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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0706.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


dumpfes Aechzen, das Klirren der vom Dache gleitenden Schindeln und das Gepolter losgebrochener Bretter, welche zu Boden fielen.

„Jesus Maria!“ stammelte Mutter Katherl. Und Michel sagte mit erstickter Stimme: „Da! Jetzt lauft er schon wieder!“

Wortlos hatte Mathes die letzte, noch brennende Fackel vom Baum gerissen, an den sie gebunden war, und eilte den anderen voraus über den Hof und auf die Scheune zu.

Das sahen sie gleich, daß die ganze, mühselige Arbeit dieses Tages völlig wieder zerstört war. Doch um in der Nacht und bei dem spärlichen Fackellicht den Schaden zu erkennen, den die Scheune genommen hatte, dazu brauchten sie längere Zeit. Schweigend, als hätte der Schreck und die Sorge sie der Sprache beraubt, gingen sie rings um den grauen Holzbau und nickten nur zu jeder bösen Entdeckung, die sie machten.

Alle Balkenwände der Scheune standen schief, das Dach war verschoben und hatte Lücken bekommen, fast von der Hälfte der Rückwand waren die Bretter niedergebrochen, und durch die klaffende Oeffnung quoll in dicken Wülsten das eingelagerte Heu.

Als sie das gesehen hatten, mußte Mathes die Fackel löschen, denn ihre Flamme war schon bis zu seinen Fingern niedergebrannt. Er drückte den qualmenden Stumpf in den Schlamm und zertrat die glühenden Kohlenftücke, damit nicht etwa ein Funke in das dürre Heu geraten könnte.

Nun standen sie wortlos in der dunklen Nacht, durch deren reine Luft die Sterne niederleuchteten, groß und mit farbigem Gefunkel.

„No ja,“ brach endlich Michel mit müder Stimme dieses bange Schweigen, „jetzt in der Nacht können wir allweil nix mehr machen! Fangen wir halt in der Früh wieder an! … Komm, Mutter! Kommts Kinder! In Gott’snamen, suchen wir halt unseren müden Schlaf …“ seine Stimme versank in Gemurmel, „wenn er sich finden lassen will … der Schlaf!“ Mit zitternden Händen fuhr er sich über die Augen und ging gebeugt und mit schweren Schritten auf das Haus zu.

Wortlos folgten ihm die anderen. Jetzt wußte auch Mathes dem Vater keinen Trost mehr zu sagen. Und hätte im Herzen des Alten noch ein Funke von Hoffnung geglommen, er hätte wohl, um einen tröstenden Zuspruch zu hören, wie sonst seinen Buben gefragt: „Mathes, was meinst? Was denkst Dir denn?“ Jetzt fragte er nicht mehr – aber er sprach es auch mit keiner Silbe aus, wie schwer ihn die Sorge vor dem kommenden Tag bedrückte. Doch als er zur Hausthür kam, legte er den Arm um den Hals seines Weibes und fragte mit einer Stimme, die ihm kaum aus der Kehle wollte: „Katherl? Möchtest net lieber mit der Vronerl über d’ Nacht ins Ort ’nunter und bei der G’vatterin schlafen? Es is ja g’nug, wenn der Mathes und ich noch bleiben!“

„Na na, Michel, net um d’ Welt!“ stammelte Mutter Katherl erschrocken und schmiegte den grauen Kopf an seine Brust. „Ich bleib schon bei Dir!“

Und Vroni nahm seine Hand. „Geh, Vaterl, wirst mich doch auch net fortschicken!“

Er drückte die beiden an sich. „Vergeltsgott! Ja! Vergeltsgott! D’ Sorg’ hat mich ’trieben, daß ich’s g’sagt hab’ … aber ein Stückl von der Seel’ hätt’s mir g’rissen, wenn ich allein hätt’ bleiben müssen! Jetzt is mir gleich wieder ein bißl leichter! Aber ’raussagen muß ich’s endlich einmal: grausen thut mir vor dem morgigen Tag! Völlig grausen! Wenn der Einzig’ net hilft, der jetzt noch was ausrichten kann, so könnt’s morgen ein bißl schlecht ausschaun um unser’ Häusl! Ja! Ein bißl gar schlecht! Unsere müden Händ’, die richten jetzt nix mehr aus!“

„Ja, mit der Arbeit hat’s ein End’,“ sagte Mutter Katherl kleinlaut, „aber beten können wir noch!“

„Hast recht, Mutter! Reden wir ein bißl mit ihm! Oder beten wir lieber wieder d’ Litanei zur guten Gottesmutter! Die hat ein’ starken Einfluß droben im Himmel… von der, mein’ ich, laßt er sich doch was sagen, wenn wir s’ in der richtigen Frömmigkeit ansprechen um ihre mächtige Fürbitt’!“ Michel blickte zum Himmel auf, als könnten ihm die funkelnden Sterne die Wahrheit seiner Worte bestätigen. Dann sagte er: „Komm, Mathes! Eh’ wir’s Beten anfangen, müssen wir noch ein Sprüngerl in’ Stall ’nein machen.“ (Fortsetzung folgt.)


