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Autor: Ferdinand Cœlestin Bernays
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Titel: DEUTSCHE ZEITUNGSSCHAU.
Untertitel: APOGRYPISCHE ZEITUNG
aus: Deutsch-Französische Jahrbücher, S. 215–237.
Herausgeber: Arnold Ruge, Karl Marx
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Entstehungsdatum: August bis Dezember 1843
Erscheinungsdatum: 1844
Verlag: Bureau der Jahrbücher
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Erscheinungsort: Paris
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Quelle: Scans auf Commons
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DEUTSCHE ZEITUNGSSCHAU.




APOGRYPISCHE ZEITUNG.
von
Ferdinand Cœlestin Bernays



„Und das Stroh ward Mist.“

Es versteht sich von selbst, dass man im Grunde nur ein Nebengeschäft treibt, wenn man die deutschen Zeitungen brandmarkt. Sie sind die Sumpfgerüche, die der grosse Faulwasserteich Deutschland aushaucht! Warum nicht unmittelbar den Spaten in den tiefsten Grund stossen, warum nicht frei heraussagen, dass Eure vielen grossen und kleinen Herren sogar mit dem lahmen Liberalismus, den Ihr in Deutschland, und das nur heimlich, Freiheit und Recht nennt, nicht regieren können, dass sie sogar dazu die Fähigkeit nicht haben?

Und soll man Euch immer wieder vorkäuen, was Ihr selber recht gut wisst? Ihr kennt Euren elenden Zustand ebenso wie kraft- und marklose Buhlweiber den ihrigen, Ihr seid aber auch so wenig als jene fähig, ihn zu ändern. Eure Könige und Herren, Eure Beamten und Zuchtmeister sagen, so wollen Wirs haben, Eure Landstände, Wir können es nicht ändern, Ihr selber, Wir mögen es nicht ändern, – denn der Mist hält warm!

Haltet Euch ruhig, Deutsche, Ich will Euch einige von Euren Geschwüren aufschneiden! Ich erzähle Euch ein paar wahre Geschichten, und dann mögt Ihr Mir Rede stehen, ob Ihr verdient, dass man sich noch so viel um Euch kümmert. Hört Mir zu!

Ludwig von Bayern, der Städtegründer, geruht in einer Finanzperiode zweiunddreissig Millionen Gulden zu erübrigen, d. h. die für den Strassenbau und den öffentlichen Unterricht bestimmten Gelder grossentheils nicht dafür zu verwenden, und diese sowie ungeheure [216] Summen, die aus über den Staatsbedarf erhobenen Steuern erwachsen, für selbstgewählte Zwecke und Capricen, Walhalla, Ruhmeshalle, Griechenland, Donau-Main-Canal, Ausstattung einer Prinzessin, pompejanische Paläste, Spielgeld für den Kronprinzen, chinesische Bücher etc. und was für andere königliche Gelüste er eben mehr hat, auszugeben, ohne die Lieben und Getreuen, die Stände des Reichs darum zu fragen. Der König und seine Minister Abel und Seinsheim nennen das sothane Verschleudern von zwei und dreissig Millionen Gulden: „Erübrigen“, und erklären der Kammer, das sei nun geschehen, und von den erübrigten Millionen, – es ist zum Todtlachen naiv, – seien noch 57 Kreuzer in der Kasse. Es sei das vielleicht nicht ganz konstitutionel, allein einmal befände man sich in Bayern auf dem „Vertrauensboden“ (ein Boden des Rechtes oder der Verfassung gehört zur baierischen Mythologie) und sie ständen keinen Augenblick an, sich vor der Kammer, oder dem obersten Reichsgerichtshof, wegen dessen zu vertheidigen, was der König gethan habe, – dann aber auch kämen ohnehin in Zukunft wegen der ausserordentlichen Bedürfnisse für die Eisenbahnen nie mehr „Erübrigungen“ vor. Die Kammer wolle deshalb sich wegen der Rechtmässigkeit der Verausgabung nicht den Kopf zerbrechen, sie möge diesen „unseligen Principienstreit unter den Grundstein eines neuen Verfassungsgebäudes begraben.“ Thut Ihr das nicht, so ist es auch gut, – das Geld ist ausgegeben! – Was sagten Eure herrlichen Volksrepräsentanten dazu? Die Minister haben die Verfassung verletzt, das ist wahr, und wenn man könnte, sollte man sie eigentlich in Anklagezustand versetzen. Die Sache selbst rechtfertige die Anklage, sagte Dekan Friedrich; aus persönlicher Hochachtung gegen die Herrn Minister aber, solle sie von ihm nicht ausgehen. Und so thaten Alle! „Wir wollen darum, meint Herr Schwindel, in den sauern Apfel beissen, wollen fünfe grade sein lassen“, denn eine verletzte Verfassung ist doch immer besser als gar keine! Man muss die Verschwendung für jetzt gut heissen, – für die Zukunft aber sich seine Rechte vorbehalten. Und was sagte, oder dachte vielmehr das Volk zu diesem Verfahren? Unser König – nun, das ist eine bekannte Sache, unsere Minister haben uns betrogen, und unsere Landstände sind erbärmliche Tröpfe; das ist einmal so, von Jahr zu Jahr wird das besser werden, wir haben dagegen nichts, er ist der König, wir die königlich baierischen Unterthanen! Das ist es eben, der Sklave ist nie besser als der Herr. Ihr ward bisher taubes Stroh, jetzt seid Ihr zu Mist zusammen getreten – und der Mist [217] hält warm! Ihr müsst hinunter, meine lieben Unterthanen, Ihr seid zu nichts gut als den Boden zu düngen!

Allein Ich will auch den andern noch ein paar Stückchen erzählen, sonst werden sie stolz, und meinen, sie wären besser als diese Baiern. Wahrlich Ich sage Euch, Ihr seid noch erbärmlicher als jenes Volk von Kapuzinern, Bierbäuchen, Knödelfressern und aufgeblasenen Hambachern – denn Ihr seid klüger als sie, und duldet viel ärgern Unfug; bei Euch ist nicht Etwas faul, bei Euch ist Alles faul, Alles vom Haupt bis zu den Zehen eine grosse Lüge, und nur dass Ihr und Euer Staat faul und zusammengelogen und gebettelt seid, ist Wahrheit! – Hört zu: Auch der König von Preussen beruft Landtage; er lässt sie berathen und bitten; aber was sie erbitten erhört er nicht, was sie rathen das thut er nicht; er speist sie und das Volk mit Landtagsabschieden ab, die wie Scheidewasser brennen müssten, wenn nur noch ein gesundes Fleckchen Fleisch oder Menschheitsstolz an ihnen wäre! Ihr wollt Pressfreiheit, wollt keine Stockprügel, wollt Arbeit und Verdienst, wollt Menschen sein – da fährt Euch Euer König schnurrig an: Unterthanen seid Ihr, und weiter nichts; seid froh, wenn ich geruhe mit Euch Spässe und Experimente zu machen: ich gebe Euch ein Oberzensurgericht, Arschprügel, den Schwanenorden und griechische Tragödien, sind das nicht Neuigkeiten genug – statt Brod? Ihr Preussen denkt, das ist ein empörendes, niederträchtiges Regiment, Ihr fühlt einen dumpfen Schmerz, Ihr seufzt auch erstickt wie verspottete Heloten; doch bei allem dem schnappt Ihr nach jedem königlichen Vapeur, nehmt Ihr jeden Fusstritt unterthänigst hin, krümmt Euch ergebenst in Euren Höhlen, – denn der Mist hält warm! Ihr wisst das Alles. Wenn man so allein bei Euch ist, und Ihr Euch sicher glaubt, dann seid Ihr lauter Republikaner und Pfaffenfeinde, dann ist auch nicht Einer, der die Schande nicht gestände; erkannt habt Ihr Alle das System, Ihr verabscheut es Alle, aber es hat noch nicht aufgehört furchtbar und erträglich für Euch zu sein. –

