Zimmerische Chronik/Band 1/Kapitel 50

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aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 313–319
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[313]
Wie herr Johanns von Zimbern vill schimpfs mit der gemain zu Wittershausen triben, die im den kirchensatz in irem dorf freiledig geschenkt und übergeben, auch was herr Johanns sonst für seltzame gewonnhaiten
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an im gehabt.
[A124b] Herr Johanns freiherr von Zimbern hat gar vil seltzamer aigenschaften und gewonnhaiten an im gehabt, dann so er reiten wellen und man im sein pferdt aus dem stal zogen, sas er nit darauf, es were dann mit dem [169]
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gerechten fuß zuvor herausgetreten; ließ im auch, so oft es mit dem linken fuß heraustratt, wider in den stal ziehen. Und so er dahin ritt, bekam im ain hinkender mentsch[1], so wandt er sich wider umb und rit ain andern weg, unangesehen wie ferr derselbig umb wer gewesen. Dergleichen
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thete er, so im ain has übern weg liefe, so kert er umb und rit nit fort, es were gleich vil oder wenig daran gelegen. Ritt dann seiner diener ainer über ainen somen oder über die früchten, so ließe er im desselben tags kain prott zu essen geben.
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* [1453] Ob sollichem gebrauch halten noch die Aidgnossen und ire nechsten vernachpurten ganz streng, do muß ain ieder, seit wer er well, in der straßen bleiben, damit werden die gotzgaben und edlen früchten nit also schandtlichen verderbt und undertriben, auch beschicht den armen
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bauren, die uns alle erneren müßen, nit so großer schaden. Grave Wilhalm von Sulz, der bei unsern zeiten zu Tüngen und zu Istetten im Cleggew gewonet, het auch im geprauch, in die felder zu reiten und zu baißen; er ward von seinen nachpurn zu Neunkilch und andern oftermals darfür gebetten
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und gewarnet. Wie es aber nit erschießen, er auch nit abstehn, do rottirten sich ainsmals die bauren, darunder auch, wie man sagt, Schweizer waren vermischt, und an sein leder hin, das er mit allem gwalt mit seinen pferdten ußreißen konnt. Bei inen ist mit sollichem mutwillen nit zu scherzen;
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es solle ie aim armen man sein übel zeit und daran im sein narung gelegen, verfridet sein und auch beschitzt werden. *

Auch ist ain alt weib zu Messkirch seßhaft gewesen, wann im dieselbig, so er verreiten wellen, in gedachter stat 1

[314] Messkirch, oder darvor, bekomen, hat er umbgewendt und ist wider in das schlos geriten, denselbigen tag alda beliben, und als oft im dasselbig weib begegnet, hat er allwegen sein fürgenomen rais desselben tags underlassen und abgestellt.
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* [1226] Ich hab vilmals gehört, das zu zeiten herr Johannsen freiherren zu Zimbern ein alts, hinkendts weible zu Mösskirch sei gewesen, dero man Hanns Reutenbach gehaißen, sei ain andechtige, fromme fraw gewesen. Man sagt, es seie domals ain crucifix von holz zu unser Frawen
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ennet der Ablach gestanden, das soll sich uf ain zeit gegen ir, als sie darvor gebettet, genaigt haben. Das ist also von den alten geglaubt worden, und mag wol sein, weil man findt, das sich ein vesperbildt zu Speir im münster gegen s. Bernharten, als der im tumb zu Speir andechtigclichen
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sein gebett gesprochen, auch soll genaigt haben. Es hat aber der alt herr Johanns von Zimbern den brauch an ime gehabt, das er diß alt weiblin, wa er das gesehen, höchlichen gescheucht hat, dann so sie im uf der gassen, oder sonst bekommen, ist er umbkert, ein ander weg gangen
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oder geritten. So sie dann zu S. Martin, oder in ainer andern kirchen, gewesen, ist er vor ir auß der kirchen nit gangen, wie lang sie gleich darin bliben. Ainsmals begab sich, das das bemelt weiblin gar lang in der kirchen blib. Herr Johanns von Zimbern war auch in der kirchen; der
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ersahe das weiblin, und wiewol er gern haim gangen, noch dann wolt er seim gebrauch nach nit ußer der kirchen, seitmals das alt weiblin hünder im; derhalben verzoge er, so lang er konte. Das weiblin wolt ihe nit weichen, so wolt er vor im nit hinauß. Das stande so lang an, das
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herr Johanns mit großer ungelegenhait in der kirchen uf das weiblin warten must. Also, nachdem die alten leit müehig, nam er das zu solchem verdruß an, das er ußerm chor hinauß gieng und [es] mit großer undult und vil bösen worten, auch, wie man sagen will, mit streichen ußer der
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kirchen triben hat. Nachgendts ist er auch zu haus gangen. Und wiewol solche manieren und seltzame weisen nit zu loben, iedoch, der historias schreiben und alte geschichten verzaichnen, der soll nichs verschweigen, die warhait, sovil bewisst, anzaigen und hierin niemands verschonen. *
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Sonst hat er vill mer gewonnhaiten und seltzamer breüch an im gehabt, deren izmals kain meldung beschicht. Darneben ist er ain weiser, ernsthafter herr gewesen, auch von

