Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1877) 125.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Deutscher Herd.

Als ich in’s Meer hinausgeschwommen,
Ein hoffnungsfreudiger Pilot,
Wie hoch empor die Feuer glommen –
Und sind doch, ach, so bald verloht!
Von allen Flammen hat nur eine
In Kampf und Sturm sich echt bewährt;
Ich steuerte nach ihrem Scheine
Und landete am eignen Herd.

Dort leuchtet sie in schönem Brande.
Ich schüre dankbar ihre Gluth;
Sie schuf zur Heimath fremde Lande;
Sie giebt mir Wärme, Kraft und Muth.
Und ob in tausendfachen Wunden
Des Hasses Pfeile mich versehrt,
Von neuem fühl’ ich mich gefunden
Im Flammenschein am eignen Herd.

Rings seh’ ich stürzen die Altäre,
Hinsinkt der alten Götter Macht;
Wo aber strahlt die neue Lehre,
Der Stern in uns’res Zweifels Nacht?
Zertrümmert liegt so viel im Staube,
Was einst uns über Alles werth;
Du wurdest nicht der Zeit zum Raube,
Altar des Hauses, eigner Herd.

Du bleibst die heil’ge Glaubensstätte,
Des deutschen Mannes höchstes Gut;
Daß es vor Knechtschaft dich errette,
Hinfloß der Söhne Opferblut.
Nie kann ein Volk in Schmach verderben,
Das deine Flamme schützt und ehrt:
Dir laß uns leben, laß uns sterben,
Altar des Hauses, deutscher Herd!

Ernst Scherenberg.


Aus gährender Zeit.
Erzählung von Victor Blüthgen.
(Fortsetzung.)

Die entschiedene und charaktervolle Zurückweisung Zehren’s blieb doch nicht ohne Wirkung auf den routinirten Polizeimann.

„Stockfisch,” murmelte er mit einer Bewegung der Ungeduld, ergriff dann rasch die Tafel und schrieb. „Wer hat Ihnen diese Warnung zukommen lassen?”

„Ich habe keinen Grund, die Frage zu beantworten,” erwiderte Zehren nach kurzer Ueberlegung.

Der Commissar zog die Brauen zusammen und biß sich auf die Unterlippe, aber er zwang sich zur Ruhe. Noch ein paar Mal wechselten Schrift und Gegenrede.

„Ihre Verhaftung beruht auf einem Mißverständnisse.”

„Das habe ich nie bezweifelt, aber ich wüßte gern genauer, welcher Art dasselbe war.”

„Darüber bin ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig.”

„Mir direct gewiß nicht, aber meinem Richter. Diese Zelle, Herr Commissar, verlasse ich nur, um vor ihn geführt zu werden; ich werde Sie zwingen, jene Rechenschaft abzulegen. Wenn Sie die gebührende Achtung vor dem Gesetze haben, welches Sie vertreten, so werden Sie es auf einen Zwang nicht ankommen lassen; nun Sie mich, wie ich glauben muß, im Namen der Willkür mißhandelt haben, mögen Sie wenigstens den Muth zeigen, auf einen weitern Act der Willkür zu verzichten, der Sie der Verantwortung für den ersten entheben würde. Buße für Schuld!

Mag Ihre Uebereilung Ihnen nichts als einen Tadel eintragen, so hoffe ich doch, Sie werden die Lehre daraus ziehen, daß ein Mann, der die Macht des Staates zur Verfügung hat, sich doppelt vor Uebereilungen zu hüten habe. Mit dem Schwerte, das über Leben und Tod richtet, spielt man nicht wie mit einem hölzernen Kindersäbel.”

Zehren hatte ruhig gesprochen, nur gegen das Ende seiner Rede war er etwas wärmer geworden; an keinen Punkte hatte sein Ton etwas Beleidigendes. Donner war nichtsdestoweniger blaß geworden; er hatte ein deutliches Gefühl, daß er in diesem Momente eine klägliche Figur machte. Er ließ die Tafel unsanft auf die Pritsche fallen und durchmaß mit stummem Ingrimme den schmalen Raum der Zelle.

„Verwünscht!” dachte er, „er macht mir einen Strich durch die Rechnung und ich fürchte, es wird eine Nase absetzen. Aber erst lasse ich ihn bis zum letzten Termine hier festsitzen, zweimal vierundzwanzig Stunden, und ich werde eine noch gründlichere Haussuchung abhalten. Wehe, wenn ich eine Zeile finde, aus der sich ein Strick für ihn drehen läßt!” Er blieb einen Moment stehen und beobachtete den Gefangenen scharf. „Wenn ich nur ein Mittel wüßte, um über seine Taubheit in’s Klare zu kommen,” fuhr er in Gedanken fort. Dann kam ihm ein Einfall, und er schnippte mit den Fingern. „Ich lasse ihn nach Nummer Vier

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)