Ich komme zu Euch Ihr wackern Badener, mit Eurer liberalen Verfassung und Gemeinde-Ordnung, womit Ihr es nach 25 Jahren richtig bis zu einem 25jährigen Jubiläum brachtet; ich will Euch nicht von Euren liberalen Landständen unterhalten, die sich so gerne reden hören, die im Buche der Freiheit nie über das Titelblatt hinauskommen, wo ein Trefurt die Ironie so weit treiben kann gegen von Itzstein, Sander und Rindeschwender für die Judenemancipation aufzutreten, wo sich ein jeder selbst vergöttert, und sich auf [218] Tabaksdosen und Pfeifenköpfen vergöttern lässt, wenn er ohngefähr ein Achtel von dem gesagt hat, was er eigentlich meint – – – nein, nein, Ich will Euch nur ein Histörchen offen zum Besten geben, das Ihr Mir selber leise anvertraut habt, das Euren legitimen Hof, mit all’ seinen Reminiscenzen an den Grossherzog Ludwig, an Caspar Hauser, an die Abkunft des legitimsten aller Grossherzöge, des „bürgerlich-freundlichen“ Leopold, das Euer constitutionelles Offiziercorps,– kurz das Euere ganze Misere so treffend charakterisirt, – das kleine Geschichtchen von der Vertreibung des Judenbarons von Haber.

Das grossherzoglich badische Volk hatte die obrigkeitliche Erlaubniss erhalten das bürgerliche Schauspiel „Verfassungsjubiläum“ öffentlich zu geben. Da es dem Sujet selbst an aller Tiefe, an Ideen, an concreter Wahrheit und Handlung fehlt, so konnte man es auch nur in diesem Sinne, lahm und langweilig, in Scene setzen, was Jedermann schon im Voraus fühlte der nur die Theaterzettel – die Programme und die Zeitungen las. Den angeblichen Helden des Stückes, das Volk, hatte man theilweise in die Reihen der Statisten, theilweise sogar zu den Claqueurs verwiesen, und die Schauspieler die mit ihrer bekannten Mittelmässigkeit, ohne Kunst und ohne Enthusiasmus ihre Monologe abdeklamirlen, halten den Aerger zu verbeissen, dass ihr vornehmes Publikum, der grossherzogliche Hof, seine Beamten und seine Offiziere, die man durch eine gelungenere Aufführung zu erschrecken vermeinte, für den Augenblick in ihrer gewohnten Contenance blieben.

Aber auch der Hof und Herr von Blittersdorf nebst Anhang hatten sich verrechnet: Die Hoffnung von der Affaire Nutzen ziehen zu können, war an der Langweiligkeit und Gefahrlosigkeit des zweiundzwanzigsten August gescheitert und man hatte sich schon in der traurigen Nothwendigkeit gesehen, auf eine Demonstration gegen den gespreizten, wenn auch nichts sagenden Ton der Augustushelden zu verzichten, als Markgraf Wilhelm, ein Feind der regierenden Adelsparthei, auf eigene Faust Konstitution und Volk zu blamiren unternahm. – Wir können auch Komödie spielen, ruft er seinen Offizieren zu, und das besser als sie. Unser Sujet sei die Revolution, wir selber, Hof, Adel und Offiziere die Komödianten, die Canaille sei unser Publikum, ein Jude das Opfer, – nehmt Euch zusammen: wenn wir besser spielen als Ihr, und Ihr klatscht nicht, – dann lass’ ich Kanonen aufführen; – ich will Euch zeigen, was es heisst, uns mit Verfassungsjubiläen ennuiren! Gesagt, gethan! Vierzehn Tage nach der [219] Bürgerkomödie beginnt das hochadelige Stück, und wird mit steigender Wollust und Wuth zu Ende geführt. Rasch folgen die Scenen auf einander: Das Volk schnauft nicht, vor dummer Verwunderung sperrt es Maul und Nase auf:

Die Grossherzogin Sophie in trautem Zwiegespräch mit Herrn Baron Moritz von Haber. Der Agent des Don Carlos unterhält sich mit der hohen Frau über das Geschick seines Herrn, und die erwünschte Plattheit der von ihm gegründeten „deutschen Wochenzeitung:“ auf den Knien hält sie das jüngste Kind ihrer legitimistischen Laune, dessen schwarzer Lockenkopf dem jüdischen Manne die süsse Ueberzeugung gibt, wie sich das dunkle orientalische Blut nicht sträubt gegen die Verbindung mit dem blasseren germanischen Saft! Noch einen zärtlichen Blick, einen Händedruck – und Herr von Haber verlässt die Fürstin – um sie nie wieder zu sehen! Im Schlosse, da sie seiner ansichtig werden, ärgern sich die Schranzen über sein Glück, die Wache, an der er vorüber muss, Soldaten und Offiziere, verwünschen den Juden, sie brummen Flüche in den Bart, so oft sie vor dem „Jüdchen,“ wenn es mit seiner Amme spaziren fährt, in’s Gewehr treten müssen. Das Glück macht von Habern übermüthig und indiskret: er meint ganz Deutschland sähe auf ihn, weil er für Don Carlos Geld makelt, und Kukukseier in hoher Potentaten Nester legt: und er hat Recht, – so etwas interessirt das deutsche Volk! Er rennomirt gegen die Offiziere, zieht Zettelchen aus seiner Tasche: „Das ist von der Sophie!“ wettet auf die Farbe des Kleides, in dem sie am Abend auf dem Hofballe erscheinen werde, und steigert den Neid der Offiziere und Stallknechte, die bisher allein zu solch hohen Liebesdiensten berechtigt waren, bis zur Rache! Markgraf Wilhelm schwört, der Jude müsse vom Hof entfernt werden; er hetzt seine gallonirten Bedienten, das Offiziercorps, hinter ihn; sie müssen ihn für ehrlos erklären, dürfen auf keinem Ball mit ihm zusammen sein, und er muss als Feiger und Infamer behandelt werden! Die beiden Adelsracen stehen giftig gegen einander: Sieg oder Tod, die Komödianten werden heftig und warm, sie improvisiren, aus der Komödie wird Ernst; ein wackerer Russe nimmt sich des rechtlos gestellten Juden an, er schlägt sich gegen den Lieutenant von Göler, der sich dazu hergegeben, der spezielle Racheengel der Ehre des Grossherzogs zu sein, – und beide schiessen sich in einem metzgerartigen Duell todt, in dem ein Spanier Sarachaga den Hetzhund macht.

Das Schicksal mit Markgrafen Wilhelm im Kampfe: Der Judenbaron, der Eindringling in das legitime Geblüt lebt – und Göler [220] ist todt! Schicksal, ich trotze dir: der Jude muss sterben, und sollten ihn meine Offiziere meuchlings erwürgen!

