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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Verwendung gelangenden Accumulatoren besteht darin, daß sie während der Speisung im Fahrzeuge verbleiben und nicht wie bei früheren Systemen ausgewechielt werden müssen. Es ist nur nötig, nach Erschöpfung sie mit dem Speisekabel eines Elektrizitätswerks zu verbinden.

Accumulatorenbahnwagen.

Wie die Versuche in Charlottenburg gelehrt haben, genügt eine Ladung für einen Betrieb von 16 bis 18 Stunden; also für zwei Tage. Bisher wurden mit dieser Energie täglich 21 Doppelfahrten von je 5,1 Kilometern Länge ausgeführt und somit eine Strecke von 107 Kilometern zurückgelegt. Man sieht aus dem Vorstehenden, wie außerordentlich bequem sich die Speisung gestalten würde, wenn sehr viele Fahrzeuge in Betrieb gestellt werden sollten. Es wäre, beispielsweise in Berlin, dann nur nötig, einen Kabelstrang von den Berliner Elektrizitätswerken nach der Station abzuzweigen. In wenigen Stunden würden dann die Accumulatoren befähigt sein, kraftstrotzend ihren Dienst zu thun. – Ueber die Einrichtung der neuen Accumulatoren ist wenig zu sagen; sie entsprechen im allgemeinen dem Fauretypus. Eine jede Zelle setzt sich aus 10 Bleiplatten von 3 Millimetern Dicke zusammen. Um die Füllmasse gut halten zu können, hat man den Platten die Gitterform gegeben. Die 124 Zellen, welche in die Wagen eingestellt sind, stellen noch immerhin das respektable Gewicht von 3360 Kilogramm dar. Ob sich die Batterie bei längeren Versuchen thatsächlich als widerstandsfähig zeigen wird, kann natürlich erst ein längerer Betrieb lehren. Das aber muß dem neuen Unternehmen zugegeben werden, daß die Ruhe, mit der sich der Wagen bewegt, und die Sicherheit, mit der er im Augenblicke den Regulierungsvorrichtungen folgt, bisher von keinem anderen System erreicht worden sind. Franz Bendt.     



Der Klageschrei.

Eine türkische Geschichte von Rudolf Lindau.

     (Schluß.)

Eines Tages endlich konnte Nassuch Haga seinem Bruder Mitteilungen machen, die möglicherweise auf die Spur des Flüchtigen hindeuteten. Im Süden von Anatolien, am Hofe des mächtigen Bey von Karaman, war ein Jüngling entdeckt worden, der in allem der genauen Beschreibung, die von Murad gegeben worden war, entsprach. Auch der Zeitpunkt, zu dem der junge Mann in die Dienste des Bey getreten, war mit Murads Flucht aus Stambul in Uebereinstimmung zu bringen. Zu ernsten Bedenken jedoch gab die Mitteilung Veranlassung: der neue Diener des Bey, den dieser sehr liebgewonnen zu haben scheine, so daß er ihn bereits zu seinem Geheimschreiber ernannt habe, verstehe zwar jedes Wort, das ihm gesagt werde, aber er sei stumm und nicht ein Laut wäre bisher über seine Lippen gekommen. Er mache sich ausschließlich durch Zeichen oder durch Schrift verständlich. Uebrigens verkehre er nicht mit dem Hofgesinde und habe nur Augen und Ohren für seinen Herrn, den Bey.

Ali Bey machte dem Sultan getreuliche Meldung von dem Vorstehenden und bat schließlich um einen Urlaub, den er zu einer Reise nach Karaman benutzen würde, um Murad, falls er sich dort aufhalten sollte, nach Stambul zurückzuführen. Der Sultan, der nichts unversucht lassen wollte, um seiner geliebten Tochter die Gesundheit wiederzugeben, billigte Alis Vorhaben und versah ihn nicht nur mit reichlichen Geldmitteln, sondern auch mit einem Schreiben an den Bey, das dem Abgesandten des Sultans ehrerbietige Aufnahme am Hofe seines Vasallen sicherte. Von dem Zweck der Reise Alis war in dem Schreiben nicht die Rede.

