Zur Einführung in die allgemeine deutsche Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen

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Autor: Paul Börner
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Titel: Zur Einführung in die allgemeine deutsche Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 277–279
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zur Einführung in die allgemeine deutsche Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen.

Von Dr. Paul Boerner, Mitglied des Vorstandes.

Bald ist ein Jahr vergangen, seit ich in Erfüllung der mir gewordenen ehrenvollen Aufgabe an dieser Stelle eine allgemeine Einleitung in die damals ihrer Vollendung rasch entgegengehende Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen zu geben suchte. Die betreffende Nummer der „Gartenlaube“ war geschmückt mit dem Bilde des eigenartig schönen Gebäudes, welches den berühmten Baumeistern Heyden und Kyllmann seine Entstehung verdanke. Als die Nummer selbst ausgegeben wurde, konnte ihr Inhalt aber nicht mehr das Gefühl freudigen Stolzes auf das Deutschland so trefflich gelungene Friedenswerk hervorrufen, sondern nur tiefe Trauer und wehmütige Empfindung. Die Schreckensnachricht, daß das große Ausstellungsgebäude mit einem Theil seiner Schätze ein Raub der Flammen geworden sei, war wenige Tage zuvor schon überall hin gedrungen.


Das Hauptgebäude der Hygiene-Ausstellung in Berlin.


Die Ausstellung des Jahres 1882 sollte, so nahmen wir an, von epochemachender Bedeutung für Hygiene und Rettungswesen werden. Die Organisation unseres Werkes war eine selbstständige, ganz originale, und wir durften von ihr hoffen, daß sie ähnlichen Unternehmungen als Beispiel dienen werde. Statt dessen war der 12. Mai 1882, an welchem die Arbeit von mehr als einem Jahre in kaum einer Viertelstunde zerstört und zu Asche verwandelt wurde, allerdings, wie Baurat Kyllmann einleuchtend dargelegt hat, ein Tag von epochemachender Bedeutung in der Geschichte der Ausstellungsbauten überhaupt, aber in ganz anderem Sinne und nach anderer Richtung hin, als erwartet wurde.

Man war sich zwar früher wohl bewußt, sagt Herr Kyllmann, daß die hölzernen Ausstellungsbauten eine große Gefahr in sich bergen, sowohl für die ausgestellten Güter, als auch für das Leben des Publicums, welches dieselben besucht; indessen glaubte man zu der Annahme berechtigt zu sein, daß eine besondere Aufmerksamkeit und gesteigerte Sicherheitsmaßregeln geeignet seien, diese Gefahr fern zu halten. Die wiederholten günstigen Erfahrungen, welche bei den in rascher Folge sich drängenden Provinzial-Ausstellungen in Deutschland in dieser Beziehung gemacht worden waren, schienen die obigen Annahmen zu bestätigen, und nicht einmal die kleineren Brandunglücke, welche thatsächlich stattgefunden haben, vermochten diese Ansicht zu erschüttern. Erst die gewaltige Katastrophe vom 12. Mai 1882 veranlaßte einen vollständigen Bruch mit der bisher befolgten Ueberlieferung und Uebung. Eine Gebäudegruppe von über 11,000 Quadratmeter bebauter Fläche war mit ihrem gesammten Inhalte in der unglaublich kurzen Zeit von dreiviertel Stunden ein Raub der Flammen geworden, und die brennenden Theile und Funken hatten noch weitere große Gefahren für die Stadt befürchten lassen, trotzdem der Brand unter den verhältnißmäßig günstigsten Umständen für eine mögliche Unterdrückung stattfand; denn er brach bei Tage aus, die Feuerwache war zur Stelle, die Beamten der Ausstellung, mehrere Tausend Arbeiter waren zur Verfügung, um sofort jede gewünschte Hülfe zu leisten: aber die rasende Schnelligkeit, mit welcher die Flammen, auch der Windrichtung entgegen, sofort über das ganze Gebäude sich verbreiteten, spottete jeder menschlichen Kraftanstrengung. Die Vernichtung des Hygiene-Ausstellungsgebäudes machte es nunmehr jedem Techniker klar, daß in der Zukunft eine Verantwortung für Leben und [278] Gesundheit des die Ausstellung besuchenden Publicums und für die Sicherheit ausgestellter Gegenstände nur bei massiv ausgeführten Gebäudeconstructionen übernommen werden könnte. War man daher früher aus finanziellen Gründen vor dem Gedanken zurückgeschreckt, für vorübergehende Zwecke massive Bauten auszuführen, so lag jetzt die Nothwendigkeit so dringend vor, daß „die finanziellen Rücksichten nicht mehr vorwiegen konnten“.

