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Seite:Die Gartenlaube (1855) 119.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Dichtkunst, auf den Gebieten des öffentlichen Lebens und der politischen Entwickelung, in der Befreiung des Vaterlandes und der Neugründung der Verfassungen Thaten, die für die Gegenwart bedeutungsvoller sind, als jene Dichtungen?

Und was hat das deutsche Volk gethan, um diesen Thaten und den Helden, die sie vollbrachten, den verdienten Platz im Panthteon seiner Erinnerung zu sichern? – Wie weit ist heute noch der Name Stein’s überhaupt nur im Volk bekannt, und wenn sein Name, was ist von seinem Wirken, seinen Gesetzgebungen, seinen Gesetzesentwürfen, seinem Charakter, seinem Leben und seiner Persönlichkeit in weiten Kreisen in lebendiger Erinnerung geblieben?

Freilich hat man wohl von mehr als einer Seite sich veranlaßt geglaubt, der Ausbreitung seiner Gesinnungen entgegenwirken zu müssen, um die bestehende Ordnung der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Aber hätte man nur seine wahren Gesinnungen in der rechten Art fortzupflanzen verstanden, wären sie dann nicht das wirksamste Gegenmittel gegen alle Gefahren des befürchteten Umsturzgeistes gewesen? Stein war der Apostel einer neuen Zeit, der Petrus, der Fels, auf welchen der Bau der deutschen Staatenbildung unsers Jahrhunderts begründet ist, – und doch war er ein völliges Gegenbild gegen die, welche heute als die Apostel neuer Ideen, als die Verkündiger einer Religion der Zukunft auftreten, – ein Gegenbild schon deshalb, weil er erreichte, was er wollte, und, was er nicht erreichen konnte, nicht gewollt hat!

Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein war am 26. Oct. 1757 zu Nassau geboren († 29. July 1831), wo seine reichsfreiherrliche Familie ihren Sitz hatte. Er ward von den Aeltern zum Nachfolger im Besitz der als Fideicommiß sanctionirten Familiengüter bestimmt und sah somit die Mittel zu einer großen Lebenslaufbahn sich zu Gebote gestellt. Nachdem er studirt und auf Reisen die größeren deutschen Höfe kennen gelernt, entschied er sich dafür, dem preußischen Staate seine Dienste anzubieten. Friedrich der Große fertigte am 2. Februar 1780 seine Ernennung zum „Kämmerer“ aus und stellte ihn als Referendar dem Chef des Berg- und Hüttendepartements, Minister von Heinitz, zur Seite. Schon 1783 war Stein Bergrath in Wetter an der Ruhr, dann 1788 erster Director der Kriegs- und Domainen-Kammern zu Kleve und Hamm, 1793 Präsident der märkischen Kammer mit dem Sitz zu Kleve, Ober-Präsident sämmtlicher westphälischen Kammern (d. h. „Regierungen“) in Minden, bis er 1804 als Nachfolger von Struensee zum preußischen Staatsminister im Departement des Accise-, Zoll-, Fabriken- und Kommercial-Wesens nach Berlin berufen wurde. Hier herrschte damals die Partei des Minister von Haugwitz und Kabinetsrath Beyme, die vor Allem den Krieg scheute und nichts wollte als Friede mit Napoleon. Stein schaffte zunächst durch Einführung von Papiergeld und andere geniale Finanzmaßregeln die Möglichkeit einer Waffenergreifung gegen den revolutionären Usurpator, und schnell sammelte sich um ihn die Partei der Hardenberg, Blücher Rüchel, Prinz Louis Ferdinand u. s. w., die in den König drang, die Ehre und Freiheit des Vaterlandes zu wahren. Die Niederlage von Jena und Auerstädt war die Folge nur davon, daß man zu spät den Rath dieser Männer hörte, und dennoch griff deren Stimme auch in der verzweiflungsvollen Lage nach jenem Verluste nicht durch. Stein war dem Könige nach Memel gefolgt; sein Beharren auf der Nothwendigkeit durchgreifender, Staat und Heer regenerirender Maßregeln hatte seine ungnädige Entlassung zur Folge; – aber – schon wenige Monate darauf hatte die bessere Einsicht des gerechten Königs ihn wieder an den Thron gerufen„ und dieses zweite Ministerium Stein’s, das nur vom 20. September 1807 bis 24. November 1808 dauerte, war es, dem wir die Neugründung des erschütterten Staates, die großartige preußische Gesetzgebung danken, durch welche die spätere Befreiung des gesammten deutschen Vaterlandes erst möglich wurde. Was die französische Revolution in Gewalt und unmenschlichem Frevel versuchte, wurde hier durch Gesetz und Weisheit eingeführt: die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Ständeunterschiede, die Abschaffung der Adelsvorrechte, die Befreiung des Grundeigenthums und der Gewerbe, die Centralisirung der Regierung in den jetzt noch in Preußen bestehenden Ministerien, die neue Belebung des Gemeindewesens, die Gründung der berühmten Städte-Ordnung und die Anbahnung einer ständischen Vertretung des Volkes und seiner Theilnahme an der Regierung.