Der Abend bricht an: Offiziere und ihre Bedienten in Blousen schaaren sich unter dem Banner Muckenschnabels, eines bekannten ganz à propos entlassenen Züchtlings; sein ganzer Anhang aus dem „Dörfle,“ die Männer mit Stöcken, Aexten und Vitriolkrügen, die Huren, die man in der Eile angeworben, mit Steinen beladen, folgen dem grossherzoglichen Offizierskorps. Die Patrouille und der Zapfenstreich erhalten Ordre, heute nicht ihren gewöhnlichen Weg am Haber’schen Hause vorbei zu machen, in einem Bierhause dicht bei der Kaserne wird die Rotte auf den Mililäretat zum heiligen Kampfe mit Bier begeistert; noch eine rührende Scene: die Offiziere drücken ihre Stiefelputzer und die Metzen ihrer Soldaten an die racheglühende Brust, Muckenschnabel weint Freudenthränen in den Armen eines ängstlichen Lieutenants, und unter dem Feldgeschrei: „Hepp, hepp!“ „vor dem Grossherzog sein Ehr’!“ „Uf die Judeh–“ stürzt sich die Bande auf von Habers Haus! Der untere Stock wird zerstört, alles zerschlagen, Kisten und Schränke erbrochen, die Familie hatte sich versammelt, von Haber rettet sich durch das Hinterhaus, und die Bande, der das Revolutioniren ansteht, zieht noch gegen einige andere Judenhäuser! Die regierende Adelsparthei, Blittersdorf an der Spitze, die von allem nichts geahnt, hat Angst vor Metternich, und wie vor dem Bunde der Unfug zu entschuldigen; man steckt drum zur Sicherheit von Haber ein, proklamirt sofort, das Volk habe von Göler rächen und eine Demonstration gegen die Judenemancipation machen wollen! Das scheint sogar den Herren Liberalen plausibel, und im ersten Freudentaumel halten sie die Revolution für eine Demonstration des Volkes gegen die in Haber personifizirte Legitimität!! Wie unschuldig! Markgraf Wilhelm, obgleich er gut gespielt, zerplatzt fast vor Wuth, dass ihm der Jude wieder entkommen; der spanische Hetzhund keift von Neuem gegen das verjagte Opfer, er verfolgt es auf seiner Flucht – das Schicksal ist schlecht von der Ehre der badischen Herrscherfamilie überzeugt – die deutsche Wochenzeitung geht unter, und von Haber erschiesst seinen Feind.

Während des Verlaufes der ganzen Tragödie verliert das Staatsoberhaupt keinen Augenblick seine gewohnte Würde; der in Leopolden verkörperte Staat trinkt ruhig seinen Champagner weiter und behält seine vollständige Neutralität. – Tags nach der Zerstörung des Judenhauses fährt er seit Langem zum ersten Male an der [221] Seite von Frau Sophie durch die Stadt, und schlägt damit, so meint er, alle bösen Gerüchte nieder!

Und auch du, mein badisches Volk, bliebst neutral, – du schreist es lebe die Verfassung, wenn dir die Offiziere auch die Ohren abschneiden; du verschlingst die Brochüren der adeligen Buben, die dich Tags nachher auch für ehrlos erklären oder auf Befehl todtschiessen, du ziehst dich bescheiden in einen Winkel der Karlsruher Zeitung zurück und erklärst, du seiest nicht unartig gewesen, – denn der Mist hält warm.


Acht Tage, nachdem Ich das Vorstehende geschrieben, fallen Mir zwei Beweisstücke in die Hände die Ich nicht unbenutzt lassen darf, und die den rechten Epilog dazu bilden. Das erste ist das SCHLUSSPROTOKOLL DER WIENER MINISTERIAL-CONFERENZ VOM 12. JUNI 1834. Den Liberalen oder Constitutionellen ist dadurch der Schleier ganz von den Augen gerissen: wenn sie jezt nicht sehen, dann wollen sie nicht sehen! Seit dem Jahr 1834 ist die ganze constitutionelle Partei für rechtlos erklärt; seit zehn Jahren lässt sie eine kindische Komödie mit sich spielen; glaubt sie es sei den Regierungen Ernst, wenn sie mit ihr streiten; merkt sie nicht, dass sie schon vorher verurtheilt ist! Seit zehn Jahren ist die Frage der Büdgetpositionen souverain entschieden, und doch wird beständig der Kampf (!) darüber in der baierischen Kammer scheinbar fortgeführt: seit zehn Jahren hat der Bund in Bezug auf die Verausgabung der Erübrigungen den Grundsatz des fait accompli aufgestellt und die baierische Kammer bellt immer noch! So hat man den badischen Ständen die Urlaubsfrage vorweggenommen, allen zusammen die Aussicht auf Geschworene, auf Pressfreiheit – und das Recht der Steuerverweigerung – so hat man sich darüber verständigt, – das Militär nicht auf die Verfassung schwören zu lassen: – um Alles in Einem zu sagen, man hat den Grundsatz aufgestellt, dass die Bundesgesetzgebung jeder Art die Stände binde, d. h. mit andern Worten: dass jeder Bundesfürst, der ja das nothwendige Stück Bund für sein Land ist, – unumschränkt herrscht! Wenn daher der König von Hannover das Staatsgrundgesetz ausdrücklich aufhob, so sprach er nur ehrlich aus, was schon in Wirklichkeit längst vorher geschehen war: wenn es die andern nicht thun – so ist dies nur eine scheinbare Grossmuth; [222] hier so gut wie dort existirt es nicht mehr. Drum ist der König von Hannover auch besser als die andern, denn er hatte den Muth des Verbrechens, die andern sind feige, sehr feige – denn sie fürchten sich vor Sklaven, vor den Deutschen, dem feigsten Volk der Erde! –

Einen heitern Eindruck macht dagegen das zweite Document, das Ich der Beilage zur Trierischen Zeitung Nr. 14 entnehme. Es bedarf keiner Erklärung:

Vom Oberrhein 7. Januar. In der Residenz Carlsruhe ist ein neuer Lärm passirt, dessen Motive bis jetzt aller Erforschung sich entziehen. Der Erbprinzengarten mit dem Landhause Ihrer königlichen Hoheit der Frau, Grossherzogin ist diesmal Zeuge eines Attentats[WS 1] geworden, dessen sich wirklich die Gassenbuben selbst zu schämen haben müssen. Sämmtliche Möbel des Palais sind nämlich in einer schönen Nacht demolirt worden, die Spiegel zerschlagen, die Sophas aufgeschnitten und der ekelhafteste Koth auf die Möbel gelegt. Allgemeines Erstaunen erfüllt die Karlsruher Einwohner, und die Vermuthungen gehen vom Hundertsten in’s Tausendste, ohne auf ein befriedigendes Ziel zu stossen. Man sagt, der Erbgrossherzog habe später diese Besitzung antreten wollen, welche durch gemeinen Muthwillen so verunehrt worden ist.


MYSTIFICATION DER DEUTSCHEN ZEITUNGEN.

Vor einigen Monaten lasen wir allerlei seltsame Widerrufe. Es waren falsche Schwangerschaften von Königinnen und Kronprinzessinnen, ein falscher Mässigkeitsverein, eine falsche Dampfschiffschlepperei, ein fingirter Brief von Massmann u.s.w. in die Zeitungen gekommen. Nun klärt uns das Büchelchen: „Schandgeschichten zur Charakteristik des deutschen Censoren- und Redaktorenpackes von Bernays“ darüber auf, woher die Mystifikationen kommen. Der Titel und der Text der kleinen Schrift sind grob, die Mystificationen aber höchst fein. Sie waren allemal so gut auf die Schwäche der unterthänigen Censoren und Redaktoren berechnet, dass sie trotz ihrer kolossalen Unwahrscheinlichkeit sogleich publicirt wurden.

