu construiren, dass alle Töne der ganzen chromatischen Scala rein erschienen, was vor Cerveny nie der Fall war.

Auch die Hörner, Trompeten etc. mit der Maschine pflegte man durch aufgesetzte Krummbogen noch tiefer zu stimmen, öerveny erfand seine Tonwecbselmaschine.

Cervenj's „Tonwechiel".

Ein Triumph des Scharfsinnes unseres Meisters ist der Ton Wechsel*), palentirt im Jahre 1846, den er an seinen liefen Instrumenten, dem Harmontebass, Cornon, Bombardon angebracht hat; hier stellt er die successive Communicalion der Hauplröhre mit drei bis fünf Tonbogen her, und der Hahn muss deshalb wenigstens von vier krummen OefTnungen durchbohrt sein, welche etwa folgende Stellung haben könnten : ))((

Die Zahl der möglichen Verbindungen mittels dieses Tonwechsels ist immer gleich der Anzahl der Röhren, von welchen er durchbohrt ist, weniger einer. So lässt ein Tonwechsel mit zwei Röhren nur eine Verbindung zu, einer mit 3 Röhren zwei, einer mit 4 Röhren drei, einer mit 5 Röhren vier, einer mit 6 Röhren fünf, einer mit 7 Röhren sechs. Natürlich muss dann mit der Zahl der Röhren der Wechsel oder das Rad immer einen grösseren Durchmesser erhallen.

Die Hauptsache ist, dass der Rand des Rades immer in eine Anzahl von gleichen Theilen gelheill wird, so dass die Röhren- öllnungen gleich weit von einander zu stehen kommen. Die Tonbögen werden dann im Kreise gabelförmig mit ihren Oeff- nungen in das Gehäuse des Rades befestigt, und es werden da immer vier Oeflnungen so zusammen treffen, dass sie den bestimmten Tonbogen in die Hornröhre alsConlinuum einschalten.

Allein mittels dieser höchst sinnreichen Rrfindung ist noch nicht alles gelhan.

Der Tonwechsel muss an der richtigen Stelle angebracht, und das Verhältniss der Röhrendurchmesser wohl darnach abgeglichen sein, sonst stimmen die einzelnen Töne der neuen Scala nicht mehr rein, und das war die Ursache, dass manche Nachahmungen der 6 er veny' sehen Tonwechsel-Maschine misslangen und so die Inslrumenlemnacher sich und Andere mit dem Glauben trösteten : mittelst des Tonwecbsels könne keine reine Stimmung hervorgebracht werden.

Allein Instrumente, aus der Hand des Erfinders selbst hervorgegangen, beweisen sehr leicht das Irrige dieser Meinung, und noch mehr die allgemeine Anerkennung, welche seine Instrumente bei der österreichischen, bayerischen, ja selbst spanischen und nordamerikanischen Regierung gefunden haben.

Wenn man beim gewöhnlichen Hörn einen Bogen aufsteckt, um dasselbe z. B. um einen halben Ton tiefer zu stimmen, so tritt derselbe Fall ein , als ob man bal gleichbleibender Länge des Instrumentes den konischen Theil des Schallbechers, welcher die Röhre tiefer stimmt, verkürzt hätte; das Hörn wird dadurch etwas zu hoch werden. Deshalb ist das Gesetz in Hinsicht auf Saitenlängen, dass sich die Töne der Scala verkehrt wie die Saitenlängen selbst verhalten, bei Blasinstrumenten nicht mehr anwendbar. Wenn wir z. B. ein Hörn annehmen, 8 Fuss oder 96 Zoll lang, das in ( stimmt, welches (30,9 Schwingungen in der Secunde macht, und wir wünschen die Länge des Hornes für den nächst tieferen halben Ton zu erhallen, so wird die Rechnung, wenn wir die Luflsüule für eine Saile ansehen, für das II 401,7 Zoll geben, das heisst: man müsste eine Röhre von 5,7 Zoll ansetzen, um das /; zu

) Aus einem Bericht über die musikalischen Instrumente der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung in München vom Jahre (85«, IV. Abschnitt, S. (78.

erhallen. Bei Blasinstrumenten würde aber dieser Ton, welcher bei Saiten rein stimmen muss, sich zu hoch finden, und wir müssen anstatt einer Röhre von nur 5,7 Zoll eine solche von 6 Zoll ansetzen. In derselben Weise giebt die Rechnung für Lufl- säulen : Die Röhre oder der Krummbogen

für B muss u.:."

- A_ - 19,35"

- As - 16,531"

- G - 34,190"

- G« - 4J,zO"

- P - 50,7V

- E - 59,85"

- Ea - 69,45"

- D - 79.6J"

- Des - 90,37"

- C - (01,80" lang sein.

Der Krummbogen oder die Röhre, welche das Hörn um eine ganze Octave vertieft, müsste demnach um 9,8' länger sein, als das 8-füssige Hörn selbst.

Man hat deshalb an den sogenannten Invenlionshörnern einen Theil der Windung unterbrochen, und die beiden Röhrenenden zu parallelen Schenkeln aufwärts gekrümmt. Die Verbindung dieser zwei Schenkel wird nun durch ein zweites Bogenstück mit parallelen Schenkeln, Gabel genannt, hergestellt. Die parallelen Schenkel dieses Röhrenstückes bewegen sich luftdicht in den oben beschriebenen aufwärts gekrümmten Schenkelröhren des Hornes, und so braucht der Hornist nur dieses Gabelstück hineinzuschieben, um sein Hörn höher zu slimmen. Noch bemerklicher wird der Uebelstand, wenn man zwei Krummbogen mit einander verbindet und auf das Inslru- ment setzt. Wenn auch jeder Krummbogen einzeln rein stimmt: beide verbunden erscheinen wieder zu hoch, mit Hinzufügung eines dritten wird die Stimmung noch unreiner. Da muss denn so viel als möglich mittelst einer kleineren Röhre oder des Gabelstücks nachgeholfen werden.

Je tiefer man die Maschine in die- Hornröhre einsetzt, desto geringer wird im Ganzen der Einfluss, den die Maschine auf die Reinheil der Scala ausübt, da bei konischen Röhren meistens auch die Höhren und die Cylinder weiter würden. Die Reinheit der Scala des Maschinenhornes hängt deshalb grösslen- theils davon ab, dass die Maschine an den rechten Platz gesetzt und dass jede Röhre die erforderliche Weite erhalte.

Wegen der grösslenlheils neuen, auf eine rationelle Basis gegründeten Bauart der Blechblasinstrumente Öerveny's und der ausgezeichneten mechanischen Ausführung derselben, die alles übertraf, was zur Ausstellung gekommen , wurde dem Erfinder die grosse Denkmünze zuerk.innt.

Wir wollen zuerst die früheren neuconstruirlen Metall- blechblasinslrumenle ins Auge fassen, wie sie Öerveny in der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre (854 zur Gellung brachte.*)

Cerveny^ hat ein voluminöses Verzeichniss seiner so zahlreichen und von ihm völlig neu construirlen Instrumente mit ihren genauen Abbildungen und deren Maassstab publicirl.

Er Iheilt darin seine Instrumente in zwei Abtheilungen ; in der ersten finden wir die Instrumente für Cavallerie- und Ar- lillerie-Musik; in der zweiten Instrumente für Infanterie-, Jäger- und Pionier-Chöre. Wir werden unsere Angaben auf

Mein Bericht Über die musikalischen Instrumente in der obigen Ausstellung, IV. Abschnitt, S. (67.

dieses Verzeichnis» beziehen, ohne uns sireng an die Cerveny- scbe Abiheilungsweise zu halten.

Betrachten wir zuerst das von Öerveny sogenannte iBaroxy- loin (Fig. VI). Es giebt uns guten Aufschluss über die geniale Öer'eny'sclic Anordnung der Ventile and der darauf sieb gründenden Tabulalur.

DM Bartxjton Cervenj'»

ist ein von demselben im Jabre 4 853 erfundenes Instrument, auf welches er auch ein kaiserliches Privileg! u m erhielt. Es vertritt die Stelle der kolossalen Bombardons und Contrabässe,

die (S, (6 bis 3t Fuss lang und so weit gemacht wurden , dass sie zuletzt kaum mehr transportabel waren. Dazu kommt noch, dass das Blasen dieser kolossalen Instrumente der Gesundheit in hohem Grade nachtheilig wird. Es müssen die Lungen in die

grösslmöglicbe Tbätigkeil versetzt werden, um eine 34 Fuss lange Luftsäule in stehende Schwingungen zu versetzen. Es wird mit jeder Conlrac- tion der Lungen denselben eine unglaubliche Menge Wassergas entzogen ; der Bläser fühlt sich bald wie von einem Sirocco ausgedörrt, und es ist natürlich , dass er verleitet wird,

den Mangel an Wasser im Organismus am eipe andere Weise zu ersetzen und seine Erschöpfung durch geistige Getränke zu vertreiben.

Cerven^'s Baroxyton ist das erste < Gfüssige Blecbblasinstru- ment mit Kessel, dessen Röhre nur 8 Fuss lang ist; dagegen mag es wohl das verhällnissmässig weiteste aller ähnlichen Instrumente sein. Was der Luftsäule an Länge mangelt, das ist ihr an Weite zugegeben.

Es ist elliptisch weil gewunden, so dass es nur 48 Zoll Höbe besitzt, und der weite, starke und lange Schallbecber ist nach oben gewendet.

Die Windungen der vier Krummbögen sind alle nach oben gerichtet. Da, wo die Luft aus der Maschine in den stark konischen Theil der Hauptröhre übergeht, ist eine Klappe angebracht, welche gleichfalls Öerveny ausgedacht hat, und die, so einfach der Gedanke sein mussle, der sie ins Leben rief, dennoch von Wichtigkeil ist.

C'ervfMiy nennt sie Wasserklappe, und sie braucht blos geöffnet zu werden, um dem Wasser, das sich stets nach nur einigermaassen länger fortgesetztem Blasen im Instrumente sammelt, zum sichern Abflussorte zu dienen.

Es ist schon oben gesagt worden, dass auch die Krumm- bögen so Reglest sind, dass alles Wasser aus ihnen der Wasser-

Fig. VI.

klappe zufliesst. Wer sich erinnert, welches Drehen und Wenden bei den gewöhnlichen kolossalen Instrumenten, welches Blasen und Schnauben nolhwendig ist, um das Wasser aus den Windungen der, Röhren und den Cylindern zu bringen, der wird die Wichtigkeit dieser neuen Klappe recht gut einsehen. Bei den Pistons und sogenannten Pumpen ist es oft kaum möglich, das Wasser aus der Maschine zu bringen, und der Ton wird zuletzt vollkommen rasselnd und bollernd.

Ein solches Baroxylon kostet MO 11 Das in der Ausstellung stand in /(,. war aus Neusilber überaus vollendet gearbeitet und kostete 300 II.

Es ersetzt die Bombardons vortrefflich , ja es leistet viel mehr als dieselben; die Töne sprechen leichter und reiner an, es bringt melodische Notenfiguren ohne grosse Schwierigkeit und in vollem Klange hervor ; es erlaubt den nüancirtesten musikalischen Vorlrag, und man braucht nur das Mundstück zu ändern, um es in ein Concertinstrument umzuscliaffen.

Nur ist es, wie bei allen neuen Instrumenten, nolhwendig, dass sich der Bläser zuerst durch hinreichende Uebung mit dem neuen Instrumente und seiner Applicatur bekannt mache. Der Bläser eines gewöhnlichen Bombardons wird natürlich zuerst immer falsch blasen , da er gewöhnt ist, die drei ersten Töne und Ton 8, 9 und 1 0 mittelst seines Ansatzes tiefer zu nehmen.

Stala itt BamytoD la l (mit Bombardon-Mundstück von Öerveny).

3 4 =f 4 =* 4

ü f f l I«?

i

  • r

» -i

und so weiter.

Die Zahlen über den Noten bedeuten die Hebel , die der Finger niederzudrücken bal.

Du Phomkon.

Eine zweite nicht weniger merkwürdige Erfindung Öer- vi-uy's ist das Phonikon, auch Zvukoroh-Phonikon oder Schallhorn genannt, aus dem Jahre <8i8. Es ist eine Art von Euphonion für die Kammer. Die gewöhnlichen Euphonions besitzen einen parabolisch sich erweiternden Schalltrichter ; beim Phonikon ist der Schalltrichter in Form einer lang gedrückten Kugel gebildet , wie der Becher des englischen Horns , so dass sich also die Mündung des zuletzt kugelförmig erweiternden Schaustückes wieder verengt.

Dadurch wird der Ton weich und angenehm auch in kleinen Räumen zu hören und macht das Instrument geschickt, selbst mit Saiteninstrumenten verbunden zu werden. Es stimmt in Bi und !, und reicht bis ins c*. Es besitzt 5 Claves und also auch 5 Maschinen. Zwei davon für die linke Hand stehen an der obersten Krümmung des Instrumentes ; dann folgt die TonWechselmaschine und unlen für die rechte Hand sind die drei gewöhnlichen Claves.

Das Verhältniss der einzelnen Krummbiigen ist hier wieder ein ganz eigenes, höchst sinnreich ausgedachtes.

Obwohl das Instrument 5 Tasten besitzt, so sind es doch nur eigentlich i , welche hier zur Hervorbringung der ganzen Scala dienen.

Der Clavis Nr. l ist der oberste und erniedrigt das Instrument um ', Ton; dasselbe iliut Clavis i. Es befinden sich also an dem Instrumente 2 Claves, welche dieselbe Wirkung äussern, nämlich das Instrument um einen halben Ton zu erniedrigen.

Eine dieser Klappen wird also immer frei bleiben können und dazu dienen, die anderen k Klappen zu unterstützen oder überhaupt das Instrument um einen halben Ton zu erniedrigen, wo es nötbig ist.

Clavis < dient aber nur bei Verbindung sämmllicher Claves; 2, 3, 4, 5, um den durch diese Verbindung entstehenden Ton rein zu machen; denn 2, 3, i, 5 ist eigentlich um einen halben Ton zu hoch. Nimmt man aber die oberste erste Klappe dazu, so wird der Ton wieder um einen halben Ton berab- gedrückt und wird rein.

Clavis -i erniedrigt nämlich das Instrument .um .'.( Töne, Clavis 3 um l Ton, Clavis 3 um l Ton und Clavis 5 um l l Ton, so dass also die fortschreitende regelmässige Erniedrigung folgendermaassen geschieht:

fTon £ 1 11 \Clavis 43 5, nun aber springt der Clavis 2 über den Ton 2 auf J\

Verbindet man alle vier Tasten mit einander, nämlich i, 3,

2, 5, so erhalten wir II., . das aber wegen des kleinen Mundstücks nicht mehr anspricht. Gut spricht die Oclave //t an, der zweite Ton vom Grundton; er ist aber nach dem früher entwickelten Naturgesetze um einen halben Ton zu hoch, deshalb nimmt man den ersten Clavis dazu und erhält nun den zweiten Ton der Scala rein. 3, 2, 5 wieder mit dem ersten Clavis verbunden, geben C?. In dieser Tiefe ist es mit dem Hundstück nicht zu gebrauchen, aber die Octave C. Clavis i, 5, 1 sind l.1, Töne vom Grundion entfernt unft geben mit dem ersten Clavis verbunden in der Oclave Det. D ist vom Grundton um vier Töne entfernt. Verbindet man den fünften Clavis, welcher um (\ Ton erniedrigt, mit dem zweiten, welcher um t\ erniedrigt, so erhallen wir 21 ->- l J - 4, also D nach Zugabe der ersten Klappe.

Es wird auf ähnliche Art erzeugt durch Verbindung von Clavis 2 und 3 mit Hinzugabe von Clavis 1 , E ganz natürlich aus Clavis < und l; weiter hinauf ist Clavis l nicht mehr nötbig.

Das sinnreiche Arrangement dieser Claves bat das Gute, dass man alle die einzelnen Töne der chromatischen Scala blos mittels eines einzigen Clavis erzeugen kann, wodurch jeder Ton freier und klingender wird. Man kann dies sehr leicht sehen und überhaupt erfahren, auf wievielerlei Arten die Tods der chromatischen Scala durch die Wahl dieser Claves erzeugt werden können, wenn man einen Streifen Papier mit horizontalen Linien anfertigt, welche soweit von einander entfernt sind, als die in Tafel II.

Zwischen je zwei Linien trägt .nan die Zahlen der Claves und ihre Verbindungen aus dem Schema der Tafel I, so dass das B des Schema mit dem H der Tafel II zusammenfällt.

F kann Wos erzeugt werden durch Clavis 2 : Fit durch Clavis k und 5; G durch Clavis 5 oder auch durch Clavis 3 und 4 und 3, 5, 2 + ) ; A durch Clavis i, 5 und 2 + l u.s. f.; B ist Naturton, // entsteht durch Clavis l 'und 2, 4 und 2, 4,

3, 5, 2 ; e durch Clavis 2;' et* durch Clavis 4 und 5; d durch Clavis 5; du durch Clavis 3; < durch Clavis i, 2, 4, t und 4 etc. ; / ist Naturton , fit entsteht durch Clavis 4 und 5 ;

g durch Clavis 5 ; gif durch Clavis 3 ; a durch Clavis 4 ; 6 ist Naturion; h durch Clavis 3 und 4; c1 durch Clavis 3; eil1 durch Clavis 4 ; d ist Naturion ; <iisl durch Clavis 3 ; <' durch Clavis 4 ; /' ist Naturton; /b1 durch Clavis 4 und S; g1 durch Clavis 6 ; ffu1 durch Clavis 3; a1 durch Clavis 4 ; bl ist Naturton ; h durch Clavis 5; c2 durch Claris 3.

Dabei gewährt Clavis l noch den Vorlheil, dass er stets den nächsten Ton der Scala um einen halben Ton verlieft, also als Trillerklappe für halbe Tontriller für A, As, Ci» vortrefflich gebraucht werden kann.

Ein Instrument der Art kostete mit alter Maschine und Aufsatzbögen 95(1., mit Tonwechsel 100 fl., mit Cylinder und Aufsalzbögen H5fl., mit Tonwechsel l 20 II. Das Ausgestellte war von Neusilber so vortrefflich gearbeitet, als wäre es aus den Händen des Drehers hervorgegangen und kostete 260 fl.

Du EnphonlOD.

An diese Tenorsoloinstrumente reihen wir das Eupho- nion (Abbildung I 3, Nr. 8 des uerveny'schen Verzeichnisses) an, anderwärts auch Baryton genannt.

Es war wohl das erste Ganzinstrument, dessen Ton einer Orgelpfeife von gleicher Länge entsprach.

