Zwei Orang-Utans von der Insel Borneo

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Autor: Heinrich Leutemann
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Titel: Zwei Orang-Utans von der Insel Borneo
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 84
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[77]

Zwei Orang-Utans von der Insel Borneo.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

[84] Zwei Orang-Utans von der Insel Borneo. (Zu dem Bilde S. 77.). Wie oft hatte ich schon lebende Orang-Utans gesehen und wie gut glaubte ich das Tier zu kennen! Aber wie war ich verblüfft, als ich im Dezember vorigen Jahres in Brüssel zwei erwachsene alte Orang-Utans aus Borneo sah, welche dort gezeigt wurden! Diese Größe (1,44 und 1,39 m), solch langzottiges Fell, und vor allem diese mächtigen Köpfe mit den grau-schwarzen Gesichtern und den fabelhaften Backenwülsten, das war mir allerdings etwas ganz Ueberraschendes, ein neuer Beweis, wie wenig oft ein junges Tier das Bild des erwachsenen giebt.

Ein Bremer Lloyddampfer hatte diese mächtigen Affen gebracht. Der Schiffsoffizier, der sie in Ostindien erworben, hatte schon von Suez aus an verschiedene Leute die Kunde telegraphiert und daß der Dampfer auf der weiteren Rückreise an einem bestimmten Tage in Genua anlegen werde. Von allen Benachrichtigten war nur Herr Pinkert, der Inhaber des Leipziger zoologischen Gartens, dort, und jeder, der die Affen gesehen, wird es begreifen, daß er dieselben sofort kaufte. Die Uebernahme wurde für Antwerpen ausgemacht, von dort wanderten die Tiere zunächst nach Brüssel zur Ausstellung in dem Museum Castan, und dorthin wurden auch die großen eisernen Käfige gebracht, welche der Besitzer vorher schon in Leipzig bestellt hatte. Zwei Käfige, denn die gewaltigen Tiere, zwei erwachsene Männchen, von denen besonders das eine als sehr bösartig erkannt war, würden sich in einem Käfig sicher nicht vertragen haben.

Ich gestehe, daß mich ein unheimliches Gefühl beschlich, als ich, von dem Besitzer nach Brüssel eingeladen, dort den dämonischen Gestalten näher trat. Denn in der That, wie stumme, grimme gefangene Dämonen mußten sie dem Beschauer erscheinen. Besonders der jüngere, aber bösartigere Affe hatte, wenn er mit feindseligen Blicken und fletschenden Zähnen nach dem Nahenden sah und dann blitzschnell mit der gewaltigen Hand aus dem Gitter auf denselben losfuhr, etwa Grauenerregendes. Sein gewaltiges, noch gelbweißes Gebiß mit den mächtigen Eckzähnen wäre sicher imstande gewesen, einen menschlichen Arm zu zersplittern. Der andere wurde von dem Brüsseler Naturforscher de Pauw auf wenigstens 50 Jahre geschätzt; er verriet sein großes Alter nicht bloß durch sein schon ganz braunes Gebiß mit schwarzen Rändern, sondern auch durch die mächtigen Backenwülste, die dem Gesicht einen nicht mit Worten zu schildernden Anblick verleihen. Diese Backenwülste sind bei dem anderen Orang erst in der Entwicklung. Sie fehlen ganz dem Orang-Utan von Sumatra, der mit seinen Borneo-Vettern nur die große Brustwamme gemein hat. Noch auf ein Menge beachtenswerter Eigenschaften dieser zwei Tiere wäre hinzuweisen, z. B. auf die bei der übermäßigen Entwicklung des Oberkörpers offenbare Unmöglichkeit, aufrecht zu gehen, auf ihre merkwürdige Behaarung, ihre Nackenentwicklung, ihre Rechtshändigkeit etc.; aber das Gesagte dürfte im Verein mit dem Bild schon hinreichen, diese Affen nach ihrer ganzen absonderlichen Erscheinung als eine der größten nach Europa gekommenen Merkwürdigkeiten aus dem Tierreich zu kennzeichnen.

Leider ist der eine, der ältere von ihnen, vor kurzem in Paris verendet, wohin das Paar zu weiterer Schaustellung gebracht worden war. H. L.