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Seite:Die Gartenlaube (1883) 835.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

auf eine außerhalb seines Geschäftskreises liegende Speculation, zu der eine zeitweilige Anlage von 10,000 Dollars erforderlich wäre, welche zweifellos wieder hereinkommen, ehe ein Wechsel fällig werden kann. Er legt dir den Wechsel auf 10,000 Dollars vor und du unterfertigst denselben fast mechanisch. Aber die Speculation wickelt sich nicht so rasch ab, wie dein Freund dachte; um die 10,000 Dollars einlösen zu können, müssen andere 10,000 escomptirt werden. Ehe der neue Wechsel fällig ist, hat die Speculation fehlgeschlagen und das ganze Geld ist verloren. Dein Freund aber schämt sich (oder hütet sich) dir zu sagen, er habe speculirt und sein halbes Vermögen eingebüßt. Er will sich durch eine andere Speculation schadlos halten und verliert wieder, da er von diesen Dingen nichts versteht. Der Speculationsteufel hat ihn gepackt, er macht neue Versuche und du giebst ihm in deiner Unschuld immer wieder neue Unterschrift, bis es sich schließlich herausstellt, daß er sein und dein Vermögen verspeculirt hat. Du sagst dann: „Es war sehr grausam von ihm, mich zu Grunde zu richten,“ allein du könntest ebenso gut sagen: „Ich habe ihn zu Grunde gerichtet.“ Hättest du ihm nämlich von vornherein gesagt: „Ich will Ihnen diesen Gefallen erweisen, allein ich girire niemals ohne genügende Sicherstellung,“ so hätte er nicht über sein eigenes Vermögen hinausgehen können und wäre nicht in Versuchung gerathen, vom Pfade seines Berufs abzuweichen. Man vermeide es daher, durch zu sorglose Hülfeleistung sich und Andere in Gefahr zu bringen. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß diese Warnungen des Schaubudenkönigs nur allzu begründet sind.

Wer für seine Waare, seine Leistungen, seine Erzeugnisse einen guten Absatz finden will, muß vor Allem darauf sehen, daß er etwas Werthvolles, Brauchbares, Echtes oder Tüchtiges zu bieten habe; gelangt er zur Ueberzeugung, daß das Publicum nach erfolgten Versuchen mit dem Gegenwerthe des bei ihm ausgegebenen Geldes zufrieden sein werde, so thut er wohl, sein Geschäft etc. öffentlich bekannt zu machen; denn was nützt ihm die Güte seiner Gegenstände, wenn Niemand von seiner oder ihrer Existenz weiß? Man inserire daher in Zeitungen oder veröffentliche Placate: aber man annoncire nicht zu wenig, sondern so lange, bis der Zweck des Inserirens – die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – erreicht ist; sonst ist’s schade um jeden Pfennig. Ein französischer Autor schrieb einmal:

„Der Zeitungsleser übersieht die erste Insertion; die zweite sieht er, ohne sie zu lesen; die dritte liest er; bei der vierten sieht er den Preis nach; bei der fünften macht er seine Frau aufmerksam; bei der sechsten beschließt er, zu kaufen; nach der siebenten kauft er.“

Schlechte, unechte Artikel zu annonciren, meint Barum, könne nicht von dauerndem Erfolge sein, da sich jeder Käufer nur einmal foppen lasse und dann ausbleibe; ich fürchte aber, daß „die Dummen nicht alle werden“ und daß mancher Schwindelartikel seinem Eigenthümer recht viel Geld einbringt, wenn er nur fleißig angezeigt wird. Je packender das Inserat, desto größer seine Wirksamkeit. Man bedarf übrigens nicht immer der Zeitungen oder der Anschlagzettel, um seine Firma bekannt zu machen; ein originelles Schaufenster, Wägelchen, Schild u. dergl. leistet oft dieselben Dienste. Ein verhältnißmäßig unbekannter Hutmacher erstand bei der ersten Versteigerung von Sitzen zu den Vorstellungen der Jenny Lind in Amerika das erste Billet um 225 Dollars, weil er wußte, daß dieser Streich für ihn Reclame machen werde; in der That verkaufte er schon in demselben Jahre um 10,000 Hüte mehr, als sonst. Natürlich hatten alle Zeitungen die Nachricht enthalten, daß der Hutmacher Genin den ersten Lind-Sitz so theuer bezahlt habe; daraufhin kauften Tausende aus Neugierde, den Mann zu sehen, bei ihm ein, und da sie fanden, daß er sie wirklich solid bediente, blieben sie seine ständigen Kunden.

Hätte aber Genin seine Kunden nicht solid bedient, so wären sie ihm weggeblieben. Die beste Politik ist, für möglichst wenig Geld möglichst gute Waare zu geben; der dann unfehlbar eintretende größere Absatz macht die Geringfügigkeit des Gewinns reichlich wett. Eine vortreffliche und kostenlose Capitalanlage ist die Höflichkeit und die Promptheit in der Bedienung. Ohne diese Eigenschaften werden die ausgedehntesten Waarenlager, die prächtigsten Firmentafeln und die packendsten Annoncen nichts nützen. Von ungeheurem Werthe ist ferner die Ehrlichkeit, die Rechtschaffenheit, sei es in Bezug auf Maß und Gewicht oder auf die Einhaltung von Zahlungsversprechungen oder in irgend einer andern Hinsicht. In diesem Punkte ereifert sich Barnum ganz besonders.