Sobald Ali Bey in Karaman angelangt war und sich als ein Abgesandter des Sultans zu erkennen gegeben hatte, wurde er vom Bey in feierlicher Audienz empfangen. Unter den Hofbeamten des Fürsten, die dabei zugegen waren, befand sich Murad. Ali Bey erkannte seinen jungen Freund und blickte ihn lange und bedeutsam an. Aber Murads Augen gaben darauf keine Antwort; sein Blick schweifte gleichgültig im Saale umher, als hätte er Ali Bey niemals zuvor gesehen.

Nachdem der Fürst und Ali sich förmlich begrüßt und einige Worte über gleichgültige Dinge gewechselt hatten, sagte der Abgesandte des Sultans: „In dem prächtigen Hofstaate Eurer Hoheit fällt mir besonders jener Jüngling mit dem weißen Antlitz und den hellen Haaren auf. Er ist von großer Anmut des Leibes und ist wohl hier eingewandert, denn die Eingeborenen von Süd-Anatolien sind gewöhnlich von dunklerer Hautfarbe.“

„Ihr habt das Richtige getroffen,“ antwortete der Fürst. „Mein Diener Ibrahim ist erst vor kurzem nach Karaman gekommen. Er hat mir sogleich gefallen und Vertrauen eingeflößt, und ich habe deshalb seiner Bitte entsprochen, nicht nach seiner Abkunft zu forschen. Ein flüchtiger Verbrecher kann er unmöglich sein. Ich vermute, er stammt aus einer vornehmen Familie, und der Schleier, der augenblicklich seine Vergangenheit verhüllt, wird wohl später einmal gelüftet werden.“

„Habt Ihr an seiner Sprache nicht erkennen können, aus welchem Teile des Reichs er kommt?“

„Der Arme ist stumm,“ antwortete der Fürst, und dann wiederholte er alles, was Ali Bey schon durch seinen Bruder über den geheimnisvollen Diener am Hofe des Bey in Erfahrung gebracht hatte.

Ali Bey hörte aufmerksam zu. „Der Jüngling flößt mir große Teilnahme ein,“ sagte er, als der Fürst gesprochen hatte. „Der Fall, daß ein Mensch hören, aber nicht sprechen kann, ist selten. Ich habe mich mit Heilkunde beschäftigt und möchte meine Kunst an Ibrahim versuchen. Ich verspreche Eurer Hoheit, daß Eurem Diener kein Leid zugefügt werden soll – und vielleicht könnte ich ihm die Sprache wiedergeben, wenn er sie früher besessen hat. Wollt Ihr mir gestatten, ihn in Behandlung zu nehmen?“

„Das erlaube ich gern,“ antwortete der Bey, „und sollte es Euch gelingen, Ibrahim die Gabe der Rede zu verleihen, so würde ich Euch dankbar sein, denn ich habe ihn in mein Herz geschlossen.“

„So bitte ich Euch anzuordnen, daß Ibrahim sich heute abend eine Stunde nach Sonnenuntergang in mein Zimmer begebe.“

Zur anberaumten Zeit fand sich Murad in den Gemächern ein, die der Bey dem Abgesandten des Sultans während seines Aufenthaltes in Karaman als Wohnung angewiesen hatte. Ali Bey ging dem Eintretenden mit freundlicher Vertraulichkeit entgegen; aber der verharrte, nachdem er seinen früheren Genossen mit vollkommener Höflichkeit begrüßt hatte, in der strengen Zurückhaltung, die er einem gänzlich Fremden gegenüber angenommen haben würde, und alle Bemühungen des klugen und gutmütigen Zwerges, die frühere Vertraulichkeit wiederherzustellen, blieben erfolglos. Murad ließ Alis wiederholte Fragen, weshalb er Stambul verlassen habe, unbeantwortet; er schien die Aufklärungen, die sein ehemaliger Vertrauter ihm geben wollte, kaum zu vernehmen, seinen Rat, sich nicht dem Ingrimm des erzürnten Sultans auszusetzen, gänzlich zu überhören, und nur als Ali ihn aufforderte und zuletzt eindringlich bat, mit ihm nach Stambul zurückzukehren, wo die Prinzessin, die verlassene Gemahlin, seiner harre, gab er ein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0252.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)