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Seite:Die Gartenlaube (1878) 536.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Der Doctor kam schweigend der Aufforderung nach. Er schob den Riegel vor die Eingangsthür und kehrte dann in das zweite Zimmer zurück. Sein unruhiger Blick schien zu fragen, was dieser seltsame Besuch bedeute. Die beiden Männer standen sich einige Secunden lang stumm, aber ebenso feindselig gegenüber, wie neulich bei ihrer ersten Begegnung.

Der Freiherr nahm zuerst das Wort. „Du hast wohl nicht erwartet, mich bei Dir zu sehen?“

„Ich wüßte in der That nicht, was den Gouverneur von R. zu mir führen sollte,“ war die Antwort.

„Ich bin nicht mehr Gouverneur,“ sagte Raven kalt.

Brunnow richtete einen schnellen, forschenden Blick auf ihn. „Du hast also Deine Entlassung genommen?“ fragte er.

„Ich trete von meinem Posten ab,“ entgegnete er gepreßt. „Ehe ich aber die Stadt verlasse, wünsche ich Auskunft über jenen Zeitungsartikel, der sich so eingehend mit meiner Vergangenheit beschäftigt. Du kannst mir diese Auskunft wohl am besten geben, und deshalb komme ich zu Dir.“

Der Doctor wendete sich ab. „Der Artikel stammt nicht von mir,“ sprach er nach einer kurzen Pause.

„Das ist möglich, jedenfalls hast Du ihn aber veranlaßt. Du und ich, wir sind jetzt die einzigen noch lebenden Theilnehmer jener Katastrophe; die anderen sind todt oder verschollen. Nur Du warst im Stande, jene Enthüllungen zu geben.“

Brunnow schwieg; er erinnerte sich nur zu gut des Tages, wo das geschickte Manöver des Polizeidirectors ihm die Aeußerungen abgerungen hatte, die nun in solcher Weise preisgegeben wurden.

„Ich wundere mich nur, weshalb Du diese Vorgänge nicht früher verwerthet hast,“ fuhr Raven fort. „Du oder die Anderen!“

„Beantworte Dir die Frage selbst!“ sagte Brunnow finster. „Uns fehlten die Beweise. Wenn wir die unumstößliche Ueberzeugung Deiner Schuld hatten, so war das eben unsere Sache. Die Welt verlangt Thatsachen, und die konnten wir ihr nicht geben. Weshalb sich nicht früher eine Stimme gegen Dich erhob, fragst Du? Du weißt doch am besten, daß in der Zeit, die jetzt hoffentlich für immer hinter uns liegt, jede Stimme erstickt wurde, die man nicht hören wollte. Und Arno Raven wurde ja in kürzester Frist der einflußreichste Freund und Günstling des Ministers, den er bald darauf Vater nennen durfte. Der Freiherr von Raven war später die mächtigste Stütze der Regierung, die ihn nicht entbehren konnte. Man hätte keine Anklage gegen Dich zugelassen; es wäre Lüge, Verleumdung gewesen und als solche unterdrückt worden. Das wußten wir Alle und darum schwiegen die Anderen. Mich banden diese Rücksichten nicht, aber ich – wollte Dich nicht anklagen und habe es auch jetzt nicht gethan. Einige Aeußerungen während meiner Haft, die mir, wie ich fürchte, absichtlich abgelockt wurden, können allein den Anlaß zu den Enthüllungen gegeben haben. Der Polizeidirector hat jedenfalls die Hand dabei im Spiele. Er ist Dein Feind.“

„Nein, nur ein Spion!“ sagte Raven verächtlich, „und deshalb verzichte ich darauf, von ihm Rechenschaft zu verlangen. Ueberdies war er nicht verpflichtet, zu verschweigen, was ihm mitgetheilt wurde. Du hast jene Aeußerungen gethan – Du wirst mir Genugthuung dafür geben.“

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüthen.

