Der Sund

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Titel: Der Sund
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 376–379
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der Sund.

Die jüngsten Verwickelungen im Orient gaben uns in Nr. 24 der Gartenlaube Gelegenheit, auf die Bedeutung der Dardanellenstraße und des Bosporus hinzuweisen: heute führen wir den Leser an eine andere Meerenge, den Sund, der, wenn auch weit entfernt von dem Schauplatze, wo die türkische Frage spielt, doch für dieselbe eine nicht geringe Bedeutung hat. Sollte nämlich Rußland wegen der Türkei früher oder später in einen Kampf mit dem europäischen Abendlande verwickelt werden, so müßte es, um sich völlig frei bewegen zu können, vor irgend einer feindlichen Diversion in der Ostsee gesichert sein. Das Erscheinen einer bedeutenden feindlichen Seemacht in diesem Meere würde nicht nur die russischen Operationen zu Lande bedeutend hemmen, sondern auch die gesammten Küstenstädte, ja selbst die Hauptstadt St. Petersburg, ernstlich bedrohen. Der Schlüssel zur Ostsee ist nun aber der Sund, und nur durch diesen können die Feinde Rußlands in die Ostsee gelangen. Es ergiebt sich demnach, von wie großem Interesse es für Rußland ist, seine Politik in Dänemark, in dessen Händen sich der Sund befindet, zum entschiedenen Uebergewicht zu bringen, was ihm bisher auch vollständig gelang.

Der Sund, eigentlich Öresund, zieht sich zwischen

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Die Festung Kronborg bei Helsingör.

[378] der dänischen Insel Seeland und der schwedischen Landschaft Schonen als neun Meilen lange Meerenge hindurch, welche die Ostsee mit dem von der Nordsee gebildeten großen Meerbusen, das Kattegat, (also die Ostsee mit der Nordsee), verbindet. Der Sund ist die gewöhnliche Durchfahrt für die Schiffe, welche aus dem einen dieser Meere in das andere segeln; doch ist er nicht die einzige, denn außer durch ihm stehen beide Meere auch durch den kleinen und großen Belt in Verbindung. Der kleine Belt, der die Insel Fünen von Jütland trennt, verengert sich bei Friedericia bis auf eine Viertelmeile, so daß ihn diese für uns Deutsche so verhängnißvoll gewordene Festung vollkommen beherrscht. Der sich bis zu 21/2 Meile erweiternde große Belt trennt Seeland und Laaland von Fünen und Langeland. Beide Belte aber sind ihrer vielen Sandbänke und der heftigen Strömung aus der Ostsee wegen höchst gefährlich zu befahren, so daß sie für die Schifffahrt so gut wie nicht vorhanden sind und höchstens zur Vermittelung des Küstenverkehrs dienen.

Der Sund kann mithin eigentlich als die einzige Verbindungsstraße zwischen der Ostsee und Nordsee betrachtet werden, und wird als solche auch, so wie die beiden Belte, seit den frühesten Zeiten von Dänemark beherrscht. Dieses benutzte den ihm von der Natur gebotenen Vortheil von jeher zur Erhebung des bekannten Sundzolles, der an dem Zollhause zu Helsingör von allen durchgehenden Handelsschiffen, dänische nicht ausgenommen, zu entrichten ist. Ueber die Rechtmäßigkeit des Sundzolls ist seit Jahrhunderten gestritten worden, und wenn ihn Dänemark überhaupt erheben kann, so hat dies seinen Grund nur darin, daß der Sund an der schwedischen Seite zu seicht ist und mithin alle Fahrzeuge nahe an der dänischen Küste passiren müssen. Im Laufe der Zeit ist der für den Handel so drückende Sundzoll durch verschiedene Verträge mit den europäischen Mächten anerkannt worden. Es geschah dies nicht etwa, weil Dänemark im Besitz des Sundes selbst die Macht gefunden hätte, seinen Ansprüchen Geltung zu verschaffen, sondern weil es die ihm aus dem Sundzoll zufließende Einnahme als eine durchaus unentbehrliche Finanzquelle geltend zu machen wußte. Der Sundzoll, der dem Staate jährlich mehr als 1 Million Thaler einbringt, ist nicht für alle Nationen der gleiche. Die Franzosen, Engländer, Holländer und Schweden zahlen 1 Procent vom Werth ihrer durchgeführten Waaren, die übrigen Flaggen zahlen 11/4 Procent; am Lästigsten ist die Durchsuchung, welcher alle fremde Schiffe von Seiten der dänischen Zollbeamten ausgesetzt sind. Die Zahl der jährlich passirenden Schiffe beträgt ca. 20,000. Verhandlungen über den Sundzoll haben bis in die neueste Zeit herein stattgefunden, und namentlich hat Preußen einige, doch nicht wesentliche Modificationen zu erlangen gewußt.

