Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1854) 190.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

für seine Operationen gegen Rußland ausersehen zu haben, und da ihm die Insel schwerlich streitig gemacht werden könnte, so soll die russische Regierung jetzt schon entschlossen sein, ihre Behauptung nicht zu versuchen. Die Besetzung Alands durch die Engländer würde übrigens noch kein folgenschweres Ereigniß sein. Mittlerweile dauert jedoch die Verstärkung der englischen Ostseeflotte, und die Einschiffung von Truppen und Kriegsmaterial ist in den Häfen Albions in vollem Gange. Ganz besondere Schwierigkeiten macht dabei der Transport von Pferden, für welche die Seekrankheit, der sie häufig erliegen, um so gefährlicher ist, als das Pferd von Natur aus nicht brechen kann. Auch das Ein- und Ausschiffen der Pferde, wovon wir heute dem Leser eine bildliche Darstellung geben, ist eine schwierige und umständliche Operation, obwohl durch die jetzt angewandte Verfahrungsweise ein Pferd binnen zwei Minuten vom Lande aus auf das Verdeck des Schiffes gebracht wird. Eine nähere Beschreibung dieses Verfahrens selbst halten wir für überflüssig, da unser Bild dasselbe hinlänglich veranschaulicht und erläutert.




Blätter und Blüthen

Unsere Mädcheninstitute. Eine Menge weiblicher Wesen in einem Lokale zu versammeln, ist eine Einrichtung, der wir zu erst in einem Kloster begegnen. Dort suchten fromme Frauen Aufnahme in dem mißverstandenen Glauben, dem Herrn der Schöpfung dadurch zu dienen, daß sie die schöne lachende Welt hinter sich ließen und durch Gebet und Fasten die Wünsche ihres Herzens zu bewältigen suchten.

Im Mittelalter war die Kirche der Hort der Wissenschaften; Bildung, Gesittung, Künste und Gelehrsamkeit hatten sich in ihren Schooß geflüchtet, und sie theilte der armen, verwilderten Menschenmasse davon mit, nach dem Maße des Verständnisses, das man derselben zutraute; denn damals stand sie in den wirklichen Verhältnisse einer Mutter zu ihrem Kinde, das aus Liebe und mit Liebe bewundert wird. Die ersten Schritte auf unserer Bahn von dem Zustande roher Barbarei zur Gesittung führte uns demnach die Kirche. Die Priester nannten sich die Lehrer des Volkes, die Schulen waren ihr Werk, nur die Geistlichen verstanden zu schreiben.

In der Folge übernahmen die Nonnen einen gleichen Antheil an der Bildung ihrer Laienschwestern, sie riefen die kleinen Mädchen aus der Umgegend herbei und unterwiesen sie in feinen Arbeiten und den Artikeln ihres Glaubens. So wie die untern Schichten der Gesellschaft diesen Schritt vorwärts gingen, verlangten die Reichen nun auch ihrerseits in demselben Maße diesen voranzugehen, und da das Haus damals einer Tochter keine Gelegenheit bot sich Geschicklichkeiten zu erwerben, so entstand die Einrichtung, dieselbe in ein Kloster zu bringen, wo sie blieb, bis sie erwachsen war. Die klösterliche Stille, die einfache Lebensweise, die Architektur des Gebäudes, die Sammlung des Gemüthes wirkten hier mächtig auf die junge Seele ein und gaben ihr jenen Schwung einer höhern Lebensauffassung, die veredelnd auf das ganze Wesen wirkt. Diese klösterliche Erziehung that daher viel für die Bildung und Gesittung des Menschengeschlechtes, in so ferne dieselbe durch die Frau und deren erhöhte Seelenstimmung gefördert wird.

Die Reformation machte hierin einen Bruch. Jetzt konnten nur noch Familien des katholischen Glaubensbekenntnisses diese Klostererziehung für ihre Töchter benutzen, und da die Protestanten ihren Kindern gleiche Vortheile der Bildung zu geben wünschten, so wurden Mädcheninstitute eingerichtet. Diese waren demnach das Resultat eines Zeitbedürfnisses. Die Frauen konnten im Mittelalter und auch später noch die Erzieherinnen ihrer Töchter nicht sein, denn sie verstanden selbst nicht immer zu lesen, weniger noch zu schreiben, sie konnten nur sticken und dem Haushalte vorstehen, und sollte die Tochter nun die Mutter an Bildung übertreffen, so bot sich dazu im Hause kein Mittel, so lange es keine Privatlehrer gab.