Die Rhein- und Moselzeitung bekommt einen unfrankirten aber [223] adelig gesiegelten und gezeichneten Brief, ein Stückchen königliches Handbillet und alles in dem reinblütigsten, duftigsten Stil mit dem ganzen Arom des unterthänigen deutschen Zeitungswesens geschrieben. Der Brief enthält die Nachricht von der Schwangerschaft der Kronprinzessin von Bayern:

„Carlsruhe, 17, Sept. – Laut einer so eben aus Aschaffenburg vom Hof Seiner Majestät des Königs von Baiern hier eingehenden Nachricht, befindet sich Ihre Königl. Hoheit die Kronprinzessin von Baiern in einem Zustande, der ganz Baiern mit der höchsten Freude erfüllen muss.“ „Der Wittelsbacher Stamm wird, so hofft man in Aschaffenburg, einen neuen Ast aus seiner Mitte treiben, unter dessen Schatten das baierische Volk auf Jahrhunderte hinaus in Glück und Frieden leben wird.“ „(Worte des Handschreibens Sr. Majestät aus Aschaffenburg.)“

Alle Zeitungen wiederholen die Nachricht. Zugleich bringt das „Mannheimer Journal“ aus derselben Quelle, ganz mit denselben obligaten Redensarten die Nachricht von der Schwangerschaft der Königin von Griechenland. Alsdann gehts an die Berichtigungen, zuerst einer Lüge durch die andre, bis denn endlich, die „officielle Hebamme, das Journal de Francfort die Sache untersucht. Wie dauert ihr mich, ihr belogenen Lügner, ruft der Verfasser aus, und wie wehe muss es thun, zwei so erfreuliche Erreignisse zu widerrufen. Aber jedes Kind wusste ja die Unmöglichkeit. Pater noster Ave Maria, u.s.w. da hilft alles nichts!“

Der fingirte Mässigkeitsverein für die Pfalz enthält zwei u. zwanzig Paragraphen ausgeführt ins Detail für Katholiken und Protestanten, eine historische Einleitung und den vortrefflichsten baierischen Amtsstil. Er ist uns hier zu ausführlich, jedoch der Brief, den Herr Bernays im „Manheimer Journal“ Massmann aus Berlin schreiben lässt, muss wiederholt werden.

„Berlin, den 19. September. Sieh lieber, lieber F***, so fleissig denk’ ich an Dich, gestern wollt’ ich den Brief wegschicken, und doch that ich’s nicht, nur um Dir berichten zu können, wie glänzend die heutige Revue, die der König vor der Abreise des Kaisers abhielt, ausgefallen ist. Es waren sämmtliche Regimenter, so wie die Garnison von Potsdam und Sanssouci, vor einem wahren Fürstencongress ausgestellt, denn heute in aller Frühe überraschte auch noch der König von Sachsen und der König von Hanover (Herr Redacteur, welche Schande, die beiden Majestäten waren gar nicht in Berlin!) unsern Hof. Obgleich ich kein grosser Freund [224] von militärischem Prunk bin und lieber mit meiner kräftigen Berliner Jugend mich auf meinen Turnplätzen herumtummle, so war ich doch den ganzen Tag auf den Beinen, weil man eine solche kriegerische Pracht nur in Berlin, dem Centralpunkte der deutschen Waffenkraft, sehen kann. Das sechste Husarenregiment (Prinz von Braunschweig) sah wirklich aus wie eine einzige goldene Schwadron, der Glanz der Pferdedecken verblendete mein an dergleichen nicht gewöhntes Auge so sehr, dass ich stets gezwungen war, hinter dem grossen Fächer meiner Frau Schutz zu suchen. Ich und meine Frau sind vollständig gesund und wenn mein Turnkursus beendigt ist, werden wir zusammen nach Rügen reisen. Leb’ wohl mein theurer F***, halte Dich wacker und wohl auf und sei Gott befohlen.“

Wer aber die Geschichte von der Schleppschiffahrt und von Ludwigshafen ganz verstehen will, der muss wissen, dass die Stadt Ludwigshafen aus einem einzigen Hause besteht und dass der ganze Stil darauf berechnet war, die preussische Staatszeitung zugleich zu persiffliren und anzuführen. Es gelang und es musste gelingen. Der Eingang sprach von den „Segnungen eines dreissigjährigen Friedens, von der Ruhe und Besonnenheit der wackern Pfälzer“, dann kam detaillirtes Unterthanenglück und sechs grosse und vier kleine Schleppdampfschiffe, die unter Garantie der Regierung gebaut wurden, eine Urkunde Ludwigs des Baiern, die bei Ausgrabung der Fundamente der Maxburg gefunden worden sei, und endlich eine Phrase, die nur ein Herz zu würdigen weiss, das in die tiefsten Mysterien unseres deutschen Zeitungssprachschatzes eingeweiht ist: „die reine Nothwendigkeit würde Ludwigshafen gegründet haben, wenn nicht der König derselben vorgegriffen und die Gründung dieses neuen Stapelplatzes selstthätig als eignen Gedanken erfasst hätte!! Die Lagerhäuser für die neue Schiffarth verlegt der Artikel nach Kusel, Landstuhl und Blieskastel, den erbärmlichsten Nestern auf den höchsten Anhöhen des Landes wenigstens 1000 Fuss über der Meeresfläche und wohl 20 Stunden vom Rhein, ohne die Geographie der Staatszeitung zu geniren, so bekannt auch die Landstuhler Höhen sind. Wie hätte auch die Staatszeitung diesen Delikatessen widerstehen sollen; und Herr Bernays hat seine Wette gewonen. Er hatte in einer Gesellschaft von Freunden behauptet, die Redaktoren der deutschen Zeitungen seien eben so schlecht, als die Censoren aber viel dümmer noch und es sei wohl eben so niederträchtig, als der gemeinste Censurstrich, wenn das „Mannheimer [225] Journal“ z. E. erzählte: „Unsre Stadt genoss heute das unverhoffte Glück, die Pferde seiner königlichen Hoheit des Prinzen Karl an unsrer Stadt vorbeiziehen zu sehen, höchst welche {die Pferde) dem hohen Herrn voraus zu den Manövern an den Rhein eilen.“ „Diese Kerle, sagte B., haben durch den Schlendrian ihres schlechten Treibens auch ihr letztes Restchen von Verstand eingebüsst, und er wettet, den Redactoren der ganzen servilen Presse in den nächsten 8 Tagen fünfzig der albernsten Erfindungen und Lügen, denen es jedermann, der die Verhältnisse nur leidlig kennt, auf dem ersten Blick ansehen müsse aufzubürden. Wie wird nun die Wette wirklich gewonnen? „Wie machte ich es, sagt B., dass die Tröpfe alle meine Lüge glaubten?“

Ich verschaffte mir ein Siegel mit einer Grafenkrone über den Buchstaben C. v. R. und ein noch vornehmeres, nahm Postpapier mit Goldschnitt, vom feinsten Siegellack, unterzeichnete mich jenach Umständen als Baron, Graf, Regierungsrath (ja ihr Herrn Redaktoren, spitzt nur die Ohren, ihr seid schmählich angeführt!) hatte in den Begleitungsschreiben alle Nachrichten von „hohen Militairs,“ „Banquierhäusern,“ „Hofcavalieren,“ „aus officieller Quelle“ oder von einer „hochstehenden Person“ und war hiedurch zu jeder Lüge autorisirt! Das waren die Beweise für die Richtigkeit meiner Mittheilungen, die ein den einzelnen Redaktionen ganz fremder Mensch vorbrachte; dass der Inhalt nur niederträchtig, hündisch und dumm, oder besser, albern zu sein brauchte, um für solche Kerle als wahr zu gelten, davon hatte ich viele Beweise. Ich log also, wie es mir grade in den Kopf kam darauf zu, und schickte immer die gröbsten Lügen an die klügsten Redaktoren.“

Auf diese Weise sind die Mystifikationen eine Charakteristik dieses gemeinen, verwahrlosten, unsittlichen Getreibes der deutschen Zeitungen geworden, wie man sie nicht gründlicher geben konnte. Man wettet auf ihre Dummheit und Niederträchtigkeit und gewinnt die Wette. Die Akten in der obigen Schrift sind mit den genauesten Citaten versehen, und man vergibt dem Verfasser seine Grobheit, wenn man ihn gelesen hat. Nur darüber täuscht er sich, wenn er die armen Teufel von Censoren und Redaktoren (il faut donc que je vive!) für isolirte Erscheinungen nimmt. Unsere Landsleute, die guten Deutschen, sind selbst ihre eigenen Censoren und sind in Masse die Redaktoren ihrer eigenen Schmach; ihre Zeitungen sind immer so nobel als sie selbst, und die Pferde in allem Ernst höchst dieselben zu nennen, ist dem Bewusstsein der Deutschen[WS 2] über die politischen Götter, denen sie dienen, vollkommen [226] angemessen. Ohne Zweifel schlägt dieser hündische Ernst einmal in die derbste Ironie um; der Verfasser der Schandgeschichten macht schon den Anfang; allein wir werden noch lange fortfahren können über die legitime Wirklichkeit, den Stab zu brechen. Es braucht einen grossen Sturmwind aus Westen, um all ihre niederträchtigen Tische und Bänke umzustürzen; es lebt jetzt kein Herkules, der diesen Augiasstall auf einmal misten könnte. „Der Mist hält warm.“


GROBE MISSACHTUNG DEUTSCHLANDS UND DER DEUTSCHEN SPRACHE.