Es wurde als Oclavophiklelde mit Ventilen zuerst von dem Concertfsten P. Sommer aus Preussisch-Schlesien angegeben und t 843 von einem Blasinstrumentenmacher auf dem Lande, wenn auch ziemlich unvollkommen ausgeführt. Sommer ging mit dem Instrumente nach Wien. Er liess sich ein neues, vollkommeneres von dem Instrumentenmacher Franz Bock daselbst anfertigen und gab, da es besser gelungen war, in Wien zuerst Concerte darauf. Da sich noch immer Mängel an dem Instrumente fanden, trat Sommer mit dem Blechblasinslrumenlen- macher Franz Hell in Wien zusammen und liess sich hier ein anderes, verbessertes Instrument anfertigen, auf welche Verbesserung Hell ein kaiserliches Privilegium nahm.

Nachdem Sommer auf diesem Instrumente in Wien noch einige,Concerte gegeben hatte , ging er nach Prag, kam 1844 nach Königgrgtz, besuchte unter anderen Städten Deutschlands auch München und liess sich in London nieder, wo er eines seiner Instrumente zur Ausstellung brachte und dafür eine Ehrenerwähnung erhielt, obwohl er sicher mehr verdient hätte.

Sommer hielt die Construclion und die Mensur seines Instrumentes sehr geheim; indessen wurden Instrumente dieser Art bald sehr häutig nachgemacht und erhielten in Deutschland den Namen Baryton.

Die Euphonions, wie sie gewöhnlich gebaut werden, stehen in B und reichen bis tos F. Sie besitzen vier halblönig abwärts steigende Maschinen, welche indessen nur dazu dienen, die Lücken zwischen der ersten Octave auszufüllen. Ihre Weile ist von der Art, dass der Grundton des Ganzinstrumentes noch gut anspricht.

Cerveny's Euphonions zeichneten sich wieder durch etwas weitere Mensur und durch eine eigenthümliche Anwendung seiner Maschine, deren Tonfolge durch einen Sprung unterbrochen ist, so wie durch reine Stimmung, schönen Ton und bedeutenden Umfang aus.

Seine Instrumente kosten nach alter Art 65 fl., mit Tonwechsel 70 fl.-; mit Cylinder und Krummbögen 80 fl., mit Tonwechsel 85 fl.

Der Bombardon.

V. F. (\-r-,!-n\ hatte Bombardons ausgestellt. Zwei Bombardons in F (Harmoniebass) mit Tonwecbsel und Stimmzug (Abbildung II 4, Nr. 49) im Preise zu SO fl., halten die engere Dimension der ersten Bombardons, waren aber von vortrefflichem Tone, Scala rein und äusserst leicht ansprechend.

Ein Bombardon weitester Mensur mit vier Pistons (Abbildung II i, Nr. i8) von ausserordenllicli krUfiigem Tone und sehr reiner Scala. Preis HO fl.

Die Buitnba.

Uasstuba in C (Abbildung I t, Nr. 3) von Öerven^ in Königgrälz. Ein Contrabass in «, i 68 fl. weitester Mensur mit vier Maschinen, schönem vollen Ton, äusserst leichler Ansprache

und reiner Scala.

Der Oontnbais.

Wir wollen nun Öerven^'s Instrumente vorführen, welche er seit 4854 neu geschaffen, umgeformt oder verbessert hat und deren Bau wir durch Abbildungen versinnlichen können.

Fig. VII.

Dazu gebort vor Allem der Contrabass in B (Fig. VII). Er besitzt vier C»rveny'sehe Cylindermascbinen. Sein Tonumfang ist von l"\ bis 6. (Vneiiy hatte das Instrument auf Verlangen des k. k. Kapellmeisters Alsclier gebaut, der einen

dicken, durchdringenden Basstou wünschte. Cerven j entsprach dem Verlangen und baute seinen Contrabass zuerst in F und C, zuletzt in B. Das Instrument schliessl die dickste vibrirende Luftsäule ein, die noch von dem Atliem des Menschen vollständig bewältigt werden kann. Durch dieses Instrument war einem grossen Bedürfniss in der Blasinslru- mentalmusik Rechnung getragen und das Instrument fand so vielen Beifall, dass schon ein Jahr darauf eine nicht geringe Anzahl von Imitationen ins Leben trat, die in der Hauptsache denselben Bau mit unwesentlichen Abänderungen in der Maschine etc. zu Grunde legten, dabei aber ihren Instrumenten einen anderen Namen gaben, z. B. Helicon, Pelliton, Saxborn- Contrabass. Das gewältige Instrument ist nicht ganz einen Meter, nämlich 90,3 Centimeler hoch. Du Cornon.

Neu ist ferner das Cornon; das erste stammt bereits aus dem Jahre 1 «44. Der Name weist schon darauf hin, dass das Instrument zu den Hörnern gehöre. Es ist ein Hörn, wird mittelst ein.es Hornmundstückes angeblasen und reicht von D bis e*. Es besitzt den charakteristischen Hornton, aber dieser Hormon bat eine viel grössere Fülle, als der der gewöhnlichen IliirniT.

Öi-neny halte die Erfahrung gemacht, dass die Töne der gewöhnlichen engmensurirten Hörner sehr häufig mit ihren Tönen von den Klängen der Metallblasinslru- mente unserer Militärmusiken bedeckt werden und verschwinden, die Hörner selbst aber für den Cavalle- risten höchst unbequem werden.

Die neue Form gewährt noch überdies den Vortheil, dass der Scballbecber nach oben zu sieben kommt. Abt Vogler beklagte schon im vorigen J.ilir- hunderte den Miss stand , dass die Hornbläser die Schallbecher anstatt nach oben rückwärts kehren und auch häufig die Hand in dem Schallbecher, des etwa erforderlichen Stopfens halber ruhen liessen. Dieser Debelstand rührt von der Form der Hörner her, die ehemals Jagdhörner waren und von den Jägern um die Schulter getragen wurden. Vogler liess bei Aufführungen, wo er das Orchester leitete, den Schallbecher der Hörner immer nach oben kehren.

Das erste Cornon wurde bald verbessert und öerven^ fertigte später solche Hörner auch in E, Es, D, auch für die Tenorlage in C und B. In der Figur VIII sehen wir das Cornon nach den neuesten Ver-

Fig. VIII.

Fig. IX.

besseruogen. Es besitzt vier Cylinder und tut seinem ualeren Theile die Tonwechselmaschine oder das Wechselrad mit seinem Zeiger angebracht.

Hiraer.

Für einen eigenen Zweck bat Öerveny die gewöhnliche Form des Hornes beibehalten , jedoch wieder in einer

merkwürdigen Slructur. Er bat es Prim-Horn genannt (Fig. IX) ; es stammt aus dem Jahre 1873 und steht in /' oder Es und besitzt vier Walzen und einen Tonumfang von c bist?2. Abgewickelt als gerade Röhre misst es JIO Centimeler, also nicht ganz 6'/j Pariser Fuss.

Das erste Hörn bat gewöhnliche melodiöse Sätze in den Aren Tonlagen auszuführen, aber gerade in diesen hohen

Tonlagen sind die Töne a des e f fix g gii a nur vom Heister rein und sicher zu in- toniren. Bei Militär- musikern, bei welchen die Dienstzeit des Hor- nisten nur drei Jahre dauert, ist es selten möglich, so gewandte Hornisten aufzufinden, denen diese hohen Töne anvertraut wer- den können, man muss sie deshalb oft anderen Instrumenten über- tragen. Auch in kleinen Orchestern bat man nicht immer Hei- ster auf dem Hörne.

Orven v conslruirte deshalb sein sogenanntes Prim-Horn, d. U. ein um eine Octave höhergestimmtes Hörn in F. Die eigentlichen gefährlichen Töne a d des etc. kommen nun in die Mittellage des Hornes als eigentliche Herztöne dts Hornes, welche jeder nur mit- telmässige Hornist mit voller Sicherheit inloniren kann. Die Abbildung des l'riui- Hornes trägt im l'erveny'schen Verzeichnisse die Nr. 9.

lieber den Effecl dieses Horns giebt ein Schreiben des Prinzen Alexander von Württemberg- vom 48. Dec. 1873 an

Fig. X.

Cerveny^ das beste Zeugniss. Der Prwz schreibt: »Ihr l'rim- horn ist ein ganz vorzüglich gelungenes Instrument: denn wer es bis jetzt gehört hat, fand, dass es reizend singe 'und. sich im Salon für Clavierbegleiluug viel bacaer eigne, als das Flügel- horn. Es spricht überaus leicht an in Höhe und Tiefe, stimmt äusserst rein und klingt wie Waldhorn.o Dieses merkwürdige Hörn wurde nach einem Verlaufe von zehn Jahren in Bresliu in Schlesien genau copirt und als eine ganz neue Erfindung in die Welt gesandt.

Noch interessanter ist das Kaiserbarytot. (Fig. X), erst im Jahre Ix.ki aus der Fabrik hervorgegangen, in C oder /(,. Es besitzt vier Walzen und hat einen Umfang von drei Octaven von B bis d2.

Es ist das erste theoretisch rationell gebaute Instrument. und sein Rohr ist vom Schallbecher an bis zum Mundstück rein konisch. Der Ton, durch die reine Form bestimmt, ist ausser- ordentlich rund, von einer merkwürdigen reinen und charakteristischen Tonfarbe, der wohl etwas an die Töne des Cello erinnert und selbst im Salon ausserordentlich reizend klingt, obschon es selbst kn Chore der Hilitärmusiker sich echt charakteristisch bemerkbar macht.

Ihm verwandt, aber sehr eigentümlich, ist das Obligat- Alt-Horn (Fig. XI) aus dem Jahre 4861.

Es ist in der äusseren Gestalt dem vorausgehenden Kaiserbaryton ähnlich , jedoch als Alt-Instrument von geringerem Umfange, obwohl es mit seinen drei Walzen von A bis .7- reicht. Es ist gerade als meiodteführendes ' Instrument wegen seines markigen weichen Tones sehr beliebt geworden.

Wir wenden uns nun, nachdem wir die Eigen- thümlicbkeiten der öer- veuy'schen Bauart, namentlich in den schwierigeren tiefen Blasinstrumenten gezeigt. den einfacheren an die ältesten erinnernden Blasinstrumenten zu, die sich bald in Blasinstrumente mit der »Maschinen verwandelten.

Das R o s c h e k , Signalborn, Cor- netl, war ursprünglich ein verjüngtes, mit einer Hand zu behandelndes Hörn, das beim Militär benutzt ward, um Signale zu geben, die auch in der Ferne bemerkbar waren; besonders wurde es angewendet, die Bewegungen der Flügel der Infanterie zu lenken, daher es auch Flügel- horn beisst. Als kurzes Hörn wurde es natürlich zu (musikalischen) Märschen aus Blasinstrumenten zusammengesetzt angewendet, daher waren solche Hörner von verschiedener Stimmung nöthig. Auch als Jagdborn wurde es benutzt, und das Postborn ist ein kurzes Signalhorn.

Diese Hörner wurden wie gewöhnlich den grössten Theil ihrer J-£nge aus einer cylindrischen Röhre, wie dies bei den Hörnern, Trompeten und Posaunen der Fall war, gebildet, die sich in einer kurzen konoidiscben Partie -und mietet in den

Fig. xr. Schallbecher verlief. So verhält sich z. B. beim französischen Cornell der konoidisch» Iheil dos Cornetts zum langen cylin- drisrhen wie 88 zu (30.

Das alte einfache Signalhorn balle natürlich nur die Töne c' <7> c* «* ff2 »' c'.

Dagegen führte Cerven^ sein einfaches Cornett bereits im Jahre l 867 durch die ganze Länge des Instrumentes konoidisch durch und nannte es, dls für JSgerlruppe bestimmt, »Jügerhorn«. Der Ton des Jägerhorns ist trotz seiner Kraft sehr ansprechend, sodass es als Signalhorn in der kaiserlich österreichischen Armee eingeführt wurde. Es ist nur 30,8Centimeter hoch.

Am einfaches Flügelhorn wurde natürlich bald die sogenannte Maschine, die Ventil- oder endlich Walzmaschine angebracht, um mehrstimmige Märsche damit auszuführen; indessen behieltet! die alten iranzösischen Cornette mit ihren cylindrischen Trompelenröhren einen unangenehmen schreienden Ton, der für die Ohren der Engländer und Deutschen weniger angenehm ktingt als für die Ohren der Franzosen. Cerveny baute deshalb auch hier seine Cornetls mit seiner konisch konoidischen Röhre ; der schreiende Ton verschwand und das Cornelt war sogar recht gut im Concertsaal zu hören.

Wir sehen hier das Cerveny'sche Cornett (Fig. XII) mit seinen drei Walzen und das Cornett von San mit seinen drei Pistons (Fig. XIII).

Fig. XII

Fig. XIII.

Noch müssen wir einer neuen Verbesserung, die Cerveny an seinen Cornetts angebracht hat, erwähnen.

Bei allen Flügelhörnern gewöhnlicher Art bildet der Speichel, der sich in den Bögen, in der Hauptbiegung und in allen Röhren der Maschine endlich sammelt, ein Haupthinderniss beim fortgesetzten Blasen. Die Töne sprechen endlich schwer an und verlieren an Reinheit.

Cerveny hat nun die Krümmung der Röhre und die Stellung der Maschine so angeordnet, dass der Speichel sich nur an einer Stelle sammeln kann, wo er durch Niederdrücken einer Klappe sogleich ohne alle Störung aus dem Hörne entfernt wird. Die Klappe liegt an dein beim Blasen des Instrumentes tiefsten Theile des Bogens.

In Fig. XIV ist das Flügelhorn in C mit der neuen Walzenmaschine zu sehen.

Ermuntert durch den Erfolg, dessen er sich mit seinen Cornetts in verschiedener Stimmung erfreute, kam Öerveny auf den Gedanken, ein ganzes Concert-Hegister aus seinen Cornetts zu bilden. Cerveny wählte für seine Cornelts die Kreisform des alten Hornes; dabei begann sich der Durchmesser des Rohres viel

Kig. XIV.

rascher zn erweitern, als dies bei den übrigen Blasinstrumenten der Fall war. wodurch der Ton trotz alles Markes sehr weit vernehmbar wurde.

Er baute ein Cornett in Es für den ersten und ein etwas grösseres in B für den zweiten Sopran, eines in Es für den Alt und das grosse in B für den Tenor.

Kig. XV.

Fig. XVI.

Fig. XVII.

Das erste Flügelhorn für den ersten Discant sehen wir in Fig. XV in Es; für den zweiten Discant haben wir das Instrument Fig. XVI, für den All das Flügelhorn in Et, Fig. XVII, und für den Tenor das Flügelhorn Fig. XVIII.

Kaiser Alexander III. war so erfreut über den Ton und die Wirkung der Instrumente, dass er Ccr- veny erlaubte, das Quartett nach seinem Namen »Kaiser Alexander-Quartett« zu nennen ; König Wilhelm I. von Preussen belohnte Öerveny für die Erfindung dieses Cornett-Quartetts mit dem Ritterkreuze des kgl. preussischen Kronenordens. — Kaiser Alexander III. äusserte endlich den Wunsch, zu dem Quartett noch ein Contra- bass Cornett zu erhalten, wenn es überhaupt möglich wäre, einen solchen Contrabass zu bauen, der in seiner Grosse sich den übrigen Instrumenten von so gefälliger und so leicht zu handhabender Form anschlösse. Cerveny überwand alle Schwierigkeiten und schuf sein Con- trabass-Cornett in H, das von F, bis f1 reicht. Wir sehen es unter Fig. XIX mit einer ebenfalls nur aus drei Walzen bestehenden Walzenmaschine.

Dieser merkwürdige Contrabass ist von bewunderungswürdigem kleinen Umfang. Der Durchmesser des Kreises, in welchem f.

das Rohr aufgewickelt ist, betrügt nur 6'/2 Decimeter, die Oeffnung des Soliallbcchers beträgt nur 200 mm, während der gewöhnliche Contrabass der Blechinstrumente 290 mm im Durchmesser misst; dabei ist er überhaupt um die Hälfte leichter als ein gewöhnlicher Contra- bass der Militärmusik.

Das erste Oiscant-Cornett ist sogar sehr niedlich; sein Kreis hat nur 4 '/j Decimeter, das Tenor-Cornett ist ebenfalls sehr klein ; seine Kreiswindung hat nur 3'/2 Decimeter Durchmesser. CervenJ hat überdies das ,Quartett noch bedeutend vervollständigt; er hat zu seinem Quartett-Cornett noch einen Baryton in B und einen Bass-Cornett in Es hinzugefügt. Nicht weniger merkwürdig sind die Längen dieser seiner Cornett- rohre, wenn wir sie uns abgewickelt als gerade Röhren denken.

Fig. XIX.

So hat das erste Discant-Cornelt in Et eine Länge von {00 Cenlimeter. Das zweite Sopran-Cornett in B eine Länge von (35 Centimeter. Das Alt-Cornett in Es ist 201 Centuoeter lang. Das Baryton-Cornett hat 270 Centimeter in Länge. Das Bass-Cornelt in Es ist 410 Centimeter lang. Das Cootrabass- Cornett 558. Centimeter, also über mehr als i 7 Pariser Fuss.

In Böhmen sind die Turnvereine, die Lucal-Turnvereine sehr häufig, so dass sie zu ihren gesellschaftlichen Evolutionen statt der so verschiedenen gewöhnlichen Signalhörner ein Signalhorn wünschten, das durch seinen Toncharakter schon für ihren Z weck sich von dem gewöhnlichen Signalhorn unterschied.

Cerveny erfand deshalb für die Turner sein Turnerhorn, seinen Sokolovka. Das erste war ein F-AIthorn, das zweite ein f-Horn als Bass.

Um diese zwei eigenthümlich ausgeführten musikalischen Hörner noch zu vervollkommnen, hat öerven^ auch die sogenannte Maschine an beide Hörner angesetzt, jede mit drei Walzen, deren Drücker sinnreich angebracht sind.

Der Alt-Sokolovka, Fig. XX, reicht von c bis /*, der i(ass- Sokolovka, Fig. \XI, von G bis c1.

Trompeten, Posaunen. Fagotte.

Zu den Blechblasinstrumenten mit cylindrischer Röhre, die in einen konischen Schallbecher endet, gehören die Trorn.- peten, Posaunen und auch die Fagotte aus Blech.

Trompeten hat (.Vrvonv mehrere, jede mit drei CyUndern

gebaut: Sopran-Trompete in C, Basstrompete in C, Orchester- trompete in F, Accompagnement-Trompete in Ei. Sie finden sich im Kataloge abgebildet Nr. 66, 73, 7t, 71

Fig. XX

Fig. XXI.

Die richtige Stellung der Maschine bewirkt allein eine leichte, richtige Ansprache durch die ganze Scala.

Die Armee-Posaunen haben durch (Vrvrny eine ganz neue Gestalt erhalten. Die Hauptröhre ist auch da cylindriscli; aber (Vnriiy hat eine weitere Mensur angenommen, wodurch der Ton, ohne an seinem Charakter zu verlieren, voller und weiter dringend wird.