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[315] menigclichen darfür gehalten worden; hat doch darneben alle eerliche kurzweil und gut schwenk leiden mögen, und so im etwas schimpflichs begegnet, hat ers wol zu gut aufgenomen, wie dann sollichs in der hernachvolgenden
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geschicht mit der gemaindt zu Wittershausen erscheinet. Dises dorf Wittershausen ist vor dem Schwarzwaldt, im Mülbach ob Veringen, unferr von Oberndorf, gelegen, darinn vor jarn seer geschide, listige pawern gesessen gewesen und die ain solchen ruof irer geschwindigkait halben gehabt, das vill
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leut dozumal ires rats gephlegen, [A125a] haben darneben vill schimpflicher reden und abenteurn sich beflissen, dardurch sie noch größern zulauf überkomen. Und als sie ainsmals erfaren, das obgemelter herr Johans von Zimbern zu nechst bei irem dorf hinreiten wurde, und wol gewist,
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wie ain seltzamer, abenteüriger herr er gewesen, sein iren vil für das dorf hinaus an die straßen in ain ring nidergesessen und ire füeß in ainandern geschrenkt und verwigklet, und wie herr Johanns fürgeritten, haben sie ain seltzams hadern und wilde geperden triben. Herr Johanns, als er
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solchs ersehen, hat er stillgehalten und denen abenteurlichen geperden zugesehen, doch sie zu letsten befragt, was sie darmit mainen, haben sie geantwurt, sie haben ire füeß under ainandern verloren und understheen sich alda ain ider die seinen widerumb zu bekomen. Und als er dessen wol
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lachen mögen, haben sie ine gepetten, er welle sie des kriegs entschaiden und sovil handlen, damit ir idem seine füeß wider werden; dargegen wellen sie ime ain jerliche gülte und namlich alle jar ain sack mit korn geben. Herr Johanns, sobald er dise schimpfliche abenteur gemerkt, ist
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er den nechsten abgestanden, hat ain stecken erwischt und denen paurn die schinbain wol erklopft. Sobald die pauren deren straich empfunden, hat ain ider seine schinbain an sich gezogen und den nechsten aufgestanden[2]; haben herrn Johannsen seer gedanket, daz er inen also geholfen hab,
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und im [170] aber dagegen die vorgenannte korngült, namlich ain sack mit korngült geschenkt. Sie haben aber den

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[316] sack für ain halb malter verstanden und gemaint, wie man dann ain halb malter bei uns zu nemen phligt. Herr Johanns hat solche vereerung der paurn zu dank angenomen und also brieve derhalben aufgericht; hat er inen ain zeit
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bestimpt, auf die er solche gülte erstlichs einnemen und empfahen lassen welle, dann abgeredt, [A125b] das er die gülten hollen solle. Darzwischen hat er im ain großen, langen sack machen lassen, den, so er vol frucht gewesen, kaum ain wagen erfürn hat mögen. Als nu der benannt
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tag komen, hat er dise gülte durch seiner vögt ain einnemen lassen; und wie die paurn den großen, langen sack ersehen und angefangen in zu füllen, der doch etliche malter in sich gefast, sein sie nit wenig erschrocken, angesehen das sie bedacht, das dise gült für und für eewigclichen weren solte.
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Und wiewol sie sich gern gewidert und inred gethon heten, so wies doch der brieve umb die korngülte nit auf ain halb malter, sonder auf ain sack, wie den herr Johanns oder seine erben iderzeit schicken wurden. Damit sie nu nit in laistung oder andern uncosten vermög obberüerter verschreibung
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komen, fülten sie den sack mit korn und fergketen den vogt widerumb ab. Nu hat aber die pauren dise korngült nit wenig geschmürzt, auch das sie die sachen also übersehen; haben derhalben empsig, wie sie ires schadens wider einkomen möchten, nachgedacht. Über etliche zeit haben sie
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ain ausschutz under inen gemacht, denselben zu vilgedachtem herrn Johannsen geschickt und pitten lassen, demnach die gemaind ires dorfs ain baw verhanden, darzu sie etlicher beum notturftig, so lange an in ir underthenigs pit, er welle vergonnen, in seinen welden, der er dozumal nit wenig in
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der herrschaft vor Waldt gehabt, ain pom oder etlich zu fellen und die nachmals in ir dorf ze fürn. Herr Johanns het inen sollichs güetlich bewilliget, als dem wenig bewist, warumb das beschehe; darauf die paurn mit großer danksagung von im geschaiden und den nechsten in seiner welde
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ainen, der dann irem dorf gelegen, zogen und ain großen paum zu allerhinderst im waldt fälten. Schickten darauf abermals an herrn Johannsen, ließen im anzaigen, wiewol [A126a] inen ain anzal beüm zu hawen vergonnt, so hetten sie doch nit mer, dann ain, so zu irem baw dienstlich sein mögte,
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gefelt, aber seitmals derselbig gros und ungefüeg, kinten sie denselben nit ganz haimfüern, derhalben abermals ir pit, er wölte in erlauben, dem pom raum und platz durch den wald