Im Frankfurter Journal vom 7ten verwahren sich einige unserer Freunde gegen „grobe Missachtung Deutschlands und der deutschen Sprache“. Sie haben sehr recht. Nichts ist begründeter, als die Furcht, bei dem gänzlichen Misswachs des Geistes in der jetzigen deutschen Luft, selbst von den wohlmeinendsten Schriftstellern die Sprache missachtet, ja misshandelt zu sehen; und man wird Deutschland seine Achtung nicht besser bezeugen können, als durch die entschiedenste Missachtung der Sprache, die seine unterjochten Journale führen. Die gröbste Missachtung Deutschlands dagegen ist das herrschende System, welches mit den Gesetzen der Menschheit eben so verfährt, wie die beherrschten Schriftsteller mit den Gesetzen des Stils. Es macht sie zum Spiel seiner Willkür.

Das System erzeugt den Stil. Um also das System vor uns zu haben, dürfen wir nur den Stil irgend einer deutschen Zeitung ansehen. Ganz Deutschland schreibt in den Zeitungen einen Stil, den Kurialstil seines offiziellen Unwesens. Die deutsche Luft erzeugt ihn, seiner Ansteckung ist jeder unterworfen, der sie einathmet. Diesen Stil erhalten, heisst das System erhalten. Er ist daher eine Sache von der höchsten Wichtigkeit; und nicht nur der Karlsbader Kongress, das ganze deutsche Volk hat dies begriffen und sich die Segnungen einer vieljährigen Censur zu Nutze gemacht. Im Laufe der Zeit ist eine förmliche Revolution gegen die deutsche Sprache zu Stande gekommen. Unter allen Zeitungen zeigt sich aber die preussische Staatszeitung als die revolutionärste. Sie befindet sich im permanenten Aufruhr gegen alle Gesetze der Sprache. Von den Gesetzen der Logik, von allem Positiven der Philosophie, [227] der Zeitideen und überhaupt von allem menschlichen Inhalt hat die deutsche Zeitungspresse sich längst emancipirt. Es bleibt also nur die Sprache übrig, die Sprache als der einmal vorhandene und durch sein langes Bestehen selbst in Deutschland respektirte Behälter der Volksvernunft.

Die Staatszeitung vom 12ten Dezember 1843 wählt einen Aufsatz der D. A. Z. aus dem nicht preussischen Westphalen, um ihn zu reproduziren, versteht sich als einen besonders gelungenen und beachtungswürdigen Ausdruck ihrer eigenen Richtung, denn der Aufsatz erklärt das Phänomen des „christlichen Staats.“ Der Verfasser findet „ein so weites Auseinanderlaufen in der Auffassung des christlichen Staates, dass über den eigentlichen Begriff wohl noch nicht eine solche Vereinigung Statt finden wird, wie die vielfache Anwendung schliessen lassen möchte.“ Das Verständniss, fährt er fort, wird aber um so wichtiger, als wir eine Menge drängender Lebensfragen ohne völliges Klarsein über diesen Begriff nicht zu einigermassen erfreulicher und gedeihlicher Endschaft zu führen vermögen.“

Es hätte immer christliche Staaten gegeben, versteht sich so lange es welche gegeben hat, wenn man auch erst in neuster Zeit dazu geschritten sei, diese Thatsache richtig anzuerkennen. Der Verfasser nennt christlich einen Staat, „worin das Uebergewicht der Bevölkerung christlich ist“, ihn geniren die Juden, sonst würde er sagen, worin lauter Christen sind. „Ein nicht christliches Staatsoberhaupt, eine Gesetzgebung die Fetischdienst und Vielweiberei einführte, eine Verwaltung, welche die Beeidigung eines christlichen Unterthanen auf den Koran verlangte, würde somit in einem christlichen Staate, wie sich leicht erweisen lässt, durchaus unstatthaft sein und zwar einzig und allein, weil der Staat eben ein christlicher ist; ein Beweis aus ferneren Gründen wäre völlig überflüssig. Es scheint dies so in die Augen springend zu sein, wie z. E. keinem Sehenden die Wunderlichkeit entgehen würde, wenn in einem grünen Walde ein blauer Baum erwüchse.“ Und nun noch „erwüchse,“ zu wachsen anfinge! und das sehe einer! O blauer Baum, wie viel „Gründe“ stehn dir zur Seite, „um“ den Beweis zu führen,“ dass es dem armen Deutschen grün und gelb vor den Augen werden müsste, wenn er diesen Stil „erwachsen sähe.“ Vielleicht aber sieht dies Phänomen kein Mensch, „was uns, wenn wir uns recht bedächten, so in die Augen springend zu sein scheinen würde, dass wir alle die Gründe, die uns zur Seite stehn, um einen weitern Beweis überflüssig zu machen, bei Seite [228] stehn lassen und diese Lebensfrage mit dem Einen Grunde zum völligen Klarsein und zur erfreulichen Endschaft zu führen uns erlauben,“ dass wohl darum in Deutschland noch kein Mensch auf den Stil der Staatszeitung aufmerksam geworden ist, weil sie keiner liest! Der nicht-preussische Westphale, um den es schade ist, dass er von dem christlichen Preussen noch erst erobert werden muss, fährt unmittelbar hinter dem blauen Baume fort: „So nahe liegend und natürlich uns für unsern Theil nun aber auch die Wahrnehmung der vorhandenen Thatsache des christlichen Staates zu sein scheint, so ist das doch keineswegs allerseits der Fall gewesen, denn sonst würde der christliche Staat nicht so viele Widersacher finden. Um es zu erklären, dass ein Begriff, eine Wahrnehmung überhaupt Gegner finden könne – müssen wir bemerken:“ – Ein Esel, der wahrgenommen wird, ist Eine Thatsache, und ein Löwe, der ihn frisst, wäre der Gegner dieser Thatsache. Der Westphale fährt im Stil und in der Logik, wie beides sich seit Hegels Tode in und ausser Preussen entwickelt hat, fort, und theilt die Gegner seiner Wahrnehmung in drei Abtheilungen:

1. Wird gesagt: „euer christlicher Staat ist noch gar nicht da.
2. Es kann überhaupt gar keinen christlichen Staat geben; der christliche Staat ist Unsinn.
3. Es soll gar keinen christlichen Staat geben.

Nun fängt er aber nicht mit 1 an, sondern mit 2 und 3.

„Beide, sagt er, laufen so ziemlich auf eins hinaus, nur dass die Einen bloss die Möglichkeit des christlichen Staats läugnen, die Andern ihn gar nicht haben wollen.“ Sie wollen ihn nicht, und bloss darum nicht, weil er unmöglich ist. Die Schlingel! Aber welcher Sinn im Unsinn! Sein Dasein zu läugnen – das thut wenig, man glaubt daran, die Möglichkeit bestreiten, das hindert nicht, ihn doch zu wollen; was der Christ will, ist alles gleich unmöglich und er will es doch. Es ist dumm, es ist reiner Unsinn, aber es ist Methode darin.

