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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

eine etwas plumpe und zu handgreifliche Art, wobei er ihnen auf die Köpfe springt und sie an den Haaren zerrend sogar zu Boden wirft. Er liebt meine Kinder und unterscheidet sie sehr wohl von einander, Gegen das schwächste derselben ist er auch am frechsten und läßt sich von den Kindern überhaupt nichts gefallen. Unbedingten Gehorsam kennt er nicht; er folgt meinem Rufe nur, wenn es ihm gefällt; blos Androhung von Strafe oder diese selbst in Form von körperlicher Züchtigung kann ihn z. B. bewegen in seinen Käfig zurückzukehren, wenn er im Zimmer frei herumspringt. Gegen alle andern Leute mit Ausnahme von mir, den er als seinen Herrn erkennt, ist er rachsüchtig und im höchsten Grade jähzornig. Selbst wenn ich ihn strafe, werde nicht ich der Gegenstand seines Zornes, sondern er überträgt ihn auf andere zunächst stehende Personen, mögen dieselben an der von ihm erlittenen Strafe schuld gewesen sein oder nicht.

Mein Affe liebt sehr die Geselligkeit und stößt klägliche Töne aus, wenn er sich allein und verlassen sieht. In neuerer Zeit habe ich ihm zur Beschäftigung und Unterhaltung ein Kaninchen in den Käfig gegeben, mit dem er sehr schnell, so bald er sich von seiner Superiorität und des Kaninchens duldender Gutmüthigkeit überzeugt hatte, Freundschaft schloß.

Er ist neugierig und diebisch. Alles will er sehen und untersuchen, er öffnet Schränke und Zimmerthüren, letztere indem er auf die Thürklappe springt, bis die Thüre aufgeht. Er stiehlt, um zu stehlen, und wenn er auch ganz gesättigt ist, so raubt er doch von Tisch und Teller, was er nicht nehmen soll, bewahrt es eine Zeit lang in seinen Backentaschen auf und entzieht sich der Verfolgung durch die schleunigste Flucht. So wenig vortrefflich nun im Ganzen auch seine Eigenschaften sind, so geben doch gerade der Widerspruch und der Streit, in welchem man sich mit dem kleinen Thiere befindet, stets neuen Stoff zur Unterhaltung. Seine Sprachäußerungen sind nicht sehr mannigfaltiger Natur, indeß kann man doch ungefähr ein halbes Dutzend articulirter verschiedener Laute unterscheiden. Für gewöhnlich ist er stumm und nur bei besonderer innerer Bewegung und Erregung vernimmt man seine Stimme, die bald gurgelnd, bald bellend, kreischend und pfeifend ist und mitunter etwas Weinerliches hat, z. B. wenn er am Abend, nachdem er auf dem Canapee an meiner Seite eingeschlafen, aus seiner Ruhe aufgeschreckt in den Käfig zurückgebracht wird. Jedenfalls ist sein Stimm- und Sprachregister sehr viel reichhaltiger als das anderer hochstehender Thiere. Auf welch hoher intellektueller Entwicklungsstufe er steht, geht auch aus der Art und Weise hervor, wie er das Bild, das sich ihm in einem Spiegel bietet, zu betrachten pflegt. Während gewöhnlich selbst die intelligentesten Hunde gar keine Notiz von dem Spiegelbild nehmen, so geräth mein Affe vor ihm in große Aufregung, macht die komischsten Bewegungen und scheint in Zweifel zu sein, was er von dem sich ihm darbietenden trügerischen Bilde halten soll. Er langt und sieht, wie es auch kleine Kinder zu thun pflegen, hinter den Spiegel, offenbar um Aufschluß zu erhalten, ob er getäuscht ist, oder ob sich in Wirklichkeit Etwas hinter dem Spiegel befindet. Von Nachahmungssucht, wie sie die menschenähnlichsten Affen z. B. der Orang-Outang in so merkwürdiger Weise besitzen, habe ich nie etwas an meinem Affen beobachtet; ob er fähig ist gewisse Kunststücke zu lernen, weiß ich nicht, ich habe es nicht versucht und glaube, daß man nur durch Strenge und Strafen dazu kommen könnte, was seinen Charakter wahrscheinlich verderben und seine Zutraulichkeit und Zahmheit vernichten würde.

