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Ins Gute oder ins Schlimme? Wem kann man solche Dinge erzählen, fragte er sich weiter. Niemand könnte sie begreifen, und vielleicht sind sie von allen, die uns begegnen, die wesentlichsten. Darum ist man so allein.

In dieser Wirtsstube, wo ihn zu dieser Stunde niemand vermuten konnte, im Dämmer eines frühen Dezembernachmittags, erschien er sich wundersam losgelöst von allen, mit denen er diesen Morgen noch sich nach Menschenart verbunden gewähnt hatte; alle, Braut, Bruder und Freunde, waren wie Schatten der Vergangenheit; und zugleich war ihm, als müßte auch er jenen allen in dieser Stunde nur als blasses Bild durch die Erinnerung schweben. Dies war ihm zuerst nur wie ein seltsamer, fast süßer Schauer, der sich aber allmählich in ein leises Grauen verwandelte; endlich stieg in ihm eine Angst an, die ihn aufjagte und durch die dämmernde, menschenleere, feuchte Allee gegen die Stadt zurücktrieb, als hätte jeder Schritt, der ihn dem Lebensgetriebe näher brachte, zugleich die Kraft, sein blasses Erinnerungsbild in den Herzen der Menschen, die ihn liebten, in ein schärferes und lebendigeres zu wandeln.

Und nun wußte er wieder, daß ein Wesen seiner wartete, das ihm für alle Zeiten zu eigen gehörte, daß ein Bruder seiner dachte, der ihn liebte, ihn vielleicht noch mehr liebte, als es Paula tat, mehr als irgendein Mensch auf der Welt ihn jemals geliebt

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)