„Auch sollen die christlichen Ideale immer unmöglich bleiben, nie erreicht werden“, sagt die Staatszeitung, „die christliche Bruderliebe z. E. beruhe nicht auf einem patriotischen Fraternisiren, nicht auf einer blossen Gemeinschaft der Interessen, sondern auf der Gleichheit im Himmel, d. h. auf der unmöglichen Brüderschaft der Menschen. Schliesslich versteht sie unter „christlich“ nicht etwa irgend einen sittlichen Höhengrad, sie setzt den christlichen Staat nicht etwa dem schlechten Staate, sondern dem jüdischen, dem mohamedanischen [229] entgegen,“ und nun schliesst der Westphale mit siegender Beredsamkeit so: „Wir hoffen es möglich gemacht zu haben, dass unsre Gegner ad 1, – denn mit 2, und 3, kann er gar nicht reden – hinführo uns verstehen, wenn wir sagen: „wir leben in einem christlichen Staate; denn wenn auch wir, d. h. wir in Deutschland, niemals die allerchristlichsten, die allerkatholischsten und die allergläubigsten Herrscher gehabt haben, so ist doch der christliche Charakter des gesammten deutschen Landes so zusagen mit dem deutschen Reichscharakter von Einer Geburtsstunde“ – und auch von einer Todesstunde. Der Wahnsinn der verkehrten Welt, die Empörung gegen alle Vernunft, ja, der Stil sogar des alten Reichs hat das alte Reich überlebt, sein Charakter lebt hinter dem Rücken seiner Existenz fort unter den wüsten Schädeln der germanischen Raçe; und erst der menschliche Stil, die menschliche Bildung des Kopfes und der Sprache, die Todesstunde dieser westphälischen und berlinischen Borokudenbildung wäre die Geburtsstunde einer deutschen Menschheit.


DER FORTSCHRITT IN DEUTSCHLAND, WIE ER IN DEN ZEITUNGEN ZERSTREUT ZU FINDEN IST.

Auch die Landtagsabschiede in Preussen könnte man Fortschritte nennen, insofern sie überall gröber, wie gewöhnlich, ausgefallen sind. Sie verdienen eine eigene Betrachtung. Hier signalisiren wir nur eine Menge Nachrichten über positive Stiftungen. Der König von Preussen hat erlaubt, dass einige tausend Thaler zu der Stiftung der heiligen Elisabeth in Erfurt verwendet und etwas von barmherzigen Schwestern dafür angeschafft wird; er hat ferner angeordnet, dass in Westpreussen bei Katholiken und Protestanten eine Hauskollekte gehalten werden dürfe, um von dem Ertrage derselben dem heiligen Adalbert, der 997 das Christenthum in diese Gegend gebracht, eine Kapelle zu bauen, und zwar an der Stelle, wo die alten Westpreussen ihn für diese unzeitige Neuerung erschlugen. Der König von Baiern hat durch das Intelligenzblatt von Unterfranken die Unterstützung der Väter am heiligen Grabe durch Kirchenkollekten angeordnet. Der König von Preussen hat den Schwanenorden wieder herzustellen befohlen und zu dem Zweck selbst eine ausführliche Kabinetsordre abgefasst. Die schwäbischen [230] Gelehrten lassen „die Jahrbücher der Gegenwart“ eingehn und stiften eine „Revue der Vergangenheit,“ welches Journal die Tendenz haben soll, zu beweisen, dass Altwürttemberg noch immer die Welt ist. Der König von Preussen stiftet eine Gallerie berühmter Männer und hat zu dem Ende den Paul Veronese von der Dresdner Gallerie gekauft, aus welchem eine weisse Dogge hervorschaut, die prophetisch die Züge des grossen Schelling anticipirt hat. Dies Portrait des Philosophen, welches zugleich einen selbständigen Kunstwerth hat, wird die Gallerie eröffnen. Ein zweites Bild, welches Schelling abbildet, wie er mit dem Bettelsack voll Jacob Böhm u. s. w. die Offenbarungsphilosophie in die Metropole deutscher Wissenschaft bringt, und ein drittes, welches ihn als beliebten Kinderschriftsteller darstellt, wird folgen. Hiemit soll es vorläufig genug sein, bis erst jüngere Christen Schellings Ruf erreicht haben. Uebrigens klagt man allgemein in Preussen, dass die Frommen sich zu sehr durch Staatsgeschäfte zerstreuen, und dass daher wenig Aussicht auf Fortsetzung der Gallerie berühmter, gottgefälliger Männer vorhanden sei. Die Berliner sagen:

Ihr unterbrecht zu oft den Gottesdienst, heilige Maenner:
Macht das Gebet permanent! dann hat die Welt vor Euch Ruh.

Die Zeitungen haben nun über alle diese Symptome der deutschen Geschichte schlecht berichtet. Sie scheuen sich den Uebergang vom Denken zum Phantisiren, vom Philosophiren zum Leben entschieden mitzumachen. Hinter der Kabinetsordre, die den Schwanenorden im Stil eines Gebets und einer christlichen Predigt wieder einsetzt, fährt die Staatszeitung ohne Begeisterung in ihrem alten Stil fort. Die Männer des Fortschritts, die beiden deutschen Könige, scheinen nicht die warme Unterstützung zu finden, die sie in Anspruch nehmen möchten. Ebensowenig ist das socialistische Princip, „auf dem Wege der Bildung von Vereinen, physische und moralische Leiden zu lindern,“ welches der König an die Spitze seiner Rede stellt, gewürdigt worden. Der König hat in seiner kurzen Regierung schon die Erfahrung gemacht, wie wenig mit dem Staat, diesem grössten und darum plumpsten Vereine, dem er selbst vorsteht, anzufangen ist: er stiftet deswegen jetzt kleinere, handliche, niedliche Vereine; und der Schwanenorden, der „das Bekenntniss der christlichen Wahrheit durch die That“ will, ist offenbar das, was man sonst den christlichen Staat nennt. Er wird die ganze Staatsgesellschaft in sich hineinziehen und sie so überflüssig machen.

[231]
VOLTAIRE, SCHILLER UND GOETHE.

Die D. A. Z. vom 8ten spricht nochmals ihre Entrüstung über die unpatriotischen Dresdner Tischreden aus, und erklärt, sie hätte ja nichts gegen das Essen, aber alles Mögliche gegen das Reden dabei. Der Korrespondent beschwert sich in Einem Athem über die Schlechtigkeit, die deutsche Sprache „unklar“ zu nennen, und über das Missgeschick, mit seiner deutschen Entrüstung dem Publikum das erste Mal „unklar“ geblieben zu sein. Wir, die wir die Schwierigkeit, im Deutschen vollkommen klar zu sein, nicht verkennen, hoffen dennoch, auf den ersten Wurf verstanden zu werden, wenn wir die Ohren des Herrn Korrespondenten, der die Dresdner Reden gehört hat, übel gebildet, sein Herz aber, das nicht gleich überlief, sehr unschlüssig finden. Er hätte gleich den Beweis liefern müssen, dass er bei aller Deutschheit wisse, was „Geist“ sei. Er that es nicht, und es wäre so leicht gewesen: um es zu wissen, brauchte er nur „Voltaire“ zu kennen. Alsdann hätte er es auch nicht für einen Vorwurf, sondern für einen grossen Ruhm gehalten, Voltaire’s Nachfolger zu sein, denn das bedeutet nichts Geringeres, als Geist haben und sein Jahrhundert beherrschen. Voltaire verdient den Hass der Beschränktheit in ganz Europa; und dass er ihn geniesst, beweist nur seine Grösse. Göthe und Schiller haben das Jahrhundert der Aufklärung hinter sich, und sie werden nur deshalb nicht mit derselben Verfolgung beehrt, weil weder ihr Princip noch ihre Konsequenzen so schlagend hervortreten. Zudem ist kein Dichter primitiv. Er hat die alle Welt nicht zu zerstören. Sein Beruf ist es nicht, Prinzipien zu finden, sondern sie auszubilden und an die Massen zu bringen. Primitiv sind nur die Denker. Ein grosses Prinzip durchführen, ist aber natürlich eben so ehrenvoll, als es aufstellen. Uebrigens ist es sehr begreiflich, dass die Fabel, Voltaire sei eigentlich ein Affe gewesen, dem Correspondenten der D.A.Z. zusagt; so braucht sogar er nicht zu verzweifeln, noch einmal ein grosser Schriftsteller zu werden.


