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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Tabora, das Kapua der Karawanenträger, die hier so lange zu bleiben pflegen, bis das letzte Stück Tuch verpraßt ist, kann nicht als eine Stätte guter Sitten gelten. Der Sklavenhandel mit allen seinen üblen Nebenwirkungen stand ja hier seit jeher in voller Blüthe, denn die Araber herrschten hier nach Belieben. Anfangs der siebziger Jahre entstand ihnen plötzlich in der Nachbarschaft ein gefährlicher Feind, mit dem sie fast ein Jahrzehnt hindurch in blutigem Streite lagen, und der fortwährende Krieg trug noch mehr dazu bei, das Leben roher und grausamer zu gestalten. Dieser Feind war der berühmte Mirambo, der „Napoleon von Ostafrika“, wie ihn Stanley nannte. Seine Herkunft ist etwas dunkel und es wird über seine ersten Jahre verschiedenartiges berichtet. Er war vermuthlich ursprünglich ein Häuptling des kleinen Dorfes Ujoweh, der anfangs mit den Arabern in Frieden lebte, ihnen aber Rache schwur, als einer derselben ihn beim Elfenbeinhandel betrogen und er in Tabora vergeblich sein Recht gesucht hatte. Mirambo ging in die Wälder zwischen Tabora und Ugogo, sammelte sogenannte Ruga-Ruga, das heißt Walddiebe, um sich und wurde ein Straßenräuber, der mit Glück Karawanen plünderte. Mit der Zahl der eroberten Gewehre wuchs seine Macht, er konnte bald nordwestlich von Tabora in Urambo ein eigenes Reich gründen und verlegte so den Weg nach dem Tanganyika. Als Stanley 1871 in Tabora war, zog er mit den Arabern gegen Mirambo, um die Straße zu öffnen, aber Mirambo schlug die Gegner, und Stanley, der die Bundesgenossenschaft später aufgab, sah von den Höhen Kwiharas einen Theil von Tabora in Flammen aufgehen. Seit der Zeit begann ein wahrer Vertilgungskrieg zwischen den beiden Parteien und selbst der Sultan von Sansibar sandte seine Truppen nach Tabora. Mirambo trotzte jedoch allen Angriffen. „Mirambo ist unermüdlich,“ schrieb Cameron im Jahre 1873, „und zerstört alles, wo er keine Unterwerfung findet. Mehr als einmal ist er in die Niederlassungen der Araber in Unjamjembe eingebrochen und hat ihr Vieh vor ihren Augen fortgetrieben, während sie sich einfach in ihren Häusern verschanzt hatten und keinen Widerstand zu leisten wagten.“

Auf beiden Seiten wurde der Krieg mit der empörendsten Barbarei und Grausamkeit geführt: Dörfer wurden überfallen und niedergebrannt, kleine feindliche Abtheilungen im Walde niedergemacht, und die Araber unterstützten diese barbarische Kampfweise dadurch, daß sie jeden, der ihnen eine Trophäe von einem gefallenen Feinde brachte, mit einem Sklaven und einer Frau beschenkten. Natürlich forderte eine solche Kriegführung das Wiedervergeltungsrecht von Mirambos Leuten heraus.

Die Macht Mirambos wuchs indessen zu ungeahnter Größe empor. Er bekriegte auch die Nachbarstämme und machte sich dieselben unterthänig. Sein Einfluß reichte bis zum Ukerewe im Norden und bis zum 6° im Süden.

„Der Ruhm der vielen Siege,“ erzählt Wißmann, „hatte allmählich Mirambo zum gefürchtetsten und bei den Seinigen zum populärsten Manne gemacht. Mirambo schlafe nie, er könne fliegen, sei unverwundbar und manche andere Eigenschaften schrieb man ihm zu. Trotz seines scheinbar milden Wesens soll er durch wenig Worte seine Krieger zu wildem Muth entflammt haben. Er focht heute hier und erschien am nächsten Morgen sechs gewöhnliche Tagereisen weiter entfernt mit seinen sieggewohnten Horden, den Tag über und eine ganze Nacht im Dauerlauf unglaubliche Entfernungen durcheilend. Er war überall.“

Mit den europäischen Reisenden wußte sich Mirambo auf einen guten Fuß zu stellen. Stanley wurde auf seinem zweiten Afrikazuge Mirambos Blutsbruder. Der schwarze Napoleon wußte zwischen Europäern und Arabern einen Unterschied zu machen und empfing die Fremden, in denen er wohl die Rivalen der Araber ahnte, freundlich und zuvorkommend. Bald darauf wurde in Urambo eine englische Mission gegründet und der Missionar Southon gewann einen großen Einfluß auf Mirambo, der von seiner kriegerischen Laufbahn immer mehr in die friedliche des Handels einlenkte.

Im Jahre 1882 war Wißmann, von Westen kommend, Mirambos Gast, und während dieser Tage zog auch der erste Araber friedlich in Urambos Thore ein; es war Zefu, der Sohn Tippu-Tips, der mit Mirambo Frieden schloß. Wißmann besprach hier mit Mirambo einen Plan, um mit Hilfe seiner Soldaten den Muta-Nsige, der jetzt Albert-Edward-Njansa heißt, zu besuchen. Leider starb bald darauf Mirambo, wie einige behaupten, von Arabern vergiftet, und Wißmann, der es 1886 in Njangwe am Kongo erfuhr, mußte darauf verzichten, schon damals mit Emin zusammenzutreffen.