Als selbstverständlich ging die furchtbare Lehre, welche durch den Brand der Hygiene-Ausstellung der ganzen civilisirten Welt zu Theil geworden war, nicht verloren. Ich sehe ab von der Geschichte der Wiederherstellung des Werkes – die ganze Presse hat dieselbe ja Schritt für Schritt verfolgt – nur das Eine mag auch hier wiederholt werden, daß der Vorstand am Tage nach dem Brande, gestärkt und ermuthigt durch die Beweise der lebhaftesten Sympathie, die ihm vom deutschen Kaiserpaare, dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, dem Fürsten Bismarck, den höchsten Behörden und allen Schichten des Volkes zugingen, sofort den Beschluß faßte, unter allen Umständen den großartigen, der Ausstellung zu Grunde liegenden Gedanken nun erst recht und in vollendeterer Form in’s Leben zu rufen. Dadurch, daß der deutsche Kaiser dem Unternehmen 100,000 Mark bewilligte, und durch die Munificenz der Stadt Berlin, die 200,000 Mark hergab, und durch die überaus ergiebigen Einzeichnungen zum Garantiefonds sahen wir uns in den Stand gesetzt, gleich nach den ersten Organisationsarbeiten auf Grundlage eines sorgfältig aufgestellten Entwurfes eine beschränkte Concurrenz für ein massives Ausstellungsgebäude, hauptsächlich in Eisenconstruction, ausschreiben zu können, und in dem Augenblicke, da diese Blätter zum Drucke gehen, wird das Gebäude bis auf einen Theil der majestätischen Kuppel, wie es die beiliegende Abbildung giebt, vollendet dastehen.

Ganz abgesehen von seiner Feuersicherheit bietet das neue Gebäude noch darin eine sehr wichtige Eigenthümlichkeit, daß die Ingenieure Dr. Pröll und Scharowsky in Dresden statt durchgehender Hallenbauten, wie es das Programm eigentlich verlangte, selbstständig neben einander gesetzte Eisensysteme in’s Leben riefen. Es liegt nämlich die Möglichkeit vor, daß man die Gebäude am Schlusse des Jahres wird abbrechen müssen, da das Grundstück dem Staate gehört. In diesem Falle erleichtert das gewählte System den Abbruch und Wiederaufbau ganz außerordentlich, und wird dieser Bau nach dem Schlusse unserer Ausstellung demnach noch oft genug ähnlichen humanen Zwecken dienen können.

Die Schöpfer des Entwurfes haben ihn in constructiver Beziehung sehr tüchtig durchgearbeitet, während nach der künstlerischen und architektonischen Seite hin die Architekten Kyllmann und Heyden die ihnen gewordene Aufgabe bei aller Einfachheit in musterhafter Weise gelöst haben. Die Ausführung der Arbeiten selbst ist so beschleunigt worden, daß man die bestimmte Zuversicht hegen darf, daß die Eröffnung der Ausstellung auf den Anfang Mai dieses Jahres festgesetzt werden kann. Das Gebäude bedeckt eine Fläche von 11,500 Quadratmeter, und wird die umstehende Abbildung das Verständniß der kurzen Notizen über die in ihr durchgeführten Verhältnisse erleichtern. Den Einzelsystemen ist ein Maß von neunzehn Metern zu Grunde gelegt. An die fünfundzwanzig Systeme der quadratförmigen Gruppe schließen sich in der Hauptaxe drei weitere Systeme und zwei polygonale Hallen. Letztere umfassen zwei größere, zu Restaurationszwecken bestimmte Höfe, während sich in den mittleren Systemen vier kleinere Höfe einbauen, welche zur Schaffung von seitlichem Licht und für die Zwecke der Wasserableitung angeordnet sind.