DIE BEILAGE DER AUGSBURGER ZEITUNG VOM**

Weiss mir keiner das Meer von Theologie zu erklären?
Seekrank macht mich der Dunst, welcher die Zeitung erfüllt! –
„Schwaben nennt man das Meer, Vicare führen die Kiele:
„Jeder im Archipel sucht nach der Insel – Pfarrei.“

[232]

„Christus ernenn’ ich zum Gott und Schelling zu seinem Propheten,
„Ohne Schelling und ihn stürb’ ich als Junggesell.“

Heinrich April.


SCHNOEDE AUSWANDERUNG.

Die deutschen Zeitungen protestiren im Voraus gegen eine deutsche Literatur in Paris, sie empfinden es mit der tiefsten Entrüstung, dass einige deutsche Schriftsteller sich nach Paris gewendet! – Wie unüberlegt! Haben die Deutschen in Deutschland nicht die Philosophen Bülau, Kolb, Schmidt, Schuster, Becker, Schneider. Schäfer und Rellstab? Haben sie nicht Mosen und die Propheten Heller, Pfennig und Schimmelpfennig? Haben sie nicht die kleinen Propheten Schelling, Gutzkow und Laube? Und die Apokryphen Göschel, Henning, Gabler und Gruppe? Und die Bücher der Könige von Preussen und von Baiern, die Reden, die Trinksprüche, die Kabinetsordres, die Wallhallagenossen, den Brief an Becker und endlich die Gedichte?

„Leg’ ich mich Abends zu Bett, so pfleg’ ich Goethe zu lesen,
Wenn ich des Morgens aufsteh, Schiller, dann les’ ich in Dir!“

Und ihr wollt sagen, wir liessen euch im Stich? Wir lassen euch in eurem Reichthum, gönnt uns unsre Armuth. Wie unüberlegt, uns zu vermissen! Aber auch welch’ eine mangelhafte Geographie! Schlagt den Menzel auf. Ist das Elsass nicht deutsch, ist Lothringen nicht deutsch gewesen, ist Belgien nicht flämisch, ja, ist das Reich der Franken denn nicht deutsch? Ist die Sprache nicht eigentlich auch deutsch? Das Bisschen oui und non, und was sonst die Fremden noch hinzugefügt haben, wen wird das geniren? Frankreich muss für Deutschland reklamirt werden nach allem historischen Recht, und wir sollten nicht vorläufig drin wohnen? Ihr Schwachköpfe!

Lange regiert schon nicht mehr der portugiesische Michel,
Jetzt ist der serbische fort, wann kommt der deutsche daran?


DIE STAATSZEITUNG UND DIE VOSSISCHE ZEITUNG.

Die Reise nach London und noch mehr die Reise nach Gent rief neulich einen patriotischen Sturm hervor, dessen Eindruck europäisch [233] zu sein scheint. Wenigstens ist auch die Preussische Staatszeitung sogleich vom Patriotismus befallen worden und hat länger als drei Tage daran gelitten. Die Ansteckung ging noch weiter. Die Staatszeitung hat nicht nur ebenfalls eine sträfliche Wendung nach England entdeckt, sondern sie auch „gebrandmarkt.“

Die Vossische Zeitung hatte die Unvorsichtigkeit begangen, die Engländer freier zu finden, als die Preussen, sie hatte in Erinnerung an die Timesartikel vom vorigen Jahr das Gewicht der englischen Presse gegenüber der deutschen hervorgehoben. Dafür „brandmarkt“ die Staatszeitung sie als unpatriotisch und fügt drohend hinzu: „Die Vossische Zeitung sei in grober Täuschung befangen, wenn sie wähnte, ihr stehe die Befugniss zu, auf deutschem Boden das deutsche Volk ungestraft zu schmähen.“ „Von England übrigens seien keine Schmähungen zu erwarten.“ Die Staatszeitung hatte die blutige Züchtigung von der Times mit hündischer Unterwerfung für freundliches Achselklopfen genommen. Die Vossische Zeitung – man erschrickt über diese Kühnheit – wehrt sich, sie schärft ihrer Gegnerin das Gedächtniss und citirt die vernichtenden Artikel der Times, ja, sie spricht sogar von dem Problem, ob Preussen „ein Staat des Rechts oder der Willkür sei.“ Aber Ende gut, Alles gut! Die Vossische Zeitung „fühlt sich schliesslich sicher auf dem festen Boden des Gesetzes.“ Sie ist loyal, noch mehr, sie ist priviligirt und ihr Privilegium trägt ihr, bei glücklicher Vermeidung müssiger Politik, des Jahrs über viele Tausend Thaler ein. So begreift man die Kühnheit und zugleich die Loyalität der Angegriffenen. Kühn macht sie ihr Privilegium, loyal ihre Rente. Aber man versteht auch nun die Drohung der Staatsszeitung[WS 3]. Eine durchgreifende Polizeimassregel, und die schöne Rente mit sammt dem Sicherheitsgefühl der Vossischen Zeitung ist dahin, noch einige oppositionelle Unfertigkeiten, und die Staatszeitung trägt darauf an, alle Zeitungsprivilegien in Preussen aufzuheben. Sie weiss, wie leicht dies ist. Sie erklärt am dritten Tage ihres Patriotismus ausdrücklich: „Die Kraft der preussischen Regierung sei grösser, als die der englischen.“ Die englische Regierung kann die Times nicht verbieten, aber wehe selbst der privilegirten Vossischen Zeitung, wenn sie nicht patriotisch ist, die preussische Regierung wird sie nicht „ungestraft“ unpatriotisch reden lassen. Ist das nicht mehr Kraft? Es wäre die meisste Kraft, die es giebt, wenn nicht Russland und Marocco noch mehr hätten! O ihr patriotischen Hunde! Aber hütet euch vor [234] der Kraft der Wölfe, denen der Patriotismus nicht eingeprügelt wird! „Wie unwürdig, sagt die Staatszeitung, wie unpatriotisch, wenn deutsche Blätter jede Veranlassung ergreifen, um ohne Unterschied Gesetze und Einrichtungen des Auslandes auf Kosten der Gesetze unsers Vaterlandes mit Lobpreisungen zu überschütten: – Das muss jeder wahre Freund Deutschlands tief fühlen“. Diesem „tiefen Gefühl“ der Staatszeitung, wer sollte ihm widerstehn? Gewiss kein Deutscher. Jeder Deutsche findet also ohne Zweifel in Zukunft die Vossische Zeitung besser, als die Times, die Staatszeitung geistvoller als den Charivari, patriotischer als den National und unvorsichtiger als alle französischen Journale zusammen; sie hat ihr „tiefes Gefühl“ blos gelegt und das ist, nach Göthe, das Gefährlichste, was man thun kann?

„Die, thoerigt gnug, ihr volles Herz nicht wahrten,
Hat man von je gekreuzigt und verbrannt!“

Der Streit der beiden Zeitungen muss aufhören. Der Einen droht der Scheiterhaufen, der andern Verlust des Privilegiums; ob sie Familie haben, weiss ich nicht? Aber jedenfalls, ihr Unbesonnenen, macht Friede! Ihr seid beide gleich vor dem Stock, und, wie das Sprichwort sagt, der Topf schilt den Kessel schwarz...