Das Feld, auf welchem die Missionare in Unjamwesi wirkten, war nicht besonders günstig. Von den Eingeborenen sagt Reichard: „Die Sinnesart dieser Neger ist scheußlich; sie sind heuchlerische Diebe, habsüchtig, sehr sinnlich, faul, lieblos; Eltern verkaufen ihre Kinder; ein liebevolles Familienleben ist nicht vorhanden.“ Der Sklavenhandel hat sie auch verderbt, ebenso wie die grausamen Kriege.

Trotzdem befand sich die katholische Mission in Tabora, als Wißmann sie besuchte, in blühendem Zustande und hatte ausgedehnte Gartenkultur, Feldbau und Viehzucht. Wißmann schwelgte hier im Genuß des ersten Brotes in Innerafrika. Das Werk der Civilisirung Afrikas war angebahnt. Die Afrikanischen Gesellschaften hatten beschlossen, Stationen im Innern zu gründen, und Forscher zogen über Tabora nach dem Tanganyika, darunter befanden sich auch Deutsche, der unerschrockene Reichard, Dr. Kaiser und Dr. Böhm. Die beiden zuletzt genannten ruhen bekanntlich für ewig im Dunklen Welttheil. Sie mußten schon damals die Erfahrung machen, daß die Araber, die anscheinend freundlich thaten, ihnen im geheimen Schwierigkeiten bereiteten. Von Jahr zu Jahr verschlimmerte sich die Lage der Dinge, bis es an der Küste zu offenen Feindseligkeiten kam und diese ihre Rückwirkung in das Innere nicht verfehlten. Vieles von dem Errungenen mußte preisgegeben werden.

Die deutschen Waffen haben indessen an der Küste den Sieg davongetragen und die nöthige Achtung vor dem deutschen Namen den Arabern beigebracht. Dies hat jedenfalls auch Emin auf seinem neuen Zuge die Wege geebnet. Daß seine Aufgabe keine leichte war, lehrt uns selbst diese flüchtige Skizze aus der Vergangenheit eines der Mittelpunkte des innerafrikanischen Handels.

Hoffen wir, daß der Samen, den er jetzt auf deutschem Boden ausstreut, aufgehen und reifen werde! Emin versteht es wie kaum ein anderer, den Neger zur Arbeit zu erziehen; das ist eine der Bürgschaften für seinen Erfolg. Im Augenblick aber ist sein Erscheinen in Centralafrika darum von hohem Werthe, weil er sich der Achtung und des Wohlwollens der Araber erfreut, deren Macht im Innern nicht zu unterschätzen ist. *


Die Moltkefeier in Berlin.

Von Hermann Heiberg.

In vielfachster Weise hat das deutsche Volk Vorbereitungen getroffen, um den Ehrentag eines seiner größten Mitbürger, des Generalfeldmarschalls Grafen von Moltke, zu feiern. Das Königshaus hatte im Lauf der Zeiten schon wiederholt den unvergleichlich bewährten Diener des Thrones und Staates belohnt; Wilhelm II., des siegreichen Kaisers Enkel, gab in Dankbarkeit die Anregung zu einer Feier, wie sie selten einem Irdischen zutheil geworden ist. Aber er setzte nur in Thaten um, was jeder Patriot wünschte als kleinen Dankessold abzutragen. Und doch ist dem greisen Feldmarschall schon so viel geschehen, daß auf eines Mannes Schultern an Ehre wohl kaum je so viel gehäuft worden ist. Moltke ist Ehrenbürger der Hauptstadt und zahlreicher anderer deutscher Städte des Reiches; seine Statue steht in öffentlichen Räumen und Privathäusern neben denen unserer Herrscher, öffentliche Standbilder von ihm werden schon bei Lebzeiten aufgerichtet und sein Bild fehlt in keinem illustrirten historischen Werk über unsere Tage. Die Frage: Wer ist Moltke!? beantwortet schon heute der kleinste Ränzelträger, und gedenkt ein Deutscher, welchen Namen er trage und welchem Beruf er angehöre, der vergangenen gewaltigen Zeiten, so drängt sich ihm neben dem Kaiser Wilhelm I. und Bismarck der Name des Mannes auf, der nun am 26. Oktober seinen neunzigsten Geburtstag begangen, und der namentlich in Berlin eine Huldigung erfahren hat, wie sie nur den Hohenzollern selbst und dem eisernen Reichskanzler geworden ist. Was sich dem unbefangenen Zuschauer besonders aufdrängt, wodurch sich die ungewöhnliche Gestalt Moltkes so glanzvoll und strahlend abhebt, das ist in ihm das Zusammenfließen von geistiger Bedeutung und höchster Männertugend. Größe paart sich mit Selbstlosigkeit und Bescheidenheit! Goethe hat in Anwendung auf ungewöhnliche Menschen das Wort gebraucht, es sei starker Schatten vorhanden, wo viel Licht sei; hier sehen wir nur Licht, und so verehrt das deutsche Volk in Moltke nicht nur den Mitlenker seiner Geschicke, sondern das Ideal eines Mannes. Auf solcher Grundlage allgemeiner

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