Die äußere massiv in Rohbau ausgeführte, von Portal- und Fensterbauten durchbrochene Umfassungsmauer ist 4 Meter und die darüber befindliche Fensterwand 5,7 Meter hoch. Außer dieser directen seitlichen Beleuchtung erhält jedes System noch hohes Oberlicht durch die 2 Meter hohen senkrechten Wände des oberen Aufsatzes. Das Mittelsystem der Hauptfront ist als Kuppelbau mit besonders vorgezogenem Hauptportal ausgebildet. Die Größe der bebauten Grundfläche beträgt im Ganzen 75,500 Quadratmeter oder rund 30 Morgen. Die Einzelbauten nehmen 3600 Quadratmeter, die Restaurationshallen 3200, die Eisenbahnhalle 1500 Quadratmeter ein.

Das neue Gebäude macht den Eindruck einer großen Einfachheit und eines gewissen Ernstes. Aber auch in diesem Jahre hat man nicht versäumt, für eine gediegene künstlerische Ausstattung desselben zu sorgen.

Das große Eingangsportal des Hauptgebäudes ist durch eine Kolossalgruppe in bronzirtem Gyps geschmückt, zu welcher der Bildhauer Arnold Brütt das Thonmodell fertiggestellt hat. Ein hoheitsvolles Weib, die Göttin der Gesundheit, steht in der Mitte und soll gleichzeitig eine Personification der Menschenliebe sein, deren Symbol, das rothe Kreuz, ihrem Diadem eingefügt ist. Ein der Göttin zur Heilung übergebenes krankes und nun wieder genesenes Knäbchen gleitet aus ihrer Linken in die Arme der beglückten Mutter herab, die es knieend entgegennimmt. Zur rechten Seite klammert sich ein gestrandeter Schiffer, von Segelfetzen umflattert, mit der Linken an einen zerbrochenen Mast, während seine Rechte in den von der Göttin dargereichten Rettungsgürtel greift.

Ein anderer Bildhauer, Peter Brener, hat die Büste der Kaiserin ausgeführt, die in der Mitte des großen Kuppelsaales ihre Aufstellung finden wird. Sie krönt ein schlankes viereckiges Postament, zu dessen Füßen eine halbnackte, weibliche, ideale Gestalt sitzt und das lächelnde Antlitz dem Beschauer zuwendet. Der rechte Arm umschlingt das Wappen des Heimathlandes der erhabenen Protectorin, der linke das des deutschen Reiches. Das Postament selbst wird fast vollständig verdeckt durch Genien, die es mit Rosenketten und Draperien umwinden; Velarien, von Professor Preller in Dresden gemalt, bilden den Hintergrund, von dem sich die Büste der Kaiserin abhebt; auch sie repräsentiren ideale Seiten der Ausstellung, die Wohlthätigkeit, verkörpert durch die heilige Elisabeth, während auf der anderen Seite Genesene im Tempel des Aesculap zu Epidauros für ihre Heilung dem heilenden Gotte Dankopfer darbringen.

Im letzten Pavillon des Hauptausstellungsgebäudes befindet sich das Rundgemälde, welches in diesem Jahre an die Stelle von Christian Wilberg’s zerstörtem Meisterwerke getreten ist. Dasselbe ist nach den Plänen des Baurath Kyllmann und Professor Hertel ausgeführt, und Gastein, das durch seine heilkräftigen Quellen, wie durch den Zauber seiner Naturschönheit berühmt, wiederzugeben, war die dem Künstler gewordene, von ihm in vielbewunderter Genialität gelöste Aufgabe.

Wir blicken auf das herrliche Bad. Felsentreppen führen an einem rauschenden Wasser vorüber, das mit der mächtigen vom Bildhauer Herter ausgeführten Figur der Quellennymphe geschmückt ist, zu einer Gebirgshütte, von der aus nach drei Seiten hin sich die Blicke auf die Hochalpenwelt öffnen. In der mittleren Aussichtsstelle befindet man sich dem hoch an der Felsenwand schwebenden Wildbad Gastein gegenüber. Rechts und links hat der Maler die Nebenthäler Gasteins mit einer entzückenden Frische wiedergeben, und auch der Kaiser in seinem Gastein so bekannten Wagen fehlt nicht.

