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Seite:Die Gartenlaube (1855) 463.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

sehen wir uns jetzt nach solchen für Werke der ernsten Wissenschaft um! Zufällig ist uns eine Notiz über die Honorare erhalten, welche der damals hochberühmte Philosoph Christian Wolf bezog. In einem Journal aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts finden wir nämlich die Bemerkung: „Christian Wolf habe einen Louisd’or für den Bogen erhalten; jetzt dagegen wollte jeder Magister Louisd’ors für sein Geschreibsel haben.“ Einer der ersten Staatsrechtslehrer aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, Johann Jacob Moser, erzählt in seiner eigenen Lebensbeschreibung von den finanziellen Resultaten seiner Schriftstellerei. Da er sehr viel und meist sehr dickleibige Werke schrieb, so fand er nicht immer einen Verleger dafür und mußte Manches im Selbstverlag herausgeben, was, beiläufig gesagt, damals überhaupt ziemlich häufig vorkam. Er klagt, daß die naturgeschichtlichen und die belletristischen Bücher alle andern verdrängten; dennoch setzte er von seinem „Staatsrecht“, einem Werke in fünfzig Theilen zu je drei Alphabeten oder circa siebzig Bogen, eine Auflage von tausend Exemplaren gegen baare Bezahlung ab. Freilich gab er das Alphabet oder vierundzwanzig Bogen zu zehn guten Groschen acht Pfennigen, ein Preis, den unsere heutigen Verleger trotz der üblichen „billigen Ausgaben“ unglaublich finden werden. Bei den Werken, die Moser in fremdem Verlage erscheinen ließ, erhielt er für den gedruckten Bogen zwei, höchstens drei Gulden; oft aber auch, wie er klagt, blieben ihm die Verleger die Bezahlung ganz schuldig.

Ungleich besser ward Schlözer[WS 1] bezahlt. Er verstand es aber auch, die Staatswissenschaft, die Moser noch in schweren, massigen Metallklumpen zu Tage gefördert hatte, in leichter, gangbarer und glänzender Münze dem Publikum hinauszugeben. Mit seinen publicistischen Arbeiten, seinem „Briefwechsel“ und seinen „Staatsanzeigen“ – Zeitschriften, von denen in ihrer glänzendsten Periode fünfthalbtausend Exemplare abgesetzt wurden (für Journale so ernsten Inhaltes und in der damaligen, doch im Ganzen noch weit weniger leselustigen Zeit gewiß ein ganz außerordentliches Resultat) gewann er jährlich gegen dreitausend Thaler, so daß ihm der Bogen durchschnittlich vierzig Thaler abwarf; „ein Honorar (wie sein Sohn in seiner Lebensbeschreibung bemerkt), wie es außer Kotzebue und Goethe selten ein deutscher Schriftsteller bezogen.“ Die fremden Beiträge kosteten ihm freilich fast gar nichts außer dem Porto, denn es war damals noch nicht üblich, für politische Korrespondenzen Honorar zu fordern; man betrachtete es als eine Ehrensache, derartige publicistische Unternehmungen zu unterstützen.

Dagegen finden wir bei den belletristischen Journalen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts schon Mitarbeiterhonorare, und zwar zum Theil sehr ansehnliche, im Gebrauch. Wieland offerirt für Beiträge zu seinem Mercur, freilich an Goethe, drei Louisd’or für den Bogen. Die jenaische allgemeine Literaturzeitung, damals im größten Flor, von dem Herzog von Weimar materiell unterstützt, und als Mitarbeiter die bedeutendsten Gelehrten, wie Paulus, Griesbach[WS 2], Hufeland und Andere, zählend, gab funfzehn Thaler für den Bogen, das Niethammer’sche Journal,[WS 3] woran Feuerbach in seiner Jugend mitarbeitete, zehn Thaler, wogegen dem Dichter Schubart von seinem Freund Miller (dem Verfasser des bekannten Romans „Siegwart“) für Beiträge zu einer kritisch-ästhetischen Monatsschrift, welche Letzterer gründen wollte, nur die bescheidene Summe von fünf Gulden geboten ward.

Interessant ist eine Vergleichung der Honorarsätze, welche ungefähr in derselben Zeit, nämlich im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, verschiedene namhafte Schriftsteller je nach ihrem Ruf oder der Popularität und Zeitgemäßheit der von ihnen betriebenen Gattung von Schriftstellerei bezogen. Knigge, der bekannte Verfasser des Buches „über den Umgang mit Menschen“, erhielt für eine andere seiner Schriften, (die „Aufklärung in Abyssinien“) zwei Louisd’or für den Bogen, gerade so viel, wie der Philosoph Jacobi für seine wissenschaftlichen Werke Der Stifter des Illuminatenordens, Weishaupt, soll sogar für seine Sachen drei Louisd’or bekommen haben, und von dem Pädagogen Salzmann, welcher einen Roman oder vielmehr ein Sittengemälde seiner Zeit, (in ziemlich groben Zügen) unter dem Titel: „Karl von Karlsberg, oder das menschliche Elend,“ schrieb, bemerkt ein Zeitgenosse spottend, jeder Bogen von diesem menschlichen Elend habe ihm zwanzig Thaler eingetragen. Jedenfalls muß diese Speculation auf das Interesse des Publikums an dem menschlichen Elend eine gute gewesen sein, denn der genannte Roman schwoll zu sechs starken Bänden an. Von Kotzebue ward schon erwähnt, daß seine Schriftstellerei, nach ihren materiellen Resultaten gemessen, sich den unsterblichen Werken des Goethe'schen Genius habe an die Seite stellen können, wie sie ja auch leider in der Theilnahme des großen Publikums eine Zeit lang keck und erfolgreich mit diesen rivalisirte. Es war eben damals, wie es noch heut ist und wahrscheinlich noch lange sein wird: diejenigen Schriftsteller, welche den augenblicklichen Zeitgeschmack am Besten zu treffen und am Meisten zu befriedigen verstanden, trugen den Sieg über die meisten derer davon, welchen es um gediegenere Resultate literarischer Produktion zu thun war, und nur die wenigen der Letzteren, welche mit der überwältigenden Macht ihres höhern Genius das Ewige im Menschen erfaßten, konnten sich der gleichen äußeren Erfolge wie Jene mit ihrer leichten Waare, rühmen. Im Namen der ernsten, nüchternen Wissenschaft führt über dieses Mißverhältniß der berühmte Geograph und Statistiker Büsching in einem seiner Briefe schwere Klage.

