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in der Finsternis überfallen, zerflatterten im hellgewordenen Raum die Schreckgedanken in nichts. Er atmete auf. Was für eine Tollheit, dachte er, mir einzubilden, daß ich Brigitte vergiftet habe. Das gute, sanfte, heute noch geliebte Geschöpf. Erzählte ich, dachte er weiter, meinem Freunde Leinbach von den Gespenstern dieser Nacht, was fände er mir zu erwidern? Vor allem wohl, daß er für seinen Teil von den meisten verstorbenen Menschen seiner Bekanntschaft sich zuweilen einbilde, sie umgebracht zu haben, – ferner, daß es am Ende keinen besonderen Unterschied bedeute, philosophisch betrachtet, ob man jemanden wirklich töte oder ihm nur den Tod wünsche; – endlich, daß wir eigentlich alle mehr oder weniger Mordgesellen seien; und daß er von seinem Standpunkt es mir auch gar nicht übelnähme, wenn ich sowohl Alberta als auch Brigitte wirklich umgebracht hätte. Kenne ich dich, Freund Leinbach? Aber du sollst keine Gelegenheit haben, deinen Witz an mir zu probieren. Es ist immerhin sicherer, von solchen Einbildungen auch seinen nächsten Freunden nichts zu verraten. Ich werde auch Otto nichts davon sagen. Nein, nein, so leicht soll es euch nicht gemacht werden.

Während die Lampe weiter brannte, kam allmählich der Schlaf über ihn. –

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 062. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)