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Seite:Die Gartenlaube (1883) 691.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Thätigkeit. Drei Dampfmaschinen und vier vom Chemnitzfluß getriebene Turbinen bewegen das Ganze durch eine Transmission von 11/10 Kilometer Länge.

Von der geschäftlichen Leitung hat sich Louis Schönherr seit einigen Jahren zurückgezogen, wohl aber hat er sich seinen Versuchssaal vorbehalten, wo der noch in hohem Grade rüstige Herr mit einigen findigen Beamten ungestört an der Lösung weiterer mechanischer Probleme arbeitet. Mancher Fachmann gäbe vielleicht Tausende darum, könnte er hier sich stundenlang so frei umsehen, wie der Verfasser es thun durfte. Mir ist nur freigegeben, von einem originellen Schönherr-Stuhl zu sprechen, der einem interessanten Zweck dienen soll. Die Idee gehört dem Webschullehrer Knorr in Chemnitz an und kann nur mit Hülfe des Schönherr’schen Systems verwirklicht werden; es richtet sich dieselbe gegen die Falschmünzerei und interessirt sich besonders die russische Regierung dafür, die bekanntlich arg geplagt ist von förmlichen „Industriegesellschaften für falsches Papiergeld“. Ein deutscher Weblehrer und ein deutscher Webstuhlbauer sind nun darüber, gründliche Abhülfe zu schaffen. Der Webstuhl stellt ein sehr feines complicirt gemustertes Gewebe her, das auf der Papiermaschine gleich mit in das Papier einlaufen soll, aus welchem die Banknoten verfertigt werden. Die Falschmünzer werden sich in Zukunft einen Schönherr’schen Webstuhl von besonderer Construction anschaffen müssen, sodann brauchen sie eine Papierfabrik und eine Druckmaschine, und wenn sie Alles haben, fehlt ihnen noch die Hauptsache – nämlich das Webmuster. Man macht’s den Leuten wirklich recht sauer.

Persönliches ist über Louis Schönherr wenig zu berichten, sein Leben ist Mühe und Arbeit gewesen, und trotz seiner großen Erfolge ist er schlicht geblieben, wie einer der einfachsten Bürger. Inmitten seiner Fabrik, seiner Häuslichkeit ist er ein Patriarch, kein eigentlicher Herr, und auch als Familienvater kann er es mit den gesegnetsten biblischen Stammvätern aufnehmen, er braucht Niemand weiter als seine Kinder einzuladen, wenn er mit einem reichlichen Dutzend am Tische sitzen will.

In einem so erfinderischen Zeitalter kann Neues leicht das Alte stürzen, niemals aber werden die Grundprincipien der Schönherr’schen Erfindung untergehen, sie wurzeln nicht oberflächlich in der vergänglichen Mode, sondern in der alten gediegenen Handweberei, und der Name Schönherr wird geehrt werden müssen, so lange ein Volk überhaupt anerkennt, daß es einem bedeutenden Erfinder, einem rastlosen Verbesserer Ehre und Dank schuldet.

Th. G.




Blätter und Blüthen.