In der neuen Form sind sie für die Cavallerie ebenso bequem zu gebrauchen wie für das Orchester. Die Röhre ist in parallele kurze Windungen gelegt wie bei der Trompete. Die grösste Länge hat der letzte konische Theil mit dem Schallbecher ; er ist, deshalb vorwärts übergebogen, so dass die Mün- dupg des Schallbechers vom Bläser abgewendet nach vorwärts gerichtet ist. Sie haben alle eine Maschine mit vier Walzen.

Die Ariuee-Bassposaune in f, Fig. XXII, reicht von B{ bis c1 und ist Aufgewickelt 365 Cenlimeter lang.

Die Armee-Tenorposaune, Fig. XXIII, in B beginnt mit £sa und reicht bis zu d; ihre Lunge aufgewickelt misst 27! Centimeter.

< Wv.i-ny hat auch einen vollständigen Chor von seinen Armee-Posaunen hergestellt. So hat

die Armee-Altposaune in £t eipe Lunge von 105 Cenlimeler, die Tenorposaune in £ - - - fit

die Bassposaune in F - --365

die Contrabassposaune in B - - - 565 also nahezu (1\. Pariser Fuss.

Wir kommen endlich zu einem Instrumente, dessen qiuäi- kalischer Ton nur noch mittelbar durch die Lippen erzeugt wird. Das Mundstück, von den Musikern überhaupt das Rolir genannt, besteht'aus zwei dünn geschnittenen elastischen, etwas gebogenen BlSUchen aus dem sogenannten spanischen Rohr geschnitten, unten zu einem Röhrchen aufeinander gebunden, oben daumennagelbreit und nur mit den Rändern einander herrührend, so dass zwischen den beiden Blättchen eine Oeftnung, dem Umrisse eihes Gerstenkornes ähnlich für den Eintritt der Luft bleibt, da beide einander berührende Blättchen durch den Durchstoss der Luft zusammengedrückt und sogleich ihre alte Form annehmend vibriren. Dieses Mundstück giebt, angeblasen für sich, zwar einen sehr hohen Ton, der sich aber mit der . langsam schwingenden Luftsäule des Instrumentes vereinigend wird, sich der.jangsam schwingenden Luftsäule zu , innl unter gewissen Umständen gestattet, das In- «ogar kürzer zu bauen, als wenn der Ton allein durch

H*«

die Lippen erzeugt worden wäre. Die Lippen reguliren hier gewissermaassen die Schwingungen der vibrirenden Blättchen, indem sie dieselben nach Umständen verlangsamen oder auch rascher machen.

Fig. XXII.

In früheren Zeiten schloss man das Rohr mit seinen vibrirenden Blältchen ein/ach in eine Kapsel ein, die ebenfalls mit dem Instrumente luftdicht verbunden, oben in einen Schnabel verlief, den der Spieler gleich einer Labialpfeife in den Hund steckte. Eine Nüancirung des musikalischen Tones Hess sich natürlich nicht bewirken, eben so wenig wie z. B. beim Flageolet.

Wir haben es hier ferner nicht mehr mit den Aliquottönen einer Luftsäule allein zu thun; bei diesen Instrumenten sind die Seiten des Instrumentes durchbohrt und mit Klappen versehen. Die Luftsäule wird hier mit jedem geöffneten Griffloche kürzer und kürzer abgeschnitten und immer höher gemacht, und durch die Klappen, welche das Griffloch nacheinander ver- schliessen, wird die Luftsäule immer mehr und mehr verlängert, also vertieft, bis sie ihren ursprünglichen Umfang wieder erreicht.

Da die Grifflöcher bei langen Instrumenten mittelst der Finger nicht mehr erreicht werden können, wenn die Kinger sie auch zu bedecken im Stande wären, so hat man sich, wie soeben bemerkt, der sogenannten Klappen bedient, welche, durch ein System von Hebelverbindungen regulirt, statt der Finger die Oeffnung schliessen.

Die interessantesten dieser Rohrinstrumente sind um desto schwieriger zu verfertigen, je länger sie werden müssen und desto tiefer sie stimmen. Zu diesen schwer herzustellenden

Instrumenten gehört das Contra-Fagott für Militärmusiker. Man hat es Harmoniebass und Schellast hat dasselbe Triton i koo genannt, was wahrscheinlich an Triton erinnern soll (Fig. XXIV).

Wir sprechen hier vorzüglich von dem Contra-Fagott, das trotz seines merkwürdigen Toncharakters von den früheren classischen Tonsetzero zu un- Mtin grössten Leidwesen ganz vernachlässigt worden und, wo es vorgeschrieben war, gewöhnlich, durch das Bombardon ersetzt werden musste, vorzüglich weil es wegen seiner kolossalen Form schwer zu handhaben war, auch viele Töne schwer oder stets unrein ansprachen.

Stehle in Wien hat im Jahre (835 zuerst ein Metall- Contra - Fagott gebaut, das leicht und rein ansprach, aber wegen seines gros- sen Umfanges Wenige fand, die sich mit seinem Studium beschäftigen wollten.

CervenJ, der dem interessanten- charakteristischen Instrumente wieder zu einem Platze im Orchester verhelfen wollte, baute nun ein Instrument, das schon im Jahre (839 fast um die Hälfte kürzer geworden war als das Stehle'sche Contra- Fagott und im Jahre (856 zu einer Vollendung gebracht wurde, die auch der Generalmusikdirector Wieprecht bewunderte.

Da das Schallstück bei Instrumenten mit Seitenöffnungen nur für die untersten Töne von Bedeutung ist, machte CervenJ die Seitenöffnung nach dem System Böhm's so gross als es anging, ordnete die Stellung der Grifflöcher rationell und machte dadurch die Spielart nach dem System Böhm's sehr bequem und leicht.

Das Contra-Fagott aus dem Jahre (856 steht in Es mit (i Klappen nach Böhm's System. Es ist nur 7,9 Decimeter hoch und reicht von £> bis es.

An diese sich anschliessend, erfand Cerven^ (87t endlich sein Sub-Contrafagott. Es ist das tiefste aller musikalischen Instrumente; denn es intonirt noch recht gut das 64- füssige B3 und reicht bis zum /'. Es ist deshalb noch um einen ganzen Ton tiefer als die grösste Orgel bei einer Höhe von nur (0 Decimeter.

Das 32füssige C der Orgel ist,'für sich angespielt, mehr ein musikalisches Beben, Summen und erhält erst seine Bedeutung, wenn es mit seiner Octave, Quinte zusammen erklingt. Vogler sagt, er habe nie einen absolut bestimmt abgegrenzten musikalischen Ton von einer Pfeife gehört, deren Länge 16 Fuss übertraf. Das neue Instrument ist schon deshalb von grosser theoretischer und praktischer Bedeutung.

Das Tritbnikon ist bei MUitärmusikern in Oeslerreicb,

Fig. XXIII.

Holland, Spanien und Russland ein sehr beliebtes Instrument geworden.

Pauken, Trommeln etc.

Auch krustischen Instrumenten wandte öerveny seine geniale Kraft zu und auch hier wirkte seine Hand verbessernd und veredelnd.

Wir wollen hier nur seine verbesserten Pauken, Heerpauke und Kesselpauke (englisch Kettet drums), erwähnen. Die Trommel, die Pauke sind Instrumente, beinahe so alt als das historische

Menschengeschlecht selbst. Ein Thierfell über einen Reif gespannt (Tamburin), dieses einfache Instrument finden wir in der Hand der Tänzerinnen der alten und neuen Welt, bei den ältesten Aegyp- tern und den spanischen Tänzerinnen der neuesten Zeit. Die Finger, -ja die Hand selbst, brachte das gespannte Fell zum Schwingen oder Tönen.

Die wilden Völker spannten ihre Thierfelle über einen ausgehöhlten Baumstamm. Die Finger der Hand waren hier nicht kräftig genug; man bediente sich eines Stockes, der am Ende zugerundet war, dass er kein Loch in das Fell schlug, und sie fanden sogleich, dass der Ton ein viel vollerer, krif- tigerer und wt-Hertragend ' erschien als der eines Reifens, über welchen eio Fell gespannt war. Man spannte zulettt noch ein zweites Fell über du an- ten offene Ende des Baunj- stammes. Die Kraft de* Instrumentes war dadurch bedeutend vergrössert; denn schlug man auf das obere Fell, so setzte sich auch das untere in Bewegung.

Der durchdringende,

weithin tragende Ton dieses einfachen Instrumentes machte es bald zu einem unentbehrlichen Instrumente im Kriege, um den Schritt, die Bewegung der Truppen, ja ihre Functionen zu leiten und zu reguliren. Man spannte später noch über das untere Fell der Trommel ein paar Darmsaiten, die geschwinder vibrirten als das Fell, bei jeder Schwingung derselben auf das Fell schlugen und den eigentümlich rasselnden, schnarrenden Ton der Kriegstrommel hervorbrachten, weshalb man diese Saiten auch gewöhnlich Schnarrsaiten nennt. Dieser rasselnde, rollende, wirbelnde Schall ist das Charakteristische der Militarirommel; aber ihr eigentlicher

Fig. XXIV.

voller, kräftiger Ton hängt von der Luftmasse ab, die Zwischen beiden Fellen eingeschlossen ist.

Dieser Luftcylinder, zwischen beiden Fellen eingeschlossen, muss an Höhe wenigstens dem Durchmesser des schwingenden Felles gleichkommen; erst dann übt das oben durch den Schlägel in Schwingung versetzte Fell seine volle Wirkung auf das untere aus, was sich auch durch ein sehr einfaches Experiment nachweisen lässt. Erst in der allerneuesten Zeit hat man es unternommen, die Trommel immer kürzer zu machen, damit sie leichter werde; der Luftcylinder erreicht gegenwärtig in seiner Höhe kaum die Hälfte des Durchmessers des Felles. Dadurch geht die eigentliche Fülle des Tones verloren und man hört nur noch die Schnarrsaiten eines grossen Tamburins. Der Ton unserer gegenwärtigen Trommeln erinnert mich immer an unsere Trommeln, wenn wir als Kinder Soldaten spielten.

Die früheren Zeiten hatten da die Erfahrung viel richtiger benutzt.

Die Chinesen besitzen acht Sorten von Trommeln, die bis auf ein paar sehr gross sind. Der Körper, über welchen die Felle gespannt sind, ist fassartig gebaut (die Perser bedienen sich eines wirklichen Fasses), also ist in der Mitte des Trommelkörpers der grösste Durchmesser. Die grösste Trommel der Chinesen ist das Yng-kou. Es ist \ i chinesische Fuss (9 Meter) lang. Jedes Fell bat 4 Fuss (< Meter) im Durchmesser, dabei hat die Mitte des Fasses 6 Fuss im Durchmesser.

Die zweite Trommel ist ('>'/.> Fuss lang. Das Fell bat wieder 4 Fuss im Durchmesser, die Mitte des fassarligen Körpers dagegen hat 6 '/j Fuss Durchmesser; sie heisst Lei-kou, denn man bedient sich ihrer, um den Donner, Sturm und Gewitter zu charakterisiren wie auf unseren Theatern.

Die dritte Trommel ist 3 Fuss lang, der Durchmesser der Felle beträgt wieder 4 Fuss. Der Durchmesser des fassartigen Körpers in seiner Mitte wieder 6'/2 Fuss. Sie war bereits JJ05 Jahre vor Chr. unter der Dynastie Hia in Gebrauch.

, Von der kleinen Trommel Tao-kou giebt es vier Sorten. Eine kleine Trommel Chbuo— pi repräsentirt unsere grosse ehemalige Cavallerietrommel, die kleine Yng-pi ist von der Grosse unserer ehemaligen Infanterietrommel. Die Trommel Ya-kou ist (', t Fuss lang, und das Fell hat 7 Zoll im Durchmesser. Diese allein wird an einem Band getragen; die übrigen stehen auf Bitter hölzernen Säule. Die kleinste ist ein Fuss lang, das Fell jedoch hat ebenfalls einen Fuss im Durchmesser. Die kleinste Trommel Tao-kou ist 7 Zoll lang, ebenso bat das Fell 7 Zoll im Durchmesser.

Man sieht, die scharfsinnigen Chinesen haben das Verhältnis* der Länge des Gefasses, über welches das Fell gespannt ist, zum Durchmesser des Felles besser getroffen, als die neuesten Umformer unserer Trommel.

Die Afrikaner Araber, endlich spannten das Fell über irdene Gefässe oder solche aus Metall, und diese Halblrommeln waren die Vorläufer unserer Pauken. Erst als sich das Trompeten- ' spiel eptwickelte, begann man auch die Pauken zu vergrössern, grössere Gefässe von Holz oder zuletzt aus Melal^blech zu verwenden und Vorrichtungen anzubringen, um die Pauken zu den Trompeten stimmen zu können, die dazu einen energischen Bass bildeten.

Die Trompeten und deshalb auch die Pauken waren Eigen- thum des Kriegers und deshalb auch des Kriegsherrn. Zu den Trompeten der Cavallerie gehörten immer ein Paar Pauken. Sie hingen an dem Sattel des Cavalleristen; die eine an der rechten, die andere an der linken Schulter des Pferdes.

An den Höfen wurde einst das Zeichen zur Tafel durch die Trompeter und Pauker des Hofes gegeben. Bei jeder feierlichen Erscheinung des Fürsten, wann er in den Krieg zog,' immer ritten oder gingen die Hoftrompeter und Pauker dem Zuge des Fürsten voraus.

Im bürgerlichen Leben durften daher Pauken gar nicht geschlagen werden. Nur die Gegenwart einer fürstlichen Person oder wenigstens eines Doctors oder Magisters, die damals dem n ledern Adel angereiht wurden, machte eine Ausnahme vom Gesetze. Anfangs waren Pauken, die beim Hofe angewendet wurden, wahre tiefe Kessel, die oben manchmal auch etwas eingezogen waren. Später machte man sie niedriger, so dass der Paukenkessel eine Halbkugel bildete. Die Pauken ruhen auf einem eisernen Hinge, der von drei Füssen getragen wird, oder die eisernen Fiisse sind an den Kessel selbst angenietet.

Wird nun bei dieser Stellung der Pauken nicht für eine unterstützende Unterlage gesorgt, auf welche die Füsse der Pauke zu stehen kommen, so wird jede freie Vibration, jedes Klingen des Tones oder eigentlich ,die Entwicklung des Tones gehemmt, und der Paukenschlag klingt, als ob man auf ein Bret geschlagen hätte, d. i. hölzern, klanglos. Diese ArtKlang- losigkeit ist auch die Schaltenseite der Maschinenpauken. Entweder wird der Kessel durch ein Schrauben- oder Hebelwerk von unten hinauf an das Paukenfell gedrückt, oder der Paukcn- kessel steht unverrückbar auf einer Unterlage fest, und das Paukenfell wird über seine Mündung durch Maschinen kraft herabgezogen; in jedem Falle ist der Pnukenkcssel noch unfreier, als wenn er auf seinen drei Füssen angenietet ist oder in seinem Kranzgestelle steht.

Cerveny hat diesem Uebelstandc sinnreich abgeholfen (vgl. Flg. XXV), indem er den Paukenkessel frei in ein drei- füssiges Gestelle aufhing, dessen Kranz erst oben unter dem 'Ringe des Felles den Kessel selbst trägt. Statt der (0 Schrauben, welche gewöhnlich das Fell über den Kessel spannen und mittelst eines Schlüssels gedreht werden müssen, hat Cerveny nur sechs Schrauben angebracht, oben mit breiten Köpfen versehen, welche mit der Hand gefasst werden können. Der Schraubenschlüssel und das Klappern beim Anstecken des Schlüssels an die (0 Schraubenzapfen ist dadurch vermieden und das Summen der Pauken äusserst leicht geworden.

Auch die Form des Paukenkessels hat Cerveny vereinfacht. An die Stelle des aus Kupferblech getriebenen halbkugelför- migen Paukenkessels hat er einen abgestumpften verkehrten Kegel gelegt, auf dessen breiter Oeflnung das Paukenfell liegt. Die untere Oeffnung ist durch eine dem Paukenfelle parallel liegende Blechplatle geschlossen, welche das zweite unlere Fell der Trommel repräsentirl.

Hg XXV.

Cerveny^ hat ein Paar solcher Pauken in die Volivkircho des Kaisers Franz Joseph I. ex voto 1876 gelieferl, nebst einer Menge anderer musikalischer Instrumente so reich als möglich und, wo lluinlich. im reichsten politischen Stile ausgestaltet. CervenV hat da mit einer Art von Begeisterung für seinen Kai

ser gearbeitet, und so ist in seiner Hand das Einfachste zu einer Art Blutnenstrauss geworden. — In der Votivkirche zu Wien hat Öerveny statt der Glocke an der Sakrisleilhüre, welche das Heraustreten des Priesters dem Volke anzeigt, eine Glockenpyramide construirt, die auf einer reichen, ingolhi- schem Stile ausgeführten Console steht. Die Pyramide besteht aus acht Glocken, an welche beim Anziehen am Zugbrete acht Hämmer zugleich schlagen. Die Glockenpyramide lässl in der Wiener Volivkirche den Amoll- Accord und seine Oc- tsve erklingen: acea. Cerveny hat es Glocken - Accor- d i o n genannt (siehe Fig. XXVI).

Wir wollen zum Schluss nur noch seiner selbst verfertigten und gut gelungenen türkischen Becken, Cinellen, (Pialli), sei- nerTriangel n. dgl. erwähnen , die alle vom Scharfsinne des Technikers zeugen.

Wenn wir das fünfzigjährige Wirken unseres genialen Erlinders betrachten,

der, erst zuletzt von seinen zwei Söhnen Jaroslav und Stanislav unterstützt, unter unablässigen Versuchen, Arbeiten und Mühen zu seinem Ziele gelangle, so muss man den unerschütterlichen Muth des Mannes bewundern, der tausendfache Schwierigkeiten überwand, um zu diesem letzten Ziele zu gelangen. Wer aus eigener Erfahrung weiss, wie viel Mühe, Zeit und Geld jeder rationell angestellte Versuch kostet, und oftmalige Enttäuschung das Resultat langer Mühen ist, der wird den Muth und die Ausdauer Cerven\?'s zu wägen wissen. Diese Ausdauer hat den einfachen Blechblasinslrumenlen- macher zu einem wellberühmten Fabrikanten gemacht. Bei der Weltausstellung in Paris prangte eine Auswahl von 60 der Cerveny'schen mit aller Eleganz ausgeführten Instrumente. Bei einem Weltkampf der Militärmusiker in Brüssel vom 24. bis 30. Juli 1880 trug die k. k. österreichische Musikkapelle des 36. Infanterie-Regiments den Sieg davon mit ihren Instrumenten, welche die Kapelle seit 1862 aus der Cerveny'schen Fabrik bezieht.