DIE BREMER ZEITUNG.

Dieses junge Blatt hat in Berlin eine wahre Blume des alten guten Stils von 1813 und 1815 entdeckt, einen Korrespondenten ohne Fehl und Tadel, einen Bayard der guten Presse. Der Korrespondent der Augsburger Zeitung, der den Schwanenorden und die diesterwegsche Methode des dialogischen Universitätsunterrichts à jour gefasst hat, ist gegen ihn ein gemeiner Handwerker. Herr Guizot soll in Berlin wegen des Herzogs von Bordeaux mit Abreise des Gesandten gedroht haben. „Weder das Staatsrecht, sagt Bayard, noch die höhere konventionelle Etikette berechtigen Frankreich zu einer solchen Drohung, die wir als ein förmliches Uebergreifen betrachten müssen und deren stillhingenommene Acceptation wir weder von dem östreichischen, noch von dem preussischen Kabinet und Hof zu erwarten uns bewogen finden. Wir begreifen nicht, wer den souverainen König von Preussen verhindern will, den Urenkel Marien Theresiens bei sich [235] zu empfangen und im neuen Winterpalais wohnen zu lassen. Wie es heisst, wird man von verschiedenen diplomatischen Centralstellen gegen jene Aeusserungen des Herrn Guizot protestiren.“ Also noch einmal: „Die stillhingenommene Acceptation wird von den diplomatischen Centralstellen widerlegt werden und das Ganze als ein Verstoss gegen die höhere konventionelle Etikette erscheinen. „Der Stil ist deutsch, er ist bremisch, er ist ganz eingeweiht in die diplomatischen Centralstellen, und der Mensch, der dieser centralisirte, concentrirte, elektrisirte Stil ist, dieser nicht peripherische Diplomat, er wird die bremische Zeitung zur „stilthingenommenen Acceptation“ von ganz Europa machen. Man wird sie lesen, um gesund zu bleiben.


„GEBT MIR MEINE DECKE WIEDER!“

Derselbe Normalcorrespondent der Brem. Zeit. schreibt aus Berlin den 26. Januar: „In Sanssouci lebt der König in verstaubten Zimmern mit einem Ameublement, das dem schlichtesten Bürger kaum genügen würde. Auf dem Schreibtisch des Königs ist eine Decke ausgebreitet, halbdurchlöchert und fast durchsichtig. Als nun neulich der besorgte Kammerdiener statt dieser Decke (die schon Friedrich der Grosse benutzte) eine moderne und prächtige hinlegte, gerieth der König in grossen Unwillen und rief: „Ich will meine Decke wieder haben! So etwas Neues bekomm’ ich allenthalben; aber was schon meinen Ahnen gedient, wer ersetzt mir das?“ Es ist nicht nöthig, dass etwas geschieht, um die Zeitungen pikant zu machen, aber es ist nöthig, dass man einen Correspondenten findet, der die Toilette der Hofdamen gesehen hat und entweder den König kennt oder den Kammerdiener, oder noch besser, der selbst der Kammerdiener ist. Denn Helden gibt es jetzt an manchen „diplomatischen Centralstellen“ nur für die Kammerdiener.


DER COMMUNISMUS DEUTSCH.

Die Triersche Zeitung beweist am 26. Januar durch einen klugen jungen Berliner, dass der Communismus ursprünglich deutsch ist. „Magister M. zerstörte gestern in seiner Vorlesung den Fieberwahn deutscher Schwäche, der in dem Communismus ein ausländisches [236] Gespenst erblickt hatte, er zeigte an vielen Thatsachen, dass der Communismus und Socialismus ein gesundes Kind des deutschen Geistes sei, nicht etwa so eine willkürliche französische Erfindung.“ Berlin ist doch die klügste Stadt der Welt.


DER COMMUNISMUS DES SCHWANENORDENS UND DES BERLINER HOFLUXUS.

Der Communismus ist rasch zu Ehren gekommen. Er ist deutsch geworden, er ist verloren. Der Bremer Bayard und der Korrespondent der Augsburger Zeitung begegnen sich in dem Bestreben, den König von Preussen als den Mann zu schildern, der das communistische Räthsel gelöst hat, der eine sagt durch einen religiösen Orden, der andere, durch wohlberechneten Luxus. „Einestheils ist unser Monarch von der Ueberzeugung erfüllt, das Königthum bedürfe, namentlich in unsern Tagen (er scheint frevelhafter Weise nicht daran zu glauben) einer glanzvollen und würdigen Darstellung; andrerseits glaubt er die letztere im integrirenden Zusammenhange mit dem Wohlstand der Ouvriers und der Societät überhaupt. Auch war früher die Toilette bei unsern Hofdamen auf eine Weise vernachlässigt, die nicht verfehlen konnte, traurige Wirkungen auf den Stand der Handwerker auszuüben; das ist ganz anders geworden, und freilich unter oft sehr schwerfallenden Opfern entwickelt sich auch in dieser Hinsicht ein grandioser Luxus.“ Es ist allem Ungemach abgeholfen: der Luxus ist da, sagt die Bremer Zeitung. – Wie unbesonnen! Wäre alsdann der Schwanenorden nicht überflüssig gewesen? Man versteht die grosse Frage des Schwanenordens nicht eher als bis der Correspondent in der Augsburger Zeitung gesprochen hat. Ist der Bremer Correspondent roh wie Achill, so ist dieser gebildet wie Odysseus, ein Stil, wie Cicero, ein Ingenium, wie ein Klosterschüler, der prosaische Klopstock des neuen königlichen Messias. Wir schliessen einen seiner vielen Honighähne in der Beilage der A. Z. vom 19. Jan. vorsichtig auf und es fliesst: „Was dem christlichen Königthum seit seiner Gründung als sein erstes und heiligstes Recht gegolten, Schutz und Schirm den Wittwen und Waisen, den Bedrängten und Hülflosen zu sein, dies zu üben ist mehr denn jemals eben heute Gelegenheit. Ein Fürst der seine Krone zum Mittelpunkt solcher Bestrebungen macht, von deren Erfolg (vom Schwanenorden?) allerdings die Zukunft [237] von Europa abhängen mag, bekundet darin ein gläubiges Vertrauen auf ein glückliches Ziel der neu begonnenen Bahnen der Völker, das nun nothwendig in vielen Gemüthern erweckt worden, weit und breit im Volk feste Wurzeln schlagen und zur Waffe gegen diejenigen, die auf die Mühen und Krankheiten der Zeit ihre verbrecherischen Plane zum Umsturz der Ordnung gegründet haben, werden muss.“ Welche Kunst! Welche Bildung! Er sagt Alles: nicht nur dass der König der Mittelpunkt des Communismus sondern auch dass „der Schwan zum Sinnbild der Gesellschaft gewählt sei, als der selber sein Ende verkünde, damit auch Jeglicher sein Ende betrachte.“ Wir würden den Correspondenten, wenn er nicht so schülerhaft dächte und schriebe, und so langweilig zu lesen wäre, für einen Schalk halten, denn was hat er im Grunde gesagt? Ganz einfach dies: „Wenn das christliche Königthum mit dem Schwanenorden der Revolutionirung der alten Welt zu steuern denkt, so soll es nur sein Ende betrachten.“ Und wer ist „jeglicher,“ doch gewiss auch der König? So kühn ist der Sklave des Hauses. Aber wir wünschen es nicht, dass der Schwanenorden schon der Schwanengesang des Königs von Preussen sei; im Gegentheil wir hoffen ihn noch Jahrelang auf seinem gedeihlichen Wege fortschreiten zu sehn. Die Schmeichler ahnden etwas von seiner Bestimmung, die Unbefangenen sehn sie deutlich vor Augen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Attensats
  2. Vorlage: Deutchen
  3. Vorlage: Staasszeitung