Otto Devrient und sein Luther-Festspiel. (Mit Portrait S. 684.) In der letzten Nummer der „Gartenlaube“ ist versucht worden, den Lesern ein Bild der Devrient’schen Bearbeitung des Faust als Mysterium zu entwerfen. In Jena, dem freundlichen und lebenvollen Universitätstädtchen Thüringens, ist nun in diesen Tagen ein nicht minder eigenartiges künstlerisches Unternehmen zur Ausführung gelangt, das gleichfalls Devrient’s Namen trägt. Es handelt sich darum, den großen Reformator Luther, seine Persönlichkeit und sein Leben dramatisch zur Anschauung zu bringen. Diese Idee ging freilich nicht von Devrient, sondern vom Gymnasialdirector Richter aus, aber Devrient griff sie mit Lebhaftigkeit auf und erwies sich auch als der Mann, sie zu verwirklichen. Sobald er von den Leipziger Faust-Aufführungen nach Weimar zurückgekehrt war, ging er mit der ihm eigenen Energie sofort an die gründlichen Vorstudien zu dem „dramatischen Luther-Festspiel“. Er vertiefte sich in den Ton jener Zeit und in die Charakteristik der Hauptfiguren und sann darauf den reichen Stoff zu gliedern. Nicht ein Bühnenstück nach den strengen Gesetzen der Dramaturgie sollte das Festspiel werden, sondern ein dramatischer Lebensabriß Luther’s, und nicht Berufsschauspieler sollten es verkörpern: wie das Ganze volksthümlich gedacht war, so sollten auch die Darsteller aus dem Volke kommen. Jena, die alte Hochburg freien wissenschaftlichen Strebens und Lebens, erwies sich als der rechte Boden für das Unternehmen. Unsere norddeutschen Universitäten haben zu allen Zeiten ein starkes protestantisches Gefühl gepflegt und zumal in den kleineren Universitätsstädten strahlt von der Hochschule eine lebhafte geistige Anregung nach allen Seiten hin in die Bevölkerung aus. Wir waren Zeuge, wie vor neun Jahren das kleine Jenenser Theater den kühnen Versuch machte, Zacharias Werner’s „Luther“ zur Darstellung zu bringen, und welches rege Interesse man diesem Experimente in allen, auch in den bürgerlichen Kreisen der kleinen thüringischen Universitätsstadt entgegenbrachte. Auch für Devrient’s „Luther“ hat sich die lebendigste und freudigste Theilnahme geäußert, die Darsteller des Festspieles, deren mehr als hundert sind, fanden sich aus allen Gesellschaftskreisen Jenas zusammen, sodaß nur zwei Rollen, die Luther’s und der Katharina (Herr Devrient und seine Schülerin, Fräulein Kühlmann), von Berufsschauspielern dargestellt werden. Nachdem das Festspiel vollendet war, hatte der Regisseur Devrient den Dichter Devrient abgelöst und unter seiner anregenden Leitung fanden die Proben statt, denen sich alle Mitwirkenden mit hingebendem Eifer und hoher Begeisterung widmeten. Man darf behaupten, daß ein Ensemble von Berufsschauspielern Devrient’s Festspiel vielleicht künstlerisch vollendeter, aber schwerlich mit der gleichen Kraft der Begeisterung und mit so volksthümlicher Wirkung dargestellt haben würde.

Wie hat nun Devrient als Dichter des Festspieles seine Aufgabe gelöst? Wie hat er den reichen Stoff angeordnet, in welche dramatischen Abschnitte zerlegt er das Leben und Wirken des großen Reformators?

Devrient hat mehrere Male den Plan seiner Dichtung geändert, bis er sich für einen Entwurf entschied, der uns Luther’s Leben von den Erfurter Klostertagen bis zum Tode in sieben Abtheilungen vorführt. Wir sehen Luther in der ersten Abtheilung im Franziskanerkloster zu Erfurt, wie der im strengen Dogma befangene Jüngling nach einem freien freudigen Gottesglauben ringt, wie ihn das Bewußtsein der menschlichen Schwäche und Sündigkeit quält, bis ihn der edle Staupitz den Ausweg aus seiner Seelenmarter zeigt, indem er ihn auf die erste und größte Wahrheit des Christenthums hinweist, auf die Vergebung der Sünden durch den Glauben an den Erlöser. Was er nun erkannt als den rechten Geist und Inhalt des Evangeliums, das lehrt er in Wittenberg mit dem ganzen Feuereifer der Ueberzeugung.

Wir finden ihn in der zweiten Abtheilung des Festspiels als den gefeierten Lehrer seiner Wittenberger Gemeinde; aber wie er erst mit sich gekämpft und gerungen, so muß er jetzt kämpfen mit den crassen kirchlichen Mißständen, über die ihm seine Romreise in Angelegenheiten seines Ordens die Augen geöffnet hat. Der Ablaßschwindel droht sich zwischen ihn und seine Gemeinde zu drängen, denn der Ablaß sichert ja Jedem Vergebung der Sünden gegen gute Bezahlung, während er, Luther, die Lehre predigt, daß Vergebung der Sünden nur erlangt werde durch wahrhafte Reue und Buße. Das gesprochene Wort dringt nicht kräftig genug durch: da schlägt er die Thesen an die Schloßkirche an. Die Kirchgänger finden den Anschlag, die Studenten übersetzen die lateinischen Thesen dem Volk und die Stimmung steigert sich zu hellem Tumult, als ein Ablaßhändler aus Halle in Wittenberg erscheint. Luther sucht den Aufruhr zu dämpfen, wird aber zu den ersten Demonstrationen gegen den Papst gereizt.