Seine grossartige, rationell angelegte Fabrik ist wohl das Anziehendste in der Feslungsstadt Königgrätz.

Weit über hundert Arbeiter sind beschäftig! an Schneid-, Ziel) - Maschinen, Lölhöfen, Gussöfen, Schmelzöfen, Fallen-Maschinen zum Biegen der mit Blei ausgegossenen Röhren.

Nur dieser grossarliftc Maschinenbetrieb machle es mög-

XXVI. lieh, die grosse Zahl von Metallblasinstrumenten zu liefern, mit welchen er beinahe die ganze Welt versehen hat.

So gingen in zwei Jahren 6000 Metall-Blasinstrumente allein für die Armee ab, daneben wurden für Sibirien, Blagowjesch- tschensk im Amur-Gebiet, Turkislan, China, Honolulu auf den Sandwich-Inseln, die spanische Flotte auf Cuba, die Schiffsmannschaft von Paraguay, zahlreiche Blasinstrumente der verschiedensten Art geliefert; in Nordamerika kennt man allenthalben Instrumente aus Cerven^'s Fabrik. Auf allen Weltausstellungen erhielt er die höchste Auszeichnung. Sein Kaiser Franz Joseph, der die Fabrik Öerveny's am 9. Juni l 880 besuchte und sieb in das einzelnste Detail einführen liess, zeichnete ihn durch den Franz Joseph-Orden und das goldene Verdieostkreuz mit der Krone aus. Ebenso haben fremde Honarchen ihn geehrt: vom Kaiser Wilhelm I. erhielt er das Ritterkreuz des preussi- schen Kronenordens, vom König Dom Luis von Portugal das Ritterkreuz des Ordens de Crislo, vom Kaiser Alexander II. von Russland die grosse Goldmedaille am St. Annen-Ordensbande u. s. w.

Dieser hochverdiente Mann, der im Jahre ( 883 sein fünfzigjähriges Jubiläum feierte, ist also in den Kreisen, für welche er hauptsächlich arbeitete, sehr wohl bekannt und auch nach Verdienst geschätzt; nur unserer musikalischen Literatur scheint er bisher fast unbekannt geblieben zu sein. Um so mehr dürfte man die gegenwärtige Beschreibung willkommen heissen. Handelt es sich hier doch um Leistungen, welche nicht blos in technischer und geschäftlicher Hinsicht grossartig dastehen, sondern die gleichsam aus dem Geiste der Musik unserer Zeit hervorgegangen sind.

Nachtrag.

Soeben, als wir unseren Bericht schlössen, überrascht uns Öerveny mit einer weiteren Frucht des neuen Princips, nach welchem er seine neuen Instrumente baut. Es ist eine Bass-Tuba, vom Erfinder Kaiser-Tuba genannt (Fig. XXVII). Sie reicht vom 46füssigen Es bis ins eingestrichene/' und ist nur 4JO Centimeter lang, so dass sie einem Manne von mittlerer Grosse höchstens an die Brust reicht.

Die neue Tuba soll einen überaus angenehmen, einschmeichelnden Ton bei voller Kraft besitzen und ebenso leicht ansprechen. Dies bezeugen z. B. dur kgl. preussische Musikmeister Lebede im Eisenbahn-Regimente (li.Dcc. 4883), der Kapellmeister des schleswig-holsleinischen Füsilier-Regiments Nr. 86, Kosubeck (Sept. <883); der Musikdirigent im badischen Infanterieregiment Nr. H i, Handloser (18. Dec. 1883).

Alle sind einstimmig im Ruhme des weichen, vollen, breiten, in allen Lagen reinen Tones, der dabei den Strich eines Contrabasses besitze und in jeder Lage so leicht hervorzubringen sei.

Die Wirkung des Instruments verhältnissmässig von so geringem Umfange, dass es ebenso gut beim Marschircn als beim Sitzen des Blasers auf dem Pferde verwendet werden kann, ist um so bewundernswcrther, wenn wir die Leistungen Anderer, z. B. des weltberühmten Sax, des Schreckens Rossini's*), vergleichen, der im Jahre l s:;.", eine Basstuba von 40 Pariser Fuss, also über 3 Meter Länge, ausstellte, ein Ungethüm, von welchem der österreichische Berichterstatter meinte, um den Ko- loss anzublasen, müsste man eine Dampfmaschine in Anspruch nehmen.

Das Instrument ist natürlich durchaus konisch gebaut — am oberen Ende 36 Cenlimeter, weiter von da 50 Centimeter herab gegen das Mundstück beträgt sein Durchmesser l 8 Centimeter und am'Mundstück selbst haben wir noch 43 Millimeter.

Mit diesem Contrabass-Instrumente wären wir wohl im letzten Stadium der Entwicklung musikalischer Blasinstrumente angekommen; denn die unübersteigllche Grenze bildet die Organisation des Menschen — die menschliche Lunge. Bei

1 »Ich bin ein armer MclodisU, klagte er, »und Sax mit seinem Saxophon und Berlioz mit linderen Kolossen unserer neuen Orchester schlagen alle meine Melodien todt.a

Fig. XXVII.

Ueberschreitung dieser Grenze müssten wir, wie der österreichische Berichterstatter andeutete, zur Dampfmaschine unsere Zuflucht nehmen, da wäre dann die Instrumentalmusik vollständig aus dem Gebiete der schönen Künste herausgerückt — und hier hätten wir mit ihnen auf unseren Felde nichts weiter zu verhandeln.

Mit der fortschreitenden Entwicklung des Menschenlebens entwickelt und ändert sich auch ihr geistiges Leben; ihre Gefühle und ihre Sinnesorgane dagegen werden stumpfer. Wenn wir nur ein Jahrhundert zurückblicken zwischen einem Fari- nelli und einem Wachtel und deren Publikum, welch eine un- ermessliche Kluft zwischen beiden; zwischen derunbehilflichen Feldschlange und der Kaiser-Tuba, zwischen dem Flügel Mo- zarl's und einem französischen Erard oder einem englischen Broadwood, welch Hur ungeheure Kluft l Selbst der Flügel Hummel's scheint beinahe ein kindisches Instrument zu sein gegen unsere modernen Kolosse. Wenn mich in meiner ersten Jugend der Klavierlehrer alle Augenblicke erinnerte: »schlag' nicht so d'rein«, so muss jetzt der angehende Klaviervirtuose Tage lang am Flügel sitzen und seine Arme und Hände üben, um so stark als möglich drein zn'schla gen. Ich erinnere mich noch mit Vergnügen an unseren ausgezeichneten Ciavierfabrikanten Biber, dem der Schwelss über die Stirne herab lief, als Hans von Bülow einen seiner Flügel probirte. Die Stimmung und die Saiten hielten aus, trotz aller möglichen Versuche, sie reissen zu machen. Vor 60 Jahren murrte der Director unseres Hoforchesters, Morall: «wenn sie deu Frauen- thurm (er meinte einen der 330 hohen Thürme unseres Frauenmünsters) blasen könnten, sie brächten ihn auch noch in unsere Orchester.« Und jetzt, Berlioz, Wagner! Ein Kritiker Beethoven'scher Instrumcnlalwerke in dieser Zeitung meint: Beethoven sei bereits an die Grenze musikalischer Instrumenti- rung gerückt — ein Schritt darüber hinaus führ« zum Halsbrechen— und doch hat Wagner diesen Schritt gethan und dadurch den grössten Theil unserer musikalischen Geschöpfe erst recht dem Himmel nahe gerückt. Allein die Linie, in welcher die Entwicklung des menschlichen Geistes fortzuschreiten scheint, so sehr sie einer geradep Linie gleicht, ist nur ein Theil einer Ellipse oder Parabel. Die Linie der Entwicklung kehrt wieder in sich zurück zu ihrem Anfange oder sje verläuft in die Unendlichkeit. Es scheint, wir sind nicht mehr so weit von der Grenze entfernt, von welcher an sie sich wieder ihrem Ursprung zuzuwenden beginnt oder sich endlich in der allgemeinen Wellenbewegung verliert.

Deutsche Musiker in Schweden.

Von Dr. A. Linderen in Stockholm. II.

J. G. Naumann.

(Schluu von Nr. »t.)

Eine ebenso bedeutende Thäligkeil, wie als Organisator der Kapelle, enlfallete Naumann hier auch als Componist. Mit seiner bekannten Oper >Cora« wurde die neue Opernbülme in Stockholm (478t) eröffnet, und für Schweden — wohin er später nie wieder zurückkehrte — schrieb er dann sein Meisterwerk Gustav Wasa, welches jedoch erst am 19. Januar 1786 über die Bühne ging und einen Triumph feierte, wie ihn keines seiner früheren Werke gefeiert bat, und wie ein solcher vielleicht nie wieder von unserer königlichen Oper erlebt worden ist. »Gebildete Zeitgenossen«, sagtGeijer, vusslen einen grosscnTheil der Oper, sowohl der Musik wie auch des Textes auswendig.« Und noch in unseren Tagen konnte dieselbe mit entschiedenem Erfolg gegeben werden, wozu zwar die vaterländische Begeisterung, Kellgren's schöne Lyrik und die glänzende Scenerie viel beigetragen haben, was aber auch zum grossen Theil auf Rechnung der Naumann'schen Musik zu schreiben i>l. Wennschon Vieles veraltet ist, so wirken die Höhepunkte gleichwohl

noch immer mit kaum verminderter Kraft. Es ist überall genug dramatische Stärke und musikalischer Adel vorhanden, dass des Auslandes ziemlich geringschätzige Beurtheilung Naumann's alsOperncomponist eine hellere Färbung erhallen haben müsste, wäre dem Auslande sein »Gustav Wasa« bekannt gewesen. Nun ist inzwischen das Seltsame eingetroffen, dass eine von einem d e u tschen Meister componirte Oper, welche unter den Schöpfungen ihrerZeit nur mit denen Gluck's zu vergleichen gewesen und nur von denen Mo- zart's übertroffen worden sein dürfte, nur auf schwedischer Bühne zur Aufführung gelangt ist.

Doch auch im Auslande ist Naumann noch nicht gänzlich vergessen. Seine Kirchencomposilionen werden noch jetzt in Dresden aufgeführt. Am höchsten werden wohl die Cantate Pater Noster und das Oratorium / Pellegrini geschätzt. Rocb- litz sieht in Naumann den letzten vollgewichligen und am besten eingepassten Schlussslein in der Periode, deren Geschmacksrichtung von Hasse und Graun bestimmt wurde. Dieses Unheil ist wohl im Grossen und Ganzen richtig, doch muss hinzugefügt werden, dass Naumann von einzelnen Eingebungen hoch über dieses Niveau erhoben wird. Besonders ist die unvergängliche Hymne aus Gustav Wasa »Edle Schalten» — schon in der ursprünglichen Instrumenlation, welche spätere Zusätze nicht zu verbessern vermochten — von einer so erhabenen und ergreifenden Schönheit, dass selbst Händel seinen Namen hätte darunter setzen können.

Im Jahre (785 führte Naumann in Dänemark denselben Auftrag aus wie früher in Schweden, nämlich die Hofkapelle zu organisiren und eine Oper (Orphee) zu schreiben. Ungeachtet glänzender Anerbietungen sowohl von diesen beiden Ländern, wie auch von Friedrich dem Grossen, konnte er nicht dazu vermocht werden, seine Stellung in Dresden aufzugeben, sondern blieb derselben treu bis an den Tod . welcher am J3.0clober <80I erfolgte.

III. J. M. Kraus.

Eine vor mehuren Jahren herausgegebene, sehr angenehme Biographie (von F. S. Silfverslolpe) bat den in seinem kräftigsten Alter dahingerafften Meister, von dessen Werken selbst Gluck äusserte: »dieser Mann hat einen grossen Stil*, vortrefflich geschildert. Wir wissen also nicht nur, dass er im Zeitaller Gustav's III., nachdem er trotz mehrfacher, dem Neide entsprossener Kabalen die Gunst dieses Fürsten gewonnen und wiedergewonnen halte, immer mehr als die grösste Zierde des- selben hervorstrahlte; wir wissen auch, dass er als Student in Göltingen um 4770, also zur Zeit des berühmten Göttinger Dichterbundes, der gerade damals seine grössle Wirksamkeil entwickelte, durch innige Freundschaftsbande mit zweien seiner Mitglieder, dem von Bürger, Hölty und Voss geschätzten und 7.11 früh vom Tode ereilten Hahn und dem Grafen Friedrich Leopold von Slolberg vereint gewesen; dass er zusammen mit Hahn auf echte »Hainbundweise« Feenmärchen gelesen, den Klopstock declamirt, gegen Religionsverächler gedonnert und Wieland's »Agalhon« feierlich verbrannt hatte; wir wissen schließlich, dass dieser Tonkünstler, gleich humanistisch gebildet, wie in seiner Kunst grundgelehrt, eine sehr einnehmende und geistreiche Persönlichkeit war; dass sein Leben eine unauflösliche Vereinigung des feurigsten und weichsten Empfindens mil dem edelsten Charakter und den angenehmsten Gesellschaflslalenlen bildete. Fassen wir nun dieses Alles zusammen und fügen wir hinzu, dass er sich in Kurzem eine gründliche Kennlniss der Sprache, der schönen Künste und Geschichte Schwedens erworben hatte, so wird es leicht zu versieben sein, dass der Dichter Kellgren sieb bald zu ihm hingezogen fühlen und sich eben so bald in immer bedeutenderem Maasse von ihm beeinflusst finden musste.«

Hit diesen wenigen Worten hat unser Literalurforscher A11 e r b o m in »Siare och Skalder« (Seher und Dichter) die persönliche wie auch die literarische und musikalische Bedeutung des Meisters treffend gezeichnet; uns kommt hier nur zu, die letzlere etwas näher zu entwickeln. Dass dieselbe für die schwedische Oper nicht so gross wurde, als man auf Grund der Fähigkeilen dieses Künstlers hätte erwarten können, dürfte seine Erklärung wohl in erster Reihe in dem kurzen Leben desselben finden, wovon uns nur ein Drilttheil zugehört hat. von dem noch obendrein der drille Theil auf Reisen zugebracht wurde.

Joseph Martin Kraus wurde am 20. Juni <756 in Miltenberg am Main geboren. Er verrieth schon zeitig ungewöhnliche Begabung und schrieb bereits im Alter von 4 7 Jahren poetische Idyllen und componirte ein Miserere. Seine musikalischen Studien bei Vogler in Mannheim waren jedoch ursprünglich nur dem Zeitvertreib gewidmet, indem als Beruf für ihn die Jurisprudenz in Aussicht genommen war, welche er auch an drei Universitäten (Mainz, Erfurt, Göttingen) sludirt hal. Sein selbständiger Sinn sträubte sich jedoch gegen die Be- amtenlaufbabn und hierzu kam noch, dass ihn eine ungerechte Verfolgung seines Vaters, welcher von seinem Amte suspendirt wurde, mit Widerwillen gegen sein Vaterland erfüllte. Unter solchen Umständen hörte er gern auf den von einem schwedischen Studenten in Göllingen gemachten Vorschlag, sein Glück in Schweden zu versuchen, und reiste auch (778 dahin ab. Hier eröffneten sich ihm jedoch Anfangs so geringe Aussichten, dass er bald im Begriff stand, wieder zurück zu kehren. Als aber seine zu Kellgren's Text componirte Oper Proserpina «auf dem Schlosse Ulriksdal vor dem König aufgeführt worden war, wurde er im Jahre (7s l zum zweiten Kapellmeister ernannt. Contractlich war ihm ein jährliches Gebalt von 500 Species-Reichsthalern und für jede von ihm componirle neue Oper das Einkommen von der dritten Repräsentation zugesichert, auch ihm versprochen worden, dass er das folgende Jahr eine Reise nach dem Auslande antreten dürfe, um Geschmack und Einsicht noch mehr zu vervollkommnen. Er seinerseits hatte sich verbunden, nach der Rückkehr von seiner Reise wenigstens 40 Jahre im Dienste des Königs zu verbleiben und unter dieser Zeit die Lehranstalt an der musikalischen Akademie oder der Oper einzurichten und in bester Ordnung zu ballen, geschickte und taugliche Lehrer vorzuschlagen, solche Schüler auszusuchen, welche natürliche Anlagen und Neigung besässen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass für die vorkommenden Rollen stets gute Sänger vorhanden wären and jederzeit einen Elevin in der Theorie der Musik auszubilden.

Dieser Contracl scheint inzwischen nur in Betreff des Gehalles und der Reise, welche (782 — 87 nach Deutschland, Italien, Frankreich und England unternommen wurde, in Erfüllung gegangen, im Uebrigen. aber unerfüllt geblieben zu sein. Was den beabsichtigten Unterricht betrifft, so war zwar Kraus auf seiner Reise für denselben wirksam, was aus seinem Briefe an den Regierungsrath Ziehet ersichtlich ist, wo er unter Anderem sagt: »ich untersuche nun mit grösstem Fleisse den Entwurf zu meinem Unterrichtsplan, den ich Holzbauer und anderen Kennern dieser Sache communicirt habe«; als er aber zurückkam, halte Vogler, welcher unvermuthel nach Stockholm gerufen worden, bereits eine Musikschule eingerichtet, und von Kraus und seinem Wirken in dieser Angelegenheit hört man nun nichts mehr, wenn nicht vielleicht folgende Worte in einem 1791 an seine Angehörigen geschriebenen Briefe darauf hindeuten: »ein und ein halbes Jahr haba ich den Dienst für

meinen Mitbruder gratis getban.« Nun Messe sich zwar annehmen, dass nach 4788, wo er nach Uttini als erster Kapellmeister eintrat, seine Zeit ausschliesslich für diesen Dienst in Anspruch genommen gewesen sei. Hier aber machen wir wieder eine überraschende Entdeckung, nämlich dass — soweit ich zu erforschen vermochte — während der vier Jahre, wo Kraus Kapellmeister war, keine einzige neue Oper aufgeführt wurde, wohingegen früher jährlich eine oder mehrere zur Aufführung kamen. Bis zu einem gewissen Grade kann zwar auch hier die Erklärung in Kellgren's Vorrede zu »Aeneas in Carlhago« (oder »Dido und Aeneas«) Geltung haben, welche als die Ursache, dass diese Oper unter der Regierung Gustav's III. nicht zur Aufführung gelangt ist, angiebt, dass dazu «Begebenheiten beigetragen haben, die auf den ganzen Staat von Einfluss gewesen sind', und wenn man mit Atlerbom diese Begebenheiten als »erstens des Königs Reisen nach dem Auslande und dann als allerlei politische Unruhen« deuten darf, so möge man nur nicht vergessen, dass letztgenannte gerade während der vier letzten LebensjahreGuslav'sIH., während denen Kraus Kapellmeister war, besonders drohend gewesen sind, so dass sie wohl auf die Wirksamkeit des Theaters hindernd einwirken konnten. Aber auch dann, wenn man diese Erklärung gelten lässt, verbleibt der Mangel an Thätigkeit für unsere Oper, von dem Kraus — sowohl als Leiter, wie auch als Componist (er componirte nur die Oper »Dido und Aeneas«, die jedoch erst 4799 gegeben wurde, ausserdem nur Singstücke und Divertissements für kleinere Theater) — nicht freigesprochen werden kann, noch immer so merkwürdig, dass man wohl die Behauptung wagen darf, dass seine Kräfte absichtlich so wenig in Anspruch genommen worden sind und er trotz der Gunst des Königs, der Bewunderung verschiedener Freundeskreise und der von der Musikalischen Akademie am 24. Mai 1798 veranstalteten Gedächtnissfeier zurückgesetzt gewesen ist.

