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Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank

Lebensgefährtin aufzukommen. – Fraget die Kinder, sie sollen’s euch verkünden, mit welcher gewissenhaften Sorgfalt und ängstlicher Umsicht sie von ihren treuen Eltern erzogen, gepflegt, behütet worden, wie mit dem Aufgebote aller Kräfte für ihr leibliches, für ihr geistiges Gedeihen gesorgt wurde. – Und so wie die Eltern zu den Kindern, also fühlten sich auch die Kinder zu den Eltern magnetisch angezogen. – Durch Religion verklärt, durch ernste, sanfte Gespräche gefesselt, war den Kindern das trauliche Elternhaus eine Oase in der Lebenswüste, ein ausreichender Schutz gegen Laster, Verführung und Leichtsinn. – Haltet Umschau in den Gemeinden! Unterrichts-, Wohlthätigkeitsanstalten blühen, den Armen wird mit vollen Händen und mit freundlichem Gesichte gespendet, der Hungerige wird zu Tische geladen, der Fremde mit Händedruck und Friedensgruß bewillkommt, der Irrende zurechtgewiesen, der Unwissende belehrt, der Leichtsinnige gewarnt, der Wankende gestützt.

Doch – ihr werdet schlagfertig mit dem Verfaßer (Seite 425.) erwiedern: „Dies war und ist nicht der Ausfluß des Talmuds, sondern der Geist des mosaischen Gesetzes hat eben zu tiefe Wurzel unter dem Volke gefaßt.“ Hier waltet noch der Segen Abraham’s, der Himmelsthau des alten Testamentes, auf welchem wie auf festen Felsen, das neue Testament begründet ist. Nun, warum sehen wir deutlich, unverkennbar mit der Autorität des Talmuds die Elasticität im Unglücke, das idyllische Seelenleben, den antiken häuslichen Sinn, das bescheidene, anspruchslose, stille, zufriedene Streben und Weben, aus den Wohnungen Israels – schwinden? Warum hat das Christenthum – mit seiner erhabnen göttlichen Mission, um die ganze Schöpfung ein Netz von Liebe und Sanftmuth zu schlingen – die alten grausamen Gesetze nicht gemildert? Warum konnte der Edelmann seinen Leibeignen zu Tode martern, der Raubritter den arglosen Wanderer räuberisch überfallen, der Mann sein Weib in übler Laune verstoßen – tödten? Warum konnte das fromme bibelfeste England noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit einen großen Theil seiner edlen Söhne

Empfohlene Zitierweise:
Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank. Buchdruckerei von Victor Hornyánszky, Budapest 1886, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Talmud_auf_der_Anklagebank_durch_einen_begeisterten_Verehrer_des_Judenthums_-_008.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)