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Seite:Die Gartenlaube (1866) 792.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

absichtlich auf ihren Tischen aus, um einer etwaigen Untersuchung zu zeigen, womit sie beschäftigt wären.

Erst als sie das Alles beendet und sich genau überzeugt hatten, daß nicht das Geringste zurückgeblieben sei, was ihnen hätte gefährlich werden können, verließen sie das Haus, um dem vorangegangenen Wirth auf einem anderen Wege zu folgen, der durch die jetzt verlassenen Weinberge führte. Sie nahmen sich dabei vollkommen Zeit. Jedenfalls würden sie sich mehr beeilt haben, wenn sie die Thätigkeit gesehen hätten, die sich heute Morgen im Criminalamt entwickelte.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Der falsche Paganini. Wilhelm Just, Inspicient des Wiener Hofburgtheaters, den der Intendant des Welttheaters erst vor ein paar Jahren in den Ruhestand versetzt hat, galt in seiner Jugend für ein Universalgenie in seinem Vaterlande Preußen. Er war Sänger und Schauspieler, Tragiker und Komiker, zärtlicher Vater und dummer Junge, erster Held und komische Mutter, Decorateur, Musikus, Balletmeister und Lampenputzer – das heißt, er war Factotum und darum eine Perle für jede Provinz. Aber leider hatte er kein Sitzfleisch, war bald hier, bald dort und fast immer auf der Wanderschaft, als ob seine Füße in den Sandalen des ewigen Juden steckten.

So finden wir ihn auch nach langer Wanderschaft in einem öffentlichen Garten zu Breslau, in welcher Stadt gerade der große blasse Dämon Paganini seine Zaubertöne aus der Teufelsgeige lockte. In einer entlegeneren Partie des Gartens steht Just mit einer alten Violine und giebt den Spatzen und Stieglitzen ein wahres Katzenconcert zum Besten, indem er mit der Possirlichkeit eines Affen alle Gesten und Manieren Maestro Paganini’s nachahmt.

„Was in aller Welt treiben Sie denn?“ ruft lachend ein Bruder Studio, den der Zufall zu diesem sonderbaren Concert geführt. „Sie geigen ja, als ob Sie zum St. Veitstanz aufspielen müßten.“

„Ruhe, Publicum!“ erwiderte Just mit komischer Grandezza, ohne sich in seiner musikalischen Uebung beirren oder unterbrechen zu lassen. „Ich bin Maestro Nicolo Paganini und studire ein neues Concert auf der G-Saite ein.“

Der Studiosus lehnte sich an einen Kastanienbaum und schien sich an diesem originellen Spaß zu amusiren; denn „wie er sich räuspert und wie er spuckt, hatte Just dem Maestro trefflich abgeguckt,“ und als der falsche Paganini nach dem letzten Bogenstrich sich stolz und gravitätisch gegen ihn verneigte, rief er ihm im tiefsten akademischen Bierbaß ein Bravissimo zu. Dann nahm er neben ihm auf dem Gartenbänkchen Platz und erlaubte sich, nach dem Namen der unbekannten Größe zu fragen, deren Bekanntschaft er hier gemacht.

„Nicht unbekanntbekannt ist Wilhelm Just, so weit die deutsche Zunge reicht!“ perorirte dieser.

„Dann reicht die deutsche Zunge nicht bis Breslau,“ sagte lachend der Student, „denn ich höre den Namen Wilhelm Just zum ersten Male, aber wetten könnte ich, daß der Träger dieses Namens ein vacirender Schauspieler ist, der bei unserem Stadttheater ein Engagement zu finden hofft?“

„Die Wette wäre nur zur Hälfte gewonnen. Ein vacirender Mime bin ich allerdings, aber ich suche und will kein Engagement, mein Herr Studiosus: Paganini läßt sich nicht engagiren, denn keine Direction der Welt kann ihn bezahlen.“

„Paganini – Sie?“

„Hahaha! merken Sie was, mein Herr Studiosus? Nicht der echte Paganini, der falsche will ich sein! Das ist eine kolossale Idee, die mich zum Nabob und jeden Theaterdirector zum Crösus machen muß! Ich brauche nichts als ein Stück! O, hätte ich einen Dichter, der mir eine Parodie schreibt, ich würde ihn noch um tausend Jahre unsterblicher machen, als sich Schiller und Goethe gemacht!“

„Ich pränumerire mich auf diese verlängerte Unsterblichkeit!“ bemerkte lachend der Student. „Mit Ende der Woche haben Sie die Parodie!“

„Mensch, Engel, Gott!“ rief entzückt der Schauspieler, indem er den Studenten stürmisch in die Arme schloß. „Ein Honorar von einer halben Million für dieses Werk!“

Der junge Studiosus hielt Wort.