Bei Helsingör oder Elsenör, einer Stadt von 8000 Einwohnern, wo der Zoll erhoben wird[1], verengert sich der Sund bis aus eine halbe Meile. Noch einige hundert Ellen schmäler ist er bei der in der Nähe Helsingörs auf einer Landspitze stehenden Festung Kronborg oder Kronenburg, welcher gegenüber die schwedische Festung Helsingborg liegt. Durch Kronborg, das mit starken Wällen und breiten Gräben umgeben ist und ein regelmäßiges Viereck bildet, wird der Sund beherrscht. Die Festung wurde in den Jahren 1577–85 angelegt und hundert Jahre später erweitert und stärker befestigt, nachdem ihr in der Zwischenzeit einmal von den Schweden unter Wrangel am 6. Sept. 1658 der Jungfernkranz entrissen worden war.

Wir haben im Anfange auf die militärische Wichtigkeit des Sundes für Rußland hingedeutet, was gleichzeitig die Wichtigkeit dieser Meerenge für Dänemark selbst in sich schließen muß. Der Sund erinnert uns hierbei an die Dardanellenstraße, mit der er sich überhaupt zu manchem Vergleich eignet. Wenn wir schon sagten, daß durch Jenen Rußlands Feinde müssen, um in die Ostsee zu gelangen, so müssen sie hinwiederum durch letztere Straße, um in das schwarze Meer zu kommen. Wie ferner aus dem mittelländischen Meere eine feindliche Flotte nur unter dem mörderischen Feuer der Dardanellenschlösser weg nach Konstantinopel segeln kann, so führt für feindliche Schiffe der Weg aus der Nordsee nach Kopenhagen nur unter den Kanonen Kronborgs vorüber. Die ganz besondere Bedeutung dieser letztern Position wäre übrigens nur in der Neutralität zu suchen, welche z. B. Dänemark beim Ausbruch eines Kampfes zwischen England und Rußland für sich in Anspruch nehmen würde, und England geneigt wäre, eine solche Neutralität vollständig zu respektiren, in welchem Falle einzig und allein Rußland für seine Ostseeländer nichts zu fürchten hätte. Die Passage durch den Sund selbst zu wehren, vermögen aber im andern Falle die dänischen Geschütze in Kronburg nicht. Die Erzwingung der Durchfahrt hat allerdings ihre Mißlichkeiten, wie denn schon die bloße Befahrung des Kattegat eine höchst beschwerliche ist, daß jedoch dessenungeachtet durch den Sund zu kommen ist, haben die Engländer bereits zweimal bewiesen.

Als der Frieden von Luneville 1801 geschlossen wurde, blieb England, das die Friedensbedingungen verwarf, als alleiniger Gegner Napoleon’s übrig. Es ging dabei so weit, den zwischen Rußland, Dänemark und Schweden geschlossenen Neutralitätsvertrag als eine ihm gemachte Kriegserklärung zu betrachten, weshalb der berühmte Nelson den Auftrag erhielt, die Fahrt durch den Sund zu erzwingen. Er that dies auch, ohne große Gefahr zu erleiden, und erschien am 2. April 1801 mit zwölf Linienschiffen auf der Rhede von Kopenhagen, wo er der dänischen Flotte eine blutige, doch unentschiedene Schlacht lieferte. Nach dem Frieden von Tilsit (Juli 1807), welcher Rußlands und Frankreichs Einigung zu Stande brachte, sah sich England abermals ohne Bundesgenossen in dem Kampfe gegen Napoleon. Eine Erörterung, von welchen Gründen die englische Politik damals geleitet wurde, gehört nicht hierher, genug der englische Admiral Gambrier fuhr im September 1807 abermals durch den Sund, bombardirte Kopenhagen vier Tage lang und führte die ganze dänische Flotte mit sich fort.

[379] Man braucht mithin keinen allzugroßen Respekt vor dem Sunde zu haben, und sicherlich würden wir bei einem Kriege, wie er sich in jüngster Zeit entspinnen zu wollen drohte, die Passage des Sundes abermals von den Engländern erzwungen sehen. Die große im Hafen zu Spithead versammelte, mehr als 1000 Feuerschlünde zählende Dampfflotte war auch allem Anscheine nach hierzu gegebenen Falles bestimmt, und von dem Pulver, das sie vor einigen Wochen in großartigen Manövres blindlings verpuffte, hatten die alten englischen Seewölfe wohl einen ganz andern Gebrauch zu machen gehofft.




  1. Fast alle Seehandel treibende Nationen sind deswegen hier durch Consuln vertreten.