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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Frau der Braut einen Topf mit Warmbier, wozu sie folgenden Vers sprach:

„Gauden Avend, mien’ lewe Jungfer Bruut!
Hier bring ik Dienen warmen Pott.
Darut drink mit dem lewen Gott,
Drink Du mit alle Diene lewe Fründ,
Bet ji ju (ihr euch) im Himmel wedder find’t.“

Und nun begann eine ordentliche Collation von Warmbier, in welchem reichlich große Rosinen schwammen. – Nicht gelüstig nach diesen Süßigkeiten, eilten wir zu der Männergesellschaft im Bräutigamshaus. Hier sprach man dem frischen Wolgaster tapfer zu, denn dieses Bier zieht man für solche Festlichkeiten vor, während den gewöhnlichen Trank der Mönchguter sich selbst braut und sogar den Hopfen dazu selbst baut. Außer dem Bräutigam zeichneten sich hier der Hochzeitbitter und der Schenker (Mundschenk) ebenfalls durch weiße Tücher aus. Ein dritter, der Troß (Truchses), der die Speisen aufzutragen hatte, bekam später seinen Schmuck.

Es ging schon auf den Abend zu, als der Schenker mit einer Kanne Bier und einer Pistole bewaffnet aufbrach. Wir folgten ihm – zum Warmbierhause. Dort schoß er seine Pistole los, schritt dann zur Frauengesellschaft und hielt, die Kanne zum Rundtrunk darbietend, folgende Anrede:

„Na gauden Avend! Hier
Bring ick ene Kanne Bier.
As de Topper (Zapfer) toppt hett,
As de Schenker gaaten (gegossen) hett,
Nich vörm (für den) Hunger,
Nich vörm Kummer,
Gaud vörm Döst (Durst),
Gaud vörm Frost;
Ut schall’t sien! (aus soll es sein.)“

Gewissenhaft ward die Kanne geleert, sämmtliche Frauen folgten nun dem Schenker in das eigentliche Hochzeitshaus, wo man sich endlich zum richtigen Hochzeitsschmaus niedersetzte. Und als nun der Troß das erste Gericht, eine mächtige Kumme Reis auf die Tafel setzte, da band die Braut auch ihm ein großes weißes Tuch um den Arm. Alles andere, Essen, Trinken, Tanzen und Ende, verlief wie bei allen anderen Kindern dieser Welt, so daß ich stillen Abschied nahm, ohne letzteres abzuwarten.

So hatte ich denn an den beiden Tagen nur Licht, nur hellen Himmel über frohen Gesichtern gesehen. Es wird auch nicht an Schatten und schwarzen Tagen des Leids fehlen – und sollten nur die Kreuze auf den Gräbern dafür zeugen. Alles zusammengenommen: ein glücklicher, guter, kerniger Menschenschlag wohnt auf Mönchgut, und wer einmal dort war, sehnt sich gewiß dahin zurück. H. v. C.     




Letzte Anwendung der Folter in Deutschland.

Justizbild aus dem neunzehnten Jahrhundert.

Unmöglich könnte man heute eine Hexe gerichtlich anklagen und verurtheilen, unmöglich einen Menschen durch Anwendung körperlicher Schmerzen zu einem gerichtlichen Geständniß zwingen wollen; käme dergleichen noch vereinzelt vor, so würde es einfach unter die Kategorien der Verbrechen oder der Verrücktheiten fallen und als reine, abnorme Zufälligkeit ganz außerhalb des jetzigen, als berechtigt und sittlich anerkannten Geisteslebens stehen! Dieser Satz ist richtig, aber wie langsam im Allgemeinen der Fortschritt der sittlichen Ideen ist, bis sie die Hindernisse gegen die bessere Erkenntniß mit bewältigender Kraft darniederdrücken und die Vernunft zu ihrem vollen Rechte gelangt, dafür spricht wohl nichts mehr, als eben die Geschichte des Rechts selber. Es ist nicht unsere Absicht, dies hier weiter auszuführen, wir wollen nur einige Belege von jener Barbarei geben, welche unser heutiges Rechts- und ästhetisches Gefühl gleich stark beleidigt, die aber früher so natürlich der allgemeinen und speciell der juristischen Anschauung entsprach, daß sie eine kaum zu übersehende Literatur hervorrief. Giebt doch das 1745 erschienene Zedtler’sche Lexikon in dem vierundfünfzig Folioseiten umfassenden Artikel „Tortur“ schon eine ganze Bibliothek der auf diesen Gegenstand bezüglichen Schriften, und ist nicht einmal vollständig! Und selbst noch nach ihm, bis in unser Jahrhundert hinein, ist die Literatur mit immer wiederholten Ausführungen darüber fortwährend vermehrt worden, bis endlich die siegende Humanität erst vor wenigen Decennien dem Unwesen ein völliges Ende machte.