Die Veranlassung zu diesem Verhältniss dürfte man in dem von Atterbom angedeuteten »Neide« finden können. Aus mehreren Briefen wird es ersichtlich, dass der lange Aufenthalt, den Kraus in Paris genommen, von Stockholm aus veranlasst war. Hier hatte man das Gerücht verbreitet, dass Kraus selbst seine Rückkehr verzögere und beabsichtige nicht mehr wiederzukehren. Er selbst schrieb nach seiner schliesslich erfolgten Rückkehr an seine Angehörigen Folgendes: »Gesund und munier bin ich endlich wieder in Schweden angelangt. Meinen Freunden war ich willkommen, weniger aber denen, die gern gewünscht hätten, mich niemals wiederzusehen. Und diese ehrenwerlhe Brüderschaft war es, welche Vogler hercabalirl halte, um mich fortzubekommen. Aber zur grösslen Verwunderung dieses guten Volkes bekam die Sache eine ganz andere Wendung, denn ich nahm sie von ihrer rechten Seite und machte mit Vogler Eins. Aufrichtig gesagt — wir sind herzliche Freunde und vermeiden allen Anlass zu Streitigkeiten zwischen uns — und dies zum Aerger für unsere schadenfrohen Gönner. Was unsern Dienst betrifft, so hätte ich keinen nachgiebigeren Menschen finden können. Sein Einkommen ist zwar ein und ein halb mal so gross, als das meine ; aber wag Ihn t dies?«

Ein anderer Grund, dass Kraus während seines Bebens in Schweden nicht nach Verdienst geschätzt war, obgleich im Auslande Männer wie Gluck und Neu komm für ihn das beste Lob hatten, der Padre Martini sein Porlrait malen, Professor Klein seine vortrefflichen Briefe über Piccioni's »Didona in das »Pfälzische Museum« einrücken liess, und Breitkopf und Härtel seine Compositionen druckten*), dürfte darin zu finden sein, dass er es nicht verstand, sich einzuschmeicheln,

) Son piifo»o l imo amanle, aus Melastasio's »Nittiti«; Vlngt uir.t et chansons paarleclavecin; Symphonie ausC-moll. Sttnmt- lich gedruckt (796.

sondern ebenso stolz wie ränkeirei, ebenso gefühlvoll wie sorglos war. Ein dritter Grund dürfte auch der sein, dass die Art seiner Künstleranlage nicht anschlug; theils fand man ihn in seinem Stil etwas z» dnnkel, «äs mit unrecht mit mangelnder Tiefe und Energie verwechselt wurde, theils tadelte man an seinen Schöpfungen »eiae gewisse Ausführlichkeit'. Das erslere sprach wohl das lebendige und leichte Gustavia- nische Zeilalter nicht an, das letztere dagegen war ein berechtigter Tadel, welchen auch die Nachwelt theilen muss. Kraus war nämlich trotz seiner reichen musikalischen Begabung oder vielleicht gerade infolge derselben eigentlich nicht zum Operncomponisten berufen. So sehr auch immer sein Stil an Gluck erinnert, so fehlte ihm doch dessen scenische Schlag- fertigkeil und musikalische Selbstverleugnung, und seine contra- punklische Sllirke, derjenigen Gluck'« weit überlegen, verleitete ihn auf der ändern Seite zu eine/ Weitläufigkeit, die nur in der Instrumentalmusik am Platze sein kann. Will man daher seine wirkliche Grosse kennen lernen , so darf man sich nicht bei seinen Opern, in denen er, besonders was die Behandlung der Arie betrifft, oft schwach und conventionell .ist, ja nicht einmal bei seiner mit Recht berühmten Musik zu GustaT's 111. Leichenbegängnis s aufhalten, sondern muss zu seinen Symphonien und der Ouvertüre zu »Dido und Aeneasa gehen. Die letztere wird von Frigel der Ouvertüre zu.rfphi- genie in Aulis« gleichgestellt und soll jedes Jahr von Hay du aufgeführt worden sein.*) Die ersteren, die Symphonien, von denen ein Theil in der Musikalischen Akademie hier verwahrt wird, werden von Frigel mit Recht gepriesen. »Die Kraus'schen Symphonien,c sagt er, »haben alle grosseo Werlh und sind ve<- ler Charakter, bald feierlich und prachtvoll [0-il'iir 1789), bald brillant und naiv (Es-dur), bald ernst und düsler (D-moll), bald traurig und herzzerreißend (C-m öl l (188).« Wenn wir die genannte Dmoll-Symphonie — als zum grössten Theil von Albrechtsberger — ausscbliessen, so ist dieses Urlheil vollkommen berechtigt; damals, als Kraus die C moll- Symphonie verfassle, hatte keiner seiner Zeitgenossen, Mozart nic-h t ausgenommen , eine gleich grossarlige Symphonie geschaffen; wären die Miltel und die, Mannigfaltigkeit etwas reicher, so würde man beinahe glauben, Beethoven zu höron. Ich bebe nicht aufgehört, die schwedischen Concerl- geber unserer Tage zu ermahnen, anslalt über den Fluss nach Wasser zu gehen und die Jugendarbeiten Fremder hervorzu- suchen, doch ans dem Schranke zu nehmen, was wir selbst besitzen und dadurch vor unverdienter Vergessenheit einen Tonselzer zu bewahren, welcher zu den bedeutendsten zählt, die wir gehabt haben und der, falls er langer gelebt, und die Umstände günstiger gewesen wären, vielleicht einem Chernbiui gleichstehen würde. Wahrscheinlich würde sich auch seine Kammermusik hören lassen und dies um so mehr, da gerade die Behandlung der Streichinstrumente seine starke Seite war, ja, es lässl sich sogar behaupten, dass die würdigste Weise, jetzt das Säcularfesl des Grossen Theaters in Stockholm**) zu feiern, die Aufführung gerade der Oper gewesen sein würde, mit welcher, hätten es triebt zufällige Umstände (das Entweichen der Sängerin Frau Müller) unmöglich gemacht, dieses Theater eingeweiht worden w8re. Bei all ihren Schwächen, welche durch bedeutende Abkürzungen neutrali- sirt werden könnten, enthält nämlich die Oper iDido und Aeneas« mehr wirkliche Musik «1s »Cora und Alonzo«.

Jene Oper hat übrigens zufolge der (meiner Meinung nach

' In dem bis jelzl erschienenen Theil von Pohl's Haydn-Bio- graphie isl jedoch hiervon nicht« gesagt.

    • ) Dieses SBcularfest wurde am 30. September 1884 begangen. Leider zog man bei dieser Gelegenheit vor, Naumann's schwächere Cora und Alonzo« zu geben, die freilich factisch die Einweihungsoper

unnötigerweise) bezweifellen Echlbeit verschiedener Tbeile des fünften Actes ihre eigene Geschichte erbalten. Dass gewisse Theile dieses Acles später in die Partitur des königlichen Theaters (wahrscheinlich von II» offne r) eingescboben worden sind, la'sst sich wohl nicht bestreiten, die Factur aber (mit ihrer grossartigeo Einfachheit, mit ihren, dem Cebrigen analogen Gedanken, ihren vielen Unisonen, repetirten Noten nnd blitzähnlichen Streichscalen u. s. w.) isl so unverkennbar die Kraus'sche, dass seine Originalcomposition offenbar allen von Haeffner vorgenommenen Veränderungen and Einscbiebungen selbsl da zu Grunde gelegen haben muss, wo ein eigenhändiger Entwurf von Kraus nicht mehr vorbanden sein sollte, was nachweisbar noch bei vier Summern der Fall ist. Entscheidend erscheint mir der Umstand, dass überall, wo in die Partitur der königlichen Oper neue Blätter eingebunden wurden, offenbar die entsprechenden allen Blätter vorher erst heraus- geoommen sind, welche gewiss nicht leer waren , sondern die ursprünglichen Corapositioiten in- der Ordnnngsfolge bis zu dem unverändert gebliebenen Schlots entbleiten. Also: die Oper war unawetfeilnft von Krau« fertig componirt, und dann würde es- sich nut darum- baodelo, ob Uaeffner die aus der Partitur herausgenommenen Stücke «er worfen und gänzlich neu componirt hat, was jedoch, selbst wenn man von den inneren Kriterien ganz absieht, unwahrscheinlich isl, «der, was glaublicher erseheint, sich auf («n« «ein durchgreifende) Streichungen, Zusammeaziehungea und Ausfüllung -der Instrumentation beschränkt bat.

Der Raum verbietet uns, fernere Beitrüge aus den der Biographie Silfverstolpe's freigegebenen Briefen von Kraus anzuführen, welche von der liebenswürdige*. Persönlichkeil, der hohen Bildung und dem scharfen Urtheil desselben ein treffendes Bild geben. Wir schljessen mit einer uns zu Händen gekommenen privaten Mitlheilung-:

Auf dem Grabe des Kapellmeister Kraus bei Tivoli auf dem Strande des Sees Brunsesviken (unweil Stockholm) stand noch im Jahre 1835 eine kleine, morsche, weissgetünehte Holz- pyramidc mit der Inschrift: »Hier ruhet der Kapellmeister Josef Kraus,'geboren 4756 —- gestorben am 45. Dec. 4791. Durch ausgezeichnete Verdienste geehrt von Fürsten, geschätzt von Kennern, durch sanften Umgang geliebt von Allen.« Wahrscheinlich wurde dieses Monument von dem derzeitigen Besitzer von Tivoli, dem Grafen N. Burck, errichtet, bei dem sich, wie man weiss, sowohl Kraus wie auch Naumann gern aufhielten und bei dem Naumann auch den grössten Theil von »Gustav Wasa» compooirt hat. — 1846 wurde dieses Monument durch ein anderes von Sandstein ersetzt.

IV.

G. J. Togler.

ABDe Vogler, der Mann mit den vielen Titeln 'l und die widerspruchsvollste Vereinigung von Gelehrten und Effecl- sucher, von Genie und Gaukler, Künstler und Jesuit, gehört, wie so viele andere Fremdlinge, während eines Theils seines wechselreichen Lebens der schwedischen Musikgeschichte an. Der Schwerpunkt seines Wirkens liegt aber nichl, wie bei den meislen anderen in dem, was er als Componist geschaffen hat, sondern in seiner Merkwürdigkeit als Theoretiker, Lehrer und Virtuos.

Es war am <5. Juni 4749, als Georg Joseph Vogler in Würzborg das Licht der Welt erblickte. Zeilig schon trat

) Er war bei seinem Todo »päpstlicher Erzzeuge, Kämmerer des apostolischen Palastes , bayerischer geistlicher Halb und Hofkapellmeister, öffentlicher Tonlehrer tu Mannheim und Prag, grossherzoglich hessischer geistlicher Gebeimer Hallt, Kapellmeister und Ritter, Ritter vom goldenen Sporen« u. s. w.

seine unruhige Versuchslust zu Tage, als er ohne Anleitung verschiedene Instrumente spielen lernte und eine neue Finger- selzuDg erfand. Im Jahre 177t componirt er in Mannheim ein Ballet und beginnt bereits Unterricht zu ertheilen (u. a. Kraus); zwei Jahre später-finden wir ihn in Bologna als Schüler Padre Hartiui's, dessen Unterricht er aber zu umständlich findet und schon nach sechs Wochen wieder verlässt, um nach Padua zu Vallotti zu gehen, bei dem er einige Monate aushält. *{ Wahrscheinlich schon früher in den Orden Jesu eingetreten, tritt er jetzt in Rom auf und wird apostolischer Protonotar, päpstlicher Kammerherr und Ritter des goldenen Sporens, worauf er sich nach Mannheim begiebt, wo er eine Tonschule gründet und Anstellung als Hofkaplan und, trotz des geringen Erfolges, den sein Miseren! hatte, als zweiter Kapellmeister erhält. 1783 geht er auf Reisen nach Paris (wo seine Oper »Le /{ermesse* Fiasco macht), nach Spanien und nach dem Orient, um den allen Choralgesang zu studiren, und 1786 nimmt er in Stockholm Anstellung als »Director der Musik«.

Sein erster Contract mit der schwedischen Oper verpflichtete ihn, nicht nur die gewöhnlichen Obliegenheiten eines Kapellmeisters zu verrichten, sondern auch jedes Jahr eine neue grosse Oper für das königliche Theater zu componiren, wofür er ein Jahresgehalt von zOOO Reichsthalern nebst Futter für zwei Pferde und sechs Monate Dienstfreiheit erhalten sollte, um reisen zu können, wohin es ihm beliebte ; ausserdem sollte er nach Ausgang der Anstellungszeit bis zu seinem Tode eine jährliche Pension von 4000 Reichsthalern zu beziehen haben. Die Pensionssumme wurde jedoch im folgenden Jahre auf die Hälfte herabgesetzt. Am l. Juli 4794 wurde er verabschiedet, 4793 aber mit einem Gehall Vod 4700 Reichsthalern und der Zusicberung einer jährlichen Pension von 600 Reichsthalern wieder auf vier Jahre angestellt, welcher Contract später bis 4799 verlängert wurde, in welchem Jahre Vogler Schweden für immer verliess. Während seines Aufenthalts hierselbst halle er 400 Orgelconcerte gegeben, davon 32 in Stockholm, eine Musikschule eingerichtet, componirt (doch keine Oper ausser »Gustav Adolf und Ebba Brahe«, 4788), Bücher geschrieben, Vorlesungen gebalten und 179i die Wittwen- und Waisenunler- sliitzungskasse der Hofkapelle gegründet. Ebenso hatte er die ihm in so reichem Maasse bewilligte Dienstfreiheit zu fleissigeo Reisen nach dem Auslande benutzt und gelegentlich derselben in Holland, England und Dänemark auf einer kleinen, transportablen Orgel, »Orcheslrion« genannt, sein »Simplificalions- system« für den Orgelbau vorgezeigt. 4794 schrieb er für Mannheim »Caslor und Pollux«, 4800 für Kopenhagen »Hermann von Unnat; 4807 übernahm erden HofkapellmeislerplaU in Darmstadl, wo er seine dritte »Tonschule« errichtete und am 6. Mai 4 84 i starb.

Schon dieser kurze Bericht dürfte einen Begriff von dem wechselreichen Leben und der vielseitigen Wirksamkeit Vogler's geben. Hier wollen wir nur die letztere etwas eingehender betrachten.

Ist Kraus in unserm Lande nicht nach Verdienst gewürdigt worden, so scheint man Vogler dagegen überschätzt zu haben. Dass das persönliche Verhällniss zwischen Beiden das beste war, haben wir schon oben gesehen (cfr. J. M. Kraus). Inwiefern das Ofßcielle eine Art Subordination mit sich führte, ist aus ihren Coolraclen nicht ersichtlich; inzwischen wurde Vogler's Oper aufgeführt, Kraus' nicht, und es war der Erstere, nicht der Letztere, welcher 4787 mit der Composition des

  • ) Lud dessen Lehren die Grundlage seines eignen Systems wurden — was Prof. v. Schafhaull naher auseinander gesetzt hat in dem gediegenen Aufsätze »Moll und Dur in der Natur, und in der Geschichte der neuem und neuesten Harmonielehre; mit besonderer Berücksichtigung der Systeme von Vallotti und Abt Vogler» — in der Allg. Mus. Ztg., Jahrg. 4878, Nr. 4—».

Prologs zum Geburtstage des Königs betraut wurde. In schwedischen Biographien wird Vogler noch in neuerer Zeit ein igrosser Tonselzer« genannt, seine kirchlichen Kompositionen werden als «ungewöhnlich schön« beschrieben und seine bizarren Tongemälde auf der Orgel, wenn nicht gerühmt, so doch sehr mild oder auch humoristisch beurlheilt. Anders lauten die ausländischen Urtheile, wenn wir nämlich von einigen früheren Quellen, wie Schillings Lexikon oder C. M. v. Weber absehen, welcher letztgenannte durch sein bezauberndes Wesen beein- flusst war. Felis spricht seinen Tonschöpfungen Originalität der Ideen ab, tadelt sein Harmoniesystem stark und schenkt nur seinen Verbesserungen der Orgel und seinem Lehrertalent einige Anerkennung. In historischen Compendien u. a. ist Vogler nicht einmal erwähnt. Beide Richtungen in der Beurlheilung Vogler's sind ungerecht und dürften nur in seiner widerspruchsvollen Persönlichkeit ihre Erklärung finden. Ich für meinen Theil sehe in Vogler freilich gar keinen «rossen und ungewöhnlichen Componisten, wohl aber einen Theoretiker mit einem ebenso grossenZukunflsblick wie mit abslracten Einseitigkeiten, sowie einen Lehrer, für dessen grosse Bedeutung Namen wie Haeffner, Kraus, Weber und Meyerbeer mehr als hinreichend zeugen dürften.

V'ogler's Tonsetzungen entbehren, was Geist und Eingebung anbelangt, im Grossen und Ganzen grösserer Tiefe, wenn schon die Form eine grosse Routine, eine mehr leicht ansprechende als originelle Melodik und nicht selten eine Harmonisirung ver- räth, welche, besonders für die damalige Zeit, pikant genannt zu werden verdient. Er kann unterhaltend, aber selten ergreifend sein; ein sehr bedeutendes savoir faire muss oft den Mangel einer tieferen,, schaffenden Kraft oder eines höheren Fluges ersetzen. Daher ist auch , entgegen der herrschenden Vorstellung, seine Opernmusik besser als seine Kirchenmusik, welche nicht selten in die ausgeartete banale Manier der neapolitanischen Schule verfallt. Einige glänzende Ausnahmen hiervon babon sich inzwischen der Nachwelt erhallen, so das bekannte »Hosianna« und ein Theil seiner Choralbearbeilungen, unter denen die im Andante der Symphonie /,. scala* besonders hervorzuheben sein dürften.

