Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 035.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Robert besonders hörte mit einer Art von fachmännischem Vergnügen zu, da sein eigenes Talent demjenigen dieses Nachtpianisten, der tagsüber als Sparkassenbeamter sein Brot verdiente, einigermaßen verwandt war. Doktor Leinbach versuchte sein persönliches Verhältnis zur Musik philosophisch klarzulegen. Er sprach dieser Kunst einen sozusagen amoralischen Charakter zu, indem er für seinen Teil unter dem Einfluß schöner Klänge sich stets geneigt fühle, sich von sämtlichen Fehlern und Sünden, begangenen und zukünftigen, ein für allemal zu absolvieren. Robert erinnerte sich, daß er dieses Lokal zuletzt in Albertens Gesellschaft besucht hatte; und er fragte sich, wo sich die einstige Geliebte jetzt wohl befinden möge. Ob der junge Amerikaner, mit dem sie abgereist war, sie wirklich geheiratet hatte? Er zweifelte daran. Der Mann konnte doch ebensogut ein Hochstapler gewesen sein und sie drüben oder schon hier in Europa im Stich gelassen haben. Wie gewissenlos war er doch gewesen, sie – nicht etwa aus Edelsinn, sondern aus verletzter Eitelkeit – aufzugeben und einem wildfremden Menschen zu überlassen oder geradezu auszuliefern.

Immer mehr Leute drängten in den kleinen Raum und zwängten sich zwischen Tischen und Stühlen durch. Eine sehr große, unnatürlich magere junge Dame in Begleitung von zwei Herren blieb eine

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_035.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)