Die Schilderung meines Lieblings ist keine vollständige, aber sie mag Ihnen, meine Herren, doch die wesentlichsten Züge eines mannigfaltig gestalteten Thierlebens geben. Ich bin nicht der einzige in meiner Affenpassion; selbst von berühmten Männern wird erzählt, daß ihnen die Gesellschaft eines Affen unentbehrlich geworden und sein Tod sie auf’s Tiefste betrübt hat. So hat auch mich schmerzlich der Tod meines ersten Affen berührt (der gleichen Art angehörend wie mein jetziger), der im vorigen Jahre, nachdem ich ihn einige Monate besessen hatte, als Opfer seiner Naschhaftigkeit gefallen ist. Er fraß ein Stückchen arsenikhaltige Farbe und ging unter den Erscheinungen einer acuten Arsenikvergiftung zu Grunde. Seine Liebe konnte ich mir nie erringen; er war meiner Frau und meinen Kindern sehr attachirt, aber vor mir hatte er eine nicht zu überwältigende Furcht und einen unüberwindlichen Haß, vielleicht weil ich ihn einmal, gleich im Anfange, nachdem ich ihn in Marseille gekauft hatte, tüchtig züchtigte, oder weil er in mir meines großen Bartes wegen einen ihm feindlichen stärkeren Affen zu erblicken glaubte, der ihm nichts Gutes erweisen könne. Sein Gehirn ist der Wissenschaft nutzbar gemacht worden, indem es Herr Professor C. Vogt untersuchte und, wie er mir schrieb, manche interessante Aufschlüsse sich dadurch verschaffte, die er wohl gelegentlich mitzutheilen nicht versäumen wird.




Es war doch schön auf Hochschulen!
Von einem alten Burschenschafter.

In der Mitte des August dieses Jahres feiert die deutsche Burschenschaft das fünfzigjährige Jubiläum ihrer Stiftung. Wer kennt nicht die Bedeutung dieser einfachen Studentenverbindung in der Geschichte Deutschlands seit den Befreiungskriegen? Waren es nicht wirklich diese aus dem Kampf gegen das Frankenkaiserreich zu den Hochschulen zurückgekehrten jungen Männer, die nach jenem Kriege allein noch den weit gefährlicheren Kampf gewagt mit der unpatriotischen Selbstsucht der Dynastien, mit der Schreckensmacht der heiligen Allianz, mit dem volksfeindlichen Freiheitshaß des Adels und der obersten Beamtenkreise, den Kampf gegen die Gleichgültigkeit der großen Masse, gegen die Angst des wohlhäbigen Philisterthums? Ja, die kleinen einzelnen Studentenhäuflein der Burschenschaft auf den Hochschulen waren es, die für die Zukunft der Nation das heilige Feuer der Vaterlandsliebe hüteten, wie sie des Reichs verbotene Farben wahrten! Dreimal unterdrückt und verfolgt und in Menge den Kerkern überliefert, erhoben sie sich dreimal wieder vom Untergang, bis endlich Deutschland, zu einer großen nationalen Ermannung erstarkt, aus der Hand der Burschenschaft die Fahne nahm, die seitdem als deutsches Banner selbst auf dem Bundespalast und allen Fürstenschlössern geweht und welche die Nation nimmermehr sich wieder entreißen läßt.

Dieses Jubiläum lenkt von selbst unsere Blicke nach Jena, wo die Burschenschaft gegründet wurde. wo sie ihren festesten Sitz hatte und wo auch das fünfzigjährige Stiftungsfest gefeiert wird. Nehmen wir die schöne Gelegenheit wahr, uns an dem Burschenbild zu erquicken, in welch’ origineller Weise die dritte Erhebung der verbotenen Verbindung zum öffentlichen Leben geschehen ist.

Die Hochschule von Jena hat, das weiß jeder denkende Deutsche, allezeit dem freien Geist gedient, und darum hat sie auch allezeit das Schicksal des freien Geistes getheilt. So oft die schwache Brust des Bundestags an Beklemmung litt, wenn ein frischer Zug des deutschen Lebens sie berührt hatte, so oft schob sie die Ursache dieses Unwohlseins auf die Universitäten, und so oft dies geschah, mußte Jena die Folgen der üblen Laune spüren, die nach solcher Erkältung einzutreten pflegte. Am schlimmsten äußerte sich dieselbe nach den dreißiger Julistürmen, und es ist offenbar ein Zeugniß mehr für die schwächliche Constitution besagter hoher Stelle, daß dieselbe in jener Westluft, welche die ganze deutsche Nation bis zur Glühhitze hinauf brachte, ganz allein den Schnupfen bekam.

Es ist auch den „Philistern“ nicht unbekannt, daß man gegen solche freien Luftzüge das gewöhnliche Hausmittel der Verschließung der Fenster und der Verstopfung jeder zerbrochenen Scheibe anwandte, unbesorgt darum, ob mit der Luft den Bewohnern des alten Hauses „Deutschland“ auch das Licht entzogen werde. Kein Wunder, daß die Atmosphäre dumpf und drückend wurde und daß sich in ihr nur Diejenigen wohl befanden, deren Hauptsorge die Erhaltung schwacher Constitutionen war. Diesmal ging die Vorsicht noch weiter, man verschloß auch die Thüren nach der Schweiz, nach Frankreich, nach Belgien hin, sogar im Innern des alten Hauses sperrte man gewisse Riegel vor, so von Preußen und Baiern nach Jena hin, weil man das Saalthal noch immer für ein unverbesserliches Wetterloch ansah.

Aber Polizeigucklöcher waren durch alle diese verriegelten Thüren geschnitten, und mißtrauische Augen beobachteten jeden Professor

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_425.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)