Die beiden folgenden Abteilungen zeigen uns Luther auf dem Reichstage zu Worms und auf der Wartburg; die Situationen sind die bekannten. Mit der fünften Abtheilung tritt Katharina von Bora in die Handlung ein. Luther’s Lehre ist bis in die Abgeschlossenheit der Klöster gedrungen: die Herzen erwachen, die Seelen dürsten nach Freiheit; das Weib verlangt nach seinen Rechten. Katharina entflieht aus Nimpschen mit Hülfe Luther’s, und die nächste Abtheilung schildert uns Luther’s Kämpfe mit seiner Neigung, bis die Liebe siegreich durchbricht und er, der nun die Mönchskutte abgelegt hat, seine „Käthe“ heimführt.

Bis hierher bewegt sich die Handlung rasch vorwärts und in aufsteigender Linie; nun aber macht der Dichter einen tiefen Einschnitt in die Handlung. Die letzte Abtheilung spielt im Sterbejahr Luther’s und sie muß von einer eigenthümlich ergreifenden Wirkung sein. Es ist nicht mehr der kühne, von Schaffensfreudigkeit beseelte Reformator, der hier im Kreise seiner gelehrten Freunde bei der letzten Bibelrevision sitzt. Seine Arbeitskraft ist wohl noch vorhanden, aber der frische Quell der Arbeitslust ist versiegt. Undank und Zwiespalt lähmen Luther’s Werk; der große Sieger im Geisteskampfe erlebt das tragische Geschick aller großen Männer, den Abfall der Stimmung auf dem Gipfel seines Wirkens, und diese Erfahrung hat ihn trübe und starrsinnig gemacht.

Die Grafen von Mansfeld rufen Luther auf, ihren Streit zu schlichten, und alt und matt, den Tod im Herzen, folgt er diesem Rufe. Dem Schmerz, der bangen Vorahnung Katharina’s, ihren Gatten nicht wiederzusehen, steht seine fromme Ergebenheit in Gottes Willen gegenüber. Mit dem Schlußgesang: „In Fried’ und Freud’ fahr’ ich dahin,“ von Luther und den Seinigen gesungen, gelangt das Festspiel Devrient’s zu einem wirkungsvollen Abschluß.

Es erübrigt uns nur noch einige Worte über den Lebensgang des Mannes zu sagen, von dem in der „Gartenlaube“ während der letzten Zeit wiederholt gesprochen worden ist und den wir unseren Lesern heule im Bilde vorstellen.

Am 3. October 1838 in Berlin als Sohn Eduard Devrient’s, des berühmten Theaterhistorikers, geboren, war Otto Devrient an verschiedenen Theatern als Liebhaber und Charakterdarsteller thätig, doch machte sich auch sein glänzendes Regietalent bald bemerkbar. Seine vortrefflichen Inscenirungen am Hoftheater zu Weimar hatten zur Folge, daß er an die Spitze des Mannheimer Hof- und Nationaltheaters berufen wurde. Damit beginnt Devrient’s Directorialthätigkeit, die er später in Frankfurt fortsetzte und nach vier Jahren künstlerischen Wanderlebens, während welcher Zeit er an den bedeutendsten deutschen Theatern gastirte, im nächsten Jahre als Leiter der Oldenburger Hofbühne wieder aufnehmen wird. Der jüngste der berühmten „Devrient’s“ steht heute in vollster Manneskraft, und seinem glänzenden Geiste, seiner vielseitigen und fleißigen Thätigkeit wird die deutsche Bühne sicherlich noch manche werthvolle Anregung verdanken.




Ein Stückchen Faustrecht aus neuerer Zeit. In einer der schönsten Gegenden des an Naturschönheiten so reichen westfälischen Sauerlandes liegt das durch seine Draht- und Eisenindustrie, sowie durch die trefflichen dort gefertigten Gold- und Silberwaaren bekannte Städtchen Altena.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 691. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_691.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2024)