Wir finden die Tortur schon bei den Griechen und Römern, auch schon in den alten deutschen Volksrechten der Salier, Westgothen, Baiern und Burgunder. Im deutschen Mittelalter läßt sich der Gebrauch der Folter schon im vierzehnten Jahrhundert verfolgen und einzelne Spuren weisen selbst noch in eine frühere Zeit zurück. Allmählich bildete sich ein normales Verfahren mit Folter und Todesmarter zu voller Entsetzlichkeit aus. Später erhielt die spanische Inquisition in des Großinquisitors Valdez Statuten die Quintessenz des auf Kosten des menschlichen Gefühls gesteigerten Raffinements, Menschen zu quälen; dieselbe ließ in Neapel den unglücklichen Campanella vierzig Stunden lang die Folter leiden. Die Folterwerkzeuge, welche die spanische Armada mit sich führte und welche noch im Londoner Tower gezeigt werden, sind grausenerregende Denkmale der Tigernatur im Menschen, und doch bot das gerichtliche Verfahren unter der englischen Elisabeth ganz ähnliche Entsetzlichkeiten dar. In Frankreich war schauderhaftes Verbrennen der Ketzer, die an Ketten über den Flammen des Scheiterhaufens hangend bald in diese versenkt, bald ihnen entrückt wurden, um die Qual zu verlängern, Viertheilen und gräßliche Folterpein bis zur gänzlichen Körperzerrüttung an der Ordnung, und Deutschland gewann sich namentlich in der Unzahl von Hexenprocessen das gleich unauslöschliche Gepräge gerichtlicher Barbarei. Sein Benedict Carpzov (1595–1666), Professor der Rechte in Leipzig und sächsischer Geheimer Rath fürchterlichen Andenkens, war ein mit fanatischem Rigorismus gegen die Menschlichkeit wüthender Knecht des gesetzlichen Buchstabens: derselbe soll an zwanzigtausend Todesurtheile gefällt haben! Dabei ging er, ein frommgläubiger Christ, jeden Monat zum heiligen Abendmahl und las dreiundfünfzigmal die heilige Schrift durch!

Ueberhaupt war die Zahl der Personen, welche namentlich im fünfzehnten, sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert in den verschiedenen deutschen Gerichten schuldig oder unschuldig der Folter unterworfen und nach Befinden hingerichtet wurden, unglaublich groß. Man folterte, zwickte, schleifte, räderte, viertheilte und briet im Wetteifer; geringe Vergehen wurden mit den härtesten Strafen belegt, bei unerwiesener Schuld Todesurtheile gesprochen, und einfacher Tod war Gnade. Die Reformation änderte hierin wenig; freilich waren die Katholiken den Evangelischen voraus in Verbrennung der Ketzer, aber die Barbarei der Hexenprocesse war gemeinschaftlich. Im Braunschweig’schen wurden von 1590–1600 an zehn bis zwölf Hexen an Einem Tage verbrannt; die Brandstätte vor dem Lechelnholze bei Wolfenbüttel war von den Brandpfählen anzusehen wie ein kleiner Wald. Ebenso wurde im Henneberg’schen gewüthet. Entsetzlich war das Verfahren im Bisthum Bamberg: hier wurden von 1624–1630 nicht weniger als dreihundertsieben Personen, meistens um der Hexerei willen, zum Tode verurtheilt, und in dem kurzen Zeitraum von neunundzwanzig Jahren wurden allein in dem kleinen nur hunderttausend Seelen umfassenden Ansbacher Bezirk mehr als vierzehnhundertvierzig Menschen gefoltert, dreihundertneun mit Pranger und Staupbesen belegt und vierhundertvierundsiebenzig hingerichtet.

Doch genug davon; nur noch ein kurzes Wort über die Folter selbst. Wie viele Grade der Folter sind, sagt ein alter Criminalist, kann so gewiß nicht beschrieben werden, weil sie sowohl nach der Zahl als den Instrumenten in keiner Weise an allen Orten übereinkommen. Einige fingiren neun Species, Andere glauben, daß sieben genug seien, und Andere machen fünf Grade der Tortur, nämlich 1. die Drohung, zu torquiren, 2. die Führung an den Ort zur Folterung, 3. die Entblößung und Bindung, 4. das Aufheben zur Folterbank und 5. die Erschütterung, wann der Aufgehenkte aufgehalten und mit Schlägen gepeinigt wird. Andere wiederum – die verbreitetste Annahme – zählen zu dem ersten Grad die Daumenstöcke mit den Schnüren; zum andern das Aufziehen auf der Leiter, ingleichen die spanischen Stiefel und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_216.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)