Die weibliche Bildung ist der Nachsommer der männlichen, sagt Jean Paul. Je mehr nun der Mittelstand eine Universitäts-Bildung suchte, um so viel weiter erstreckte sich auch für die Frau ein angemessener Unterricht in den Elementarwissenschaften, zu dem man bald noch Musik, dann eine Sprache, dann zwei und auch das Zeichnen fügte. Die Muttersprache richtig zu sprechen und zu schreiben, wurde daneben für nöthig erachtet, und eine Kenntniß unserer besten Dichter gefordert. Auf diesen Punkt angelangt, hätte eine Mutter die Erziehung ihrer Tochter selbst leiten können, denn wo ihr eigenes Wissen, oder ihre Talente nicht zureichen, gab es jetzt überall bereits geschickte Lehrer zur Aushülfe; aber nur in seltenem Falle unterzog eine Frau sich diesem Geschäfte, und die Zahl der Mädcheninstitute vermehrte sich mit reißender Schnelligkeit. Auch unter diesen trat nun eine Art von Rivalität ein. Jede Vorsteherin einer Anstalt suchte durch neue Prospekte die übrigen zu überbieten. Wunderdinge wurden gelehrt, französische und englische Gouvernanten waren engagirt, ein Dutzend Lehrer ertheilten in allen Zweigen Unterricht, und jede Kunst wurde bis zur Vollkommenheit getrieben. Die Einzelne, die ein wenig Talent hatte, mußte die Anstalt vor der Welt damit rechtfertigen, und um jeden Preis etwas zu leisten angeleitet werden; alle Gefährtinnen blickten mit Neid auf diese Bevorzugte, sie selbst aber trat in die Gesellschaft ein mit der Prätension, daß man auf sie Acht haben müsse.

Auf diesem Punkte weiblicher Civilisation angelangt, machen wir eine kleine Pause und sehen, wohin uns unser Weg geführt. – Daß eine eigentliche Bildung in einem Institute nicht gefördert werden kann, ist begreiflich. Die Vorsteherin vermag es bei dem besten Willen nicht, sich mit der Einzelnen zu beschäftigen; beachtet sie, wie sie sich äußerlich giebt, so hat sie gethan, was sie leisten kann. Ein junges Mädchen, das sich stets von einer Menge ihrer Altersgenossen umgeben sieht, kommt zu keiner Sammlung, geht nie in sich, sinnt nie, an ein Leben mit sich selbst ist da nicht zu denken, selbst das Abendgebet ist ja in Gesellschaft Vieler zu verrichten. Ein beständiges Plaudern, Kichern, Scherzen, ein stetes sich Ausgeben, macht unsere lieben, flatterhaften Kinder noch flatterhafter, und jeder Ernst des Lebens wird ihnen lästig. So vorgebildet treten sie in die Welt, wo ihnen vielleicht schon im ersten Jahre ein Mann begegnet, der sie auffordert, die schönsten, heiligsten Pflichten der Menschheit gegenüber zu übernehmen. Was wissen sie von diesen? Was kennen sie davon? Ein Familienleben ist ihnen ja selbst seiner äußern Gestaltung nach fremd geblieben. Alle kleinen Gewohnheiten, die in eine Frauenexistenz gehören, ein eigenes Zimmer, mit seiner Ordnung, Sauberkeit und manchem kleinen Schmucke, das besaß sie ja nie! – Das Leben den jungen Mädchens war das eines Soldaten in einer Kaserne. Sie kannte nur die Disciplin und wie froh wird sie sein, derselben zu enteilen? – Wie gefährlich es ist, ein Mädchen den Beziehungen eines Familienlebens zu entfremden, wird Jeder ermessen, der sich mit dem Frauenleben beschäftigt hat. Die Gewohnheit ist unsere zweite Natur. Einmal dem entfremdet, was im häuslichen Kreise zu den kleinen Leiden und Freuden des Tages gehört, deren Wechsel ja das sind, was wir gemeinhin Glück nennen, wächst man nicht wieder in diese kleinen Details hinein, ohne sich von denselben gelangweilt und wie erdrückt zu finden. – Sind Aeltern gezwungen, durch Verhältnisse, durch den Ort ihres Aufenthaltes, eine Tochter dem sichern Hort des väterlichen Hauses zu entziehen und sie ferne von sich aufziehen zu lassen, so sollten sie sehen, dieselbe in einer Familie unterzubringen, und sie nur die Lehrstunden in irgend einer Anstalt theilen lassen, nie aber wagen, sie in Lebensverhältnisse zu bringen, die sie von dem emancipiren, was die nothwendige Zugabe einen Frauenlebens ausmacht.