Von seinem Clavierspiel wird es der Nachwelt schwer sich einen Begriff zu bilden, besonders da die Urtheile seiner Zeitgenossen sehr widersprechend waren. Auf der einen Seite feierte er alsCIavierspieler lhalsächlich bedeutende Triumphe, und von den Vorschriften, die er in seiner ClaverSchola (Stockholm, 4798) giebt, ist wenigstens der grössere Tbeil gesund und richtig.*) Auf der anderen Seite haben wir von Mozart, welcher ihn 4778 in Mannheim hörte, folgenden scharfen Tadel: NB. Vor dem Tische bat er mein Concert (das von der Lilzau ist) prima vista — berabgebudelt. Das erste Stück ging preslis- simo, das Andante allegro und das Rondo wahrlich prestissimo. Den Bass spielte er meistens anders als es [geschrieben] stand, und bisweilen machte er eine ganz andere Harmonie und auch Melodie. — Seine Applicatur ist auch miserabel; der linke Daumen ist wie beim seligen Adlgasser, und alle Läufe herab mit der rechten Hand macht er mit dem ersten Finger [Zeigefinger] und Daumen.* Letzteres stimmt mit seinen angegebenen Vorschriften für die Fingerselzung in B-dur überein. Hier dürfte nur zu bemerken sein, dass Mozart gegen Vogler im Voraus eingenommen war.

Als Orgelspieler dagegen war sein eminentes Talent unbestritten , wennschon man die Gemälde tadelte, welche er "i,i afrikanischen Reisstampfen, dem Einstürzen der Mauern Jerichos u. s. w. enlrollle. Sogar Haeffner, welcher Vogler im Allgemeinen nicht besonders gewogen war, zollte ihm eine

  • ) Sonderbar ist nur seine Kingersetiung in der Bdur-Lelter: er will den Daumen auf C, F u n d A setzen l

Art den Tadel nicht vermissender Anerkennung: »Der Herr Abbate Vogler hat durch seinen Aufenthalt in Schweden das Org*Ispiel in d«r Kirche unglaublich verhunzt. Nach ihm kann kein.Organist als untadelhafl passiren, sobald er auf der Orgel nicht Hirlengesänge spielen, das Rollen des Donners und das Tosen dei Sturmes hören lassen, kurz, Himmel und Erde in Bewegung setzen kann. Vogler wusste recht gut, dass dieser Hocuspocus nicht zur Musik gehört und nur dann angewendet werden darf, wenn das Publikum die erschlafften Sinne gegen contante Bezahlung durch unnatürliche Mittel gekitzelt haben will. Wie gewöhnlich beeilte man sich auch hier seine Ungereimtheiten zu imilireri, sein Talent aber, eine Melodie zu con- trapunkliren und Fugen zu exequiren, blieb den Herren Organisten ein Gebeimniss.« Hieraus scheint hervorzugehen, dass Vogler ein ebenso tüchtiger Fugirer <vie Schlachten- und Un- gewiltermaler war. Dass er es verstand, sein Publikum besonders mit diesem letztgenannten Talente zu gewinnen, ist aus den die Nalurwahrheit seines Spieles schildernden komischen Anekdoten ersichtlich. Es wird z. B. unter Anden» erzählt, dass er einmal das Prasseln des Regens so täuschend nachgeahmt habe, dass die Herren in der Kirche die Hüte aufsetzten ; ein anderes Mal habe er auf der Orgel ein Gewitter so nalur- wahr hören lassen, dass in den nahegelegenen Häusern die Milch sauer wurde ! Darf man einer Erzählung des Präsidenten von Rosen Glauben schenken, so war die Hervorbringung des Donners nicht so schwer und geschah dadurch, dass mehrere der nebeneinander liegenden Pedaltangenten auf einmal hinabgedrückt wurden. Bigenlbümlich genug sucht Vogler diesen krassen Kunstgriff in seiner Lection für den Choralschü- ler M. H. (Stockholm 4799)*) allen Ernstes folgendermaassen zu verlbeidigen: »Dass man auf dem Orgelwerk ein musikalisches Gemälde hervorbringen und mit einer Deutlichkeit, dass es selbst ungeübte G'iren zu unterscheiden vermögen, z. B. den Donaer, das Pollern einstürzender Mauern, dag Heulen des Sturmes u. s. w. hören lassen kann, ist ein Vortbeil für dieses Alles umfassende Instrument und so zu sagen das Monopolium des Orgelwerkes.*

Mehr Genialität wie als Tonsetzer und Virtuos teigl Vogler meines Dafürhaltens als Theoretiker. Seine Schriften sind anregend , interessant zu lesen und zeigen, wenn er Ideen entwickelt , welche man einer späteren Zeit vorbehalten glaubt, zuweilen einen wirklichen Seherblick. Wer würde wohl erwartet haben, in Yogler's Clavierschule die Handstellungen für das Legate und Staccato zu finden, welch» erst viel später als Chopin's Methode beschrieben worden sind T Wer würde geglaubt haben, dass schon Vogler die Nalurtöne als Grundlage für die Harmonie anlicipirt halle und dies in einer Weise, dass er weiter geht als die modernen Naturwissenschaften? Gleichwohl ist dieses der Fall.

Vogler ging sogar so weit (ilnledning til Harmonieos känne- dom« [Einleitung zur Kennlniss der Harmonie], Stockholm 17 9 i), dass er das Fit in die C-Scala aufnehmen wollte, weil der elfte Partiallon des C »dem fij näher liege als dem F ! So reich nun auch Vogler hierin an kühnen, ja verwegenen Zukunftsgedanken sein mag. so litt er doch, was bei einem speculativen Dogrua- liker erklärlich genug ist, auf der ändern Seite Mangel an historischem Sinn und vorurteilsfreier Auffassung, als er (»Organist Seh o la«, Stockholm« 198) das Heimathsland des Chorais in Griechenland gefunden zu haben glaubte und Bach zu meislern suchte, weil er in dessen Choralaccompagnemenl nicht die «geringste Unterscheidung und Auswahl der zum Choral passenden Harmonien linden konnte«! Dasselbe rastlose Be-

) Diese Lection ist für Haeffner bestimmt, welcher M(ayema) H(uh) genannt wird, weil er mit diesem hübschen hotlenlouischcn Epitheton Vogler's Choralwerk angegriffen hatte. Sodling sagt, dass Vogler Schweden aus Aerger Über Haeffner verlassen habe.

dürfniss, umzuändern und neu zu bilden, zeigt sich auch in seinem «Simplificationssyslem«, welches darauf hinauslief, die Prospecte, die Mixturen u. dgl. aus der Orgel zu entfernen, die Pfeifen direcl hinter ihre Tangenten zu stellen, wodurch die weitläufige »Regierung« verschwände, und die tiefsten Stimmen durch Combinalionslöne zu ersetzen. Dieses System gewann keine Nachfolge, »rief inzwischen aber in der genannten Kunst ein mehr wissenschaftlich geordnetes Verfahren hervor.«

Ist Vogler auch in allen bisher geschilderten Eigenschaften ohne sichtbar direcle Einwirkung auf die Nachwelt geblieben, so lebte und wirkte sein reformalorischer Geist doch unberechenbar auf eine andere Weise, nämlich durch seine Schüler. Weber und Meyerbeer zählen zu den grössten Namen unseres Jahrhunderts; wer aber kann sagen, bis zu welchem Grade sie für ihre epochemachenden Ideen bei ihren Lehrern in Schuld stehen? Selbst Haeffner hat, ungeachtet seiner Abneigung gegen Vogler, gar nicht wenig von dessen Principien für die Choralselzung sich angeeignet. Besonders ist Schweden Vogler dafür Dank schuldig, dass er 1786, zu einer Zeit, wv die Lehranstalt der musikalischen Akademie gänzlich darniederleg, eine Musikschule errichtete , wo auf jedem beliebigen Instrument gratis unierrichtet werden sollte , um auf diese Weise die für die Hofkapelle erforderlichen Musiker, welche vom Auslande verschrieben werden mussten, im Lande selbst erhalten zu können. Der Zulauf zu dieser Schule wurde so gross, dass der Unterricht schon im December desselben Jahres auf diejenigen beschränkt werden musste, welche die Musik zu ihrem Berufe wählen wollten. Ausserdem war Vogler wahrscheinlich der erste, welcher Vorlesungen über Musik in schwedischer Sprache hielt und, wie wir gesehen haben, Schriften über diesen Gegenstand in derselben herausgab.

Dass der Beruf des Lehrers für ihn der vornehmste war, sah er selbst ein, und es liegt eine Art rührender, tragischer Resignation in den Worten, die er gegen Ende seines Lebens in Bezug auf Meyerbeer und Weber geäussert haben soll : »Es ruht etwas in mir, was ich nicht herausrufen konnte. Diese beiden werden es thuo l Was wäre Perugino ohne Rafael?«

Bernhard Gagler.

Einer der Ireuesten und werlhvollsten Mitarbeiter dieser Zeitung, und einer der besten wissenschaftlichen Freunde de» Herausgebers, soll nicht dahin gegangen sein, ohne hier, wenn auch spät, einen kleinen Gedenkstein erhalten zu haben. Gugler's Andenken wird bei denen, die ihn näher kennen lernten, nur mit ihrer eignen Erinnerung erlöschen. Namentlich in der Musik waren bei ihm Empfänglichkeit und wissenschaftlicher Sinn gleich hoch ausgebildet, was um so bemerkenswerter ist, da er durch seine eigentliche Berufstätigkeit dieser Kunst fern stand.

Geboren zu Nürnberg am 5. März 1811 , erhielt er bis zum vierzehnten Jahre den Unterricht in der Volksschule, besuchte dann eine Vorbereitungsanstall für das Lehrfach, spSter aber das Gymnasium und die polytechnische Schule seiner Vaterstadt, und darauf die Universitäten Erlangen, Wien und München. Sein Berufsfach wurde die Mathematik. Vom Jahre <835 bis zu seinem am M. März 1880 erfolgten Tode war er Lehrer derselben, zuerst an der Gewerbeschule in seiner Vaterstadt und sodann (seit 18i3) an der damaligen Gewerbeschule, jetzt technischen Hochschule in Stuttgart. Als Lehrer und später als Rector dieser Anstalt entfaltete er eine weithin bemerkbare, segensreiche Wirksamkeit.

In den musikalischen Kreisen ist Gugler wohl am meisten bekannt geworden durch seine Uebersetzung des Mozart'sehen Don Giovanni, sowie durch die Herausgabe der Partitur dieser Oper. Und wahrlich, schon dieser einen Arbeit.wegen verdien! er, dass wir sein Andenken in Ehren hallen. Sowohl über die Ueberselzung wie über die Partilurausgabe ist in dieser Zei- lung so wiederholt und eingehend gesprochen, dass es den Lesern nicht ganz aus der Erinnerung geschwunden sein kann. Wenn nun Gugler's Moznrlwerk weder als Ueberselzung, noch als gereinigle Partitur ganz den verdienten Erfolg gehabt hat, so ist das Zusammentreten ungünstiger Umstände hauptsächlich schuld daran. Für eine Reinigung Mozart'scher Opern war bisher die Zeit nicht reif; die Theater und sogar die damaligen Mozart-Autoritäten standen ihr ganz theilnahmlos gegenüber.

Gugler selber befreundete sich später mehr und mehr mit dem Gedanken, dass für die Herstellung einer originalgetreuen Praxis in der Musik nicht Mozart der richtige Ausgangspunkt sei, sondern dass man weiter, bis auf Händel zurückgehen müsse, um aus dem Vollen und so auch mit Aussicht auf Erfolg arbeiten zu können — und diese Ueberzeugung gab dann ungesucht ein festes Band ab für unsere gemeinsame Tluilig- keit. Die Hemmung seiner früheren Mozart-Arbeiten beklage ich nichtsdestoweniger. Bei seiner Kenntniss, seinem Takt, seiner Arbeitslust und außerordentlichen kritischen Schärfe wäre er der geborne Herausgeber für einen grossen Theil der BreitLopf & Härte!'sehen Mozart-Edition gewesen.

Mit warmer Theilnahme kam er jeder wirklich musikalischen Erscheinung entgegen. Er war nicht einseitig und immerfort begierig,. Neues zu lernen. Mit Leichtigkeit, anregend aber nicht verletzend, urtheille er über musikalische Tagesereignisse; doch war sein eigentliches Gebiet, auf welches Neigung und Talent gleichmassig ihn hinwiesen, das rein wissenschaftliche. Seine eminente Begabung für die Musikwissenschaft sprach sich am sichersten darin aus, dass er bei einer Sache stets mit Leichtigkeit auf den Mittelpunkt kam. Ich konnte das am besten wahrnehmen bei Händel, der ihm früher ziemlich fern lag. Kaum hatte er angefangen, die Instrumenlations- und Beglei- tungskuDst desselben zu untersuchen, so war er hinsichtlich des Clavier-Accompagnemenls auch schon bei denjenigen Problemen angelangt, auf deren Lösung es hier hauptsächlich ankommt. Allerlei Material hatte ich ihm bereits zugetragen und manches andere schon bezeichnet; aber der grausame Tod hat nicht gestattet, diese schonen Studien bis zu irgend einem init- Iheilbaren Resultat zu führen. Durch die gediegene Kenntnis* des Italienischen, welche der sei. Gugler sich erworben hatte, wurde er mir bei der Herausgabe Händel'scher Opern ein allzeit bereiter Helfer und aufmunternder Berather, dessen warme Theilnahme von der allgemeinen Gleichgültigkeit, mit welcher diese Werke noch immer betrachtet werden, wohllhuend abstach. Bei jeder Oper, die ich nach seinem Tode zum Druck bringe, macht sich das Gefühl des Verwaistseins aufs neue gellend: so anziehend war diese Persönlichkeit.

Wer dieses reiche Leben überblickt, der muss sich sagen, dass die äusserlich sichtbar gewordene Frucht von der inneren Reife und Tüchtigkeit desselben kein völlig genügendes Bild giebt. Aber beBnden sich nicht sämojtliche treue Arbeiter auf dem Felde der Musikwissenschaft mehr oder weniger in derselben Lage? Wenn der Einzelne reif, die Wissenschaft, in welcher er arbeitet, aber unreif ist und daher von der Ge- sammtbeit nicht richtig geschätzt werden kann ; wenn die vorhandenen Kräfte in Folge dessen nicht als Glieder zusammen wirken, sondern durch Entfremdung oder Reibung einander aufheben : so entsteht ein Zustand, wie der ist, den wir in den lelzlen Decennien durchlebt haben. Man erkennt immer mehr, fühlt sich immer sicherer, versöhnlicher, unparteiischer, aber man kommt bei alledem üusserlich nicht weiter ; jeder Schrill vorwärts ist wie ein Walen im Sande. Was bleibt schliesslich übrig, als sich mit dem zu begnügen, was man an Schulzen der Erkennlniss erlangen k.um. der Well aber miifilidisl wenig d;i-

von milzutheilen, und garnichls von ihr dafür zu beanspruchen ? In dieser Anspruchslosigkeit dürfte der sei. Gugler wohl so leicht von niemand überlrolfen werden. Durch seine siiramt- licben musikalischen Arbeiten hat er eigentlich weiter nichts erworben, als die Hochachtung, Liebe und Dankbarkeit seiner Freunde. Dieser Erwerb ist allerdings ein dauernder, denn wir vergessen ihn nicht. ^

Carl Emil von Schafhäutl.

»Niemand kann zwei Herren dienen«, sagt ein aller Spruch. Und doch hat ein langjähriger Freund dieser Blätter den Beweis geliefert, dass man, wenn auch nicht zwei Herren, doch — obwohl Cölibalär — drei Frauen: der Wissenschaft, der Kunst und der Technik mit gleicher Liebe dienen und von jeder mit den schönsten Ruhmeskränzen geschmückt werden kann. Ein Rückblick auf den Lebensgang jenes Freundes, .der am < 6. Februar d. 1. (4883) sein achtzigstes Jahr vollendet hat, möge diese Behauptung rechtfertigen.

Am 46. Februar 4803 wurde Carl Bmil Scbafhüutl zu Ingolstadt geboren. Sein Vater, Mililärarzt im bayerischen Infanterie-Kegimenle Graf Preysing, starb schon nach zwei Jahren und überliess der Wiltwe die Erziehung des Söhnchens. Nach beendigtem Elementarunterrichte brachte sie den Knaben ein das Studien-Seminar zu Neuburg an der Donau, wo in ihm unter der Leitung des als Componisten hauplsächlich für vier- stimmigen Männergesang bekannl gewordenen Professors Eisen- hofer und im Verkehr mit dem ebenfalls als Zögling anwesenden, nachmals berühmten Franz Lachner frühzeitig Neigung zur Musik geweckt und genährt wurde.

Nach Beendigung der Gymnasialsludien bezog SchafbSutl die Universitäl Ländshul und widmele sich dort in den zwan- z^ger Jahren philosophischen, naturwissenschaftlichen und cameralislischen Studien, aus welchen er auch dort promovirte. Nach Verlegung der Universiläl von Landshut nach München zog unserW Schafbäull die Pflege der Musik in die Hauptstadt, wo er Ende des Jahres 4 817 eine Slelle als Scriplor an der Universilülsbibliöthek erhielt.

Schon innerhalb der Jahre 4810 bis 1830 regle sich sein Hang zu schriftstellerischerTbätigkeil; alsPseudonymus : C. E. Pellisov (pellis ovis) veröffentlichte er mehrere Jugendschriflen und dramatische Stücke , als: Der Alte von den Bergen , eine Erzählung für Kinder; Vater Noah's Haarbeutel, eine Posse in l Akt; Wingolf, Biälter einer kleinen Jugendakadwnie u. a. m.

Im Jahre 1831 erschienen seine ersten musikalischen Abhandlungen : »Betrachtungen über den gegenwärtigen Stand der Musik« und »Andeutungen zur Begründung der Theorie der Aeolsharfe«.

Die untergeordnete Stellung an der Universität konnte seinem strebsamen Geiste, sowie seinem Wissenstriebe in die Länge nicht genügen. Das Studium der Naturwissenschaften, insbesondere der Geologie und Geognosie, des Bergbaues und der Hüttenkunde veranlasslen ihn zu grossen Reisen in Belgien, Frankreich und England , welche über acht Jahre dauerten, und wovon er einen grossen Theil als Ingenieur in Hüllenwerken und Slanlfabriken in England zubrachte.

Anfangs der vierziger Jahre kehrte Schafhiiull nach München zurück, nachdem er vorher noch in Dublin auf Grund einer Dissertation und Disputation über das Thema : de rabie catuna zum Doctor der Medicin ernannt worden war. In München \vurde seine ungemein reiche wissenschaftliche und praktische Ausbildung alsbald erkannt. Schafhäull wurde um 48iS zum ausser- onlentlichenund l 844 zum ordentlichen Professor für Geognosie, :;, ::.,n und Hüttenkunde an der Universität und zugleich zum Conscrvator der geognoslischen Sammlungen ernannl. Die Akademie der Wissenschaften erwies ihm die hin«, ihn schon um l 842 als ausserordenlliches uod 1845 als ordeotlicbes Mitglied für die mathematisch-physikalische Klasse aufzunehmen.