Indessen so sehr auch einer solchen Ausstellung der küstlerische Schmuck ziemt, so ist er doch nur etwas Nebensächliches, den zahlreichen Objecten gegenüber, die in den Pavillons dieses Glas- und Eisenpalastes sich zusammengefunden haben. Nicht in diesem Augenblicke kann es die Aufgabe sein, die einzelnen Objecte auch nur flüchtig zu skizziren; es fällt dies der ständigen Berichterstattung zu. Nur das mag schon heute hervorgehoben werden, daß die Ausstellung bei Weitem reichhaltiger geworden ist, als dies im vorigen Jahre der Fall war. Sie wird ein in dieser Vollständigkeit noch nicht dagewesenes Bild der Leistungen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, Gesundheitstechnik und des Rettungswesens geben. Der soeben vollendete Katalog weist über 1000 Nummern auf, und da gerade die kostbarsten Objecte fast alle gerettet worden sind und Regierungen, Gemeindeverwaltungen und Private darin gewetteifert haben, das Zerstörte wieder herzustellen, so können wir jetzt, nach wieder einem Jahre schwerer Arbeit mit freudigem Stolze sagen, daß durch die allgemeine Theilnahme der Nation ein Werk zu Stande gekommen ist, welches Deutschland in jeder Beziehung zur Ehre gereichen wird.

Es mag noch gestattet sein, auf die Umgebung des Ausstellungsgebäudes zur ersten Orientirung einen Blick zu werfen. Inmitten der Parkanlagen befindet sich eine Wasserfläche von circa 3000 Quadratmeter, um welche sich die mit hübschen Bäumen und Bosquets bepflanzten Wege ziehen. Restaurants, Musikpavillons und eine stattliche Anzahl von weiteren Einzelbauten umsäumt die Gartenanlagen.

[279] Die Beleuchtung des Terrains in den Abendstunden erfolgt in dem vorderen Theile vor dem Hauptgebäude mit elekrischem Bogenlicht durch die Firma Siemens und Halske, in den Terrainabschnitten nördlich der Stadtbahn mittelst verschiedener Systeme von Gasbeleuchtung, hauptsächlich Fr. Siemens’scher Regenerativbrenner, die Beleuchtung in dem Bauer’schen Restaurant mittelst elektrischen Glühlichtes durch die deutsche Edison-Gesellschaft, und die Beleuchtung des Gebäudes für häusliche und wirthschaftliche Einrichtungen mittelst elektrischen Glühlichtes durch die Gebrüder Naglo.

Die Gartenanlagen sind nach den Bestimmungen der städtischen Parkdeputation auf Kosten der Stadt Berlin von dem städtischen Gartendirector Herrn Mächtig ausgeführt.

So möge die Ausstellung denn im Laufe des Sommers und Herbstes vielen Tausenden dienen zur Belehrung und Erquickung. Auch von ihr soll dann gelten, daß sie Diejenigen heranziehen und befriedigen werde, welche wissen wollen, was die deutsche Industrie auf dem Gebiete der Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik, sowie auf dem des Rettungswesens geleistet, welche Fortschritte sie im letzten Jahrzehnt gemacht hat und welche Lücken andererseits noch vorhanden sind. Sie wird darbieten ein treues Bild der sanitären Einrichtungen, welche Staat und Gemeinde in Deutschland zum Schutze der Volksgesundheit getroffen haben, und sie wird durch das, was sie bringt, das Verständniß für öffentliche Gesundheitspflege in vielleicht bis jetzt noch ungeahnter Weise fördern. Mehr als alle Belehrungen wird auch hier die eigene Anschauung maßgebend sein.

Die competenteste Kritik ist der Ausstellung in hervorragendem Maße auch in diesem Jahre gesichert, da mehrere große Vereine, welche sich ihr im Jahre 1882 anzuschließen gedachten, demnächst ihre Jahresversammlungen in Berlin abhalten werden. Die Vortragscyklen aus den in der Ausstellung vertretenen Gebieten der Hygiene und des Rettungswesens sind von Neuem vorbereitet, und die Presse aller Parteien wendet unserem Unternehmen die lebhaftesten Sympathien zu. Es kann daher auch jetzt wieder der Hoffnung Raum gegeben werden, daß der Einfluß der Ausstellung über die Zeit ihres Bestehens hinausgehen und auf die weiteren Fortschritte der Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik einen maßgebenden Einfluß ausüben wird.

     Berlin, Mitte April 1883.