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[317] zu machen, damit sie denselben unverletzt haim bringen könnten, auch das er inen das holz, das sie von des paums wegen underwegen abhewen, mit haim zu nemen vergonnte. Her Johanns bedachte wenig, das ain betrug darhinder
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verborgen, dieweil sich die paurn so ainfeltig erzaigten, erlopt inen iezundt den bom, wie sie begert heten, zu raumen. Sobald die paurn disen beschaid bekomen, furen sie wider in wald, luden den paum nit den langen weg auf ain wagen, wie man phligt, sonder mit zwaien wegen neben ainandern fürten
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sie den überzwerch. Dieweil aber der paum gros und lang, darzu der merertail der este weit raichten, felten sie durch den ganzen wald, von aller hinderst [171] an zu rechnen, alle beum, hegken und stauden, was der baum erraichen mögte; dasselbig alles holten sie mit allen iren wegen und
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fürtens heim. Als sie aber hernach den schaden, den sie herrn Johansen in seinen welden gethon, erwegen und bedacht, das er villeicht sollichs nit vor gut haben, sonder etwas, so inen ganz ungelegen sein wurde, wider sie in kunftiger zeiten fürnemen mögte, wiewol er nit dergleichen thete,
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als ob im dise schalkhait der paurn misfiele, noch denost, ain bösers, so inen aus solcher handlung ervolgen mögte, zu verkomen, auch darneben die korngülte im sack abzustellen, haben sie im und allen seinen erben und nachkomen den kirchensatz in irem dorf Wittershausen, so dozumal ir
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aigen, zu widergeltung des erlitnen schadens, in hölzern zugefüegt, geschenkt und übergeben, welcher noch diser zit der herschaft Zimbern zustendig[3]. * [1206] Es sein nit allain die bauren zu Wittershausen solcher gueter schwenk und hendel also verreumpt gewesen,
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sonder die bauren zu Gaienhofen haben sich der gleichen geucherei auch beflissen. Von denen sagt man, das sie uf ain zeit ein mülstein zu Zell am Undersee kauft, den haben sie haimfieren und sich verglichen, den über den See in ainem schiff, iedoch an ainem strick, zu füeren. Wie sie
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sich nun dess understanden, do ist der mülstain so schwer gewest, das er das schiff umbgezogen, und gar nahe alle sein ertrunken. Baid darnach haben sie ain großen kriesbaum uf der almut voller kriesen gehapt; damit aber kainem

