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Tücke, Drohung und Tod. Otto wieder, von dem Ausdruck des Grauens in des Bruders Antlitz im tiefsten erschüttert, beherrschte sich nicht länger, trat ganz nah an ihn heran, um ihn zu umarmen und ihn durch die rückhaltlose innigste Gebärde seiner brüderlichen Zärtlichkeit zu versichern. Robert aber, des Bruders kühle Hände an seinem Halse fühlend, zweifelte nun nicht mehr, daß der gefürchtete, daß der Augenblick der höchsten, der entsetzlichsten Gefahr gekommen sei, gegen die in jeder Weise sich zu wehren durch menschliche und göttliche Gesetze erlaubt, ja geboten war. In der Rocktasche spannte er vorsichtig den Hahn seiner Waffe, und während der Bruder ihm am Halse hing, setzte er ihre Mündung an Ottos Brust, der jetzt erst merkte, was sich vorbereitete. Aber im Augenblick, da er erkannte, was im Werk war, nach dem Lauf der Waffe greifen, zurückweichen und rufen wollte, war ihm die Kugel mitten ins Herz gedrungen, und er sank lautlos auf den Boden hin.

Robert aber, noch nicht zum Bewußtsein seiner Tat gelangt, nur erst in der Ahnung des Grauenhaften, Unwiderruflichen, das geschehen war, und in einer dumpfen Angst, noch hier an Ort und Stelle zu erfassen, was er getan, stürzte an der Leiche des Bruders vorbei durch den dunklen Gang, die Treppe hinab, über den Flur, durch das seit Ottos Ankunft

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)