Grössere Heisen unternahm Scliafhäutl von da aa nur Doch im Jahre 4 84i im Auftrag des Königs Ludwig l. nach Korn und Neapel zum Studium der Technik der ponipejaoischeo Wandmalereien, und im Jahre 1854 nach London als bayerischer Minislerialcommissär bei der ersten allgemeinen Wellausstellung. Seil dieser Zeit begnügte sich der in seinem eigentlichen Berufe als Lehrer und '-'orscher rastlos thätige Gelehrte alljährlich mit kleineren Erholungsreisen nach seinen Lieblingsorten Salzburg und Einsiedeln in der Schweiz, wo er in den Bene- dicIiner-Klöslern als hochgefeierter Gast gewöhnlich einige Wochen sich geistigem Ausruhen hingab.

Die Literatur sowohl im Bereiche der Wissenschaften, als auch in dem der Musik und der Technologie verdankt ihm eine ganz erstaunliche Anzahl höchst schätzbarer Werke, grösserer oder kleinerer Monographien, Abhandlungen und Aufsätze in deutscher, englischer und französischer Sprache, welche ausnahmslos von gründlichster Kenntnis* der behandelten Gegenstände, tiefer Gelehrsamkeil und schärfster Beobachtungsgabe Zeugniss geben.

Auf dem Gebiete der Musik begegnen wir zunächst in den Jahrgängen IH34 bis 4882 unserer Zeitung folgenden Abhandlungen :

1834. S. 71! u. f.: Ueber die Kirchenmusik des katholischen Culliu;

1835. S. 716 u. f. : Ueber das Musikfest zu Yuik und die englische Musik ;

4836. S. 50< u. f. : Ueber den englischen Orgelbau und die grossen Orgeln zu Birmingham und York ; (Diese Aufsätze unter dem Namen : Pellisov.)

(876. S. 593 u. f.: Ueber das Gut-komm, eine viersailige chinesische Laute, und über chinesische Musik überhaupt;

4878. S. 4 u. f.: Dur und Moll in der Natur und in der Geschichte der neueren und der neuesten Harmonielehre ;

4879. S. S93 u. f. : Ist die Lehre von dem Einflüsse des Materials, aus welchem ein Blasinstrument verfertigt isl, auf den Ton desselben eine Kabel?

4882. S. 433 u. f.: Theobald Böhm, ein merkwürdiges

Künstlerleben.

Ausserdem veröffentlichte Schafhäull noch an grösseren musikalischen Schriften:

Ueber die antike Musik und ihren Uebergang zum Modernen ; Ueber Mozart und die Musik der Neueren — (diese beiden

Abhandlungen in den gelehrten Anzeigen von 4846) ; W. A. Mozarl's Offertorium auf das Fest Johannis des Täufers. München 1854 ; Der echte gregorianische Choral in seiner Entwicklung bis

zur Kirchenmusik unserer Zeit. München 4869; Die Kirchenmusik der Byzantiner vom 8. Jahrhundert bis

auf die Gegenwart; aus Handschriften entziffert, 4874 ; ferner eine grosse Anzahl von Nekrologen, musikalischen Skizzen und Recensionen, hierunter die mit kösllichem Humor und feiner Satyre geschriebenen Aufsätze:

Ueber Tannhäuser und die Musik der Zukunft (Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung von 4856, Nr. I97u.f.); Ueber Meyerbeer's Afrikanerin (ibid. von 4867, Nr. 34 u. f.). Neben diesen der OeQentlichkeil übergebenen Arbeiten auf dem Gebiete der Musik endlich auch Schafhäutl's Schriften über naturwissenschaftliche, technologische und industrielle Gegenstände sämmllich namhaft zu machen, würde den uns hier zugemessenen Raum weit überschreiten. Wir beschränken uns deshalb auf die Anführung, das* dieselben die mannigfaltigsten Themata umfassen, als: Akustik, Dampfmaschinen, Chemie, Geologie, pompejanische Malerei, Stahlfabrikalion, Orgel- und

Ciavierbau, Zeitmessung durch Uhren, ScIiafhäuU's Erfindung eines Instruments zur Messung der Starke des Tons und viele andere, deren einzelne Aufzählung in dem jüngsten Almanach der Akademie der Wissenschaften den Umfang ton 13 Seilen einnimmt.

Die in jeder Hinsicht ganz hervorragenden Leistungen Scbafliäutl's haben von Slaalsreyierungen und Corporalionen die gebührende Anerkennung gefunden, indem unserem Gelehrten von Bayern der Kronorden nebsl dem persönlichen Adel und der Verdienstorden vom heiligen Michael, von Preussen der rothe Adlerorden, von Frankreich das Kreuz der Ehrenlegion, sowie von vielen gelehrten und industriellen Gesellschaften die Ehreninitgliedschafl verliehen worden isl. Kein Wunder daher, dass die Vollendung des achtzigsten Lebensjahres dieses Hannes als willkommener Anlass zu zahlreichen Ovalionen, u. a. einer ehrenden Gratulationsadresse Seitens des Magistrats der Haupt- und Residenzstadt München, freudigst benutzt wurde. Und nachdem sich Schafhäull, der in voller geistiger und körperlicher Gesundheit und Frische diese hohe Lebensslufe erklommen hat, durch mehr als 50jährigen Aufenthalt in München, seine Anspruchslosigkeit, sein Wohlwollen gegen alle Menschen und seinen glücklichen Humor die allgemeinste Hochachtung und einen grossen Kreis von Freunden erworben hat, dabei aber sicher nicht einen Feind besitzt, konnte es sich dieser Freundeskreis nicht versagen, mit Schaf- häull dessen Jubelfest durch ein heiteres Mahl in dein von ihm seil vielen Jahrzehnten besuchten vormals Junemann'scheu Gaslhause zu feiern, wobei die fröhlichste Stimmung herrschte, und alle Theilnehmer auf das Lebhafteste fühlten, dass niemand berechtigter, als der gefeierte Jubilar, im Rückblick auf seine Laufbahn den Spruch aus dem Quartelle seines Lieblingslon- dichters Haydn auf sich anwenden konnte :

Ein harmonischer Gesang

War mein Lebenslauf. München, im März 1883. L. v. St.

Franz von Holstein's Liedercompositionen.

T. K. Als Ergänzung zu unserm Aufsätze in Nr. 33, 34, 36 des Jahrg. 488! d. 61. sei erwähnt, dass aus dem Nachlasse Fr. v. Holstein's seitdem noch erschienen sind :

1) „Ick schürf auf i-iiur grüei Wiese eil" (Gedicht von It. Arnd), Lied für eine Singslimme (Sopran) mit Piano- forle; in der Zeitschrift »Vom Fels zum Meer« I. Jahr.;., 2. Bd., 4882, S. 313. (Stuttgart, Spemann.)

2) Acht Lieder für zwei und drei Singstimmen (Sopran- Tenor, Sopran-All, Sopran-AH-Tenor) ohne Begleitung. Op.48. Nr. 40 der nachgelassenen Werke. Leipzig und Winterlhur, J. Rieler-Biedermann. 4882. Pr. JtT 4. 50.

Diese schönen Duette und Terzette haben, wie uns milge- theill wird, ein eigentümliches Schicksal gehabt. In Italien componirt und handschriftlich in einem wertlivollen Einbände vereinigt, kamen sie auf der Heise abhanden und galten für verloren, bis ein glücklicher Fund die Entwürfe der Stimmen aus dem Nachlass zu Tage fördcrle, aus denen dieCompositioneu wieder zusammengestellt werden konnten.

Unvollendete Aufsätze.

Eine Reihe von Arbeiten, grösseren oder geringeren Um- fanges, ist in dieser Zeitung begonnen und zum Thcil weit gefördert, ohne zum Abschluss gelangt zu sein. Bei dem Bestreben, das Blatt mehr mit grösseren Aufsätzen als mit kleineren Millheilungen zu füllen und bei dem verhältnissmässig geringen It.iNm. der für diesen Zweck zu Gebote stand, war ein solcher Uebelsland nicht wohl zu vermeiden. Mehrere Arbeiten Hessen an einen völligen Abschluss auch von vorne herein nicht denken. Dies gilt von den drei umränglichslen, der Geschichte der Hamburgischen Oper, dem Bericht über Pergolese und der Kritik Mozart'scher Jugendwerke , während andere nur durch Zufall oder später eingetretene Nebenrücksichten Dicht zu Ende gekommen sind.

I.

Die Geschichte der Hamburgischen Oper ist in ihren wichtigsten Perioden hier beschrieben, wenigstens was die Texte und den äusseren Verlauf betrifft. Sie wurde im Jahrgang «880 Nr. 6 geführt bis zum Jahre (706, wo Reinhard Keiser's Direction zu Ende ging. Zum Schlüsse, Sp. 88, wurden aber noch zwei Aufsätze verheissen, die nicht erschienen sind. (Zu den letzleren gehört auch der Nachweis der Benutzung Keiser'scher Motive durch Händel, der Sp. 388 in Aussicht gestellt wird.) Dagegen haben wir zwei andere mitgetheilt, welche ebenfalls die alte Hamburger Operilluslriren: f Hunold-Menantes' Bericht über gesellschaftliche Verhältnisse in der Oper zu Anfang des 18. Jahrhunderts (4880, Nr. 48 —50); und 2) eine technische Beschreibung aus der damaligen Zeit über theatralische Maschinen (1882, Nr. 15 und <6). Das hier zu einer vollständigen Geschichte der älteren Hamburger Oper von 1678 bis (738 noch Fehlende ist zum Theil schon ausgearbeitet, wird aber den Lesern wohl erst vorgelegt werden können, wenn ich das Ganze in Buchform erscheinen lasse.

2.

Giovanni Battista Pergolese

erfuhr im letzten Jahrgang von Nr. 5 an eine Besprechung, die bis Nr. 45 Sp. 231 fortgeführt wurde. Wenn sie auch hiermit bei weitem nicht zu Ende gebracht ist, so dürfte sie den Lesern doch über die wenig bekannten Kirchenwerke dieses merkwürdigen Autors manches Neue gesagt haben.

3.

W. A. Mozart.

Anlasslicb der neuen Gesammtausgabe der Werke Mozarl's, welche als die erste dieser Art in unserer Zeitung von Anfang an mit besonderer Theilnabme verfolgt wurde, unterzogen wir namenllich diejenigen Compositionen einer eingehenderen Besprechung, die am meisten geeignet waren, bisher übersebene Eigenlbümlichkeiten dieses Heisters in ein besseres Licht zu setzen oder unhaltbare Urtheile auf ein richtigeres Maass zurückzuführen.

Die Litaneien und Vespern waren die ersten Stücke, welche in diesem Sinne besprochen wurden, Jahrgang 1880, Nr. 35 bis 42. Mit Spalte 666 hörte dieser Bericht auf. Der Schluss desselben, den das Inhaltsverzeichniss »im nächsten Jahrgänge« verbeisst, erfolgte nun aber nicht im Anschlnss an diese Litaneien, sondern vielmehr als eine selbständige Besprechung der

deutschen Operette Zaide, welche 4884 von Nr. 40 bis 47 in acht Nummern figurirt und Sp. 744 zu Ende gelangt. Eine Fortsetzung der bei den Litaneien begonnenen Erörterungen Mozartischer Werke und Kunstweisen nenne ich sie in dem Sinne, dass sich ein rother Faden hindurch zieht, der diesen anscheinend zusammenhangslosen Expeclorationen eine gewisse Einheit sichert, was den Lesern auch wohl erkennbar geworden ist.

Mehr noch, als das Genannte, bot Mozart's erste italienische Oper Mitridate Gelegenheit, sein Yerhällniss zu Vorgängern und Zeitgenossen zu beleuchten. Die 4884 mit Nr. 50 begonnene Kritik wurde bis Nr. 8 vom JJ. Februar 1882 fortgeführt, ohne ihr Ende erreicht zu haben, da sie mit Sp. 424 abbricht. Wenn nun auch nicht ihr volles Ende, so hat sie vielleicht doch

einigermaassen ihren eigentlichen Zweck erreicht, welcher kein anderer ist, als der, den gutgläubigen Lesern die Ahnung zu erregen, dass vieles, was nach bisherigen Darstellungen ausgemachte Wahrheit zu sein schien, sich als ungeprüft und, wenn geprüft, als grundlos erweist. Es hat natürlich nicht an Solchen gefehlt, denen diese Kritik »peinlich« gewesen ist. Aber wenn in der ganzen Sache irgend etwas peinlich ist, so kann es nur dies sein, dass geschichtliche Darstellungen, welche zur Verherrlichung eines Einzelnen über ganze Kunslepochen den Stab brechen, ohne sie zu kennen oder in ihrer Eigen- thümlicbkeit zu verstehen, noch allgemein Glauben finden.

4.

Händel's zwölf Concerti grossi

für Streichinstrumente nebst Cembalo-Bass, welche in der Händelausgabe als Band 30 zum Druck gekommen sind, erhielten 4881 in 5 Nummern (Nr. 6—10) eine Besprechung, die sich aber nur auf die ersten vier Concerte erstreckte. Mit Sp. 448 hörte der Bericht auf, und die von dem Inhaltsverzeichniss in Aussicht gestellte Fortsetzung desselben ist nicht erschienen. Diese Lücke bringt mir nun lebhaft die Vernachlässigung in Erinnerung, welche Händel bei meiner achtjährigen Redaction überhaupt erfahren hat. Als ich 4875 die Leitung dieses Blattes wieder übernahm , schickte der sei. Gugler als ersten Beitrag eine Arbeit über Händel — (es war die, welche 4875 Nr. 42 unter dem Titel »Vorübergehender Taktwechsel bei Händel« gedruckt ist) — und bemerkte dabei scherzend: »Die Leser werden gewiss ausrufen: Nun geht's gleich wieder los mit Händel!» Es ist aber nichts losgegangen, sondern die überhaupt noch Belehrbaren haben hier, wie bei anderen musikalischen Fragen, die Wahrnehmung machen müssen, dass ihre bisherigen Vorurtheile auf Irrthum beruhten.

5. Parsifal-Literatur

wurde besprochen in den Nummern 38 und 39, dann aber Sp. ii 2 - abgebrochen. Einer weiteren Unterhaltung über den Gegenstand, welche des mangelnden Raumes wegen nicht möglich war, sind wir damals nur ungern aus dem Wege gegangen, da das letzte Werk Wagner's sich in besonderem Maasse zu einem Rückblick auf seine gesammte Thätigkeit eignet.

6. Den beiden

deutschen Operngesellschaften,

die im Mai und Juni 488t in London Vorstellungen giben, wurde in Nr. 3 < ein Artikel gewidmet. Obwohl derselbe sich nur als der »Anfangt einer Reihe von Mittheilungen ankündigte, welche die beiden verfehlten Unternehmungen in ihrer wahren Gestalt zeigen sollten, hat die Redaction s'ch nachträglich doch entschlossen, jenen durchaus sachkundigen Bericht, der auf Quellen beruht, welche nur Wenigen zugänglich sein können, zurück zu stellen, weil der einzige Zweck desselben — Warnung und Belehrung für die Zukunft — doch nicht erreicht wird. Die mitgetheilte Erklärung B. Pollini's möge daher genügen. Dieser erfahrene, in schwierigen Geschäften erprobte Theaterdirector hat bei der Londoner Affaire 50,000 ,H ein- gebüsst. Das ganze Deficit betrug nach einer Aufstellung der Music Publishers Assoziation vom 42. Juli 4882 für die von Franke & Pollini geführte Opernunternehmung ca. 80,000 Jl, für die von H. Franke allein unternommenen Richter-Concerte über hundertlausend Hark. Angelo Neumann kam bei seinen gleichzeitig dort aufgeführten »Nibelungen' mit einem blauen Auge davon, doch nicht ohne Ändere stark in Mitleidenschaft gezogen zu haben; so lagern z. B. bei Schott & Co. in London noch 42,000 englische Textbücher und warten sehnlichst auf

Wiederholungen der Nibelungen. Londoner Opernunternehmer haben schon bedeutendere Summen verloren und stehen noch immer aufrecht. In einer solchen Stadt sind selbst grosse Ver- luste unter Umstanden leicht wieder einzubringen. Aber was sich auf Jahre hinaus schwerlich wieder gut machen oder in Vergessenheit bringen lässt, das ist die Schädigung des deut- schen Namens. Es war der richtige Zeitpunkt, um mit einer deutschen Oper in London festen Boden zu gewinnen, und die Monate Mai bis Juli stellen an Solisten, Chor und Orchester das reichste Material zur Verfügung, weil unsere Theater dann Ferien haben. Wie willkommen den meisten Bühnenmitgliedern

ein derartiger Nebenerwerb, wie nützlich ihnen überhaupt als Künstlern eine solche Erweiterung ihres Horizontes gewesen wäre, braucht nicht erst gesagt zu werden. Das alles ist nun auf lange Zeit dahin. Einstweilen hört man dort also wieder das alte Lied, nach welchem die Deutschen zu einer richtigen Behandlung derartiger Unternehmungen unfähig sein sollen. Und wer mit eignen Augen sieht, wie selbst die Schaaren d aut- scher Strassenmusikanten in London nach und nach unter -die Botmässigkeit italienischer Principale gekommen sind, von denen sie sich führen und füttern lassen — muss der nicht endlich selber glauben, dass jenes alte Lied die Wahrheit sagt?

Nachwort.

Durch unvorhergesehene Umstände ist die Ausgabe der Schlussnummer dieses Blattes Über Gebühr verzögert. Die Leser werden sich für ihr langes Warten vielleicht einigermaassen entschädigt rinden durch den Umfang und Inhalt dar Istatea Nummer. Der.anfängliche Plan, dieselbe noch reicher auszustatten und gleichsam in ein Buch zu verwandeln, konnte wegen der geschäftlichen Bedenken, die sich dabei ergaben, leider nicht ausgeführt werden, und so muss der

Herausgeber Manches, was zu äuss.ern ihm am Herzen lag, scbliesslich doch unterdrucken.

Als ich 4875 die Bedaction zum zweiten Male übernahm, bestimmte mich dazu lediglich der Wunsch meines sei.