Die in der oben mitgetheilten Denkschrift ausgesprochene Gegnerschaft gegen Rußland war die Veranlassung, Stein zum zweiten Male aus dem Ministerium zu entlassen. Napoleon hatte ihn als seinen gefährlichsten Gegner erkannt, forderte seine Entfernung aus den preußischen Staaten, that ihn in die Acht und confiscirte seine Güter. Als nun aber Oesterreich zum zweiten Male besiegt und fast vernichtet war, als zwischen dem westlichen und dem östlichen Kaiserreiche keine Schranke mehr hinwegzuräumen war und die beiden größten Reiche Europa’s zum Kampfe auf Tod und Leben einander gegenüberstanden, da war es Stein, der Verbannte, der Heimathlose, sein bisheriger listigster Gegner, an den Kaiser Alexander von Rußland sich zuerst um Rath und Hülfe wandte. Stein war es, der, einzeln für sich, mit keiner Macht, keiner Partei unmittelbar in Verbindung stehend, in der Verbannung lebend, der russischen Politik nach dem Brande bei Moskau den großartigen Aufschwung zum Siege gab, der sie zwang, von dem Vertheidigungskriege in den des Angriffes überzugehen, den geschlagenen Feind über die Grenzen hinaus zu verfolgen, die Fahnen der Erhebung in die Gauen Deutschlands zu tragen und seinen zahllosen Souverainen das Werk der eignen Befreiung aufzudringen. Er, der Mann einer vorurtheilsfreien, aber charaktervollen, einer rücksichtslosen, aber zweckgemäßen Politik, den sein Vaterland preisgegeben hatte, er war es, der es wieder dahin brachte, daß der Name Deutschland kein leerer Schall mehr war, dem, aus Mangel eines anderen Mittelpunktes, von den Fürsten während des Befreiungskrieges die „Centralverwaltung“ des Reichs übergeben wurde, – so daß man im Volke daran dachte, ihn zum deutschen Kaiser zu erwählen, und daß Nicolaus Vogt, Professor der Geschichte und des Staatsrechts in Frankfurt, der Lehrer Metternich’s, als man ihn fragte, ob das nach den Reichsgesetzen möglich sei, diese Frage unbedenklich beantwortete, indem er auf Stein’s reichsunmittelbare Freiherrlichkeit sich bezog!

Es war zweckmäßig, auf diesen genialsten Staatsmann Deutschlands im gegenwärtigen Augenblicke wieder einmal zurückzuweisen, um zu zeigen, welchen Hindernissen Politiker von vorurtheilsfreier Energie entgegenzugehen gefaßt sein müssen; und es war wohl zweckmäßig auch deshalb, weil die Literatur jetzt endlich die lang versäumte Pflicht, diesem Mann ein würdiges Denkmal zu setzen, erfüllt hat mit dem Werke: „Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein“ von G. H. Pertz (5 Bände. Berlin, 1849–1854), – einem Werke, dessen Verbreitung in alle Gesellschaftskreise zu wünschen wäre.

R. Giseke. 




Zur Gesundheitspflege und Erziehungslehre.
Der Mensch im Kindesalter.


Das Kindesalter erstreckt sich vom Entwöhnen des Säuglings, also etwa vom Ende des ersten Lebensjahres bis zum beginnenden Zahnwechsel im 7. Jahre und könnte deshalb auch das Alter der Milchzähne genannt werden. Das Kind wächst in diesem Zeitraume bis etwa zu 42 Zoll und wird ungefähr 40 Pfund schwer; im Durchschnitt nimmt jährlich seine Länge um 2 bis 3 Zoll und sein Gewicht um 31/3 Pfund zu; jedoch ist diese Zunahme in den ersten Jahren dieses Alters größer als in den spätern. Im Verhältniß zum Rumpfe nimmt die Größe des Kopfes fortdauernd ab und die der Gliedmaßen zu, obschon das Gehirn im Schädel fortwährend wächst. Das Herz schlägt etwa 85 bis 90 Mal. Dieses Alter, welches sich durch eine verhältnißmäßig rasche körperliche und geistige Ausbildung vor allen andern Lebensaltern auszeichnet, läßt sich recht wohl in zwei Abschnitte trennen, nämlich in das erste und das zweite Kindesalter.

Das erste Kindesalter umfaßt das 2te, 3te und bei manchen, etwas zurückgebliebenen Kindern, auch noch das 4tete Lebensjahr. Kauen, Gehen und Sprechen sind die drei Bewegungen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_119.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2023)