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[318] under inen mehr kirsen, als dem andern, wurde, do haben sie ainhelligclichen sich entschlossen, und ist jungs und alts, weib und man, iederman ußer dem dorf, ainsmals uf den paum gestiffen, die kriesen abzubrechen. Damit haben sie
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den paum beschwerdt, in masen, das der mererteil nest abgebrochen. Wer darauf gesessen oder gestanden, ist alles heraber gefallen, und ist nur ain wilde burzlet gewesen. Gleicher gestalt sagt man warhaftigclichen von inen, sie haben uf ain zeit ain galgbronnen in irem dorf gemesen[4],
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haben iren etliche sich in den pronnen hinab gelassen, und ainer an den andern gehept und sich angehenkt; der aber zum obristen gehangt, hat in die hendt gespeuzet, sich dester fester zu erheben und zu erhalten; damit hat er gelasen, und sein also mit ainandern in pronnen hinab gefallen. In
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diser dunkeln zeit hat man nicht wichtigers oder mehrers ußzurichten gehapt. * * [1271] Man sagt, das dieselbigen pauren von Gaienhofen einsmals haben iren dorfbrunnen wellen messen, wie dief er seie, und haben sich iren etlich bauren an ainandern
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gehenkt, die hinabgestiegen. Do hab der unterest dem obersten zugeschrüen; der hab baide hende ufgethon und geen lassen, do seien sie alle mitenandern hinabgefallen, wol abher ins teufels namen; ob aber das ohne schaden zugangen, ist musslich. *
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* [1298] Man sagt, das die pauren von Gaienhofen zu ainer andern zeit irem[5] schulthaisen etwas am haus wellen bössern, seien mit aim leren wagen in waldt gefarn und zimerholz gefelt. Wie sie ain holz ufgeladen, hab der eltest under inen gesprochen: »Dregt der wagen das holz, so tregt
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er auch noch ains,« damit haben sie noch ains ufgeladen. Hab ain anderer under denen pauren gesagt: »Tregt er dann die zwei hölzer, so tregt er auch das tritt,« damit auch das dritt ufgeladen, und also hernach das viert. Hiemit seie der wagen so gar überladen und beschwerdt worden, das er
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zerbrochen und schier nider gefallen. Do haben sie den wagen abgeladen, nemlich ain zimerholz, und gesagt: »Tregt er dann die vier helzer nit, so tregt er auch die drei nit,« nachgends aber ain holz abgeladen und gesprochen: »Die-

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[319] weil er die drei nit mag ertragen, so tregt er auch die zwei nit,« und also fortan, biß sie den wagen gar widerumb abgeladen; den haben sie leer wider heim gefiert. Hat der schulthaiß sein haus wellen bössern und holz haben, hat er
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weiter darumb sehen müsen; dorft im sonst gangen sein, wie dem pfarrer vom Kallenberg[6], wardt nach seinem absterben im closter Liafelden[7] im chor under denen glocken begraben. *



  1. hinkender mentsch] der angang eines solchen, wie der eines alten weibes (s. unten z. 37 ff.) galt als unglückbringend; s. Liebrecht, Germania XVIII, 179.
  2. aufgestanden] Liebrecht, Germania XIV, 390, und XVIII, 179, erwähnt zu dieser stelle, daß diese geschichte auch von den Schildbürgern, cap. 29, den Dölpelbachern bei Burkhard Waldis 4, 90, 69—74, den Köpniker rathsherren (Reinsberg-Düringsfeld, Internationale Titulaturen II, 126), in Campbells Gälischen Märchen, Benfey, Orient und Occident II, 687, und in Island von den Backabrüdern erzählt wird.
  3. zustendig] nach dieser chronik erzählt von Ruckgaber, Geschichte der Grafen von Zimmern s. 80 ff., und darnach von Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben I, 454 ff.
  4. galgbronnen . . . gemesen] derselbe schwank kommt auch in v. d. Hagen, Narrenbuch. 474 vor; s. Liebrecht, Germania XIV, 390. Vgl. hierzu den im Magazin für die Literatur des Auslandes 1879, 613 (an einem Fluß etc.) erzählten rumänischen volksschwank und Les Littératures poplaires de tous les nations I, Littérature orale de la Haute-Bretagne par Paul Schillot, Paris 1881, p. 254-255.
  5. irem] hs. irerem.
  6. Kallenberg] über des pfaffen vom Kalenberg schwänke s. Gödeke, Grundriß s. 116 ff., und Flögel, Geschichte der Hofnarren s. 262.
  7. Liafelden] ist wohl kloster Lilienfeld in Steiermark. Bei v. d. Hagen, Narrenbuch s. 351 heißt es vom pfaffen vom Kalenberg:
    »Darnach verkehrt' er seinen Stand:
    Er kam gen Steiermark in das Land,
    Und nam eine neue Pfarr' da ein,
    Allda er endte das Leben sein,
    Von einem Kloster nicht fernab,
    Da Herzog Otte liegt im Grab.«
    Herzog Otto hat sein grab jedoch im Kloster Neuberg in Steiermark; vgl. Preuenhueber, Annales Styrenses s. 50, und Wurzbach, Habsburg und Habsburg - Lothringen s. 441, sp. 2.