Jahn’s, des Turnvaters, hundertjähriges Geburtsfest. Wie Ernst Keil als eine der Hauptaufgaben seiner „Gartenlaube“ die gerechte Würdigung unserer Männer, das heißt der Männer des Volks, betrachtete und sein ganzes Leben lang keine Gefahr für sich und sein Blatt gescheut hat, wenn es galt, von höherer Gewalt Unterdrückte oder von einem ungerechten Vorurtheile Verfolgte unter den Schutz der deutlichen Meinung zu stellen, der er ein so machtvolles Organ geschaffen, so ist er nicht weniger als acht Male in der „Gartenlaube“ auch für Friedrich Ludwig Jahn eingetreten.

Der „Alte im Bart“ war am 15. October 1852 gestorben und schon im ersten Jahrgange des damals so bescheidenen „Beiblatts zum Dorfbarbier“, als welches das spätere Weltblatt zuerst auftrat, führte er seinen Lesern in Bild und Wort den Gründer der deutschen Turnerei vor. Der Jahrgang 1856 brachte „Eine Fahrt mit dem alten Jahn“ von Wilhelm Künstler, bei welcher auch die berühmte „Denk-Ohrfeige“ vor dem Brandenburgerthore in Berlin zu der sich mehrere Empfänger gemeldet, eine Berichtigung gefunden. Zwei Jahre später setzte Hermann Marggraff, der Mann mit dem scharfen Geiste und warmen Herzen, Jahn und Friedrich List ein gemeinsames Denkmal in seinem Artikel „Heimgegangene“, und im Jahre darauf (1859) konnte die „Gartenlaube“ endlich die Nachricht bringen, das Jahn’s Grabdenkmal in Freiburg an der Unstrut am 16. October feierlich enthüllt werden solle. Jahn’s Wohnhaus, damals ein Hauptgewinn der Schiller-Lotterie, ist im Jahrgange 1860, S. 252, abgebildet. In dem folgenden Bande werden (S. 623) zwei charakteristische, den Todten ehrende Züge „Aus Jahn’s Leben“ erzählt, und im Jahrgange 1867, theilt ein Kampfgenosse Jahn’s und Körner’s einen der wichtigsten Momente aus seinem Leben mit, in welchem der „Turnvater Jahn als Spion“ sich die größten Verdienste um den Sieg bei der Göhrde erwarb.

Wie Jahn das Eiserne Kreuz als Lützower erst 1840, fünfundzwanzig Jahre nach dem Friedensschlusse der Befreiungskriege, erhielt, so erhielt er zwanzig Jhre nach seinem Tode sein Nationaldenkmal in der Hasenhaide bei Berlin. Die Enthüllung fand am 10. August 1872 statt. Die Abbildung desselben brachte die „Gartenlaube“ in Nr. 35 jenes Jahrganges. „Noch ein später Kämpferlohn“, so nannte ich in dem jene Abbildung begleitenden Artikel diese dritte von den „drei Säulen für drei Männer, deren Namen für alle Zeit in der deutschen Leidens- und Siegesgeschichte strahlen, für Arndt - Stein - Jahn!“ Nach allen diesen Kundgebungen der „Gartenlaube“ über Jahn dürfte es gerechtfertigt sein, wenn wir bei der hundertjährigen Geburtsfeier des Mannes uns der Hauptsache nach auf die obigen Hinweisungen beschränken.

Das Denkmal, welches Jahn selbst, neben seinen Thaten, in seinen Schriften sich setzen wollte, ist von seinen Zeitgenossen am wenigsten mit gerechtem Maße gemessen worden. Man ließ sich zu sehr von den Ecken und Schrullen der Form zurückscheuchen und versäumte es zu oft, den guten gesunden Kern derselben herauszuschälen. Wer heute, wo so Vieles in Erfüllung gegangen ist, nach welchem der rastlose Mann mit ganzer Seele vergeblich gestrebt hatte, wer seine „Runen“ von 1814, sein „Deutsches Volksthum“ von 1817 und auch die zwei Nachträge zu beiden, die „Neuen Runen Blätter“ (1828) und die „Merke zum deutschen Volksthum“ (1833) – lauter einst vom Bundestage als staatsgefährlich verbotene Bücher – jetzt zur Hand nimmt, den kann nur Hochachtung erfüllen vor dem Muthe der Wahrheit, mit welchem ein Mann zu jener Zeit mit solchen Gedanken hervorzutreten wagte, ja, wir sind nicht selten in der Lage, den prophetischen Geist zu bewundern, der aus ihnen gesprochen hat, – damals unverstanden oder ungeglaubt, an ihm selbst aber hart und bitter genug bestraft. –

