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persönlichen Verkehr zwischen den Brüdern oft für Tage und Wochen zu unterbrechen pflegten, es kam doch immer wieder ein Ereignis, das — oft gerade in seiner Geringfügigkeit — sie beide ihre Zusammengehörigkeit als unzweifelhaft und unauflöslich empfinden ließ. Dem jüngeren Bruder zumal wollten bei solchen Gelegenheiten alle anderen abgelaufenen und noch bestehenden Beziehungen seines Lebens, sogar seine frühe Ehe mit einer trefflichen, nun längst verstorbenen Frau, als solche von geringerem Rang erscheinen, und immer mehr glaubte er das Verhältnis von Bruder zu Bruder nicht nur für sich als den besten und reinsten Gewinn seines Daseins, sondern auch im allgemeineren Sinne als das einzige von natürlich gesicherter Beständigkeit zu erkennen; sicherer als das zu den Eltern, die man allzu früh in Alter und Tod entschwinden sieht, fester als das zu den Kindern, die man, wie Robert freilich für seine Person niemals erfahren hatte, wenn nicht an andere Menschen, so doch an ihre eigene Jugend zu verlieren bestimmt ist; vor allem aber blieb es jederzeit frei von jenen Trübungen, die, unerwartet aus dunklen Seelengründen aufsteigend, über die Beziehungen zwischen Mann und Weib wolkenhaft heraufzuziehen pflegen.

So nahm Robert des Bruders Brief, der gerade heute, am Tage seiner Abreise, anlangte, wie ein günstiges

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_010.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)