Nach wenigen Tagen hatte Just die Parodie und zog als ‚falscher Paganini‘ durch alle Gauen der deutschen Bühnenwelt.

Tausende, und unter ihnen Maestro Paganini selbst, lachten über den Spaß, bis aus dem neuen Spaß ein alter wurde und der falsche Paganini sich mit dem echten in’s Meer der Zeit verlor.

Der junge Dichter aber ist im Laufe der Jahre einer unserer begabtesten und geachtetsten Dramaturgen geworden, es ist Heinrich Laube, und sein Verdienst um die deutsche Bühne hat ihm den ehrenvollsten Wirkungskreis angewiesen; doch die halbe Million für sein Erstlingswerk hat ihm Wilhelm Just nicht gebracht, aber er brachte ihm sich selbst, und das ist immerhin ein Erfolg; denn für einen umsichtigen Schauspieldirector ist ein tüchtiger Inspicient wahrlich kein kleines Capital.




Für den Weihnachtstisch. Unter der großen Schaar von strahlenden Büchern, welche alljährlich beim Herannahen des Festes sich einzustellen pflegen, wird unzweifelhaft ein von Albert Träger (in Leipzig bei J. G. Bach) herausgegebenes Album „Deutsche Kunst in Bild und Lied“ in besonderem Grade die Aufmerksamkeit des Publicums erregen. Prachtwerke dieser Art zeichnen sich leider häufig genug dadurch aus, daß in und an ihnen die Hand des Künstlers und des Buchbinders durch buntfarbigen Glanz und geschmackvolle Ausstattung die Dürftigkeit eines matten und langweiligen Inhalts verdecken muß. Träger’s Album dagegen läßt uns auf jedem Blatte den ordnenden und sichtenden, wachenden und schaffenden Geist eines wahren Dichters erkennen, dem es darum zu thun gewesen, im schimmernden Modegewande auch eine werthvolle poetische Gabe zu bieten. Von der beträchtlichen Anzahl deutscher Lyriker, welche der gemüth- und anmuthvolle Sänger aus allen Gegenden des Vaterlandes um sich versammelt hat, scheint ihm jeder mit Freuden sein Bestes geliefert zu haben. Und so quillt und klingt denn eine solche Fülle von ernsten und heiteren Weisen, von ergreifenden Tönen und schönen Gedanken so frisch, so reich und mannigfaltig zwischen den meistens gelungenen Bildern hervor, daß das Buch in der That seine Bestimmung erreicht: ein erwärmender Hauch, ein duftiger Blüthenstrauß oder ein erheiternder und erhebender Lichtstrahl aus dem Reiche der Poesie zu sein an trüben und öden Wintertagen.




Noch einmal Uhlich. Eben vor Schluß unserer Nummer ging uns noch die gewiß vielen unserer Leser erfreuliche Mittheilung zu, daß bei der Ende November d. J. in Magdeburg abgehaltenen Wahl es Uhlich’s Freunden zum ersten Mal gelungen ist, seine Wahl zum Stadtverordneten in der dritten Classe durchzusetzen, aber nur nach sehr großen Anstrengungen, erst bei dem engeren Scrutinium und mit einer äußerst geringen Majorität.




Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!


Bock, Buch vom gesunden und kranken Menschen. 7. Aufl. broch. 1 Thlr. 22½ Ngr., eleg. geb. 2 Thlr.

Gartenlaube, 1859. 1860. 1862. 1863. 1864. 1865. broch. à 2 Thlr., eleg. geb. in gepr. Decke à 22/3 Thlr.

Saphir, M. G., Wilde Rosen. Dritte Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 2 Thlr. 15 Ngr.

Schefer, Leopold, Für Haus und Herz. Hinterlassene Gedichte. Herausgegeben von Rud. Gottschall. Eleg. geb. 1 Thlr. 27 Ngr.

Stolle, Palmen des Friedens. Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise. Vierte Auflag. eleg. geb. 1 Thlr. 15 Ngr.

Traeger, Gedichte. Fünfte, sehr vermehrte Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 11/3 Thlr.

Carl Maria v. Weber. Ein Lebensbild von Max Maria v. Weber. Drei Bände. Mit Portrait broch. 6 Thlr. 25 Ngr.

Wislicenus, Gustav Adolph, die Bibel. Für denkende Leser betrachtet. broch. 2¾ Thlr.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 792. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_792.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)