„Nichts,“ schreibt er, „ist schwieriger, als auf unehrlichem Wege Geld zu erwerben. Die Unredlichkeit kommt bald an den Tag, und dann bleibt dem Betreffenden fast jede Aussicht auf Erfolg im Leben benommen. Strenge Rechtschaffenheit ist die Grundlage jedes wie immer gearteten Erfolges“ etc.

Das uns als Leitfaden dienende Buch enthält noch manche andere, für Jung und Alt beherzigenswerthe Rathschläge, wie z. B.: man sei wohlthätig, man schwatze nicht aus der Schule etc., allein da dieselben nicht zum eigentlichen Gegenstande unserer Darlegungen gehören, übergehen wir sie und schließen mit dem aufrichtigen Wunsche, daß die Winke, die wir im Vorstehenden an der Hand des klugen Yankee-Autors gegeben, sich recht vielen unserer Leser von wirklichem Nutzen erweisen mögen.

      London. Leopold Katscher.     




Blätter und Blüthen.

„O Weihnacht und kein Kind im Haus!“' Die unter dieser Ueberschrift in Nr. 47 der „Gartenlaube“ ausgesprochene Bitte unseres Vertrauensmannes in der Waisenversorgung ist nicht überhört worden. Zahlreiche Briefe sprechen ihre Freude darüber aus und verlangen das angekündigte Programm des zu gründenden Waisen-Schutz-Vereins. Dennoch müssen wir jener allgemeinen noch eine besondere Bitte nachfolgen lassen.

Wir müssen nämlich die niederdrückende Bemerkung machen, daß gerade die Herzen, nach denen der Ausruf unserer Ueberschrift ganz besonders hinzielte –, die Herzen kinderloser Ehegatten doch nicht wirksam genug davon berührt worden sind. Denn wenn auch auf diesen Artikel hin viele Anmeldungen erfolgten, so kam doch leider dabei auf zehn arme Waisen erst ein Elternpaar! Ist denn die Bescherung, mit welcher kinderlose Ehegatten sich gegenseitig überraschen, so befriedigend, daß sie gern die Wonne entbehren, ein unter dem Christbaume jubelndes Kind an die Brust zu drücken? – Sollte wirklich die Pflege von „Liebhabereien“ einem gebildeten Menschen das Liebhaben eines Kindes ersetzen? Freilich, wer nie dem Aufblühen der Blume des kindlichen Geistes gelauscht, hat das Schönste im Leben nicht gesehen, und so kann ihm wohl die Sehnsucht darnach fremd sein.

Und wie rasch vermehrt das Unglück die Zahl der armen Waisen! Da steht ein Geschwisterpaar, ein Knabe von sechs, ein Mädchen von vier Jahren: binnen fünf Tagen sind ihnen Vater und Mutter gestorben. Was wartet ihrer, wenn Niemand sich ihrer erbarmt? Sie kommen von den liebewarmen Elternherzen fort in’s kalte Waisenhaus, und zwar im glücklichen Fall, wenn ein solches sich für sie öffnet und sie nicht an „Mindestfordernde“ in „Ziehe“, das heißt dem Elend preisgegeben werden.

Wir haben dieses Pärchen nur als ein Beispiel hingestellt; aber unsere Liste solch armer Waisen von 13/4 bis 12 Jahren, Mädchen und Knaben, ist noch gar lang!

Möchte doch in diesen Tagen, wo die Weihnachtsstimmung alle fühlenden Menschen erhebt, unsere Bitte als ein recht innig flehender Klageruf in die Herzen, die wir meinen, dringen: „O Weihnacht und kein Kind im Haus!“ Fr. Hfm.     




Erklärung. In Bezug auf den in Nr. 43 und 44 unseres Blattes veröffentlichten Artikel „Unter Spitzbuben“ erklären wir in Folge vielfacher an uns gerichteter Anfragen, daß der dort geschilderte Vorfall sich in Vercelli ereignete und der verhaftete Deutsche Sprachlehrer A. Petermann heißt. Wie zu erwarten war, wurde dieser Vorgang auch von der italienischen Presse besprochen, und die „Gazetta Piemontese“ brachte vor Kurzem eine Erklärung der Sous-Präfectur in Vercelli, deren Inhalt auch wir aus freien Stücken, um allen Schein der Parteilichkeit zu vermeiden, unsern Lesern mittheilen:

Herr Petermann wurde darnach, da er im Verdacht stand, seinem Wirthe die Zeche nicht bezahlen zu wollen, verhaftet, und da sich kein Geld bei ihm vorfand, vor das Gericht geführt, welches ihn freisprach. „Inzwischen,“ schreibt die Unterpräfectur, „wurde er noch weiter in Haft gehalten auf Veranlassung der Polizeibehörde. – Nach seiner Freisprechung fragte die Behörde beim Ministerium wegen Verhaltungsmaßregeln an, da es sich um einen Ausländer handelte, welcher ohne Mittel war und verdächtig erschien. In Folge der erhaltenen Weisungen wurde Petermann mit Zwangspaß an die Grenze geschickt.“

Die Aussagen des Verhafteten über seine Behandlung im Gefängnisse werden von der Unterpräfectur für unwahr und übertrieben erklärt, im Gegentheil sollen ihm „Vorzüge“ eingeräumt worden sein, so z. B. wurde ihm der beste Raum im Gefängniß angewiesen, gesund und gut gelüftet, woselbst er sich zusammen mit vier anderen Gefangenen befand, welche dort leichte Strafen verbüßten, er hatte seinen Kamm und seine Bürsten, sowie sein Taschenmesser mit mehreren Klingen, welches ihm nach den bestehenden Vorschriften hätte entzogen werden müssen etc. Auch hätte er sich nur ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 835. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_835.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)