Freundes Rieter, und ich entschloss mich erst dann, als der Verleger erklärte, dass ohne meinen Eintritt die Zeitung unbedingt eingehen werde. Ein solches Eingehen war mir im sich sehr gleichgültig; hatte ich doch während der Redaction meines Vorgängers mich gewöhnen müssen, das Blatt als ein mir völlig fremdes anzusehen, und war doch von den Be- dingungen , unter welchen ich ihm die Redactioo abtrat, nicht eine einzige erfüllt. Aber eben diese schiefe Wendung, welche das Blatt nahm, dieses Verlaufen in persönliche Animositäten, dieser Parteianstrich ohne die Macht einer wirklichen Partei hinter sich zu haben — konnte, mir als Abschluss doch in keiner Weise erwünscht sein. Denn nur Wenige wussten, wie fern ich der Sache stand; die Meisten betrachteten mich immer noch als Hintermann und geheimen Leiter des Blattes. Ich hoffe, dass es mir in diesen acht Jahren gelungen ist, sie von ihrem Irrthum zu befreien und die wirklichen Grund- sätze, die mich'leiten und durch welche ich, wie ich glaube, von Parteien unabhängig geworden bin, einigermaassen erkennen zu lassen.

Mit diesem Resultat will ich zufrieden Sein. Ein noch höheres zu erzielen, die Allgemeine Musikalische Zeitung ihrem Titel wahrhaft entsprechend zu gestalten und demgemäss auch ihre Wirksamkeit auszudehnen, war bei den bestehenden Verhältnissen unmöglich, konnte also nicht einmal versucht, viel weniger erreicht werden. Ich werde daher auch Keinem widersprechen, der den sachlichen Werth des hier Gebotenen nur gering anschlagen sollte. <:/(;,

AH FEIGER.

Verzeichniss

der im Jahre 4883 im Verlage von J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winlertlmr erschienenen neuen Werke.

Barth, Richard, Op. 8. Sereuade für Violine mit Begleitung des

Pianoforte. t M.

Barth, Rudolph, Op. 7. Sonate für Pianoforte und Violonccll. 7 .M.

Für Pianoforte und Violine. 7 M. Für Pianoforte und Viola. 7 Jl.

BMeeker, Louis, Op. 48. Trio-Phantasie für Pianoforle, Violine

und Violoncell. l Jt.

Op. 49. Deokzeichen trüber Stunden. VierClavierslUcke. t,it.

Gernshelm, Frledr., Op. 44: legende für Piaaoforte. 4 .U.

Op. 47. (Hurten (No. t. Fdur) für Pianoforte, Violine, Viola

und Violoncell. 48 Jl.

Hartog, Eduard de, Zwei Lieder für eine Singstimme mit Beglei-

tung des Pianoforte. No. 4. Das warst Da: »Der Morgen kam auf rosigem Gefieder«,

von Theodor Körner. 4 Jt 80 $r.

No. 1. »Die Liebe la§s lls Nachtigall«, von Km. Geibel. 4 uTSO $r.

Keljden, F. J. ran der, Op. «1. Fünf Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianofort«, l M.

No. 4. Gefunden, von W. Goethe. No. 1. Letztes Glück, von Tennrr. No. I. Das Mädchen und der Schmetterling, von K, F.Wegener. No.4. Gras», von H. Bein«. No. 5. Frühlingslied, von L. H. C. HtiUy.

Heno&enberg, Heinrich Tob, Op. 87. Fflnf CUvientttcke (Neue Folge). 4 Jl.

Op. 38. Duette für Sopran nnd Tenor mit Begleitung des Pfte.

Heft 4. 4 u».

No. 4. Die Waise (Lithauisch). No. 1. Begegnung (Ungarisch).

No. S. Abschied (Ungarisch). No. 4. Nachtlicher Besuch, von

/. Kenur. No. 5. Der Kranke, von 1. von Eichendorff.

Heft 1. 4 Jl.

No. 6. JBger und Jägerin, von /. von Eichendorff. No. 7. Tani-

lled, von Ff. Rückcrt. No. 8. Aeolsharfen, von W. Goethe.

No. ». Im Abendrotb, von J. von Eichendor/f.

Herxogenberg-, Heinrich Tob , Op. 39. Orgel-Phantasie über die

Melodie: »Nun komm, der Heiden Heiland«, i .«/ 50 .:{P.

Op. 40. Tier Gesänge für eine hohe Singstimme mit Begleitung

des Pianoforle. 4 M.

No. 4. Im Frühling, von Ed. Morike. No. ». Morgendämmerung, von Ed. Märike. No. 3. Lethe, von Yi>. I.enuu. No. 4. An die Sonne, von Fr. Kückert.

—— Op. 44. Sieben Lleddf für eine hohe Singstimme mit Beglei- tung des Pianoforle.

Helt 4. S Jt 60 .tf.

No. 4. Das Sirausslein, von Cl. Brentano. No. 1. Scheidelied,

von Cl. Brentano. No. S. Heimweb, von Ed. Morike. No. 4.

FrUhieitiger FrUhling, von W. Goethe. Heft 1. tUl 50 #.

No. S. Wehmuth, von W. Goethe. No. 6. Abendstandcben, von

Cl. Brentano. No. 7. Schifferlied, von Gott/r. Keller.

Henbner, Konrad, Op. 4. Quartett (in Amoll) für zwei Violinen,

Bratsche und Violoncell. Partitur und Stimmen 7 Jl 50 3>.

Op. '. Sechs Lieder von Goethe für eine mittlere Singstimme

mit Begleitung des Pianoforte.

Heft 1. i .0 ,'iO .// No. 4. Die Spröde. No. i. Die Bekehrte. No. t. Mailied.

Heft II. ijt. No.4. An die Entfernte. No. S. SuleikasTraum. No. t. »Dämm-

rung senkte sich von oben«.

Hermann-Rheineck, Carl, Op. 3. fünf Fantasiestücke für Piano-

forle. 3 Jl.

Hille, Gustav, Op. 7. Serenade und Walzer für Violine mit Beglei-

tung des Pianoforle. No. 4. Serenade. ( Jl 50 31!. No. S. Walzer, t Jl.

Hollaender, Gnstar, Op. 46. Zwei Concertstücke Tür Violine mit

Begleitung des Orchesters oder des Pianoforle. No. 4. Romanze (No. i. Hdur) Partitur (autograflrl). n. 8 Jt.

Mit Pianoforte. l Jl 50 $r.

(Orchesterstimmen in Abschrift.) Hollaeiider, QusUT, Op. 46. Zwei Concertstücke für Violine mit

Begleitung des Orchesters oder des Pianofortc. No. 2. Tarontclle. Partitur (autografirlj. n. 4 Jl. Mit Pianoforle. 3 .*.

(Orchesterstimmen in Abschrin.)

Jensen, Gutar, Op. 14. Staate (Allegro con brio, Romanze und

Rondo) für Pianofortc und Violine. 6 Jl.

Jlränek, Josef P., Op. 5. Drei StimmnngsbildCT für Violoncello

und Pianoforte. 6 .H.

KAan, Heinrich Tod, Op. 41. Drei Stacke für Pianoforte u. Violon- cello. ;i .;.' .lo /.

Köckert, Ad., Op. 48. Variation^ de Concert sur l'hymne national nlerlandais »Wien neerlandsch bloed« composäes pour Violon avec accompagnement d'orchestre ou de Piano. Pour Violon et Piano. S Jt.

(Partition et Parties d'orchcslre en copie.)

—— Oeuv. 44. Dem Choenrs pour tiois voix de femmes avec ac-

compagnement de Piano. No. 4. Chant de Noiäl. (Paroles de Ad. Kitckerl.) No. 2. La reine des elfes. (Paroles de Ad. Ködert d'apres Mal-

thison.) Parlition de Piano, l ./.'. Soprano l, II, Alto a 90 ,//.

Op. 21. Kriegen Heimkehr. (Leretourdusoldal.) (Thesoldier's

relurn.) Harsch für Mililair-Orchester oder Pianoforte. Partitur

3 Jl netto. FUr Pianoforte 50 ../.

Krug-, 6., Tannhaaser s Schwinenlied von Jul. Wolff für eine Tenor- stimme mit Begleitung des Pianoforte. l .//.

Lang, Heiirj Albert, Op. 42. Sonate für Pianoforte und Violon- cello 7 .//. Ausgabe für Pianoforte und Violine 7 Jl.

Lange, S. de, Op. st. Variationen über das Volkslied »God save

the queen« für die Orgel. 3 Jf.

Lim/, Frledr., Op. 4. Zwei Lieder für Mannerchor.

No. 4. Jagdruf: »Der Morgen tagt, hinaus zur Jagd«. (Unbekann- ter Dichter.) Partitur 50 ift. Chorstimmen & 30 ->,'.

No. t. Vorfrühling: »Nun langen die Weiden zu blühen an«,

von Fr. Oser. Partitur 50 ,f/. Chorstimmen .>. t:. ;/,

Löw, Josef, Op. *77. Bilderbuch in Tönen. Kleine melodiöse, hei- tere Tonbilder für Ciavier (im Umfange von fünf Tönen und lang- sam fortschreitend, mit unterlegtem die Jugend anregendem Text) als angenehme und instructive Beigabe zum Unterricht componirt und mit Fingersatz versehen. 3 Jt.

Nürnberg, Hermann, Op. 297. Zwölf nicht schwere und ange- nehme Tonstucke für Piano zu vier Händen, furSchüler und Lehrer componirt und dem die Prime spielenden Schiller zur Gewinnung einer ruhigen und correcten Handhaltnng dargeboten.

Heft 4. a Jt 50 fy. Heft 2. * Jl 50 .,?.

Pergoleee, Glor. Batt., La serva padrona (Weiberlist). Intermezzo in zwei Acten. Te-l von Gen. Ant. Federte». Ciavierauszug gr. 8. (Zweite durch Ouvertüre und Arie be- reicherte Ausgabe), n. i Jl 50 fy. Textbuch n. 30 3]l.

(Uebersetzung, Ciavierauszug und Bearbeitung Tür die deutsche Bühne von II. U. ScMelterer, Augsburg. Von ihm oder der Ver- lagshandlung ist allein die Orchester-Partitur zu beziehen.)

Petergen, W., Vierstimmige Hännergesänge ohne Begleitung. Op. 1. Zwei Lieder aus V. von Scheffel'sTrompeter von Säckingen.

Im Volkston. No. 4. Lied Margaretha's. No. 2. Lied Werner's.

Chorstimmen a 45 fy.

Op. >. No. 4. »Ich hör' ein Glöcklein durch den Wald«, von üiter-

wald. Partitur 30 ^. Chorstimmen ä 45 $r.

No. 2. HUle dich: »Nachtigall, o hüte dich«, von Lingg.

Partitur 30 fy. Chorslimmen a 45 ^.

Op. t. No. 4. »Abends, wenn die Kinder mein*, von Adolf Schult*.

Partitur 30 .-/.

No. S. SUndchen: »Mach' auf l doch leise, mein Kind«, von

A. F. v. Schock.

Partitur 50 3}. Chorslimmen ä 45 Sp.

l'ilct, Charles E., Six Capricei pour Violon seul. a .// r.o .//.

Prüfer, Clemens, Tier Fraelodien zu Luther's Choral: »Ein' feste

Burg, für die Orgel. * Jl 50 3f.

Kanin n n, Brnno, Op. 59. Drei Lieder and Gelänge für eine Sing- stimme mit Begleitung des Pianoforte. 2 Jl.

Schletterer, H. H., Op so. Die Tochter Fharao'l (Pharao's daughter}. Dramalisirtes Märchen in drei Acten (nach einer Kr- zahluug von Villamaria) von Marie Schmidt. Für Soli und Chor mit Begleitung des Pianoforte.

Chorstimmen: Sopran, Altä n. 50 üjf.

Stecher, Herrn, Op. 50. Zwölf Tonstücke für die Orgel. iuTSO^.

Thlerlot, Ferd., Op. »9. Thema nnd Variationen für Pianoforte und zwei Violoncelli. 6 Jl.

Toller, F.msl, Op. 4 30. Drei Stflcke (Adagios) für Violoncello mit

Orgel- oder Harmonium-Begleitung. >,'.»:.

Talle, Anselmo (j. del, Op. (7. Fantasie über Motive aus der Oper:

»Un Ballo in Maschera« von G. Verdi für Pianoforle. 5 Jl.

Yonllolre, Woldemar, Op. 8. Präludium and Fage für Pianoforte.

t Jl.

Op. 9. Fünf geistliche Lieder von Lude Gräfin Pfeü für eine

Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. 2 Jt 50 3jf.

—— Op. 40. Drei geistliche Gesänge. (Ich komm1 in Demuth ber-

getrelen — Choral: Deinen Frieden gieb uns, Herr l — Herr, ich glaube, hilf mir Schwachen t) für eine Sopranstimme und gemisch-

ten Chor mit Begleitung von Orgel oder Harmonium. Partitur 4 Jl. Chorstimmen a 50 3)1.

Op. 44. Sechiehn Praelndien für Pianoforte.

Heft 4. 3 Jl 50 3}. Heft 1. 3 Jl 50 3jl.

Wettig, Carl, Op. 23. Sechs Lieder für eine Singstimme mit Beglei-

tung des Pianoforte. (Nachgcl. Werk.) Daraus einzeln : No. 2. Veilchen: »Veilchen unter Gras versteckt«, von Hoffmann von Fallerileben. 50 äj/.

Wolf,Leopold Carl, Op. 2. Zwölf charakteristische Ciavierstücke.

Op. 3. Fünf Gesänge (Gedichte von Herrn. Lingg) für eine hohe

Singslimme mit Begleitung des Pianoforte. 3 Jl 50 3jf.

No. 4. Vergessen und verlassen. No. 2. Schönster Lohn. No. 3. Julinacht. No. 4. Sommernacht. No. 5. Frühlings- ahnung.

/ileher, Paul, Op. 40. Drei Melodien für Pianoforle. 4 Jl 50 3jr.

Heiter«, Dr. II., Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. (Separatabdruck aus der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« XVII. Jahrgang No. 48—54). n. 4 .11

Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Duette für Pianofortc und Clarinette.

Beethoren, L.ran, Neun Tonstücke. Bearbeitet von Schletterer und Werner.

No. 4. Adagio canlabile. Aus der Sonate pathgtique. Op. 43. Jl 4,50. No. 3. Adagio. Aus dem Terzett für l Oboen und Engliseh-Horn. Op. 87. .44,50. No. 5. Adagio. Aus dem Sextett für Blasinstrumente. Op.74. .4.4,50. No. 7. Allegretto quasi Andante. Aus den Bagatellen für Ciavier. Op. 33, No.6. Jl 4,50.

Tier Tonitficke. (1. Folge.) Bearbeitet von Schletterer und

Werner.

Heft I. .* 2,50.

No. 4. Largo aus der Ciaviersonate. Op. 40. No. S. .44,80. No. 1. Menuett aus derselben. Jl 4,50.

Heft II. Jl %,-.

No. 3. Largo aus der Ciaviersonate. Op. 7. .44,50. No. 4. Menuett aus der Claviersonate. Op. 34. No. 3. Jl 4,30.

Kliert, l;U(!n., Op. 3. Tier Stücke in Form einer Sonate. Jl 4,50.

klicken, Fr., Op. 70. Am Chlemsee. Drei Tpnbllder. Jl 4,50. No. i. Sommerabend. .« 4,50. No.2. Auf dem Wasser. .!/ 4,80. No.3. Kirmes. .41,30.

Mozart, W. A., Fünf Divertissement» für 2 Oboen, 2 Hörner und

l Fagol ie. Bearbeitet vonSchletterer.

No. 4 in F Jl l,-. No. 2 in B Jl 2,50. No. 3 in Es Jl 2,—. No. 4 in F Jl 2,50. No. 5 in B Jl 2,50.

Drei Tonstücke. Bearbeitet von Schletterer und Werner.

Jl 3,50.

No. 4. Adagio aus der Serenade in Esdur für Blasinstrumente. Jl l,—. No. 2. Andante aus der Serenade in Cmoll für Blas- instrumente. .44,50. No.3. Andante grazioso aus dem zwei- ten Divertissement für l Oboen, i Hörner und l Fagotte. Jl 4,50.

Drei Tonstficke (1. Folge) aus den Streichquartetten Op. 94.

Bearbeitet von Schletterer und Werner.

No. I. Poco Adagio. .44,50.

Für Pianoforte und Hörn (in F).

Nogkowgkl, Slegm., Op. 3. Melodie and Burleska

No. 4. Melodie. Bearbeitung vom Componisten. .44,50.

Jf.

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vm. 3nbas Jltnccitlihua 22 15 AriuÄniitf 85 niisrllimmcn, ü f.iritruur, ii. tnl Sri Bifffr-Bubirmann. Arniiiiio 89 xvm. m. v. xvra. ))arna)fd in ,ft\\n. Strtnata 54 12 9 12 Alnlnutit 87 Rafften imrii 3ol)annt9 9 fitrtnict . ... 90 pnflioit imrti £toiht> IS tyto so Urfurrrjiouc 39 9 15 IX. dalomo 26 /loriöoiitr ... 65 rv. v. ^nmfon 10 lihiuDimmrn, Hfiipitragfi. u. teil 0(i Kitfn-Bifbctmann. 15 15 (ßinlio Ctfart 6S lifiornimnifu, (Udpinonfj. i. Hai lii Birlfr-Bitbrnnaiin. Sani 13 (fiinHillo 88

	 	aBoifiimmfn, lit.ntKiüu»,!. n. tnl M Hidir-Bitbtrmiinn.	 	Jlliuio dctoola 64

m. i. Stratlt 7 15 15 ffirlnnbo 82 dnfanna / (Oitniir fifi m. tthorllimmtn, u'favitriiuii. n. tRI 0(1 DieKr-Bitbfrmann. 15 porftnojit 7«

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	 	 	xvn.	Hiccarbo 74
	 	fiird)Entnu(lh.	 	XIV. XVI. XIII. XVII. XV. XVIII. XX. XVI. XIV.	Kinalbo 58
	 	 	Koitlinba 70

XLXII. Antlirms, uoUrinnbifl in 3 ßiinbrii. . 34— 36 SroinuiiU'h i)«i um tiioiiiniasniitliniifi . . 14 drnntrl|i)iiiiir ßrnriÜHiiliiiiitlicni // Kobrigo 56 v. rv. 10 9 ddpiont 7t etii'rlltmnini, ilfguitiaiit]. ii. tnl l'ti Didtr-Birbniniinn. Silla 6l VIII. 10 Sirot 75

	 	 	 	sofnrnif ' A/

x. lllrtrtitfr It 5Dtum mib 3nbilotc .... 3t 9 12 if rtiiinliiiti) ... (19 XIII. XIII. 3 St t) mm (in I), B nnb Adur) 37 if cfrn isn i'iitriiiifdic tiirriifiMiiiilil: .W 12 xvnr. dolontto " bnrrti hr Sämintliiijf flönbr (inb im O&anirn roif aiidj tinjtln j» licjicl] cn, nnb \m nr gcbiinbrn bnrdj ßvcitkopf unb flürtrl in Vripiiq, brof tjlrt

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Ctlp}t9, fflrtobtt 1883.

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