Unser Totenkopfschmetterling.

In einem älteren Bande der „Gartenlaube“ – Jahrgang 1889, Nr. 26 – fand ich kürzlich über unseren Totenkopfschmetterling einen Aufsatz, dessen interessantem Inhalt meine Beobachtungen in einigen Punkten widersprechen. Da der Herr Verfasser jenes Artikels am Schluß desselben zur Veröffentlichung weiterer Wahrnehmungen aufgefordert hat, gestatte ich mir, folgendes mitzuteilen. Es ist inzwischen die interessante Frage, ob der Totenkopfschwärmer in Deutschland heimisch ist, in naturwissenschaftlichen Kreisen von neuem erörtert und im großen und ganzen bejahend beantwortet worden. Manches ist aber noch dunkel in der Lebensgeschichte dieses stattlichen Schmetterlings, der namentlich von unseren jungen Sammlern als König der Falter betrachtet wird. Nur fortgesetzte Beobachtungen können volles Licht über alle Zweifel ausbreiten und so wünschen wir, daß diese Zeilen beitragen mögen, die Naturfreunde unter den Lesern der „Gartenlaube“ zu neuen Forschungen anzuregen.

Der oben erwähnte Artikel giebt das südliche Europa, die Länder am Mittelmeer, als die Heimat von Acherontia atropos an. Dort kommt der Totenkopf in zwei Generationen vor, deren erste Ende Mai bezw. Anfang Juni, deren zweite ausgangs Juli fliegt. Nur von Weibchen der letzteren, die nach Norden versprengt worden sind, werden die in Deutschland gefundenen Raupen hergeleitet. Dieser Annahme widerspricht die Thatsache, daß ich in unserem Vaterlande häufig schon Mitte August ganz ausgewachsene Raupen, ja sogar Ende dieses Monats und anfangs September einigemal frisch geschlüpfte Falter gefunden habe. Es ist geradezu unmöglich, daß sich in einem einzigen Monat, von Ende Juli bis Ende August, die ganze Entwicklung dieses großen Schwärmers vom Ei an vollzogen haben kann.

Hiernach bin ich der Ansicht: unser Totenkopf verläßt, wie die meisten deutschen Dämmerungsfalter (Sphingiden), zwischen Mai und Juli die überwinterte Puppe, weshalb man auch die Raupen vom Juli bis September findet, gerade wie die vom Ligusterschwärmer, welcher wohl gleich dem Windig oder Windenschwärmer dem Totenkopf am nächsten steht.

Auch ich habe allerdings den Totenkopf als Falter noch niemals vor August gefunden, was für ein Zufliegen aus dem Süden zu sprechen scheint, aber hierfür als kein Beweis gelten kann, da mir in vierzigjähriger Sammelpraxis auch nur einmal ein Windenschwärmer im Juni in die Hände geraten ist. Und diesen Falter hält doch wohl niemand für einen Fremdling. Uebrigens ist seit dem Erscheinen des erwähnten Artikels in der Zeitschrist „Natur“ (Jahrg. 1894) eine Reihe von Fällen zusammengestellt worden, in welchen im Mai und Juni in Deutschland Totenkopfschmetterlinge teils im Freien gefangen, teils aus im Freien überwinterten Puppen gezogen wurden. Das seltene Vorkommen dieser Schmetterlinge in jener Jahreszeit läßt sich ungezwungen erklären. Die überwinternden Puppen dieser Falterarten sind im norddeutschen Acker zu vielen Gefahren ausgesetzt, um eine zahlreiche Frühjahrsgeneration ergeben zu können. In Süddeutschland, wo die Kleinfelderwirtschaft, die vielen Grasraine zwischen den meist terrassierten Aeckern und die vom Pfluge verschonten Stellen unter den Obstbäumen den Raupen ungestörte Verpuppungsplätze gewähren, tritt sowohl der Totenkopf wie der Windig im Herbst fast alljährlich auf. Ich habe z. B. im August 1892 und 1893 in der Nähe von Konstanz mehrfach an einem Vormittag über ein Dutzend Totenkopfraupen gesammelt, und zwar in beiden Jahren auf derselben Feldmark, was doch wohl für das Vorkommen des Totenkopfs als Standfalter sprechen dürfte. Im Juni bin ich leider nie in jener Gegend gewesen, kann also nicht sagen, ob dort auch in dieser Zeit der Falter so zahlreich vorkommt, daß man gelegentlich ein Exemplar findet. Ich möchte aber hieran nicht zweifeln, denn wiederholt haben Bekannte von mir, welche am Bodensee wohnen, aus in eiskalten Kammern überwinterten Puppen im Juni tadellose Falter erhalten. Allerdings waren diese Puppen in den mit hoher Bodenschicht versehenen Raupenbehältern in ihren natürlichen Erdhöhlen ungestört belassen worden.

Aber auch für Norddeutschland widersprechen meine Erfahrungen der vielverbreiteten Ansicht, daß vor Mitte Oktober in diesem Teile

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0706.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2024)