Wenn wir von Jahn’s Denkmälern reden, so dürfen wir auch dasjenige nicht vergessen, welches Heinrich Pröhle schon vor dreiundzwanzig Jahren dem Alten gesetzt hat in seinem „Leben Friedrich Ludwig Jahns, nebst Mittheilungen aus seinem literarischen Nachlasse.“ Eine Stelle dieses Buches, von Pröhle einem Papierblättchen entnommen, auf welches Jahn dieselbe als Notiz niedergeschrieben hatte, möge hier zum Schlusse einen Platz finden! Sie lautet:

„Deutschlands Einheit war der Traum meines erwachenden Lebens, war das Morgenroth meiner Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft, und ist der Abendstern, der mich zur ewigen Ruhe geleitet. Für diesen Hochgedanken habe ich gelebt und gestrebt, gestritten und gelitten. Anerkannt haben das selbst die Mainzer Untersuchungsbehörde und der Bundestag. Beide haben mir nachgerühmt, ‚daß ich die höchst gefährliche Lehre von der Einheit Deutschlands zuerst aufgebracht‘. Das soll meine Grabschrift sein, wenn meinen Gebeinen noch ein Plätzchen in Deutschland vergönnt wird. An der Einheit Deutschlands habe ich festgehalten, wie an einer unglücklichen Liebe.“

Und, wunderbar genug, verfolgt das Unglück dieser Liebe ihn auch nach dem Tode noch. Die Einheit Deutschlands ist der größte Sieg unserer Tage, die segensreichste That, welche unser Vaterland seinem ersten deutschen Kaiser verdankt. Aber weil es Menschen in Deutschland giebt, die in dieser Einheit für die Durchführung ihrer wahnwitzigen Pläne das größte Hinderniß erblicken, so hat unser Kaiser für diese Einheit mit dem Leben büßen sollen, und an diesen Mordversuchen gegen den Kaiser scheiterte das hundertjährige Jubelfest, mit welchem alle deutschen Turner den Mann zu ehren gedachten, dessen „gefährliche Lehre“ und „unglückliche Liebe“ Deutschlands Einheit war. – Möge die deutsche Nation, auch jenen drei Säulen zu Ehren morgen – ich schreibe dies am Tage vor der Reichstagswahl – durch die Ausübung ihres Stimmrechts aller Welt beweisen, daß sie die Einheit will und eines freien und mächtigen Reiches würdig ist.

Fr. Hofmann.




Kleiner Briefkasten.

O. U. in der Capstadt. Ist’s wirklich so, wie Sie uns ganz glaubhaft versichern, so ist allerdings jeder junge Mann und Familienvater zu warnen, der, durch die Lockpfeifen englischer Seelenverkäufer verleitet, Lust haben sollte, sich gerade jetzt zur Auswanderung nach dem Caplande zu entschließen. England braucht dort keine Arbeiter; die sich massenhaft zum Verdienst in der Capstadt drängenden Malayen genügen. Aber England braucht dort Soldaten, und dazu sind ihm die Deutschen besonders lieb, namentlich, da dieselben jetzt so billig gegen glänzende Versprechungen zu haben sind, während sie früher deutschen Fürsten um hohen Preis abgekauft werden mußten. Der Geschäftsdruck in Deutschland wird benutzt, um Emigrantenschiffe zu füllen, die man drüben sogar schon ziemlich bestimmt erwartet, um die als „Arbeiter“ Eingeführten sofort zum Militärdienst zu pressen. Möge die Warnung für möglichst Wenige zu spät kommen!

R. Fr. in Frnkf. a. O. Sie verlangen zu viel! Wir sollen Jemanden gleichsam steckbrieflich verfolgen, weil er Ihnen etwas schuldig geblieben ist. Sollen wir ihn nicht lieber gleich hinter Schloß und Riegel bringen?

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_536.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2016)