Amely Boelte. 




Das Tulpenfest in Konstantinopel. Von allen Blumen ohne Ausnahme, selbst die vielgefelerte und vielbesungene Rose mit einbegriffen, die in der letztern Beziehung übrigens gewaltige poetische Sünden zu verantworten hat, erlangte keine so große Wichtigkeit und Bedeutsamkeit, als die Tulpe, und das dürfte um so mehr zu verwundern sein, da sie des Reizes süßen Wohlgeruches entbehrt, den viele andere Blumen mit nicht minderer Farbenpracht vereinigen. Wahr ist es freilich, daß die Tulpe nicht nur die schönsten und lebhaftesten, sondern auch die mannigfaltigsten Farben zeigt, die Cultur durch die Hand des Gärtners hat das Geheimniß entdeckt, die Farbe der Tulpe durch alle Schattirungen bis in das Unendliche zu vervielfältigen, von dem Ponceauroth geht die Schattirung allmählig durch kaum merkbare Abstufungen bis zu dem matten Weiß herab; in Beziehung auf die andern Hauptfarben, Blau, Grün, Gelb, finden die Uebergänge auf gleiche Weise bis zu gänzlich unentschiedenen Färbungen statt. Auf diese einfarbigen Tulpen folgen die gestreiften, gefleckten, getupften, geflammten, mit buntem Rande umsäumten, und wie die unzähligen Abarten genannt werden mögen, die übrigens es wohl verdienen, die Aufmerksamkeit und Bewunderung des Blumisten auf sich zu ziehen.

Ohne die Liebhaberei der Tulpen so weit zu treiben, wie die Holländer, pflegen auch die Türken, welche die wahren Liebhaber schöner Blumengärten sind, die Tulpen mit besonderer Sorgfalt. Da der Himmel so milde und durchsichtig über den schönen Lande Konstantinopels schwebt, feiert man dort schon in den ersten Tagen des Frühjahrs das herrliche und prachtvolle Tulpenfest. In den glänzenden Sälen des Harems, unter den ungeheueren Bogengängen, welche die Gärten umringen, führt man amphitheatralisch Stufengerüste auf, welche man mit den köstlichsten Teppichen bedeckt. Auf diesen symetrisch geordneten Stufen stellt man in dreifacher Reihe Krystallgefäße auf, aus denen Tulpen in den glänzendsten Farben emporragen. Zwischen diesen Krystallgefäßen werden Kästen mit wohlriechenden Sträuchern aufgestellt, und von Strecke zu Strecke sprudeln Springbrunnen Strahlen von Rosenwasser empor, damit dem Geruche zugleich mit dem Gesichte geschmeichelt werde.

Am Abend wird das ganze Serail mit Tausenden buntfarbiger Lampen erleuchtet und in der Mitte dieser glänzenden Illumination erscheint der Sultan in dem blendenden Glanze von Gold und Edelsteinen und begleitet von einem Gefolge, dessen Luxus jeden Glauben übersteigt. In dem Augenblicke, wo er aus dem für ihn errichteten Throne Platz nimmt, ertönt herrliche Musik, und süße Frauenstimmen ergießen sich in weichen Melodien. Plötzlich dringt dann ein wohlgeruchathmender Strom junger Odalisken durch die Menge der Zuschauer, um, die Stirne mit Blumen bekränzt und das Lächeln auf den reizenden Lippen, Tänze und Gruppirungen auszuführen, durch die man versucht werden könnte, an die Wahrheit der lieblichen Mährchen von tausend und eine Nacht zu glauben.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_190.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)