„Ich alter Schriftsteller,“ sagt er, „bekomme gemeiniglich nur drei Thaler für einen Bogen, für ein Stück der mühsamen „Wöchentlichen Nachrichten“ (einen halben Bogen) einen halben Louisd’or, und mehr bringt mir auch die allermühsamste Arbeit der Erdbeschreibung nicht ein, obgleich die leichtesten Bogen derselben mir wenigstens volle sieben Arbeitstage, jeden zu vierzehn Stunden, und die schweren sechs solche Wochen kosten; für einen Bogen der neuesten Ausgabe aller Theile von Europa habe ich zwei Thaler hamburgisch Courant bekommen. Ich weiß wohl“ setzt er nicht ohne eine gewisse Bitterkeit hinzu, „daß es Dichter giebt, insbesondere schlüpfrige, welche zehn Thaler für einen Bogen bekommen; eine solche Bezahlung können aber Schriftsteller, welche ernsthafte Materien abhandeln, nicht erwarten.“ [1]

Nicht immer waren es übrigens solche leichte oder leichtfertige Ergötzungen der Phantasie, welche so hoch bezahlt wurden; auch die sogenannten gemeinnützigen oder populären Beobachtungen wissenschaftlich- praktischer Stoffe zum Gebrauch für’s Leben machte damals, wie heute, großes Glück und hatten ein ausgedehntes Publikum. Wenige Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts werden sich so viel mit ihrer Feder verdient haben, wie der Verfasser des, seiner Zeit allbekannten und vielgeschätzten „Noth- und Hülfsbüchleins,“ Becker. Er ward dadurch und durch seinen Reichsanzeiger ein wohlhabender Mann. Erfreulich ist es, wahrzunehmen, wie überhaupt gemeinnützige, auf die Belehrung und Aufklärung des Volks berechnete Werke, selber solche von ziemlich bedeutenden Umfang, damals auf ein weitverbreitetes und nachhaltiges Interesse des Publikums zu zählen hatten. Man ersieht dies aus den vielen und starken Fortsetzungen zahlreicher Sammel- und periodischer Werke dieser Art, welche besonders in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts erschienen. Auch liegen über einzelne solcher Unternehmungen ganz bestimmte Angaben vor. Basedow[WS 4], der Reformator des Erziehungswesens in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, bekam durch sein „Elementarwerk,“ welches er auf Subscription herausgab (zugleich mit der Bestimmung, den Ertrag zur Begründung einer Erziehungsanstalt nach seinem Systeme zu verwenden), die Summe von funfzehntausend Thalern zusammen. Pestalozzi erlangte durch Herausgabe seiner pädagogischen Schriften die Mittel, nicht nur aus der bedrängten ökonomischen Lage, in der er sich befand, herauszukommen, sondern auch seine pädagogischen Ideen selbst zu verwirklichen. Der Erfolg, den Klopstock mit seinem großen Subscriptionsunternehmen, „die Gelehrtenrepublik“ (deren innerer Gehalt noch dazu den Erwartungen keineswegs entsprach) erzielte, ist bekannt.

Zum Theil eine Folge der damaligen mangelhafteren Organisation des Buchhandels, zum Theil aber auch ein schönes Zeichen der lebendigeren, unmittelbareren Betheiligung des Publikums an der literarischen Produktion, in das eigenthümliche Verhältniß, in welchem wir damals häufig Schriftsteller, ebensowohl junge und noch unbekannte, als ältere und schon berühmte, dem Publikum gegenüber treten sehen. Es war in der damaligen Zeit durchaus nichts Ungewöhnliches, daß der Schriftsteller zugleich der Verleger seiner eigenen Werke ward. Die Handhabe, deren man sich bediente, um das Publikum zur Theilnahme heranzuziehen und für den Absatz einer Schrift eine gewisse Sicherheit im Voraus zu erhalten, war das Sammeln von Subscribenten, wobei literarische und persönliche Freunde, Gönner und Verehrer dem Schriftsteller


  1. Die Honorare der jetzigen Zeit sind etwas anderer Art. So erhält Gervinus für seine „Geschichte des 19. Jahrhunderts“ 40,000, sage vierzig Tausend Thaler.
    D. Red. 

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_463.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)